Garten des buddhistischen Fruchtbarkeitstempels Tawarayama Onsen (Japan)
In der Neuen Zürcher vom 2. November rezensierte Markus Schär ein neu erschienenes Buch des neuseeländischen Psychologen Steve
Stewart-Williams - The Ape that Understood the Universe; in Untertitel: How the Mind
and Culture Evolve. Gegenstand ist die beliebte Frage, ob Männer und Frauen "von Natur aus" unterschiedlich sind oder ob "alles nur Erziehung" ist. Nach einem kurzen Abriss des Aufstiegs der Gender Studies kommt er zur Sache selbst:
Der
Konstanzer Biologe Axel Meyer stiess auf wütenden Protest, als er 2015
mit seinem Buch «Adams Apfel und Evas Erbe» erklärte, «warum Frauen
anders sind als Männer». Und der Zürcher Anthropologe Carel van Schaik
zwang sich, «den Text so trocken wie möglich zu halten», als er 2016
sein Lehrbuch zu den «Primate Origins of Human Nature» herausgab, «weil
jede Aussage zum menschlichen Verhalten zu erbitterten Debatten führen
kann». Der Autor des Bestsellers «Das Tagebuch der Menschheit» wagt sich
erst in seinem nächsten Buch so locker wie in seinen Vorlesungen an die
Unterschiede zwischen den Geschlechtern – nach seiner Emeritierung.
«Die
Soziobiologen und die Evolutionspsychologen platzten wie die Stinktiere
in eine Party», so Steve Stewart-Williams. Der Neuseeländer, der nach
akademischem Globetrotten jetzt als Psychologieprofessor an der
University of Nottingham in Malaysia lehrt, stellt diese Ideen in seinem
neuen Buch, «The Ape that Understood the Universe», klar und witzig
dar, mit einem ambitiösen Ziel: «In diesem Moment in der Geschichte ist
es erstmals möglich, eine Erklärung für das menschliche Verhalten und
die menschliche Kultur zu geben, die wenigstens eine passable Chance
hat, akkurat zu sein.»
Der
Psychologe stützt sich, wie die Biologen, auf die Evolution. Und bei
der Geschlechterfrage geht er von einem Problem aus, das schon Charles
Darwin umtrieb: Warum ziert den Pfauenhahn ein prächtiges Rad, obwohl es
ihm im Überlebenskampf nur Nachteile beschert? Der Stammvater der
Evolutionslehre fand bereits die Lösung: Es gibt nicht nur die
natürliche, sondern auch die sexuelle Selektion. Bei den Pfauen wählten
die Hennen die Hähne mit den schönsten Rädern aus, weil diese stark und
gesund sein mussten, damit sie sich einen so hinderlichen Prunk leisten
konnten – die Weibchen züchteten also die Männchen nach ihrem
Wunschbild.
Welche
Qualitäten das eine Geschlecht beim anderen schätzt, hängt von der
Investition in den Nachwuchs ab. Die Weibchen müssen die Jungen
austragen und oft lange beschützen, sie brauchen also Väter, die ihnen
dabei helfen. Die Männchen dagegen können eine Vielzahl von Weibchen
begatten, dafür müssen sie sich mit Ornamenten als Erzeuger empfehlen
oder mit Waffen gegen Konkurrenten durchsetzen. Darum der Federschmuck
bei den Vögeln oder die Mähne bei den Löwen einerseits, die Geweihe bei
den Hirschen oder die grossen Eckzähne bei den Schimpansen anderseits.
Darum aber auch die breiteren Schultern oder die wilderen Triebe bei den
männlichen Menschen – zumindest sehen es die Anthropologen so.
Mit
der Evolution aufgrund der sexuellen Selektion erklären sie, was Carel
van Schaik im Lehrbuch und Steve Stewart-Williams als
Populärwissenschaft aufzeigen: Männer wählen ihre Partnerinnen aufgrund
ihrer Fruchtbarkeit aus; sie achten deshalb auf gesunde Haut und runde
Formen. Und Frauen suchen bei ihren Partnern neben der Gesundheit vor
allem Status und Ressourcen – deshalb finden, wie Axel Meyer zündelt,
auch alte, graue Männer mit Porsche noch Gespielinnen. Mit diesem Ansatz
lassen sich aber auch die Ungleichheiten begründen, die Politikerinnen
wie Simonetta Sommaruga* missfallen: Im Durchschnitt – also nicht in
jedem Fall! – interessieren sich Männer eher für Dinge und Frauen eher
für Beziehungen, kämpfen Männer härter gegen Konkurrenten und gehen
grössere Risiken ein. Deshalb erringen die Männer mehr Chefposten oder
Nobelpreise, begehen aber auch schwerere Straftaten und erleiden einen
früheren Tod.
Nicht
die Evolution habe zu diesen Unterschieden geführt, wenden die
Vertreterinnen der Gender-Studies ein, sondern die jahrtausendelange
Diskriminierung der Frauen im Patriarchat. Dagegen fragt Steve
Stewart-Williams, ob es um die Gewalt, die Untreue oder die
Abenteuerlust der Männer geht: Weshalb zeigen sich die
Geschlechtsunterschiede, wenn sie denn kulturell geprägt sind, in allen
Kulturen gleich? Und vor allem: Weshalb halten sie sich, selbst wenn die
Sozialisation, wie beim Zähmen wilder Knaben, dagegenwirkt?
Ungleich
sind die Geschlechter denn auch gerade, wenn sie – dank der
Gleichstellung der Frauen – machen können, was sie wollen. Eine Studie
im führenden Wissenschaftsjournal «Science», mit dem bei Ernst Fehr in
Zürich ausgebildeten Ökonomen Armin Falk als Lead-Autor, bestätigte
kürzlich mit einer weltweiten Erhebung einen Befund, den die
evolutionäre Psychologie schon länger kennt: je fortschrittlicher die
Länder bei der Gleichstellung, desto grösser der Geschlechterunterschied
bei der Berufswahl. Es könnte also doch vernünftige Gründe geben,
weshalb sich die Löhne von Männern und Frauen unterscheiden – selbst
wenn die Bundesrätin keine sieht.
*) Simonetta Sommaruga vertritt die Sozialistische Partei im Schweizer Bundesrat; 2015 war sie Bundespräsidentin der Schweiz.