Freitag, 14. Dezember 2018

Werden Männer nicht depressiv?

Munch, Melancholie
aus welt.de, 14. 12. 2018

„Depressionen werden bei Männern systematisch unterdiagnostiziert“

 

Manche Stereotypen halten sich hartnäckig: Demnach neigen insbesondere Frauen zu Depressionen. Ein Irrglaube – dies zeigt auch die dreimal höhere Suizidrate bei Männern. Es gibt einen Grund, warum sie durch das Diagnoseraster fallen.

Mark Hogencamp liegt schreiend auf dem Boden. „Wir müssen in Deckung gehen, wir müssen in Deckung gehen!“, ruft er panisch. Sein Gesicht ist vor Angst verzerrt, die Augen sind zugekniffen. Hogencamp leidet an Angstattacken. Er bildet sich ein, animierte Barbiepuppen zu sehen. Sie prügeln auf ihn ein, sehen aus wie Nazis. Fünf weitere Barbiepuppen erscheinen, weiblich und auf Stöckelschuhen. Mit Maschinengewehren erschießen sie die Angreifer, retten Hogencamp.

Die Szenen stammen aus dem Trailer zum Film „Willkommen in Marwen“, der Anfang 2019 ins Kino kommt. Steve Carell spielt die Hauptrolle, die Geschichte des Films ist wahr. Nach einem Barbesuch im April 2000 wird der Maler Mark Hogencamp verprügelt und erkrankt an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Als seine Versicherung die nötige Therapie nicht mehr bezahlt, flüchtet er sich in eine Fantasiewelt: das belgische Miniaturdorf Marwencol, das er in seinem Garten aufbaut. Dort durchlebt er die traumatische Erfahrung wieder und wieder und versucht, sie zu bewältigen.

Ein Mann, der an einer psychischen Störung leidet, und weibliche Helden – das ist in Mainstream-Medien ein ungewohntes Bild. Denn entsprechend dem Stereotyp sind Frauen ängstlich, schwach und traurig, Männer hingegen stark und belastbar.

Statistiken über Depressionen bei Männern und Frauen scheinen das auf den ersten Blick zu bestätigen. Es gibt eine deutliche „Gender Depression Gap“, eine Schere, die besagt, dass zwei- bis dreimal so viele Frauen wie Männer die Diagnose Depression erhalten. Doch es gibt noch eine andere Zahl: Etwa dreimal so viele Männer im Vergleich zu Frauen begehen Selbstmord. Wie passt das zusammen?

Dass Männer ein geringeres Depressionsrisiko haben, schließt Anne Maria Möller-Leimkühler, Sozialwissenschaftlerin an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie München, aus: „Es gibt keine Daten, die das biologisch oder psychologisch belegen können. Vielmehr handelt es sich um eine systematische Unterdiagnostik bei Männern“, erklärt sie. Depressionen seien keine Frauenkrankheit. Ein Faktor sei, dass Männer noch immer seltener zum Arzt gehen – trotz Aktionen wie dem „Movember“, bei der für einen Monat lang Schnurrbart-Tragen angesagt ist. Das Ziel der Bewegung: auf Themen der Männergesundheit aufmerksam machen.

Zum anderen gebe es bei der Depressionsdiagnose einen „Genderbias“, also eine Verzerrung der Wahrnehmung durch Geschlechtervorurteile: „Die Depressionsforschung wurde hauptsächlich anhand von weiblichen Probanden durchgeführt.“ Die so entstandenen Diagnosefragebögen sind eigentlich nicht auf Männer übertragbar. Denn: Häufiges Weinen und Grübeln, Selbstzweifel, Angstzustände – Symptome wie diese geben sie selten an, oft aus Scham, weil derartige Gefühle als typisch weiblich gelten. Trotz Erkrankung fallen also viele Männer durch das Diagnoseraster.
 
Suizidalität hingegen ist ein Anzeichen, das bei beiden Geschlechtern auf eine Depression hinweist. Die Rate ist bei Männern jedoch dreimal so hoch wie bei Frauen. „Der Suizidversuch bei Frauen ist ein Hilfeschrei, Männer setzen ihr Vorhaben dagegen mit härteren Methoden gezielt um. Sie haben eine deutlich stärkere Selbsttötungsabsicht, denn wenn ihnen selbst das nicht gelingt, wäre es ja peinlich“, sagt Möller-Leimkühler.


Nota. - Es berichtet eine Frau über die Forschungen einer Frau. Na so ein Zufall.
JE

Montag, 10. Dezember 2018

Kompetenz wirkt männlich.

  aus spektrum.de, 10.12.2018 

Kompetenz sieht männlich aus
Personen mit maskulineren Zügen schätzen wir offenbar auf den ersten Blick auch als fähiger ein.

von Daniela Zeibig  

Wenn wir anhand der äußeren Erscheinung die Fähigkeiten einer Person einschätzen sollen, dann gehen Kompetenz und Maskulinität offenbar Hand in Hand. Darauf deutet zumindest eine Untersuchung hin, die Forscher um DongWon Oh von der Princeton University im Fachmagazin »Psychological Science« veröffentlichten.

Die Wissenschaftler legten Versuchsteilnehmern zunächst in mehreren Experimenten Bilder von verschiedenen Gesichtern vor und baten sie darum, einzuschätzen, wie fähig die abgebildeten Personen auf den ersten Blick aussahen. Anhand der Ergebnisse entwickelten sie dann ein Modell, dass ihnen erlaubte, Fotos am Computer so zu manipulieren, dass die darauf gezeigten Menschen mal mehr, mal weniger kompetent erschienen. Diese Aufnahmen präsentierten DongWon Oh und Kollegen dann neuen Probanden. Dieses Mal ging es unter anderem darum, die Maskulinität der abgebildeten Personen zu beurteilen. Dabei entdeckten die Forscher, dass Gesichter, die so manipuliert waren, dass sie besonders kompetent aussahen, von den Versuchspersonen auch als besonders männlich eingeschätzt wurden. Zudem attestierte man den Gezeigten auch mehr Selbstvertrauen. Auch in einem Onlineexperiment betrachteten Probanden die auf Kompetenz geeichten Gesichter als eher maskulin, während die inkompetent wirkenden als femininer eingestuft wurden. Wie attraktiv die abgebildeten Personen waren, spielte dabei keine Rolle.

In einem abschließenden Versuch veränderten die Wissenschaftler schließlich männliche und weibliche Gesichter so, dass sie mal maskuliner und mal femininer wirkten. Männer sahen die Versuchspersonen dabei als umso kompetenter an, je maskuliner sie dargestellt waren. Bei den weiblichen Gesichtern galt dieser Zusammenhang ebenfalls – allerdings nur bis zu einem gewissen Punkt: Die maskulinsten Frauengesichter wurden am Ende schließlich wieder als weniger kompetent eingestuft.

»Unsere Forschung zeigt den verhängnisvollen Gender-Bias auf, der mit unserer Wahrnehmung anderer verknüpft ist«, so DongWon Oh. »Menschen mit einem maskulinen Aussehen schätzen wir als kompetent ein – und das kann unsere Führungsentscheidungen beeinflussen.« Die Ergebnisse der Wissenschaftler reihen sich damit in eine wachsende Anzahl von Studien ein, die zeigen, dass Führungsqualitäten heutzutage nach wie vor in erster Linie mit typisch männlichen Eigenschaften assoziiert werden. Doch leider sei eine kompetente Ausstrahlung eben nicht immer auch ein Hinweis auf tatsächlich vorhandene Kompetenz, sagt DongWon Oh. Die Forscher wollen deshalb als nächstes ergründen, wie sich der Effekt eventuell abmildern lässt.

Dienstag, 27. November 2018

Wir auch!

Nicht nur der Zellkern beherbergt DNA - auch in den Mitochondrien liegt ein Teil unseres Erbguts.
aus scinexx

Mitochondriale DNA: Auch vom Vater?
Erbgut aus den Zellkraftwerken wird doch nicht nur von der Mutter vererbt 

Widerspruch zur gängigen Theorie: Entgegen bisheriger Annahme kann mitochondriale DNA nicht nur von der Mutter an den Nachwuchs weitergegeben werden. Stattdessen wird dieses Genmaterial aus den Kraftwerken der Zelle in manchen Fällen offenbar auch vom Vater vererbt. Hinweise darauf haben Forscher bei mehreren Personen aus gleich drei nicht miteinander verwandten Familien gefunden. Ihre Entdeckung stellt damit ein lange Zeit gültiges Dogma der Vererbungslehre in Frage.

Der größte Teil unseres Erbguts liegt im Zellkern und wird von beiden Eltern an die Kinder weitergegeben. Neben dieser chromosomalen DNA verfügen wir jedoch über weiteres Genmaterial: Es liegt in den Kraftwerken der Zelle, den Mitochondrien. Da Spermien bei der Befruchtung in der Regel nur ihren Zellkern übertragen, stammt die mitochondriale DNA jedes Menschen aus der mütterlichen Eizelle. Das Genmaterial in den Mitochondrien wird also ausschließlich von der Mutter vererbt - so zumindest dachte man bislang.

Mitochondrien im Blick

Wissenschaftler um Shiyu Luo vom Cincinnati Children's Hospital haben nun Belege dafür entdeckt, dass mitochondriale DNA doch auch vom Vater an den Nachwuchs weitergegeben werden kann. Auf die Spur dieses unerwarteten Vererbungsmechanismus brachte das Team die DNA eines vier Jahre alten Jungen. Bei diesem kleinen Patienten bestand der Verdacht auf eine Mitochondriopathie - einer Erkrankung, die durch Mutationen im mitochondrialen Erbgut verursacht wird.

Um diesem Verdacht auf den Grund zu gehen, wurde die DNA des Jungen sequenziert und analysiert. Dabei stellte sich heraus: Ungewöhnlich viele Genvarianten lagen nur in einem Teil der Mitochondrien der Zelle mutiert vor, während dieser entsprechende Abschnitt des Erbguts in anderen Mitochondrien unauffällig war. Dieses Phänomen ist als Heteroplasmie bekannt. Das Verhältnis von normaler und mutierter DNA ist dabei entscheidend dafür, ob durch die Mutationen tatsächlich Symptome entstehen.

Von Mutter und Vater

Weil das Ausmaß der Heteroplasmie bei dem Jungen so ungewöhnlich war, nahmen die Forscher anschließend auch das mitochondriale Erbgut seiner Familienmitglieder unter die Lupe - unter anderem das der Mutter sowie der Großeltern. Bei der Mutter machten sie eine überraschende Entdeckung: Ihre von Heteroplasmie betroffenen Genvarianten ließen sich nicht durch eine ausschließlich mütterliche Vererbung erklären. Stattdessen schien sie 21 dieser Varianten von ihrer Mutter und zehn weitere von ihrem Vater geerbt zu haben.

Der Junge und seine beiden Schwestern wiederum schienen sämtliche Mitochondrien-DNA dem gängigen Schema nach von der Mutter geerbt zu haben. Handelte es sich bei der väterlichen Vererbung um einen seltsamen Einzelfall - oder war Luos Team womöglich sogar ein Fehler unterlaufen? Offenbar nein: Zusätzliche, unabhängige DNA-Analysen bestätigten das auffällige Ergebnis.

Ungewöhnlicher Vererbungsweg

Doch nicht nur das: Die Wissenschaftler wiesen dasselbe Phänomen schließlich bei weiteren Familienmitgliedern und sogar anderen Familien nach. Konkret fanden sie bei 17 Personen aus insgesamt drei unterschiedlichen, nicht miteinander verwandten Familien Belege für eine väterliche Vererbung von Mitochondrien-DNA. "Damit stellt unsere Arbeit grundsätzliche Annahmen über die mitochondriale Vererbung in Frage", schreiben sie.

Vererbung mitochondrialen Erbguts von beiden Elternteilen war bisher nur von manchen Hefearten und in Ausnahmefällen von Drosophila-Fliegen, Mäusen und auch Schafen bekannt, wie die Forscher berichten. Nun sei klar, dass dieses Phänomen ebenfalls beim Menschen vorkommt: "Die Regel ist nach wie vor die Vererbung über die Mutter. In einigen Fällen kann mitochondriales Genmaterial aber auch vom Vater an die Kinder weitergegeben werden."

Mechanismen entschlüsseln

Die Mechanismen hinter diesem ungewöhnlichen Vererbungsweg zu entschlüsseln, könnte nach Ansicht des Teams nicht nur neue Einblicke darin liefern, wie mitochondriale DNA von den Eltern an den Nachwuchs übertragen wird. "Womöglich ergeben sich daraus sogar neue Therapieansätze für mitochondriale Erbkrankheiten", schließen die Forscher. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2018; doi: 10.1073/pnas.1810946115)

(PNAS, 27.11.2018 - DAL)

Mittwoch, 14. November 2018

Zu männlich?

aus Die Presse, Wien,

Autismus:
Mangelt dem extrem männlichen Gehirn Zink?
Der defizitäre Sozialbezug hat mit Geschlechtsdifferenzen im Gehirn zu tun, das wird von einer breiten Studie bestätigt. Unklar bleibt weiter der Ursprung des Leidens, ein Verdacht richtet sich auf Zink.



„Sind Sie autistisch?“ Das fragte im Frühjahr 2017 der britische TV-Sender Channel 4 auf einer Website (zur Vorberei- tung einer Dokumentation), es folgten Tests und Fragen nach Daten zur Person. 695.000 Menschen nahmen teil, darunter 35.648, die sich als Autisten deklarierten, weil sie entsprechende Diagnosen hatten, das waren 5,45 Prozent, viel mehr als in der Gesamtbevölkerung – etwa ein Prozent –, so ganz von der Welt abgeschnitten sind die nicht, bei denen es im Kern ihres breit gefächerten Leidens um mangelnden sozialen Bezug geht, von klein auf, autistische Kinder nehmen oft selbst mit ihren Müttern keinen Augenkontakt auf.

Woher das kommt, ist völlig unklar, in den 50er-Jahren vermutete der in den USA höchst einflussreiche Österreicher Leo Kanner emotionale Defizite in der Erziehung dahinter – „Kühlschrankmütter“ –, später setzte man auf Gene und fand auch Kandidaten, aber keine zentralen. Alternativ suchte Hans Asperger, auch er Österreicher, einen Zugang über den Charakter: Von Autismus sind mehr Männer als Frauen geschlagen – zwei bis drei Mal soviel –, und in seiner Praxis als Kinderpsychiater erlebte Asperger unter Autismuspatienten viele „kleine Professoren“. Deshalb sah er hinter Autismus „das männliche Muster, ins Extrem übertrieben“: Dieses Muster fühlt sich nicht in die Welt ein, sondern will Ordnung in sie bringen, mit Regeln und Systemen.

Es geriet in Vergessenheit, zwei Theorien griffen es später auf, die vom Empathizing-Systemizing (E-S) und die vom „Extrem Male Brain“ (EMB), sie gehen davon aus, dass Frauen über mehr Empathie verfügen – Einfühlungsvermögen, intellektuelles wie emotionales – und Männer über mehr Ordnungssinn, und dass Letzterer sich bei Autismus verstärkt zeigt. Das hat sich oft bestätigt, an kleinen Samples, nun bot Channel 4 Daten in Hülle und Fülle, und Simon Baron Cohen, Autismusforscher in Oxford, nutzte die Chance und fand die Hypothesen bestätigt.

Systematisierung vs. Empathie

Und zwar auf beiden Ebenen: Die Geschlechtsdifferenz im Gehirn zeigt sich in der Gesamtbevölkerung. Und sie zeigt sich ausgeprägter bei Autisten: Je höher der in Tests gemessene Systematisierungs-Quotient (SZ) ist, desto niedriger ist der Empathie-Quotient (EQ), und desto größer ist das Risiko, an Autismus zu erkranken.

Das heißt allerdings nicht, dass Autisten jegliche Empathie fehlt: Der EQ misst das intellektuelle Einfühlungsvermögen, nicht das emotionale, über das verfügen Autisten (umgekehrt ist es bei Psychopathen). Und das heißt auch nicht, dass (nur) jeder Mann gefährdet ist: Auch Frauen können einen hohen SZ haben und einen niederen EQ. Das heißt allerdings, dass die Folgen bis in die Berufswahl reichen: Wer Stem betreibt – Science, Technology, Engineering, Mathematics –, ist stärker gefährdet (Pnas 12. 11.).

Über die Ursache des Leidens ist damit allerdings nichts gewonnen, Baron Cohen sieht zu viel männliches Sexualhormon im Uterus dahinter. Ein anderer Verdacht richtet sich länger schon gegen Zink bzw. seinen Mangel. Er wird nun von Sally Kim (Stanford) bekräftigt: Sie hat an Zellkulturen gezeigt, dass und wie Zink bei der Bildung von Synapsen – den Verbindungen zwischen Gehirnzellen – mitspielt, und zwar in der frühen Entwicklung des Gehirns (Frontiers in Molecular Neuroscience 9. 11.). „Unser Befund verbindet den Zinkgehalt in Hirnzellen mit der Entwicklung von Autismus“, schließt Kim, rät aber dringlich von vorsorglicher Selbstmedikation ab: Es gibt keine klinischen Tests an Menschen – und Zink kann auch die Gesundheit gefährden, etwa die Aufnahme von Kupfer verringern und dadurch Anämie bringen.

Freitag, 9. November 2018

Je mehr man ihn bestreitet, umso größer wird der kleine Unterschied.

Garten des buddhistischen Fruchtbarkeitstempels Tawarayama Onsen (Japan)

In der Neuen Zürcher vom 2. November rezensierte Markus Schär ein neu erschienenes Buch des neuseeländischen Psychologen Steve Stewart-Williams - The Ape that Understood the Universe; in Untertitel: How the Mind and Culture Evolve. Gegenstand ist die beliebte Frage, ob Männer und Frauen "von Natur aus" unterschiedlich sind oder ob "alles nur Erziehung" ist. Nach einem kurzen Abriss des Aufstiegs der Gender Studies kommt er zur Sache selbst: 
 
Der Konstanzer Biologe Axel Meyer stiess auf wütenden Protest, als er 2015 mit seinem Buch «Adams Apfel und Evas Erbe» erklärte, «warum Frauen anders sind als Männer». Und der Zürcher Anthropologe Carel van Schaik zwang sich, «den Text so trocken wie möglich zu halten», als er 2016 sein Lehrbuch zu den «Primate Origins of Human Nature» herausgab, «weil jede Aussage zum menschlichen Verhalten zu erbitterten Debatten führen kann». Der Autor des Bestsellers «Das Tagebuch der Menschheit» wagt sich erst in seinem nächsten Buch so locker wie in seinen Vorlesungen an die Unterschiede zwischen den Geschlechtern – nach seiner Emeritierung.

«Die Soziobiologen und die Evolutionspsychologen platzten wie die Stinktiere in eine Party», so Steve Stewart-Williams. Der Neuseeländer, der nach akademischem Globetrotten jetzt als Psychologieprofessor an der University of Nottingham in Malaysia lehrt, stellt diese Ideen in seinem neuen Buch, «The Ape that Understood the Universe», klar und witzig dar, mit einem ambitiösen Ziel: «In diesem Moment in der Geschichte ist es erstmals möglich, eine Erklärung für das menschliche Verhalten und die menschliche Kultur zu geben, die wenigstens eine passable Chance hat, akkurat zu sein.»

Der Psychologe stützt sich, wie die Biologen, auf die Evolution. Und bei der Geschlechterfrage geht er von einem Problem aus, das schon Charles Darwin umtrieb: Warum ziert den Pfauenhahn ein prächtiges Rad, obwohl es ihm im Überlebenskampf nur Nachteile beschert? Der Stammvater der Evolutionslehre fand bereits die Lösung: Es gibt nicht nur die natürliche, sondern auch die sexuelle Selektion. Bei den Pfauen wählten die Hennen die Hähne mit den schönsten Rädern aus, weil diese stark und gesund sein mussten, damit sie sich einen so hinderlichen Prunk leisten konnten – die Weibchen züchteten also die Männchen nach ihrem Wunschbild.

Welche Qualitäten das eine Geschlecht beim anderen schätzt, hängt von der Investition in den Nachwuchs ab. Die Weibchen müssen die Jungen austragen und oft lange beschützen, sie brauchen also Väter, die ihnen dabei helfen. Die Männchen dagegen können eine Vielzahl von Weibchen begatten, dafür müssen sie sich mit Ornamenten als Erzeuger empfehlen oder mit Waffen gegen Konkurrenten durchsetzen. Darum der Federschmuck bei den Vögeln oder die Mähne bei den Löwen einerseits, die Geweihe bei den Hirschen oder die grossen Eckzähne bei den Schimpansen anderseits. Darum aber auch die breiteren Schultern oder die wilderen Triebe bei den männlichen Menschen – zumindest sehen es die Anthropologen so.

Mit der Evolution aufgrund der sexuellen Selektion erklären sie, was Carel van Schaik im Lehrbuch und Steve Stewart-Williams als Populärwissenschaft aufzeigen: Männer wählen ihre Partnerinnen aufgrund ihrer Fruchtbarkeit aus; sie achten deshalb auf gesunde Haut und runde Formen. Und Frauen suchen bei ihren Partnern neben der Gesundheit vor allem Status und Ressourcen – deshalb finden, wie Axel Meyer zündelt, auch alte, graue Männer mit Porsche noch Gespielinnen. Mit diesem Ansatz lassen sich aber auch die Ungleichheiten begründen, die Politikerinnen wie Simonetta Sommaruga* missfallen: Im Durchschnitt – also nicht in jedem Fall! – interessieren sich Männer eher für Dinge und Frauen eher für Beziehungen, kämpfen Männer härter gegen Konkurrenten und gehen grössere Risiken ein. Deshalb erringen die Männer mehr Chefposten oder Nobelpreise, begehen aber auch schwerere Straftaten und erleiden einen früheren Tod.

Nicht die Evolution habe zu diesen Unterschieden geführt, wenden die Vertreterinnen der Gender-Studies ein, sondern die jahrtausendelange Diskriminierung der Frauen im Patriarchat. Dagegen fragt Steve Stewart-Williams, ob es um die Gewalt, die Untreue oder die Abenteuerlust der Männer geht: Weshalb zeigen sich die Geschlechtsunterschiede, wenn sie denn kulturell geprägt sind, in allen Kulturen gleich? Und vor allem: Weshalb halten sie sich, selbst wenn die Sozialisation, wie beim Zähmen wilder Knaben, dagegenwirkt?

Ungleich sind die Geschlechter denn auch gerade, wenn sie – dank der Gleichstellung der Frauen – machen können, was sie wollen. Eine Studie im führenden Wissenschaftsjournal «Science», mit dem bei Ernst Fehr in Zürich ausgebildeten Ökonomen Armin Falk als Lead-Autor, bestätigte kürzlich mit einer weltweiten Erhebung einen Befund, den die evolutionäre Psychologie schon länger kennt: je fortschrittlicher die Länder bei der Gleichstellung, desto grösser der Geschlechterunterschied bei der Berufswahl. Es könnte also doch vernünftige Gründe geben, weshalb sich die Löhne von Männern und Frauen unterscheiden – selbst wenn die Bundesrätin keine sieht.

*) Simonetta Sommaruga vertritt die Sozialistische Partei im Schweizer Bundesrat; 2015 war sie Bundespräsidentin der Schweiz.

Steve Stewart-Williams: The Ape that Understood the Universe. How the Mind and Culture Evolve. Cambridge University Press, Cambridge 2018. 378 S., Fr. 42.90.


Nota. - Der Fortschritt wird nach Nestroy immer kleiner statt größer, je näher man ihn anschaut. So ungezogen ist der Kleine Unterschied nicht. Der wird, wie die Natur es will, größer, je genauer man hinsieht.
JE.



 

Samstag, 27. Oktober 2018

Effeminierung.

R. Epp

Mit der allgemeinen Effeminierung des öffentlichen Lebens in der westlichen Welt ist eine Umwertung der Werte geschehen. Kommunikation und Kooperation sind als das schlechthin Positive (weil Menschliche) zum obesrten Maßstab geworden, das Sachliche muss sich rechtfertigen durch den Grad, in dem es zu Frieden, Harmonie und Nachhaltigkeit beiträgt. Dies ist der erschlichene Sieg der gruppendynamischen Sektenlehre nach einem halben Jahrhundert: Das eigentlich Sachliche ist die Bezie- hungsebene, das sogenannt Sachliche dient nur zur Täuschung.

Das nimmt langsam ein Ende. Die Effeminieruung mit ihrem Schrittmacher, dem Feminismus, war die mentale Schauseite des Siegeszuges der Angestelltenzivilisation im 20. Jahrhundert. Deren sachliche Grundlage war die fortschreitende Ersetzung der Handarbeit durch maschinelle Fertigung und das dem entsprechende Ausufern der vermittelnden, verwaltenden Funktionen in der Produktion. Seither der Aufschwung der Gruppendynamik, die der analytischen Arbeitsplatzbewertung im letzten halben Jahrhundert den Rang abgelaufen hat.

Mit der digitalen Revolution geht auch das zu Ende. Die intelligenten Maschinen verwalten sich immer mehr selbst. Die Tätig- keiten, die weiblichen Neigungen (auch bei den Männern) am besten entsprachen, fallen in der Produktion schlicht und ein- fach weg. Und Produktion, das zeigt sich nun wieder, ist eine sachliche Frage und keine Beziehungskiste. Dem entspricht es wiederum, dass über Kooperation wieder nüchterner gesprochen und geschrieben wird; siehe oben.

PS. Das Sachliche ist nicht durch Beziehungen bestimmt, sondern durch Zwecke. Die wiederum unterliegen der Kritik, und die mag nicht jedEr. (Und wo es um Zwecke geht, geht es um Machen
; Beziehung lässt sich nur erleben.)

Freitag, 26. Oktober 2018

Die Sachlichen und die Bezüglichen.


aus derStandard.at, 26. 10. 2018

Verhaltensökonom: 
Frauen kooperieren bei Sympathie, Männer immer

... STANDARD: Stimmt das Klischee, dass Männer eher zu Ellbogentaktik neigen und Frauen kooperativer sind?

Kosfeld: Eigentlich nicht. In unseren Versuchen haben wir gesehen, dass es davon abhängt, wie sympathisch das Gegen- über ist. Klar, gemeinsame Sympathie trägt zu Kooperation bei. Aber bei Frauen sinkt die Kooperation, wenn man ein- ander nicht sympathisch ist, deutlich. Den Männern ist das hingegen egal, die kooperieren immer gleich viel. Männer bevorteilen einander, indem sie schlicht Antipathie ignorieren, wenn es um Netzwerken, Beförderungen, Teamwork et cetera geht, während Frauen selektiver vorgehen. ... 

Michael Kosfeld (49) forscht am Institute of Labor Economics (IZA) und lehrt an der Goethe-Universität Frankfurt. Der Verhaltensökonom erforscht die Basis sozialer Interaktionen, die Psychologie von Anreizen und die Frage, wie Vertrauen als Schmierstoff der Gesellschaft wirkt.

Zu den Studien von Michael Kosfeld


Nota. - Wundern Sie sich noch, dass Frauen lieber über Beziehungen reden und behaupten, Männer versteckten bloß ihre Beziehungsprobleme unter Sachfragen? 

Das ist umso arglistiger, als in Beziehungs-Fragen Sachthemen immer enthalten sind. Allerdings gibt es Menschen, die auch in Sachfragen nur danach urteilen, wie ihnen ums Herze ist.
JE


 

Donnerstag, 18. Oktober 2018

Die wolln doch nur das Eine.

acces
aus welt.de, 16. 10. 18

Geld oder Liebe?
Frauen wollen Geld, Männer wollen Liebe.

... Der Wirtschaftswissenschaftler Frey hat als einer der Ersten Wirtschaftslehre und das Thema Glück in der Forschung verbunden. Frey ist Gastprofessor an der Universität Basel und Direktor eines Wirtschaftsforschungsinsti- tuts in Zürich. Zuvor war er Professor an den Universitäten Konstanz, Zürich, Chicago, Warwick und Friedrichshafen. Der Experte ist etwas überrascht von dem, was in der Forsa-Umfrage herauskam.

Die nämlich zeigt, dass deutlich mehr Frauen (63 Prozent) als Männer (51 Prozent) ein sicheres Einkommen für besonders wünschenswert halten. Umgekehrt wünschen sich erheblich mehr Männer (61%) als Frauen (45%) ein glückliches Miteinander. Frey: „Das überrascht mich total.“

Andere Erhebungen zeigten, dass Frauen sehr viel Wert auf funktionierende, glückliche Beziehungen legen würden, so Frey, weil sie stärker als die meisten Männer in private Beziehungen eingebunden seien. Denkbar: Die aktuelle Studie könnte ein Ausreißer sein – oder ein Zeichen der Zeit.


Nota. - Auch als Ausreißer wär's pikant. Ist es aber ein Zeichen der Zeit, wird es heißen "Endlich zeitigt der Feminismus auch Erfolge in der breiten Masse" - der Männer.

Bei den Frauen freilich auch.
JE

Sonntag, 7. Oktober 2018

Endlich: weibliche Astrologie!

aus Süddeutsche.de,




von Sebastian Herrmann

Die zerstörende Kraft des Männlichen offenbart sich selbst in Grünanlagen. Parks seien nichts anders als "Petrischalen einer hündischen Rape Culture", schreibt die promovierte Feministin Helen Wilson in Gender, Place & Culture, einer führenden Fachpublikation der Disziplin der feministischen Geografie. Der Begriff "hündisch" ist wörtlich zu verstehen: Die Arbeit beschreibt Rüden als chronische Vergewaltiger, Hündinnen als unterdrückte Opfer und männliche Hundehalter als Komplizen und Anstifter der vierbeinig-maskulinen Gewalttäter. Wilson zieht diesen Schluss aus Beobachtungen in Parks in Portland, Oregon, und überlegt, ob Männer künftig vielleicht wie Hunde zu dressieren seien. Der Aufsatz sollte zum 25-jährigen Bestehen des Fachjournals als eine der herausragenden Arbeiten gewürdigt werden. 

Astronomie? Eine sexistische Disziplin! Die Lösung? Feministische Astrologie

Doch da gibt es ein Problem: Der Aufsatz ist ein Fake, hinter der Autorin Wilson stecken Helen Pluckrose, James Lindsay und Peter Boghossian. Die drei Akademiker haben 20 erfundene Beiträge in angesehenen Fachjournalen aus den Bereichen der Gendertheorie, Kritischen Theorie und anderer Geisteswissenschaften eingereicht, die das Trio als "Klage-studien" bezeichnet.

Die Beiträge vertreten gewagte Thesen, die aber nicht so überzogen sind, dass sie in den entsprechenden Disziplinen als wahnwitzig auffallen: Heterosexuelle Männer sollten sich selbst anal penetrieren, um ihre Homo- und Transphobie abzubauen; Astronomie sei eine intrinsisch sexistische Disziplin und sollte um eine feministisch-queere Astrologie erweitert werden; männliche weiße Studenten sollten in Seminaren künftig angekettet auf dem Boden sitzen, um wenigstens symbolisch für historische Verbrechen zu büßen. Sieben der Aufsätze wurden von den Publikationen angenommen. Die meisten anderen befanden sich noch im Begutachtungsprozess, als das Trio sein Manöver öffentlich machte.

Die Aktion - darum geht es den Urhebern - stellt die Frage in den Raum: Was machen diese Disziplinen da eigentlich? Wie arbeiten sie? Die fabrizierten Studien unterscheiden sich nicht wesentlich von zahlreichen Arbeiten, die in ernsthafter Absicht in entsprechenden Journalen veröffentlich werden. Meist postulieren die Autoren eine Ungerechtigkeit und betrachten dann jede erdenkliche Situation als Beleg. Oft ist das keine Wissenschaft, sondern Aktivismus, der ein festgefahrenes Weltbild propagiert. Wer es aber wagt, fragwürdige Aspekte dieser Disziplinen zu kritisieren, gilt als Gegner der Gleichberechtigung, wird als Sexist, Rassist, Frauenhasser, Schwulenfeind, Transphobiker und Rechtsextremist beschimpft. Das würgt jede Debatte ab. Dabei wäre dringend darüber zu sprechen, wie diese Disziplinen arbeiten und welchen Wert wir ihren Inhalten beimessen.


Nota. - Man mag sogar fragen, ob die Berufung von Kavanaugh nicht auch was Gutes hat. Zu lange hat sich der liberale amerikanische Mainstream als amtlich beglaubigte Korrektheit aufgespielt und  aufs Krakeelen beschränkt. Doch das kann die andere Seite genauso gut. Sie sollten sich stattdessen darum kümmern, was sachlich richtig ist. Und Richtungen, die das ausdrücklich ablehnen, sollten als unkorrekt gebrandmarkt werden.

Richtig schlecht wäre gewesen, wenn er lediglich wegen einer nicht hinreichend bewiesenen Anschuldigung zu Fall gekommen wäre. Das hat schon zu lange gedauert, dass man sich in jedem erdenklichen gesellschaftlichen Bereich einen unerwünschten Mann aus dem Feld schießen kann, indem man ihn öffentlich verdächtigt. Dass das oberste Gericht in Amerika künftig etwas konservativer ist als bisher, werden sie doch hoffentlich verkraften können.
JE

Mittwoch, 3. Oktober 2018

Erst die dritte Frau...

 
...die einen Nobelpreis für Physik bekommt!

Und was ist mit den Gehbehinderten? Die haben noch gar keinen.


Ach, das finden Sie diskriminierend, dass ich Frauen mit Gehbehinderten vergleiche! 

Haben Sie was gegen Gehbehinderte?




Dienstag, 2. Oktober 2018

Physik ist politisch nicht korrekt.

Fabiola Gianotti, Alessndro Strumia
aus welt.de, 2. 10. 2018

Die renommierte Europäische Organisation für Kernforschung (Cern) bei Genf hat einen Gastforscher aus Italien nach einem Vortrag über die angebliche Untauglichkeit von Frauen in der Physik vorerst ausgeschlossen.

Alessandro Strumia von der Universität Pisa hatte bereits am vergangenen Freitag unter anderem gesagt, die Physik sei „von Männern erfunden und aufgebaut“ worden. Unqualifizierte Frauen würden heute aus politischen Gründen Posten in den Naturwissenschaften einfordern.

Strumia löste mit seinen Äußerungen Empörung aus. Das Cern beendete nun vorerst jegliche Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftler, wie das Institut in einer Erklärung mitteilte. Zuvor hatte das Cern bereits entschieden, Strumias Vortragsmaterial von der Website des Instituts zu entfernen.

Nicht Frauen, Männer würden diskriminiert

Strumia hatte bei einer Konferenz zur Rolle von Frauen in der Physik argumentiert, die Physik sei „nicht sexistisch gegenüber Frauen“. Allerdings belegten Frauen vor allem Fächer im Bereich Gender Studies – und klagten dann über einen niedrigen Frauenanteil in den Naturwissenschaften. Doch man werde nicht „durch eine Einladung“ zum Physiker, sagte Strumia.

Nach seiner Ansicht leiden vielmehr Männer unter „Diskriminierung“ in der Physik. Strumia prangerte eine „politische Schlacht“ an, deren Ausgang offen sei. Zur Untermauerung seiner Thesen zeigte er zahlreiche Diagramme, Tabellen und Grafiken. Die Präsentation war im Anschluss an den Vortrag auch online verfügbar.

Der Vortrag verärgerte insbesondere die Frauen, die persönlich an der Konferenz teilnahmen. Sie warfen Strumia in sozialen Online-Netzwerken Sexismus vor.

Das Cern reagierte am Montag und setzte die Arbeit des Gastwissenschaftlers für die Dauer einer Untersuchung der Vorwürfe „mit sofortiger Wirkung“ aus. Kurz zuvor hatte die Forschungseinrichtung die Aussagen Strumias als „äußert beleidigend“ gegenüber Frauen verurteilt.

Der Frauenanteil unter den Cern-Mitarbeitern liegt nach Angaben der Institution bei weniger als 20 Prozent. Allerdings wird die Einrichtung seit 2016 von einer Frau, der Italienerin Fabiola Gianotti, geleitet.

Am Dienstag werden wieder einer oder mehrere herausragende Physiker geehrt: Dann wird der Nobelpreis für Physik in Stockholm vergeben. Bislang erhielten erst zwei Frauen den Physik-Nobelpreis: Marie Curie im Jahr 1903 und Maria Goeppert-Mayer 1963.


Nota. -  Da fällt mir eben eine physikalische Grunderkenntnis ein: Und sie bewegt sich doch, da hilft kein Verbot.

JE



Sonntag, 16. September 2018

Der Ursprung der europäischen Kleinfamilie.

Chlodwigs Taufe
 aus welt.de, 13.09.2018
 
Was Sie über die Kleinfamilie wissen müssen
Warum denken wir beim Wort Großfamilien häufig an Clans? Das liegt daran, dass im alten Frankenreich unsere Gesellschaft für immer verändert wurde: Durch das fränkische Familienmodell. 

 

Chlodwig I. hat uns das alles eingebrockt. Der Sohn Childerichs gilt als Begründer des Frankenreichs, das im Wesentlichen das ehemalige römische Gallien und etliche rechtsrheinische germanische Gebiete umfasste. Deutschland und Frankreich sind daraus hervorgegangen. 

Abschied vom Clan

Noch folgenreicher war aber, dass im Frankenreich die Kleinfamilie erfunden wurde. Chlodwig ließ sich irgendwann katholisch taufen. Von da an war Gott in Frankreich. Und mit der Großfamilie, also einem Sippenverband, der deutlich weitere Verwandtschaftsverhältnisse umspannte als nur Vater, Mutter, Kinder, ging es in Zentraleuropa bergab. Noch im Römischen Reich war das Familienleben auf den Pater Familias zugeschnitten, der Herr über Leben und Tod der Hausgemeinschaft war. Verwandtschaftsgruppen wurden über männliche Abstammungslinien konstruiert. So ist es in allen Gesellschaften, die auf Clanstrukturen beruhen.

Der Historiker Bernhard Jussen, Autor einer Geschichte der Franken, begründet den fundamentalen und lang nachwirkenden Wandel in der Ehe- und Gesellschaftsordnung: Hier wichen innerhalb weniger Generationen patriarchalische Verwandtschaftsstrukturen „einem bilateralen Verwandtschaftssystem, das gleichermaßen mütterliche wie väterliche Verwandte berücksichtigte“. 

Innerhalb dieses Systems wurden durch die Kirche Verwandtenheiraten verboten, wie sie in Clans zur Stabilisierung üblich sind. Der Verwandtschaftsbegriff wurde dabei sehr eng definiert. Das führte zu einer Konzentration auf die Kleinfamilie aus Vater, Mutter, Kindern. Es entstand die gattenzentrierte Familie; die Pflichten gegenüber Schwestern, Brüdern, Vettern, Kusinen und noch weitläufigeren Verwandten schwächten sich. 

„Sie gefällt dir also, meine Schwester?“

Der andere Grund für das Verschwinden der Clans im Frankenreich liegt für Jussen in der fränkischen Grundherrschaft. Bei den Franken bewirtschaftete den einen Teil des Landes der Grundherr. Der andere wurde unter Bauernfamilien aufgeteilt, die dafür Abgaben oder Dienste auf dem Hof des Grundherrn leisteten. Das aber bedeutete, dass die einzelnen Parzellen oder Hufen von Mann und Frau und ihren Kindern und gegebenenfalls wenigen Mägden und Knechten bewirtschaftet wurden und nicht von Clans oder Großfamilien. Diese hatten ihren ökonomischen Sinn verloren.

Das fränkische Familienmodell hat sich dann auch in Ländern des Abendlandes durchgesetzt. Nur an den Rändern des lateinischen Europas blieben Clanstrukturen bestimmend: Sizilien, Schottland, Korsika. Der Satz: „Sie gefällt dir also, meine Schwester?“, der in „Asterix auf Korsika“ als verkappte Morddrohung ausgesprochen wird, ist Ausdruck eines typisch großfamiliären Ehrenkodexes.


Nota. - Im Römischen Reich war die Kirche dem Staat untergeordnet und hat nie nach mehr gestrebt. Die Völkerwande- rung überstand sie als alleinige Erbin der antiken Zivilisation; und nicht nur als Bildungsmacht: Das Netz der Bischofs- sitze war die einzige politische Infrastruktur, die überlebte. Für Chlodwigs Reich war sie nicht allein eine einflussreiche Verbündete, sondern eine Patin und Protektorin. Indem sie im Herrschaftsbereich der Franken und den germanischen Stämmen den Glauben verbreitete, festigte sie die moralische Autorität des Königs - und sanktionierte die neu entste- hende Feudalordnung.
JE

Donnerstag, 6. September 2018

Männliche Arroganz.

 
337. Arrogant ist, wer Sinn und Karakter zugleich hat, und sich dann und wann merken läßt, daß diese Verbindung gut und nützlich sey. Wer beydes auch von den Weibern fodert, ist ein Weiberfeind.
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(Friedrich Daniel Schleiermacher) Athenäum, Ersten Bandes Zweytes Stück. Berlin 1798, S. 99




Mittwoch, 5. September 2018

Großer Geschlechtsunterschied im Gehirn entdeckt.

Die Mikroglia (pink) dient dem Gehirn unter anderem als eine Art Müllabfuhr.
aus scinexx                                                                Die Mikroglia (pink) dient dem Gehirn unter anderem als eine Art Müllabfuhr.

Überraschender Geschlechtsunterschied im Gehirn
Mikroglia-Zellen verhalten sich bei Männern womöglich anders als bei Frauen

Das Geschlecht macht den Unterschied: Die Immunzellen des Nervensystems agieren bei Männern anders als bei Frauen. Darauf deutet nun zumindest eine Studie mit Mäusen hin. Demnach verfügten männliche Tiere nicht nur über mehr und größere dieser sogenannten Mikroglia-Zellen. Auch die Aktivität und die Anfälligkeit der Zellen unterschied sich abhängig vom Geschlecht. Bestätigen sich die Ergebnisse beim Menschen, könnte dies Auswirkungen auf die Erforschung und Behandlung zahlreicher neurologischer Erkrankungen haben.

Die sogenannten Mikroglia-Zellen sind die Immunzellen unseres Nervensystems. Wie eine winzige Armee überwachen sie kontinuierlich den Gesundheitszustand des Gehirns. Bemerken sie ein Problem, begeben sie sich umgehend zum Katastrophenherd um dort beispielsweise Zelltrümmer aufzuräumen oder Krankheitserreger zu beseitigen.


Mehr und größere Zellen 

Wie sich nun zeigt, gehen sie dabei jedoch nicht immer gleich vor: Das Verhalten der Mikroglia unterscheidet sich offenbar abhängig vom Geschlecht. Zu dieser überraschenden Erkenntnis sind Wissenschaftler um Dilansu Guneykaya von der Berliner Charité bei der Untersuchung von Mäusegehirnen gelangt. Für ihre Studie analysierten sie Hirnschnitte und isolierte Zellen der Nager, um mehr über die Struktur und Funktion der Mikroglia herauszufinden. "Dabei stellte sich heraus, dass es in den Gehirnen männlicher Mäuse mehr Mikroglia gibt", berichtet Mitautorin Susanne Wolf vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin. Zudem seien die Zellkörper der männlichen Immunzellen deutlich größer gewesen. Diese Auffälligkeiten brachten die Forscher auf die Idee, nach weiteren Unterschieden zwischen männlichen und weiblichen Zellen zu suchen. 

Anderes Verhalten

Unter anderem ermittelten sie, welche Gene in den Mikroglia jeweils aktiv sind und welche Proteine aus ihnen gebildet werden. "Wir sind dabei auf mehr als 1.000 Gene und 300 bis 400 Proteine gestoßen, die bei den Geschlechtern unterschiedlich reguliert sind", sagt Wolf. Viele von ihnen seien in den männlichen Mikroglia-Zellen aktiver - zum Beispiel solche, die an der Herstellung von Abwehrmolekülen beteiligt sind.

Dem Forscherteam zufolge zeichnete sich ab, dass die männlichen Zellen aufgrund dieser Unterschiede anders agieren als die weiblichen. Demnach ist die Mikroglia männlicher Tiere immer in Hab-Acht-Stellung und reagiert im Ernstfall entschiedener. Schon im Ruhezustand lässt sich beispielsweise an den Membranen der männlichen Zellen eine höhere Spannung nachweisen. Außerdem produzieren sie als Reaktion auf bestimmte Botenstoffe mehr Proteine.

Draufgängertum als Nachteil

Der Nachteil dieser ständigen Alarmbereitschaft: Die männlichen Mikroglia-Zellen sind schneller erschöpft und auch anfälliger als die weiblichen. "In den weiblichen Zellen sind Proteine und Gene, die für den Schutz der Zellen zuständig sind, aktiver", erläutert Wolf. "In den männlichen Zellen hingegen sehen wir eine erhöhte Aktivität bei Genen, die den programmierten Zelltod einleiten." Das bedeute, dass männliche Mikroglia schlechter vor Umwelteinflüssen geschützt seien und schneller bereit dazu, das zelluläre Suizidprogramm zu starten.
 


Welche Folgen aber hat das? "Italienische Forscher konnten vor kurzem bereits nachweisen, dass die Zellen männlicher Mäuse mit einem künstlich ausgelösten Schlaganfall schlechter zurechtkommen als die Mikroglia weiblicher Tiere", sagt Wolf. Demnach scheint sich das draufgängerische Wesen der männlichen Zellen nicht in jedem Fall bezahlt zu machen.

"Nicht ausreichend berücksichtigt"

Diese Unterschiede und die damit verbundenen Konsequenzen müssten in der Forschung viel stärker berücksichtigt werden, fordert das Team. "Schon im Jahr 2010 haben Wissenschaftler kritisiert, dass in neurowissenschaftlichen Studien viel mehr männliche als weibliche Tiere verwendet werden - und dass dies zu verzerrten Ergebnissen führen kann", konstatiert Guneykaya. "Unsere Studie bestätigt diese Vermutung nun ganz klar: Die Gehirne beider Geschlechter agieren sehr unterschiedlich."

Aktuell sind die Forscher dabei, ihre Experimente mit menschlichem Gehirnmaterial zu wiederholen. Erst dann wird sich zeigen, ob die nun beobachteten Unterschiede auch beim Menschen zu finden sind - und was das konkret bedeutet. Grundsätzlich ist aber schon jetzt klar, dass die Gehirne von Männern und Frauen mitunter anders reagieren, wie Wolf betont.
 

Dies zeige auch die Tatsache, dass neurologische Leiden abhängig vom Geschlecht unterschiedlich häufig sind. "Die Unterschiede sind da, werden aber bei der Behandlung noch nicht ausreichend berücksichtigt", schließt die Forscherin. (Cell Reports, 2018; doi: 10.1016/j.celrep.2018.08.001)

(Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft, 05.09.2018 - DAL)


Nota. - Dass Männer in ständiger Alarmbereitschaft stehen, während Frauen den Ruhezustand bevorzugen, ist ein uraltes Klischee."Im Jahrtausende alten Patriarchat eingeübt", sage Feministen und Genderologen gleicher- maßen. Uralte Lebenserfahrung des Menschen, entgegnet die Wissenschaft.


Beachte: Es handelt sich nicht um einen Unterschied bei der einen oder andern Funktion des Gehirns, sondern um einen Unterschied des Funktionierens überhaupt.
JE

Mittwoch, 29. August 2018

Die ewige Unreife des Mannes.



274. Das Weib erfüllt, der Mann verheisst.

Durch das Weib zeigt die Natur, womit sie bis jetzt bei ihrer Arbeit am Menschenbilde fertig wurde; durch den Mann zeigt sie, was sie dabei zu überwinden hatte, aber auch, was sie noch Alles mit dem Menschen vorhat. — Das vollkommene Weib jeder Zeit ist der Müssiggang des Schöpfers an jedem siebenten Tage der Cultur, das Ausruhen des Künstlers in seinem Werke.

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 Nietzsche, Menschliches Allzumenschliches Bd II, N° 274


Montag, 20. August 2018

SheToo?


Was immer da gewesen ist - für das, was ihr jetzt passiert, hat sie selbst die #Tore geöffnet.





Freitag, 17. August 2018

Männer sehen schneller als Frauen.

Männer erfassen Bewegung schneller als Frauen.
aus DiePresse.com,

Warum nur sehen Männer schneller?
Autismusforscher stießen durch Zufall auf eine Geschlechterdifferenz in der Wahrnehmung der Umwelt



Männer und Frauen unterscheiden sich nicht nur äußerlich, die Differenzen reichen tief ins Gehirn, etwa bei der Orientierung im Raum, da tun Männer sich leichter. Mit einer Ausnahme: Auf Märkten steuern Frauen blind die Stände an, an denen sie früher gut bedient worden sind. In dieser Spezifität der Geschlechter schlägt das Erbe der Jäger und Sammler durch: Männer mussten den Weg zur Beute finden und den wieder zurück. Ihn traten sie oft mit leeren Händen an, den Grundbedarf sicherten Frauen mit Früchten und Wurzeln, sie mussten sich erinnern, wann und wo diese reif waren.

Diese Geschlechterdifferenz ist also der Kultur geschuldet, bei vielen anderen Unterschieden hat die Natur das Sagen: Frauen werden fünf Mal so häufig von Depressionen getroffen, unter Autismus hingegen leiden zehn Mal so viele Männer. Simon Baron-Cohen (Cambridge) vermutet, es läge an den hohen Dosen des Sexualhormons Testosteron, mit denen männliche Embryos im Uterus ausgestattet werden, das bringe ein „extrem männliches Gehirn“, das alles in der Welt systematisieren wolle.

Wie auch immer, der Unterschied ist da. Autisten beiderlei Geschlechts haben hingegen gemeinsam, dass sie Bewegun- gen in der Umwelt rascher erfassen. Das zeigt sich etwa in Tests, in denen auf schwarze und weiße Streifen auf Compu- terscreens reagiert werden muss, die rasch von links nach rechts oder in die Gegenrichtung wandern. Mit diesem Test und bildgebenden Verfahren wollte Scott Murray (Seattle) erkunden, was in Gehirnen von Autisten vor sich geht. Aber im Vergleich mit Nichtautisten zeigten die bildgebenden Verfahren keine Unterschiede, man hatte sich auf gängige Hirnare- ale konzentriert, die Differenz muss anderswo hausen.

Frauen: 25 bis 75 Prozent langsamer

Stattdessen fiel Murray „völlig zufällig“ etwas anderes auf: Wegen des männerspezifischen Risikos für Autismus hatte er auf das Geschlecht der Testpersonen geachtet und dabei auch innerhalb der Nichtautisten einen Unterschied im Erfassen der Bewegung der Streifen bemerkt: Männer waren rascher, Frauen brauchten 25 bis 75 Prozent länger (Current Biology, 16. 8.).

Wie das zugeht, ist unklar, eine Folgerung hingegen liegt nahe: „Geschlechtsunterschiede können sich unerwartet zeigen“, schließt Murray, „aber sie weisen auf die Bedeutung des Geschlechts beim Design und der Analyse von Studien der Wahrnehmung und Kognition.“


aus scinexx

... Die Wissenschaftler vermuten, dass bestimmte Prozesse, die normalerweise die neuronale Aktivität herunterregulieren, bei diesen Krankheitsbildern gestört sind – und dass diese Prozesse bei Männern grundsätzlich schwächer ausgeprägt sind. Bei der Suche nach einer Erklärung für den beobachteten Wahrnehmungsunterschied wurden sie jedoch nicht fündig: "Im funktionellen MRT lassen sich die Unterschiede nicht abbilden", schreibt das Team.

Klar scheint: Die visuelle Verarbeitung unterscheidet sich zwischen den Geschlechtern. Welche Unterschiede im Gehirn dafür verantwortlich sein könnten, das müssen Murray und seine Kollegen jedoch erst noch herausfinden. Die Antwort kann dann womöglich auch eine andere Frage klären, hoffen die Forscher: Warum ist Autismus bei Männern so viel häufiger als bei Frauen? (Current Biology, 2018; doi: 10.1016/j.cub.2018.06.014)



Nota. -  Na, eine flach auf der Hand liegende Erklärung wäre ja: Die Beute der Jäger bewegt sich, und meist viel schneller als sie selbst; Wurzeln und Früchte dagegen halten still. Das wäre freilich auch der Kultur geschuldet und nicht - jedenfalls nicht unmittelbar - dem Testosteron.

Was allerdings das Testosteron mit einem vorgeblichen männlichen Hang zum Systematisieren zu tun haben soll, wüsste ich doch gern. Inwiefern das Systematisieren für Autismus kennzeichnend sein soll, verstehe ich auch nicht.
JE