Donnerstag, 27. August 2020

Mannsein ist ein Risiko.

legarage
aus scinexx

Alzheimer:
Warum es Männer oft schwerer trifft 
Zusätzliches X-Chromosom könnte den Hirnabbau bei Frauen bremsen

Die Geschlechtschromosomen könnten erklären, warum Alzheimer bei Männern oft stärker voranschreitet. Genetischer Nachteil: Bei Männern schreitet Alzheimer meist schneller voran und sie sterben häufiger daran. Eine mögliche Erklärung dafür liefert nun das zweite X-Chromosom der Frauen. Denn auf diesem liegt ein Gen, das den geistigen Abbau bremsen kann, wie Forscher herausgefunden haben. Weil Frauen davon die doppelte Portion besitzen, ist ihr Gehirn besser geschützt. Männer dagegen haben nur ein X-Chromosom und produzieren weniger von diesem Protein.

Die Alzheimer-Demenz ist die häufigste neurodegenerative Erkrankung im Alter. Trotzdem sind bislang weder ihre Ursachen geklärt, noch gibt es ein Heilmittel. Bekannt ist aber, dass es geschlechtsspezifische Unterschiede gibt: Frauen erkranken wegen ihrer längeren Lebenserwartung zwar häufiger an Alzheimer, dafür schreitet der geistige Abbau bei ihnen langsamer und weniger aggressiv voran als bei Männern.

„Unsere Metanalyse hat ergeben, dass Männer gegenüber Frauen ein um 62 Prozent höheres Risiko haben, an Alzheimer zu sterben“, berichten Emily Davis von der University of California in San Francisco und ihre Kollegen. Aber warum?

Liegt die Ursache bei den Geschlechtschromosomen?

Auf der Suche nach einer Ursache haben Davis und ihr Team sich den prominentesten genetischen Unterschied zwischen Männern und Frauen angeschaut: die Geschlechtschromosomen. Während Frauen zwei Kopien des X-Chromosoms besitzen, haben Männer statt des zweiten X nur ein stark reduziertes Y-Chromosom. Zwar wird eines der beiden X-Chromosomen in den weiblichen Zellen weitgehend deaktiviert, man weiß jedoch, dass einige Proteincodes dennoch abgelesen werden.

Könnte hier eine Erklärung für die unterschiedliche Anfälligkeit der Geschlechter gegenüber Alzheimer liegen? Um das herauszufinden, führten die Wissenschaftler Versuche mit einem Stamm von Alzheimer-Mäusen durch, bei denen die Geschlechtszuordnung genetisch manipuliert war. „Das ermöglichte es uns, XX und XY-Mäuse zu erzeugen, die unabhängig von ihrer Genausstattung entweder weibliche oder männliche Geschlechtsmerkmale aufwiesen“, erklären sie.

Ähnlich wie Menschen mit Alzheimer-Demenz entwickeln auch diese Mäuse im Alter eine fortschreitende Demenz, ausgelöst durch mit Abbauprozessen im Gehirn und die Ablagerung zellschädigender Amyloid- und Tau-Proteine.

Das zweite X schützt

Als die Forscher diese Mäuse Gedächtnistests unterzogen, zeigte sich: Unabhängig vom körperlichen Geschlecht entwickelten die Mäuse mit dem XY-Gentyp deutlich schwerwiegendere geistige Defizite als ihre Artgenossen mit zwei X-Chromosomen. Es fiel ihnen schwer, sich die Lage einer unter Wasser versteckten Plattform zu merken und selbst einen Elektroschock als Abschreckung in einem Testraum behielten sie nicht im Gedächtnis. Die Mäuse mit nur einem X-Chromosom starben auch früher an ihrer Demenzerkrankung.

Interessant auch: Obwohl die XX- Mäuse ähnlich viele Amyloid-Proteine in ihren Gehirnen bildeten wie ihre Artgenossen mit nur einem X-Chromosom, schritt ihr geistiger Abbau weniger schnell voran. Das war auch dann der Fall, wenn die Forscher den XY-Mäusen ein weiteres, zusätzliches X-Chromosom verliehen: Die Präsenz eines zweiten X-Chromosoms bewahrte sie vor den negativen Folgen der Alzheimer-Erkrankung. Umgekehrt verschlechterte sich der Zustand bei XX-Mäusen, wenn ihnen ein X-Chromosom genommen wurde.

„Diese Ergebnisse legen nahe, dass die Geschlechtschromosomen eine Rolle für die Ausprägung von Alzheimer spielen“, so Davis und ihr Team.

Widerstandsfähiger durch mehr KDM6A-Protein

Aber wie? Um das herauszufinden, schauten sich die Forscher ein Gen genauer an, das auf dem X-Chromosom liegt: c. Von diesem Gen ist bereits bekannt, dass es eine wichtige Rolle für die Plastizität des Gehirns und das Lernen spielt. Ist es defekt, entwickeln Menschen und Mäuse Lernstörungen und geistige Defizite. Gleichzeitig aber gehört dieses Gen zu den Erbgutteilen, die beim zweiten X-Chromosom der Frauen nicht vollständig deaktiviert werden.

Der Verdacht der Wissenschaftler: Möglicherweise produzieren Frauen eine höhere Dosis des KDM6A-Proteins in ihren Gehirnzellen und sind deswegen widerstandsfähiger gegenüber Alzheimer. Ein Vergleich der Genaktivität bei gesunden und demenzkranken Menschen bestätigte dies: Frauen haben in ihrem Gehirn einen höheren Gehalt dieses Proteins als Männer. Ähnliches galt für die XX-Mäuse.

Potentere Genvariante bremst Demenz

Und noch etwas ergaben die Vergleiche: Zusätzlich zur doppelten Portion des KDM6A-Gens besitzen Frauen auch häufiger eine besonders aktive Variante davon. Sie kommt bei rund 13 Prozent der Frauen und sieben Prozent der Männer weltweit vor, wie Davis und ihr Team berichten. Und auch die Träger dieser Genvariante scheinen dem geistigen Abbau durch die Alzheimer-Demenz länger widerstehen zu können

In ihren Versuchen mit Mäusen überprüften die Wissenschaftler die Schutzwirkung dieses Gens, indem sie es bei ihren XX-Mäusen gezielt ausschalteten. Das Ergebnis: Die Tiere mit deaktiviertem KDM6A-Gen zeigten einen ähnlich schnellen geistigen Abbau wie ihre XY-Artgenossen. Umgekehrt milderte eine Überaktivierung dieses Gens bei den XY-Mäusen deren Demenzerscheinungen und machte sogar einen Teil ihrer geistigen Defizite wieder rückgängig.

„Damit enthüllt unsere Studie eine neue Rolle der Geschlechtschromosomen bei Alzheimer“, konstatieren die Forscher. Demnach könnte das doppelte X-Chromosom erklären, warum die Alzheimer-Demenz bei Frauen langsamer voranschreitet als bei Männern: Sie produzieren mehr schützendes KDM6A.

„Diese Schutzwirkung des X-Chromosoms und des KDM6A eröffnet nun die Chance, die Widerstandsfähigkeit gegen Alzheimer und andere neurodegenerative Erkrankungen zu erhöhen – beispielsweise indem wir die Produktion des KDM6A-Proteins bei Männern wie Frauen gezielt erhöhen“, sagen Davis und ihre Kollegen. Vorher müssen allerdings noch viele ergänzende Fragen geklärt werden. (Science Translational Medicine, 2020)


Quelle: University of California – San Francisco
27. August 2020
- Nadja Podbregar

 

 

Freitag, 7. August 2020

Gerechte Sprache, wohin sie gehört!

In der gestrigen FAZ schrieb der Mitherausgeber über das jüngste Fettnäpfchen der Mitvor-sitzenden der SPD, Saskia Esken:

... Und auch die Lästerei über die „Covidioten“ brachte ihr von allen Seiten Kritik ein, sogar von links. Denn auf der Berliner Demo gegen die Corona-Weltverschwörung sollen auch pro-gressive Kräfte mitmarschiert sein, vielleicht sogar SPD-Mitglieder, jedenfalls ehemalige.

Wir halten aber noch aus einem anderen Grund „Covidioten“ für eine sprachliche No-go-area. Hat Frau Esken noch nie etwas von gendergerechter Sprache gehört? Sie hätte doch „Covidi-ot*innen“ schreiben und beim Aussprechen eine Pause im Wort machen müssen, wie man sie jetzt auch im Deutschlandfunk hört – oder eben nicht hört, weil dann ja eine Sendepause ge-macht wird.

So aber muss man sich jetzt als Mann diskriminiert vorkommen. Auf den Bildern, die wir vom Berliner Marsch für das Recht auf unbeschränkten Unsinn sahen, waren eindeutig auch Frauen zu erkennen. Das von Esken ausgelassene Gendersternchen kann also bloß bedeuten, dass für sie nur die demonstrierenden Männer Idioten waren. Wir wüssten nun doch gerne, was der Quotenmann in der SPD-Spitze dazu sagt. Der schwieg aber schon zur Corona-Party in Berlin so ausdauernd wie unser*e Bundeskanzler*in. Was macht die/der/das eigentlich?

 

 

Y hält stand.

aus scinexx

Y-Chromosom stirbt doch nicht aus

Kontrollfunktion für die Meiose könnte das männliche Geschlechtschromosom unverzichtbar machen

Klein, aber oho: Das männliche Geschlechtschromosom gilt als bloßes Relikt – und als langfristig dem Untergang geweiht. Doch nun liefern Forscher ein entscheidendes Argument dafür, warum das kümmerliche Y-Chromosom unverzichtbar sein könnte: Auf ihm liegen Gene, ohne die die Reifeteilung der Zellen – die Meiose – nicht funktioniert. Der Clou dabei: Dieser Kontrollprozess ist so angelegt, dass diese Gene nicht auf andere Chromosomen umgelagert werden können.

Das Y-Chromosom der Männer ist im Vergleich zum weiblichen X-Chromosom eher kümmerlich: Im Laufe der Evolution hat es fast 90 Prozent seiner Erbinformation verloren. Es ist nur ein Drittel so groß und enthält gerade einmal ein Fünftel so viele Gene wie sein weibliches Gegenstück. Dennoch ist das Y-Chromosom entscheidend, denn erst seine Gene machen den Mann zum Mann. Aber auch einige darüber hinaus wirksame Kontrollgene liegen auf diesem Chromosom.

Wird das Y-Chromosom verschwinden?

Doch wie weit geht die drastische Schrumpfung des Y-Chromosoms? Einer populären Theorie zufolge könnte das „Männerchromosom“ sogar schon in wenigen Millionen Jahren aussterben. „Das Y-Chromosom hat zwar momentan eine wichtige Funktion für die Geschlechtsausprägung und die Spermienproduktion“, erklärt Paul Waters von der University of New South Wales in Sydney. „Aber wenn diese Gene woanders hin verlegt würden, wäre dies sein Ende.“

Ein solcher Gentransfer vom männlichen Geschlechtschromosom auf die restlichen Chromosomen ist immerhin bereits seit rund 165 Millionen Jahren im Gange. Zwar hat sich der Genverlust durch einen solchen Transfer in den letzten Millionen Jahren stark verlangsamt. Studien legen aber nahe, dass das Tempo dieses Gentransfers auch in der Vergangenheit häufiger schwankte und teilweise in Schüben ablief.

Ist das Y-Chromosom demnach dem Untergang geweiht?

Entscheidend für die Meiose

Ein Argument dagegen liefern nun Waters und seine Kollegin Aurora Ruiz Herrera von der Universität Barcelona. Denn wie sie erklären, könnte das Y-Chromosom eng mit einem der fundamentalen Prozesse der Zellbiologie verknüpft sein: der Zellteilung bei der Meiose. In dieser wird der normalerweise doppelte Chromosomensatz der Körperzellen halbiert, um so die Keimzellen – Spermien und Eizelle – zu schaffen.

„Unserer Hypothese nach kann das Y-Chromosom nicht aussterben, weil es Exekutions-Gene trägt, die für den erfolgreichen Ablauf der Meiose entscheidend sind“, sagt Waters. Diese Zfy-Gene sorgen dafür, dass beide Geschlechtschromosomen bei einem bestimmten Schritt der Meiose deaktiviert werden. Geschähe dies nicht, würden ihre Genprodukte die Zellteilung stören und zum Tod der Zelle führen. „Dass die Y-Chromosomen diese meiotische Inaktivierung der Geschlechtschromosomen steuern, ist schon seit Jahren bekannt“, erklärt Ruiz-Herrera.

Richter, Jury und Henker zugleich

Das Entscheidende jedoch: Diese Deaktivierung der Geschlechtschromosomen darf auch nicht zu lange anhalten. Das ganze fein ausbalancierte System der Meiose funktioniert nur, weil die Zfy-Gene sich durch dieses Stummschalten des Y-Chromosoms auch wieder selbst ausschalten. Bleiben sie aktiv, kommt es ebenfalls zum Tod der Zelle, wie Versuche mit genveränderten Mäusen gezeigt haben.

„Diese Gene agieren damit als ihre eigenen Regulatoren – sie sind sozusagen Richter, Jury und Henker zugleich“, sagt Ruiz-Herrera. Das aber bedeutet: Nur wenn dieses Gen auf einem der Geschlechtschromosom liegt, kann es seine Funktion korrekt ausüben. Wird es dagegen auf ein „normales“ Chromosom umgelagert, fehlt die Selbstausschaltung und die Zelle geht zugrunde.

„Die Männer können aufatmen“

Nach Ansicht von Waters und Ruiz-Herrera hat dieses komplexe System das Y-Chromosom vor dem Aussterben bewahrt und wird dies auch in Zukunft weiter tun. „Es gibt einen starken evolutionären Druck, das Y-Chromosom zu erhalten“, konstatieren sie. Denn die einzige andere Alternative wäre eine Übertragung der Zfy-Gene auf das X-Chromosom – aber solche Transferereignisse haben in der Evolution bislang nur in Ausnahmefällen stattgefunden.

„Das Y-Chromosom der Säugetiere gilt oft als Symbol der Männlichkeit“, sagt Ruiz-Herrera. „Jetzt können alle Männer aufatmen: Das Y wird dem Schicksal des Verschwindens entgehen – es wird erhalten bleiben.“ (Trends in Genetics, 2020; doi: 10.1016/j.tig.2020.06.008)

Quelle: Cell Press