Freitag, 27. September 2019

Selbst bei Parkinson ist der Unterschied nicht klein.

Mann Frau
aus scinexx

Parkinson: Bei Frauen und Männern anders
Neurodegenerative Erkrankung verläuft je nach Geschlecht unterschiedlich
Geschlechtsspezifischer Unterschied: Parkinson verläuft bei Männern offenbar anders als bei Frauen. Wie Forscher berichten, unterscheiden sich sowohl die motorischen Symptome als auch andere Beschwerden der Erkrankung abhängig vom Geschlecht. Doch nicht nur das: Auch in Sachen Risikofaktoren und Therapieerfolg scheint es Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Patienten zu geben.

Parkinson ist die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung nach Alzheimer. Zittrige Hände, steife Muskeln und verlangsamte Bewegungen gehören zu den typischen Symptomen dieses durch den Niedergang Dopamin-produzierender Nervenzellen im Gehirn gekennzeichneten Leidens. Häufig kündigt sich die Krankheit zunächst jedoch durch andere, unspezifische Beschwerden an. Schon Jahre vor den ersten charakteristischen Symptomen leiden viele Patienten etwa unter Schlafstörungen, Beeinträchtigungen des Geruchssinns oder Magen-Darm-Problemen.

Unterschiedliches Erkrankungsrisiko

Allerdings zeichnet sich zunehmend ab: Wie sich Parkinson äußert, ist auch eine Frage des Geschlechts. „Inzwischen häufen sich die Hinweise darauf, dass sich die Parkinson-Erkrankung bei Frauen und Männern unterscheidet“, erklärt Fabio Blandini von der IRCCS Mondino Stiftung in Pavia. Auch von anderen Krankheitsbildern wie Infektionen ist bekannt, dass sie sich abhängig vom Geschlecht unterschiedlich manifestieren können.

Blandini und seine Kollegen um Erstautorin Silvia Cerri haben sich den geschlechtsspezifischen Differenzen bei Parkinson nun näher gewidmet. Klar war bereits, dass Männer doppelt so oft an Parkinson erkranken wie Frauen, die Erkrankung beim weiblichen Geschlecht dafür aber meist schneller das Endstadium erreicht. Um mehr herauszufinden, werteten die Forscher unterschiedliche Studien aus und fassten dann den aktuellen Wissensstand zu diesem Thema zusammen.

Symptomatik und Risikofaktoren hängen bei Parkinson auch vom Geschlecht ab. 
 
Frauen zittern früher, Männer gehen krumm 
 
Die Ergebnisse zeigen: Bei weiblichen und männlichen Parkinson-Patienten verläuft die Erkrankung unter anderem im Hinblick auf die motorischen Beschwerden anders. Insgesamt manifestieren sich solche Symptome bei Frauen später als bei Männern. Der sogenannte Tremor ist bei ihnen häufiger das erste eindeutige Symptom und geht oftmals mit Stürzen und Schmerzen einher. Männer haben dagegen oft stärkere Probleme, was die Körperhaltung angeht. So ist bei ihnen unter anderem das Risiko für Kamptokormie höher – eine unwillkürliche Beugung des Rumpfes nach vorne.

Daneben scheint es auch Unterschiede bei den nicht-motorischen Symptomen zu gehen, wie die Auswertungen nahelegen. Demnach sind unspezifische Beschwerden wie Depression, Verstopfung oder starkes Schwitzen bei Frauen häufiger und stärker ausgeprägt. Männer zeigen hingegen deutlichere Einschränkungen in Bezug auf ihre geistigen Fähigkeiten. So entwickeln sie häufiger leichte kognitive Störungen, die sich im Verlauf der Erkrankung zudem rascher verschlimmern.

Hirnstimulation wirkt unterschiedlich gut

Doch nicht nur die Symptome sind bei Morbus Parkinson abhängig vom Geschlecht: Wie die Wissenschaftler herausfanden, unterscheidet sich offenbar auch der Einfluss bestimmter genetischer und biologischer Risikofaktoren bei Männern und Frauen. Außerdem sprechen die Geschlechter unterschiedlich gut auf Therapiemaßnahmen an – zum Beispiel die tiefe Hirnstimulation.

Den Forschern zufolge scheint diese Behandlung bei Männern die motorischen Einschränkungen deutlicher verbessern zu können. „Trotz dieses Vorteils verbesserte sich die wahrgenommene Lebensqualität interessanterweise aber bei Frauen stärker“, berichten Blandini und sein Team.

Spielen die Hormone eine Rolle?

Wie aber lassen sich diese Unterschiede erklären? Die Wissenschaftler haben unter anderem die Geschlechtshormone in Verdacht. Denn diese Botenstoffe wirken im gesamten Gehirn und könnten somit auch die Entstehung und das Fortschreiten der neurodegenerativen Erkrankung beeinflussen. Vor allem Östrogene scheinen in diesem Zusammenhang eine Rolle zu spielen. Sie entfalten im Gehirn antientzündliche Eigenschaften und erklären womöglich, warum Frauen ein insgesamt geringeres Parkinson-Risiko haben.

„Insgesamt sind wir aber noch weit davon entfernt zu verstehen, was den beobachteten Geschlechtsunterschieden im Detail zugrunde liegt“, erklären die Forscher. Sie hoffen, dass in Zukunft mehr in die Erforschung der Rolle des Geschlechts bei Parkinson investiert wird – und sich dies eines Tages in besseren Therapien für Männer und Frauen niederschlägt. „Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen legen nahe, dass wir dringend personalisierte und geschlechtsspezifische Ansätze in der Parkinson-Therapie brauchen“, so das Fazit von Blandini und seinen Kollegen. (Journal of Parkinson’s Disease, 2019, doi: 10.3233/JPD-191683)

Quelle: IOS Press

Montag, 23. September 2019

Bei Kindern ist der Unterschied nicht noch kleiner, sondern noch größer.

Carpeaux

Kinder sind kleiner als Erwachsene.
Jungens sind noch phantasiebegabt und schon unternehmungslustig.
Mädchen sind noch phantasiebegabt und schon gefallsüchtig.
An zu viel Phantasie scheitern manche Unternehmen.
Durch Phantasie wird Gefallsucht verführerisch.

 

Und wie immer bestätigen Ausnahmen die Regel.











Sonntag, 22. September 2019

Soziale Homophilie.

aus derStandard.at, 17. August 2019                                                    Zwei männliche Assam-Makaken hüten ein Baby
 
Was für eine Bromance unter Affen Voraussetzung ist
Forscher untersuchten äffische Männerfreundschaften und wie diese zustande kommen

Göttingen – Wer Sprichwörter für Kondensate tiefer Einsichten und über lange Zeit hinweg gesammelter Erfahrungen hält, der vergisst, dass es zu vielen dieser "Weisheiten" auch solche gibt, die das schiere Gegenteil besagen. Die US-amerikanische New-Wave-Band Algebra Suicide hat daraus den Song "(A Proverbial Explanation For) Why No Action Is Taken" gestrickt, der ausschließlich aus einander widersprechenden Sprichwörtern besteht.

Ein solches Paar: "Gleich und Gleich gesellt sich gern" versus "Gegensätze ziehen sich an". Dieses Paar bildete die Forschungsfrage für eine Gruppe deutscher Wissenschafter, die sich dem Verhalten in unserer Primatenverwandtschaft widmeten. Konkret gingen die Verhaltensbiologen und Psychologen vom Deutschen Primatenzentrum der Frage nach, was die Voraussetzung für das Entstehen einer Männerfreundschaft unter Affen ist: Gegensätzlichkeit oder Gleichheit.

Persönlichkeitstests

Für ihre Untersuchung zogen sie Assam-Makaken (Macaca assamensis) heran, eine in Süd- und Südostasien verbreitete Meerkatzenart. Ein Team um Anja Ebenau sammelte über zwei Jahre hinweg Daten von 24 freilebenden Makakenmänn- chen aus dem Phu-Khieo-Reservat in Thailand. Aus detaillierten quantitativen Verhaltensprotokollen wurde die individu- elle Persönlichkeit der Männchen beschrieben – dafür füllten die Forscher auch Fragebögen aus, wie sie in der Human- psychologie verwendet werden. So konnte die Ähnlichkeit der Männchen in den Persönlichkeitsdimensionen Gesellig- keit, Aggressivität, Freundlichkeit, Wachsamkeit und Selbstvertrauen ermittelt werden.

Aus den Datenanalysen geht hervor, dass die Bindung zwischen zwei Männchen umso enger ist, je ähnlicher die Tiere einander in Bezug auf die Eigenschaft Geselligkeit sind. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Tiere sehr oder wenig gesellig sind, sie müssen nur im Grad ihrer Geselligkeit übereinstimmen: Zwei eher einzelgängerische Tiere, die anderen aus dem Weg gehen, können eine ebenso enge Bromance pflegen wie zwei gleichermaßen kontaktfreudige Tiere.

Männchen verändern einander nicht

Um auszuschließen, dass es sich nicht andersherum verhält, dass also enge Partner einander in ihrer Persönlichkeit mit der Zeit immer ähnlicher werden, wurden die Eigenschaften von Männchen untersucht, bevor und nachdem sie in eine Gruppe eingewandert waren und dort neue Sozialpartner gefunden hatten. Es stellte sich heraus, dass die Persönlichkeit der Tiere recht stabil blieb, sich also nicht mit einem neuen Freund veränderte.

Der als "Gleich und Gleich gesellt sich gern" ausgedrückte Effekt ist auch beim Menschen bekannt und wird als soziale Homophilie bezeichnet. "Wir gehen davon aus, dass es sich bei Homophilie als Strategie für die Partnerwahl um ein generelles biologisches Prinzip handelt, das tief in der Evolution von Menschen und Tieren verankert ist", sagt Studien- leiter Oliver Schülke von der Universität Göttingen. Es haben also diejenigen Individuen einen Vorteil, deren Partner einen ähnlichen Charakter haben.

"Ein Grund könnte sein, dass ähnliche Persönlichkeiten auch ähnliche Bedürfnisse haben, sich besonders gut verstehen, effektiv kommunizieren und damit erfolgreichere Kooperationspartner sind", sagt Schülke. Ob Koalitionen gleichartiger Persönlichkeiten tatsächlich siegreicher aus Kämpfen hervorgehen und damit länger einen hohen Dominanzrang verteidi- gen können, soll in einer Folgestudie untersucht werden. (red.)

Freitag, 20. September 2019

Geschlechterpolitik ist ein Elitenprojekt.

aus Tagesspiegel.de, 11. 9. 2019

Zehn Debatten in zehn Wochen. Diese Woche: Gender - Wie weiter zwischen den Geschlechtern? Autor und Journalist Harald Martenstein meint, Feminismus sei widersprüchlich und Geschlechterpolitik habe mit den realen Problemen vieler Frauen und Männer nichts zu tun.

Geschlechterpolitik ist ein Elitenprojekt

Bild von Harald  Martenstein Journalist

Ich versuche es mit vier Thesen zur aktuellen Geschlechterpolitik. Erstens, Frauen werden in Deutschland nie wirklich und völlig gleichberechtigt sein. Niemals.

In Deutschland ist eine Gleichstellungs-Bürokratie entstanden, die verhindert, dass Gleichberechtigung durchgesetzt wird.

Warum? Weil inzwischen eine gewaltige Bürokratie entstanden ist, deren Mitgliederinnen ihr Geld mit dem Aufspüren und Anprangern auch kleinster und auch vermeintlicher Benachteiligungen verdient. Es gibt tausende Gleichstellungsbeauftragte und mindestens 200 Genderprofessuren. Dass eine Bürokratie ihre Aufgabe für erledigt erklärt und sich damit selbst arbeitslos macht, kommt selten vor. Bürokratien wollen wachsen. Stellt 2000 Männerbeauftragte ein, deren Job es ist, Männerdiskriminierung aufzuspüren, und ihr werdet euch wundern, wie diskriminiert diese Geschöpfe in den Augen ihrer Anwälte sind. Falls aber jemand öffentlich erklärte, man habe doch bei der Gleichstellung das Meiste erreicht und könne mit den Anstrengungen allmählich nachlassen, dann würde ein Aufschrei erschallen, der bis Grönland zu hören ist.

Der Geschlechterdiskurs ist widersprüchlich

Zweitens, der feministische Geschlechterdiskurs ist völlig widersprüchlich. Einerseits heißt es, Geschlecht sei nur eine soziale Konstruktion. Wir seien völlig gleich, biologische Unterschiede spielten kaum eine Rolle. Warum die Evolution, in der ansonsten alles seinen Sinn hat, sich die irre Mühe gemacht hat, zwei Geschlechter hervorzubringen, bleibt dabei ungeklärt. Gleichzeitig aber hören und lesen wir Medienkonsumenten ständig, dass Frauen in diesem oder jenem besser seien. Sie sind bessere Chefs, sie können besser kommunizieren, sind nicht so aggro, sie verhalten sich in Konflikten rationaler, et cetera, einiges davon stimmt auch. Einerseits sind wir also gleich, andererseits gibt es durchaus Unterschiede, vor allem solche, die sich aus feministischer Perspektive gut anhören. Um die Verwirrung komplett zu machen, soll es statt biologischer Geschlechter, die angeblich gar nicht existieren, etwa 50 bis 100 Gender geben, die allerdings keine soziale Konstruktion sind, sondern eine glasklare Tatsache.

Es ist falsch, die Unterschiede zwischen Männern und Frauen zur gesellschaftlichen Hauptkampflinie zu erklären. 

Drittens: Frauen und Männer haben auch soziale Interessenlagen. Eine Kassiererin bei Aldi hat in sozialer Hinsicht mehr Gemeinsamkeiten mit ihrem männlichen Kollegen als mit einer Professorin. Eltern haben gemeinsame soziale Interessen, die anders sind als die von Singles. Alte und Junge haben verschiedene Bedürfnisse. Es ist falsch, die Unterschiede zwischen Männern und Frauen (die es, wie gesagt, angeblich sowieso nicht gibt) zur gesellschaftlichen Hauptkampflinie zu erklären. Wir sollten zusammenstehen und uns nicht auseinanderdividieren lassen.

In den letzten Jahren hat die Gleichstellungspolitik einen großen Teil ihrer Energie in die Durchsetzung einer gendergerechten Sprache gesteckt. Sternchen und substantivierte Partizipien wie „Studierende“ oder „,Angelnde“ haben eine Karriere gemacht, die in einer männerdominierten Gesellschaft nie möglich gewesen wäre. Sprache bestimmt das Denken, oder? Man fragt sich doch beim Wort „Sanitäter“ sofort, wieso diese Menschen pauschal als „Täter“ dargestellt werden, kein Wunder, dass sie wenig verdienen. Der „Erziehende“ erzieht auch Mädchen, wieso „er“? Müsste es nicht besser „Pädagogische Fachkraft“ heißen? So ungefähr funktioniert gerechte Sprache.

Geschlechterpolitik hat sich von den realen Problemen des Lebens entfernt.

Sprache ist ein Alltagswerkzeug, die Menschen tendieren deshalb dazu, sie zu vereinfachen, sie sagen sogar lieber „Perso“ als „Personalausweis“. Komplizierende, ideologisch begründete Sprachregeln sind immer Elitenprojekte und beim gemeinen Volk unbeliebt. Dass man in Köpenick bis anno 89 „Berlin, Hauptstadt der DDR“ sagen sollte statt „Berlin“, beruhte auf dem gleichen magischen Glauben an die Macht der Sprache. Die Gendersprache wird, laut Umfragen, auch von einer Mehrheit der Frauen kritisch gesehen. Dass dieses Projekt gleichwohl mit großer Energie durchgezogen wird, beweist, viertens, dass sich die Geschlechterpolitik ein ganzes Stück von den realen Problemen des Lebens entfernt hat. Welche das sein könnten, fragt man am besten die Kassiererin bei Aldi, eine alleinerziehende Mutter oder eine Rentnerin, die im Park Flaschen sammelt.


Nota. - Man darf sich fragen, ob überhaupt von 'gesellschaftlicher Hauptkampflinie' gesprochen werden kann. Konflikte gibt es allüberall, und meinetwegen soll man sie Widersprüche nennen. Doch ob sie sich nach 'Linien' klassifizieren lassen, die einen jeden objektiv entweder dieser oder jener Partei zuweist, ist schon lange nicht mehr ausgemacht. Aber der Autor hat Recht insofern, als es heute wie gestern üblich ist, das eigene Privatschäfchen zu einem historischen Interesse aufzublasen, um es ins Trockene zu bringen. Dem muss man aber nicht zuzwinkern, Herr Martenstein, das muss man offen angreifen. Na ja, Sie haben' s immerhin angefangen...
JE 

 

Donnerstag, 19. September 2019

Kein kleiner, sondern gar kein Unterschied.


Renate Künast ist von einem Berliner Gericht dazu verurteilt worden, sich klaglos auf Facebook obszön anpöbeln zu lassen. Dass die Verwilderung der öffentlichen Sitten von der Rechtsprechung sanktioniert wird, ist haarsträubend und wäre es eben- so, wenn es sich um einen Mann handelte. Hier einen Unterschied zu machen, und sei's ein kleiner, wäre noch ein Beitrag zur Verrohung. 


PS. 21. Sept.

Na gut, ich gebe zu, ein ganz kleiner Unterschied ist schon: Männer werden mehr fäkal angepöbelt als sexuell - außer schwul nehmen sie obszöne Anwürfe eher als Respektsbezeigung. Das ist aber spezifisch deutsch. In Frankreich werden auch Männer nicht fäkal angegriffen. Es ist gleicherberechtigt, aber auch abstoßender. Allerdings gibt es dort bis hinauf in die Politik Leute, die sich durch gepflegte Sprache hervortun. Die gäbe es nicht, wenn nicht im Publikum Leute wären, die das schätzen. Bei uns gälte es dagegen als elitär und abgehoben, bi Gott!
JE



 

Mittwoch, 4. September 2019

Braves Testosteron.


aus scinexx

Beeinflusst Testosteron die Empathie?
Studie widerspricht Theorie zum Einfluss des Geschlechtshormons auf das Einfühlungsvermögen
 
Angebliche Nebenwirkung: Das Hormon Testosteron steht im Verdacht, die Fähigkeit zur Empathie zu beeinflussen. In einer aktuellen Untersuchung mit männlichen Probanden konnten Forscher allerdings keine Hinweise auf einen solchen Zusammenhang finden. Der Hormonspiegel wirkte sich demnach nicht spürbar auf das Abschneiden in Empathietests aus. Damit seien auch Theorien zum Einfluss von Testosteron auf Störungen wie Autismus weiterhin fragwürdig, wie das Team betont. 

Das Hormon Testosteron beeinflusst wesentlich mehr als nur das Geschlecht und die Sexualität eines Menschen. So deuten Untersuchungen darauf hin, dass sich der Botenstoff unter anderem auch auf den Bewegungsdrang, das Konsumverhalten und sogar das Talent für Mathe auswirken kann. Außerdem soll das männliche Geschlechtshormon eine wesentliche Rolle für die Empathie spielen. Ein hoher Testosteronspiegel vermindert demnach angeblich die Fähigkeit, die Gedanken und Emotionen von Mitmenschen zu verstehen und sich gleichsam in sie hineinzuversetzen.

Umstrittene Theorie

Dieser vermeintliche Zusammenhang hat Forscher zu der These geführt, dass der Botenstoff für die mangelnde Empathie von Psychopathen verantwortlich sein könnte. Ähnliches wird mitunter für Autismus postuliert: Der sogenannten Extreme-Male-Brain-Theorie zufolge ist eine Vermännlichung des Gehirns durch einen hohen Testosteronspiegel im Mutterleib mit einem erhöhten Risiko für Störungen aus dem Autismus-Spektrum verbunden – und erklärt womöglich die für Betroffene typischen Probleme im Sozialverhalten.


Allerdings ist diese Theorie nicht unumstritten: „Es gibt einige Untersuchungen, die auf eine Verbindung zwischen Testosteron und einer verminderten Empathiefähigkeit hindeuten. Die Probandenzahlen waren dabei jedoch immer sehr klein und ein direkter Zusammenhang nur schwer nachweisbar“, erklärt Amos Nadler von der Western University im kanadischen London. Um belastbarere Daten zu erlangen, haben der Wissenschaftler und sein Team daher nun Tests mit insgesamt 650 gesunden Männern durchgeführt.

Testosteron-Gel für Probanden

Für die Untersuchungen wurden die Probanden entweder mit einem Testosteron-Gel oder -Nasenspray oder einem Placebo behandelt. Mithilfe von Fragebögen und Verhaltenstests überprüften die Forscher dabei vor und nach der Behandlung die Empathiefähigkeit der Teilnehmer. So sollten sie beispielsweise aus den Augen von auf Fotos abgebildeten Personen deren emotionalen Zustand ablesen.

Zusätzlich maßen Nadler und seine Kollegen bei jedem der Männer die Länge von Ring- und Zeigefinger. Denn bekannt ist, dass ein hoher Testosteronspiegel im Mutterleib den Ringfinger im Verhältnis zum Zeigefinger länger wachsen lässt. Das sogenannte 2D:4D-Verhältnis gilt daher als potenzieller Marker für den Einfluss des Geschlechtshormons während der embryonalen Entwicklung.

„Kein Zusammenhang“

Die Auswertungen ergaben: Weder das 2D:4D-Verhältnis, noch die Testosterongabe schien sich auf das Abschneiden in den Empathietests auszuwirken. So stieg zwar der Testosteronspiegel durch das Hormongel an – die Leistung der Probanden beeinflusste dies jedoch offenbar nicht. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass es keinen kausalen Zusammenhang zwischen der Testosteron-Exposition und der kognitiven Empathie gibt“, sagt Nadler. 

Zumindest auf Basis des aktuellen Kenntnisstands ist ein Einfluss des Geschlechtshormons bei Störungen wie Autismus demnach nicht nachweisbar. Wie die Forscher betonen, heißt dies jedoch nicht, dass sich in Zukunft nicht doch ein Effekt zeigen könnte. Dafür jedoch ist auf jeden Fall weitere Forschung nötig. „Die Extreme-Male-Brain-Theorie hat in der Vergangenheit viel Aufmerksamkeit bekommen. Doch wenn man sich die wissenschaftliche Literatur genau ansieht, gibt es bis heute keine belastbaren Belege dafür“, schließt Nadler. (Proceedings of the Royal Society B, 2019; doi: 10.1098/rspb.2019.1062)

Quelle: University of Pennsylvania

Montag, 2. September 2019

Schulen sind knabenfeindlich.

Doisneau
aus nzz.ch, 31.08.2019

Gymis sind knabenfeindlich
Ein Anwalt wehrt sich für seinen Sohn – auch der Bund nimmt das Thema unter die Lupe.
 
von René Donzé

«Es kann ja nicht sein, dass immer Knaben aus dem Gymi fliegen», sagt Martin Hablützel. Der Vater von vier Knaben und einem Mädchen wohnt am rechten Zürichseeufer – also dort, wo der Druck seitens der Eltern, dass die Kinder ans Gymi müssen, besonders hoch ist.

Er kennt mehrere Fälle von Knaben, die eine Klasse wiederholen mussten oder die Probezeit nicht bestanden haben. Und nun also auch sein jüngster Sohn: Luiz hat vor den Sommerferien in der letzten Prüfung einen «Abschiffer» gehabt, wie der 17-Jährige erzählt. Und diese letzte Note hat den Ausschlag gegeben.

Luiz müsste repetieren, doch sein Vater, von Beruf Rechtsanwalt, hat Rekurs bei der Bildungsdirektion eingereicht. Darin beschränkt er sich nicht auf notentechnische Details, sondern kritisiert das grosse Ganze: «Die Knaben werden an den Gymnasien diskriminiert.» Das verstosse gegen die Verfassung und die Europäische Menschenrechtskonvention. Der Anwalt hat mit seinen Partnern mehrere Asbestopfer bis nach Strassburg begleitet und recht erhalten. 

Hormonell benachteiligt

Gymnasiasten werden laut Hablützel auf mehreren Ebenen diskriminiert. Zum einen hätten sprachliche Fächer, in denen Mädchen erwiesenermassen besser sind, einen zu hohen Stellenwert. Zum anderen seien die Gymnasien zu stark auf Fleiss, Anpassung und Genauigkeit ausgerichtet. Das seien «Eigenschaften, welche Mädchen insbesondere im Alter zwischen 15 und 18 Jahren viel stärker aufbringen als Buben», schreibt er im Rekurs. Die genetische und hormonelle Entwicklung der Buben müsse bei der Fächerwahl besser berücksichtigt oder mittels Nachteilsausgleich kompensiert werden.

Zur Untermauerung seiner These greift er auf die Zürcher Bildungsstatistik zurück: Bei den bestandenen Aufnahmeprüfungen beträgt der Mädchenanteil rund 54 Prozent, bei der Matura 57 Prozent. Unterwegs scheiden also mehr Buben aus. Die Mädchenfreundlichkeit zeige sich auch bei der gymnasialen Maturitätsquote in der Schweiz. Lagen die Geschlechter 1990 mit je gut 13 Prozent gleichauf, gab es 2016 rund 25 Prozent Maturandinnen und 17,5 Prozent Maturanden. 

Das Thema beschäftigt auch den Bund. Derzeit brüten Fachleute des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation über Verbesserungen des gymnasialen Bildungsweges, gemeinsam mit der Konferenz der Erziehungsdirektoren. Dabei geht es auch um Chancengleichheit.

Wie es in einem Papier dazu heisst, sollen «Herkunfts- und geschlechterbezogene Ungleichheiten thematisiert» werden. Angeregt wird eine Studie zur «Entwicklung der Geschlechterverhältnisse und zu deren Hintergründe». Auch Zahl und Gewichtung der Maturafächer ist ein Thema. «Der akademische Weg scheint junge Männer weniger anzusprechen», sagt eine Sprecherin des Staatssekretariats. Es sei nicht sicher, ob dies mit dem Fächerangebot oder anderen Faktoren zu tun habe. «Eine Gewissheit bezüglich einer Benachteiligung besteht jedoch nicht.»


Für den Psychologen Allan Guggenbühl ist der Fall klar: «Gemäss meinen Erfahrungen werden die Knaben in Gymnasien systematisch benachteiligt.» Das liege zum einen in der Form des Unterrichts, der viel Eigenständigkeit und Anpassungsfähigkeit voraussetze. «Ich erlebe immer wieder, dass ‹fleissige Mädchen› mit dieser Unterrichtsart viel besser umgehen können.» Als Berater diverser Gymnasien in der Schweiz beobachte er auch, wie unterschiedlich bei Problemen reagiert werde: Knaben würden eher rausgeworfen, Mädchen hingegen zu Gesprächen eingeladen.

Einer, der Jahrzehnte über die Gymnasien geforscht hat, ist der kürzlich an der Uni Zürich emeritierte Pädagogikprofessor Franz Eberle. Er sagt, die Leistungskriterien seien für Knaben und Mädchen dieselben. «Und weil Knaben ebenso gut in der Lage sind, diese Leistungen zu erbringen, sind sie rechtlich nicht wegen ihres Geschlechts diskriminiert», sagt Eberle. «Wenn sie während der Pubertät etwas weniger fleissig sind und nicht wollen, ist es ihr Wille, wenn sie nicht leisten.» Einen Nachteilsausgleich gebe es nur bei Behinderungen, und das sei bei den Buben ja nicht der Fall.

Es gibt Alternativen

Niklaus Schatzmann ist Leiter des Mittelschul- und Berufsbildungsamtes des Kantons Zürich. Der ehemalige Gymirektor sagt, es sei Aufgabe des Gymnasiums, Leistung und Selbständigkeit zu fördern und zu fordern - als Vorbereitung auf die Hochschule. Mit der Verlängerung der Probezeit auf ein halbes Jahr sei man den Buben entgegengekommen. «Sie erhalten mehr Zeit, sich an das System zu gewöhnen.»

Und mit der Berufsmatur sowie dem Eintritt ins Gymnasium ab der dritten Sek gebe es Alternativen für Spätzünder. Generell soll das Gymnasium im Kanton Zürich bubenfreundlicher werden. So wird im sprachlastigen Untergymi der Anteil der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer bald erhöht. Im Obergymnasium wird in der ganzen Schweiz Informatik als Fach eingeführt. Zudem könnten die männlichen Schüler dort Profile wählen, die ihnen passten, etwa das Wirtschaftsgymnasium.

Ein solches besucht auch Luiz: Die Kantonsschule Hottingen hat einen Anteil von 63 Prozent männlichen Schülern. Das Fach, an dem er scheiterte, war Physik. «Ich hatte mir ausgerechnet, dass es reichen würde», sagt er. Doch dann war er bei der Prüfung blockiert und schrieb beim Nachbarn ab. Dafür kassierte er eine eins.

Vater Hablützel weiss, dass die Argumentation des eher weiblichen Fächerkanons im Fall seines Sohns auf wackligen Füssen steht. Er setzt darum vor allem auf entwicklungspsychologische Aspekte. Im Kanton Zürich gibt es jährlich 20 bis 30 Rekurse gegen Promotionsentscheide, davon werden einer bis drei gutgeheissen. Wenn nötig, geht Hablützel bis vor Bundesgericht. Luiz kann vorläufig in seiner Klasse bleiben. Scheitert der Rekurs, muss er während des Schuljahrs repetieren. Diese Gefahr nimmt der Vater auf sich. «Es geht ums Prinzip, das geklärt werden muss.»