Montag, 24. März 2014

Das dienende Geschlecht.

Spinnen Wespenspinnen
aus Süddeutsche.de,

Wespenspinnen  
Tödlicher Sex zugunsten der nächsten Generation 
Er verstümmelt sich bei der Paarung. Sie frisst ihn nach dem Akt. Kaum ein Sexualverhalten ist so bizarr wie das der Wespenspinnen.
 
Von Katrin Blawat
 
Eine Menge Beine zappeln umeinander. Unmöglich zu erkennen, was die schwarz-weiß-gelb gestreifte Spinne derart in Aufregung versetzt hat. Ein Beutetier? Ein wütender Artgenosse? Plötzlich ist Ruhe, verdächtige Ruhe. Auch wer wenig über Spinnen weiß, ahnt: Wer immer an dem wilden Treiben beteiligt war - es ist nicht für alle gut ausgegangen. "Das Männchen ist nicht rechtzeitig davongekommen. Es wird gefressen", kommentiert Jutta Schneider, Verhaltensforscherin an der Uni Hamburg.
 
Die kurze Filmsequenz zeugt von einem der merkwürdigsten Sexualverhalten, das sich die Evolution hat einfallen lassen und das Forscher noch immer vor zahlreiche Rätsel stellt. Auf den ersten Blick mag die Wespenspinne Argiope bruennichi nicht besonders aufregend wirken. Sie ist weitverbreitet, webt Netze und frisst Insekten, ein durchschnittliches Spinnenleben eben. Im Sommer aber, zur Paarungszeit, werden die Vertreter dieser Art zum besten Beispiel für den Einfallsreichtum der Natur, wenn es gilt, unterschiedliche sexuellen Interessen zusammenzubringen.

Bei der Paarung verstümmelt sich das Männchen selbst
 
Charakteristisch für Wespenspinnen ist nämlich, dass Männchen und Weibchen verschiedene Ansichten über die optimale Zahl an Sexualpartnern haben. Die Weibchen dieser Art sind polyandrisch: Sie wollen sich möglichst mit mehreren Männchen paaren und erst hinterher entscheiden, welche Samen die Eier befruchten sollen. "Kryptische Weibchenwahl" nennen Forscher diese Entscheidung.

Allerdings setzt die Anatomie dem Weibchen Grenzen in der Zahl seiner Fortpflanzungspartner. Weibliche Wespenspinnen haben zwei Geschlechtsöffnungen und können sich daher pro Saison meist nur von zwei verschiedenen Partnern begatten lassen.
 
Die Männchen hingegen sind mono- oder allenfalls bigam. "In ihrem Interesse liegt es, ein jungfräuliches Weibchen zu finden, mit ihm zu kopulieren und es dann zu monopolisieren", erklärte Jutta Schneider kürzlich auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Ethologie in Tutzing. Bizarr an der Strategie der Männchen erscheint vor allem das Monopolisieren. Dabei verstopft das Männchen nach der Paarung die Geschlechtsöffnung des Weibchens mit der Spitze seines eigenen Begattungsorgans. Eine solche Selbstverstümmelung wirkt auf den ersten Blick nicht gerade sinnvoll, um die Weitergabe der eigenen Erbanlagen zu sichern. Jedes Männchen hat zwei Begattungsorgane, kann sich also in seinem Leben nur zweimal paaren, wenn es die Spitze dieser sogenannten Pedipalpen jedes Mal als Pfropf benutzt.

Rätselhafte weibliche Interessen

Trotzdem seien die "Ein-Schuss-Genitalien keine evolutionäre Sackgasse", schreibt Jutta Schneider im Fachmagazin  BMC Evolutionary Biology. Immerhin kann sich das Männchen so einigermaßen sicher sein, dass nicht noch ein Nebenbuhler zum Zug kommt. So sind Wespenspinnen auch nicht die einzigen Tiere, bei denen die Männchen auf die monopolisierende Wirkung eines "Begattungspfropfens" setzen. Ähnliches kennen Forscher zum Beispiel auch von Anglerfischen, bei denen das Männchen nach der Paarung vollständig mit dem Weibchen verwächst und manchen Ameisen, bei denen die Männchen ihr eigenes Abdomen als Barriere für Geschlechtsgenossen einsetzen.
 
Den Interessen des Männchens ist damit gedient - doch wie steht es um weibliche Wespenspinnen, die schließlich alles andere wollen als monopolisiert zu werden? Ob es ihnen unter evolutionären Gesichtspunkten nützt, sich mit mehreren Männchen zu paaren, lässt sich zwar nicht so einfach nachweisen. "Es ist sehr schwierig, die Interessen der Weibchen zu quantifizieren", sagt Schneider. Ungeachtet dessen zeigen jedoch Szenen wie die in Schneiders kurzem Film, dass das Weibchen eine äußerst effektive Strategie entwickelt hat, sich gegen die Monopolisierungsversuche zu wehren: Es frisst seinen Partner auf.

Sexueller Kannibalismus nützt dem Nachwuchs
 
Unter evolutionären Gesichtspunkten ist dieser sexuelle Kannibalismus nichts anderes als der Versuch, den widersprüchlichen Interessen der Geschlechter gerecht zu werden. Ein totes Männchen kann nicht mehr monopolisieren, das Weibchen kann sich einmal mehr paaren. Zudem haben Schneider und ihre Kollegen Hinweise darauf gefunden, dass der Kannibalismus dem Nachwuchs nützt. Demnach sind die Eier eines Weibchens, das seinen Partner nach der Kopulation gefressen hat, größer und kommen besser mit Nahrungsmangel zurecht als die Eier eines Weibchens, das seinen Partner am Leben gelassen hat. Womöglich helfen Aminosäuren aus dem Körper des Männchens, die Eier mit wichtigen Nährstoffen zu versorgen. Und das, obwohl männliche Wespenspinnen winzig sind verglichen mit den weiblichen.
 
Warum aber lässt sich das Männchen auf das tödliche Spiel ein? Kann es nicht fliehen, bevor das Weibchen zuschlägt? Immerhin ist dieser Zeitpunkt einigermaßen absehbar. Dauert der Sex nur sechs oder sieben Sekunden, kann das Männchen "Glück haben und lediglich ein paar Beine verlieren", sagt Schneider. Kopulieren die Spinnen jedoch zehn Sekunden oder länger miteinander, bedeutet das regelmäßig den Tod des Männchens. Allerdings steht auch das Männchen vor einem Dilemma, denn während einer langen Paarung kann es mehr Samen übertragen als während einer kurzen. Also muss es von Fall zu Fall wählen, wie lange es beim Weibchen ausharrt. Und wie alles im Sexleben der Wespenspinne, ist auch diese Entscheidung kompliziert.

Tödliche Investition
 
Eine große Rolle spielt - natürlich - die Attraktivität des Weibchens: Jungfräulich, zugleich aber alt und schwer sollte es idealerweise sein, denn das lässt die Überlebenschance des Nachwuchses steigen. In eine solche Partnerin lohnt es sich zu investieren, zur Not auch das eigene Leben. Das gilt vor allem dann, wenn das Männchen bereits eines seiner beiden Genitalien bei einer ersten Kopulation verstümmelt und so kaum noch etwas zu verlieren hat. Daher entscheidet sich das Männchen bei seiner zweiten Paarung stets für das, was Biologen "terminales Investment" nennen: Es kopuliert lange, überträgt dabei möglichst viele Samen - und nimmt in Kauf, anschließend gefressen zu werden. "Sind die Zukunftserwartungen ohnehin gering, so sind auch durch den Tod keine großen Einbußen möglich", so formulieren es die Biologen Lutz Fromhage und Jutta Schneider im Fachmagazin   Ecology and Evolution.  
                                
Trifft das Männchen hingegen auf ein Weibchen, das seinen Ansprüchen nicht voll und ganz genügt, ist ihm sein Überleben wichtiger als eine möglichst umfangreiche Begattung. Das gilt vor allem dann, wenn es andere, attraktivere Weibchen in der Nähe weiß. Weniger wählerisch werden männliche Wespenspinnen hingegen, wenn das Ende der Paarungszeit näher rückt und somit nur noch wenige Paarungsgelegenheiten bleiben. Nie ähneln sich die sexuellen Interessen von Männchen und Weibchen so sehr wie wenn beide wissen: Es könnte ihr letztes Mal sein.


Dienstag, 18. März 2014

Stress macht Männer egozentrischer.

aus scinexx

Stress macht Männer egozentrischer
Unter Druck reagieren die Geschlechter gegensätzlich

Stehen Männer unter Stress, dann denken sie nur noch an sich – sie werden egozentrisch. Bei Frauen ist genau das Gegenteil der Fall: Sie bauen unter Stress ihre empathischen Fähigkeiten aus und werden anderen gegenüber einfühlsamer. Dies zeigt das Experiment eines europäischen Forscherteams. Warum Männer und Frauen so unterschiedlich reagieren, ist allerdings noch nicht klar.

Mit stressigen Situationen sind wir nahezu jeden Tag konfrontiert. Aus psychosozialer Sicht haben wir im Prinzip zwei verschiedene Möglichkeiten, mit Stress umzugehen: Wir können das entweder mit uns selbst ausmachen und alles andere ausblenden, um uns vor Überlastung zu schützen. Oder aber wir holen uns Unterstützung von außen. Für welche dieser beiden Strategien sich Männer und Frauen entscheiden, haben Neuropsychologen nun untersucht.

Für die Forschung unter Stress gesetzt

In ihren Experimenten setzten die Forscher die Probanden - die Hälfte Männer, die anderen Hälfte Frauen - zunächst unter Stress: Sie mussten eine Rede vor Publikum halten oder arithmetische Aufgaben lösen. Dann folgten drei Tests, die Aufschluss über die Empathie der Teilnehmer liefern sollten.

Im ersten Test galt es, die Bewegungen einer anderen Person nachzuahmen. Im zweiten sollten die Teilnehmer anhand des Gesichtsausdrucks einschätzen, welche emotionale Stimmung eine Person gerade hat. Und im dritten Test ging es um die Fähigkeit, sich in das Denken eines anderen hineinzuversetzen: Die Probanden sollten eine Situation aus der Perspektive einer dritten Person beschreiben.

"Unsere Anfangs-Hypothese war, dass gestresste Personen dazu neigen, egozentrischer zu werden ", erklärt Claus Lamm von der Universität Wien. Denn eine auf sich selbst konzentrierte Haltung senkt die emotionale und kognitive Belastung. Dies müsste sich in den Tests darin zeigen, dass die Probanden weniger empathisch reagieren.

Männer werden egozentrisch, Frauen empathisch

Erstaunlicherweise gab es bei den Ergebnissen klare Unterschiede zwischen den Geschlechtern: "Bei Stress verschlechterte sich das Abschneiden der Männer in allen drei Tests", berichtet Koautorin Giorgia Silani von der International School for Advanced Studies (SISSA) in Triest. Bei den Frauen war es dagegen umgekehrt: Sie lösten die Aufgaben unter Stress sogar besser als vorher.

Nach Ansicht der Forscher deutet dies darauf hin, dass Männer unter Stress egozentrischer werden, sich in sich zurückziehen und dadurch ihre Fähigkeit zur Empathie teilweise verlieren. Frauen dagegen werden noch zugewandter und empathischer. Ihre Reaktion fiel damit ganz anders aus, als von den Wissenschaftlern erwartet.

Psychische und physiologische Komponente

Warum Männer und Frauen so unterschiedlich mit Stress umgehen ist bislang noch nicht geklärt. "Aus psychosozialer Sicht könnten Frauen aus Erfahrung gelernt haben, dass sie mehr Hilfe von außen erfahren, wenn sie in der Lage sind besser mit ihren Mitmenschen zu interagieren", mutmaßt Silani. "Das bedeutet: Je mehr Frauen Stress ausgesetzt sind und Hilfe benötigen, umso mehr verfolgen sie soziale Strategien."

Aus physiologischer Sicht könnte der Unterschied in dem sogenannten Oxytocin-System begründet liegen, wie die Wissenschaftler vermuten. Oxytocin ist ein Hormon, dass unser Sozialverhalten beeinflusst und oft auch als Kuschelhormon gilt. Aus Voruntersuchungen ist bereits bekannt, dass Frauen unter Stress einen höheren Level an Oxytocin aufweisen als Männer. (Psychoneuroendocrinology, 2014; doi: 10.1016/j.psyneuen.2014.02.006 )

(Sissa Medialab, 18.03.2014 - KEL)


Nota.

Wieso das so ist? Na, da hab ich doch einen strengen Verdacht. Es wird wohl wiedermal an der Gattungsgeschichte liegen. 99,5% ihrer Geschichte lebte die Familie Homo als Jäger und Sammler, und da waren die Situationen, in denen Männer unter Stress gerieten, typischerweise mit Kampf Mann gegen Mann zu bereinigen; bei Frauen dagegen dagegen mit... na sagen wir mal: verbalem Austausch. Das wirkt nach.
JE 

Montag, 3. März 2014

Männer sind kooperativer.

aus Die Presse, Wien, 4. 3. 2014                                                                                                Winslow Homer


Das kooperative Geschlecht? Das männliche!
Frauen gelten als freundlicher und hilfsbereiter, auch und vor allem im Umgang mit anderen Frauen. Aber wenn sie an Positionen der Macht sind, verhalten sie sich ganz anders. Sie halten andere Frauen eher unten.

 

Dass Frauen auf dem Weg nach oben an gläserne Decken stoßen, wird damit erklärt, dass Seilschaften von Männern einmal besetzte Positionen untereinander weiterreichen. Daran mag schon viel sein. Aber die ganze Wahrheit ist es nicht, weder über Männer noch über Frauen bzw. das unterschiedliche Verhalten der Geschlechter. Dass es das gibt, sieht man etwa, wenn man nach der Tagesarbeit noch auf einen Schluck zum Entspannen geht. Andere tun das auch: Männer kommen in Gruppen, oft das halbe Büro vom Chef abwärts, Frauen kommen zu zweit. Das passt nicht gut zum Bild vom Mann als einsamem Jäger, der mit anderen Männern um Macht kämpft und um Frauen bzw. deren Gunst. Und es passt nicht gut zum Gegenbild von Frauen, die umgänglicher und hilfsbereiter sind, vor allem gegenüber anderen Frauen.

Das Bild bekam 1965 einen Riss, als Anatol Rapoport Probanden das „Gefangenendilemma“ spielen ließ. Es hat zwei Spieler und bringt die Bereitschaft zur Kooperation ans Licht. Rapoport ließ Männer gegen Männer spielen, Frauen gegen Frauen und beide gegeneinander: Der höchste Kooperationsgrad zeigte sich in Mann/Mann-Dyaden, es folgten die gemischtgeschlechtlichen, am Ende rangierten die Frau/Frau-Dyaden.

Das machte Aufsehen, erklären konnte man es nicht, vielleicht lag es an der künstlichen Situation im Labor. Das Interesse schlief ein, 1993 kam der nächste Vorstoß: Der Evolutionsbiologin und Psychologin Joyce Benenson (Harvard) war aufgefallen, dass die Geschlechter sich schon als Kinder ganz anders verhalten, Mädchen spielen allein oder tun sich mit besten Freundinnen zusammen, Burschen bevorzugen Mannschaftssport oder spielerische Kampfverbände. Ähnliches hatte ein Kollege von Benenson, der Anthropologe Richard Wrangham (Harvard), auch schon beobachtet, an Schimpansen. Die leben sozial, die Weibchen zurückgezogen mit ihren Jungen, die Männchen in hoher Aggression untereinander. Aber sie bilden gruppenintern auch Koalitionen, und wenn es nach außen geht, gegen Nachbarn, stehen alle zusammen, ganz ähnlich wieder wie in Jugendgangs.

Denn auch der Mächtigste ist nie stark genug gegen die ganze andere Gang, er muss sich Verbündete suchen und pflegen. Schimpansenweibchen hingegen bilden selten Koalitionen, und wenn, dann kurz und um Rangniedere zu attackieren. Darauf, auf das Ausschließen Dritter, verstehen sich auch Frauen besser als Männer, sie fürchten es mehr, und sie praktizieren es mehr, vor allem dann, wenn sie in Positionen der Macht sind.

Geschlecht und Rang spielen zusammen

Das haben Benenson und Wrangham im Vorjahr gezeigt (PLoS One, e55851), aber wieder in Experimenten. Wie spielen im echten Leben das Geschlecht und der soziale Rang zusammen? Die beiden haben lange Daten gesucht, im Militär, in der Wirtschaft, in Bürokratien, fündig wurden sie schließlich an den Universitäten der USA, und dort just an den Psychologischen Fakultäten, in denen immerhin 36 Prozent der höchsten Posten („senior professor“) mit Frauen besetzt sind.

Deren Namen stehen dann auch auf den publizierten Forschungsarbeiten, oft als Erstautoren, sie regen die Experimente an; ausgeführt werden sie von der zweiten Ebene („assistant professor“), die Namen stehen natürlich auch da, oft als Ko-Autoren. Das brachte Benenson/Wrangham auf die Idee, auszuzählen, wer mit wem publiziert, sie haben für das ganze Feld die Jahre 2008 bis 2011 ausgewertet und 8400 Arbeiten gefunden, für die je zwei „seniors“ und zwei „assistants“ zeichneten: War der Erstautor ein „senior“ und der Ko-Autor auch – das gibt es durchaus –, war das Geschlechterverhältnis ausgewogen, auf der gleichen Ebene gibt es keine Probleme.

Aber zwischen den Ebenen gibt es sie, und zwar bei den Frauen: Wenn sie „senior“ und Erstautoren sind, sind unter den „assistants“ als Ko-Autoren Frauen stark unterrepräsentiert; Männer hingegen helfen beiden Geschlechtern hinauf (Current Biology, 3.3.). „Im Alltagsleben denken wir oft, dass Frauen kooperativer und freundlicher untereinander sind, aber das ist nicht wahr, wenn Hierarchien ins Spiel kommen“, erklärt Benenson: „Menschen sind oft sehr verärgert, wenn sie hören, dass es Geschlechtsunterschiede im Verhalten gibt. Aber je mehr wir wissen, desto einfacher können wir Fairness fördern.“