Dieser Unterschied ist nicht klein.

A. Giacometti, Homme et femme 1927


Der Unterschied wird immer größer (und tiefer).

aus Der Standard, Wien, 3. 12. 2013                                                                        

Gehirne von Frauen und Männern sind verschieden verdrahtet 
US-Forscher untersuchten Gehirnverbindungen

Washington – Die Forschungen über die Unterschiede zwischen den Geschlechtern haben sich in den vergangenen Jahren in das Gehirn verlagert. Neurowissenschafter wollen dort allerlei Belege gefunden haben, warum Frauen und Männer unterschiedliche Begabungen aufweisen.

Eine der gründlichsten Studien dieser Art legen nun Forscher um Madhura Ingalhalikar von der University of Pennsylvania in Philadelphia im Fachblatt "PNAS" vor. Sie untersuchten an knapp tausend Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen acht und 22 Jahren die Verbindungen zwischen den beiden Gehirnhälften.

Dabei zeigte sich, dass männliche Gehirne offenbar für eine Kommunikation innerhalb der Hirnhälften optimiert sind, da sie mehr lokale Verbindungen mit kurzer Reichweite aufweisen. Bei Frauen hingegen fanden die Forscher mehr längere Nervenverbindungen vor allem zwischen den beiden Gehirnhälften. 

Nur im Kleinhirn dürfte es genau umgekehrt sein.

Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern verstärkten sich laut den Forschern im Laufe der Altersentwicklung. (APA, red.)

Abstract
PNAS: Sex differences in the structural connectome of the human brain



Abstract


Sex differences in human behavior show adaptive complementarity: Males have better motor and spatial abilities, whereas females have superior memory and social cognition skills. Studies also show sex differences in human brains but do not explain this complementarity. In this work, we modeled the structural connectome using diffusion tensor imaging in a sample of 949 youths (aged 8–22 y, 428 males and 521 females) and discovered unique sex differences in brain connectivity during the course of development. Connection-wise statistical analysis, as well as analysis of regional and global network measures, presented a comprehensive description of network characteristics. In all supratentorial regions, males had greater within-hemispheric connectivity, as well as enhanced modularity and transitivity, whereas between-hemispheric connectivity and cross-module participation predominated in females. However, this effect was reversed in the cerebellar connections. Analysis of these changes developmentally demonstrated differences in trajectory between males and females mainly in adolescence and in adulthood. Overall, the results suggest that male brains are structured to facilitate connectivity between perception and coordinated action, whereas female brains are designed to facilitate communication between analytical and intuitive processing modes.





Ein ziemlich großer Unterschied; II.


aus Die Presse, Wien, 5. 12. 2013                                                                                               Rike / pixelio.de

Kleiner Unterschied, im Gehirn ganz groß: Frauen denken quer 
Auch Gehirne sind geschlechtsspezifisch, man realisiert es seit einigen Jahren. Die Differenzen sind nicht auf Regionen beschränkt, sie beherrschen die ganze Struktur.

von Jürgen Langenbach

Sind Männer und Frauen gleich? Na ja, äußerlich zeigen sich Differenzen, aber im Kern, also im Gehirn, finde sich allenfalls ein ganz kleiner Unterschied: „Sex differences in the brain“, gebe es nur dort, wo es um „Sex“ gehe, ansonsten seien die Gehirne beider Geschlechter deckungsgleich. So fasste vor nicht gar so langer Zeit, 1966, der Psychologe Seymour Levine den Stand seiner Zunft zusammen. Der kleine Unterschied lebe nur dort, wo die Produktion von Sexualhormonen – vor allem: Östrogen – gesteuert wird, im Hypothalamus, der für die Kontrolle von basalem Verhalten – Essen, Trinken, Sex – zuständig ist. Und von dort schlage das Geschlechtsspezifische dann auf das Balzen etc. durch. Im Rest des Gehirns gebe es hingegen keine Differenzen, zumindest von der Natur her nicht.

Mädchen mögen Puppen, Buben Autos

Das hielt bald 50 Jahre, dann zeigten sich Unterschiede, allerorten: Manche Hirnregionen sind bei Männern größer, andere bei Frauen. Und kleine Mädchen greifen lieber nach Puppen, kleine Burschen bevorzugen Spielzeugautos. Das mag zum Teil kulturelle Gründe haben, aber im Experiment wählten auch kleine Meerkatzen geschlechtsspezifisch. Mädchen wieder schauen lieber in Gesichter, Buben auf mechanische Geräte. Das tun selbst Babys, die gerade einen Tag alt sind. Simon Baron-Cohen (Cambridge) hat es bemerkt, und er ist dem Geschlecht im Gehirn auch anderswo auf der Spur: Mit Autismus sind vornehmlich Männer geschlagen, bei vielen anderen Leiden des Gehirns ist ebenfalls überwiegend ein Geschlecht betroffen.

Natürlich prägt die Differenz auch den Alltag. Jeder Stammtisch weiß es, und sicher ist zumindest, dass Männer besser in Geometrie sind und eine bessere Orientierung im Raum haben. Mit einer Ausnahme: Wenn Frauen einmal auf einem Markt waren, erinnern sie sich das nächste Mal, wo sie gut eingekauft haben. Da mag die Natur mitspielen: Die Erinnerung an Orte wird gefördert von Oxytocin, einem Hormon, das Frauen beim Gebären hilft und ihre Bindung zu den Kindern stärkt. Ihre Kinder mussten die Mütter aber erst wieder finden, als sie in Zeiten des Jagens und Sammelns herumschweiften.

Auch für die Entscheidung darüber, wo sie herumschweifen sollten, brauchten diese Frauen eine gute Erinnerung an Raum und Zeit: Wo gab es das letzte Mal Früchte? Und wann waren die reif? Die Männer hatten andere Sorgen: Sie waren über große Distanzen Wild hinterher, das brauchte abstrakteren Umgang mit Raum, daher die gute Geometrie. Ein anderes Problem hingegen teilen die Geschlechter, beim Werben haben sie es mit Rivalen bzw. Rivalinnen zu tun. Da geht es unter Männern eher grob zu, Frauen bevorzugen es feiner: Sie nutzen soziale Information, sind bessere Beobachter, und ihre Gedächtnisse speichern Details besser, die von Gesichtern etwa. Das hat Ragini Verma (Penns) gezeigt. Aber wo sitzen die Differenzen? Bisher konzentrierte man sich auf einzelne Hirnregionen, nun hat Verma das ganze Gehirn ins Visier genommen bzw. sein „Konnektom“, das ist die Gesamtheit der Verbindungen im Gehirn. Die sehen bei Kindern gleich aus, aber mit Beginn der Pubertät entwickeln sie sich unterschiedlich: Bei Männern laufen die Bahnen bevorzugt in jeder Gehirnhälfte von hinten nach vorn. Hinten sitzt die Wahrnehmung, vorn die koordinierte Aktion, die Verschaltung beider bringt rasches Handeln.

Bei Frauen geht es eher quer: Da kommuniziert die linke Hirnhälfte, in der analysiert wird, mit der rechten, in der die Intuition haust. „Bei Aufgaben, die Logik und Intuition brauchen, sind Frauen besser“, schließt Verma (Pnas, 2.12.). Ist also der kleine Unterschied doch riesengroß, sind „Männer vom Mars“ und „Frauen von der Venus“, wie der Therapeut John Gray in seinem Bestseller 1992 vermutete? „Natürlich sind immer auch Individuen unterschiedlich“, mildert Verma.



Nota. - Um Intuition und Verstand kombinieren zu können, muss man sie zuerst einmal auseinanderhalten . Werden sie von vornherein vermengt, gibt es weder die eine noch den andern, sondern nur das, was der Volksmund von Alters her "weibliche Logik" nennt. - "Was ist der Vorteil", fragte ich vor Jahren, "wenn sich z. B. bei der Lektüre von Kant jederzeit das Gefühl und in die Empfindungen jederzeit Berechnung einmischen könnte? Dieses ist sachlich, jenes ist menschlich unerwünscht." 

Und Querdenken muss man sich erstmal leisten können - sobald man nämlich das Geradeausdenken hinlänglich beherrscht.
JE








Der Bonus im Gehirn.
aus Die Presse, Wien, 7. 3. 2015

Das Gehirn bestimmt das Geschlecht 

Wiener Hirnforscher konnten nachweisen, wie die Geschlechtsidentität im Gehirn festgeschrieben ist. Männer und Frauen unterscheiden sich in der Verschaltung ihrer Hirnregionen.

von Petra Paumkirchner 

Ob wir uns als Frau oder Mann sehen, wird durch die Geschlechtschromosomen – zwei X-Chromosomen bei den Frauen, ein X- und ein Y-Chromosom bei den Männern – und die Geschlechtsorgane bestimmt. Gleichzeitig ist die Geschlechtsidentität, also ob wir uns in unserem Körper als Frau oder als Mann fühlen, entscheidend. Liegt keine Übereinstimmung zwischen dem körperlichen Geschlecht und der persönlichen Geschlechtsidentität vor, können wir uns als Mann in einem weiblichen Körper oder umgekehrt fühlen. Die Mediziner sprechen von Transgender oder Transsexualität.

Mehrere Forschungsinstitutionen sind weltweit auf der Suche nach der Repräsentation der individuellen Geschlechtsidentität im Gehirn. In einer vom Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF geförderten Studie gelang es dem Hirnforscher Georg S. Kranz von der Uni-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Wien zu zeigen, dass sich die ganz persönliche Geschlechtsidentität jedes Menschen in der Vernetzung zwischen Hirnregionen widerspiegelt und nachweisbar ist. Die in Kooperation mit dem Niederländischen Institut für Neurowissenschaften in Amsterdam sowie Kollegen der Med-Uni entstandenen Erkenntnisse wurden kürzlich im Journal of Neuroscience veröffentlicht . 

Vernetzungen untersucht 

„Das Gehirn ist für unser Denken, Fühlen und Handeln verantwortlich“, so Kranz. Daher sei man logischerweise davon ausgegangen, dass auch die Geschlechtsidentität im Gehirn repräsentiert sein muss. „Uns gelang es, neuronale Korrelate, also Entsprechungen in der Gehirnaktivität, für das Geschlechtsempfinden in den Vernetzungen des Gehirns festzustellen“, sagt der Forscher. 

Alle Regionen im Gehirn sind durch Millionen Nervenfasern verbunden und verschaltet. Die Mikrostruktur dieser Verbindungen lässt sich mittels diffusionsgewichteter Magnetresonanz-Tomografie (siehe Lexikon) im lebenden menschlichen Gehirn darstellen. 

In der Studie wurden sowohl weibliche und männliche Personen als auch Transgenderpersonen untersucht. Dabei fanden sich signifikante Unterschiede zwischen Frauen und Männern in der Mikrostruktur der Hirnverbindungen. Transgenderpersonen nahmen eine Mittelstellung zwischen beiden Geschlechtern ein. 

Worauf die gemessenen Unterschiede zurückzuführen sind, kann derzeit von den Forschern noch nicht nachgewiesen werden. Es könnte die ungleiche Anzahl, eine unterschiedliche Dicke oder Dichte von Nervenfasern oder eine unterschiedlich dicke Isolationsschicht verantwortlich sein. Dafür sind noch zahlreiche Folgestudien notwendig.
Die Vermännlichung des Hirns

Weiters fanden die Forscher einen starken Zusammenhang zwischen den Mikrostrukturverbindungen untereinander und dem im Blut gemessenen Testosteronspiegel. „Diese Ergebnisse legen nahe, dass sich die Geschlechtsidentität in der Struktur von Hirnnetzwerken widerspiegelt. Diese entwickeln sich, unter dem modulierenden Einfluss von Geschlechtshormonen, im Nervensystem“, sagt Projektleiter Rupert Lanzenberger. 

Diese Ergebnisse bestätigen eine lang bestehende Theorie. Bei einem männlichen Fötus kommt es während der Schwangerschaft zu zwei Anstiegen des Testosteronspiegels. Bei weiblichen Föten bleiben diese Anstiege aus. Der erste Testosteronanstieg ist für die Anlage der männlichen Geschlechtsorgane verantwortlich. Der zweite, später erfolgende Anstieg sorgt für die Vermännlichung des Gehirns. Stimmen diese beiden Prozesse nicht überein, kann es zur Ausbildung von Transidentität kommen. 

LEXIKON 
Diffusionsgewichtete Magnetresonanz-Tomografie (DW-MRI) ist ein bildgebendes Verfahren, das die Diffusionsbewegung von Wasser in Körpergeweben misst. Es wird vor allem zur Untersuchung des Gehirns verwendet, da man aufgrund der Diffusion von Wassermolekülen auf den Verlauf von Nervenfaserbündeln schließen kann. Einige neuronale Erkrankungen wie Multiple Sklerose und Epilepsie lassen sich so nachweisen. 

Nota. - Sag ich's doch längst: Das weibliche Gehirn ist die Standardversion. Das männliche ist ein Bonus.
JE



Gehirngeschlecht.

aus scinexx

„der kleine unterschied“ im menschlichen gehirn
wie östrogen und co. die kognitiven leistungen beeinflussen

Können Männer wirklich nicht zuhören, und sind Frauen tatsächlich unfähig einzuparken? Vorurteile dieser Art sind weit verbreitet und in den meisten Fällen falsch. Doch manchmal findet sich darin ein wahrer Kern.

So sind Frauen tatsächlich bei verbalen Fähigkeiten überlegen, bei denen es auf das schnelle Nennen von Zielwörtern ankommt. Männern dagegen fallen manche Aufgaben leichter, die besonders das räumliche Vorstellungsvermögen fordern.

Wissenschaftler suchen seit einiger Zeit nach Gründen für diese unterschiedliche kognitive Leistungsfähigkeit. Sie sind dabei auf funktionelle Unterschiede zwischen den Hirnhälften und zwischen den Gehirnen beider Geschlechter gestoßen, für die wenigstens zum Teil Hormone verantwortlich sind…

mehr als ein dutzend unterschiede…
Gehirne von Mann und Frau sind nicht völlig gleich

Die individuellen Leistungsunterschiede bei Männern und Frauen sind zwar größer als zwischen beiden Geschlechtern, trotzdem kommt es bei bestimmten kognitiven Aufgaben zu recht konstanten Unterschieden zwischen Männern und Frauen, die auch wissenschaftlich belegt sind.

So fallen Frauen beim „Wortflüssigkeitstest“ in einer Minute mehr Wörter ein, die z.B. mit einem „A“ oder einem „M“ beginnen als Männern. Dagegen schneiden Männer im Durchschnitt bei Tests besser ab, bei denen Vergleichsfiguren gefunden werden sollen, die mit der Zielfigur identisch sind.

Forschungslandschaft Gehirn
Geschlechtsspezifische Unterschiede des Sprachvermögens und der visuellen Raumkognition sind also kein bösartiges Vorurteil, sondern wissenschaftliche Tatsache. Sie könnten das Ergebnis unterschiedlicher Erziehungsstile und/oder biologischer Faktoren sein. Für Letzteres spricht, dass sich weibliche und männliche Gehirne in ungefähr einem Dutzend anatomischer Merkmale unterscheiden.

Auf biologische Faktoren deuten auch spezielle Testergebnisse hin, in denen Geschlechtsunterschiede nicht nur in verschiedenen Nationen, sondern auch über die letzten 30 bis 40 Jahre hinweg recht konstant nachgewiesen werden, obwohl sich die Erziehungsstile in diesen Ländern und Zeitspannen extrem unterscheiden.

Zudem erhöhen sich bei Männern, die nach einer Geschlechtsumwandlung zu Frauen werden, unter Einnahme weiblicher Sexualhormone die Sprachkompetenzen auf Kosten der Raumkognitionen. Genau die umgekehrte Entwicklung machen Frauen durch, die zu Männern werden.


sind die hormone schuld?
Botenstoffe sorgen für geschlechtsspezifische Hirnmechanismen
Mentaler Rotationstest
Aus Sicht der Wissenschaftler spricht viel dafür, dass die kognitiven Unterschiede zwischen Männern und Frauen zumindest zum Teil durch unterschiedliche hormonelle Faktoren entstehen können, die dann wahrscheinlich geschlechtsspezifische Hirnmechanismen nach sich ziehen. Doch müssten dann nicht auch die hormonellen Schwankungen während des weiblichen Monatszyklus Veränderungen von kognitiven Leistungen erzeugen?

Forscher der Ruhr-Universität Bochum (RUB) um die Biopsychologen Professor Dr. Onur Güntürkün und Dr. Markus Hausmann sowie den Neurologen Dr. Martin Tegenthoff sind dieser Frage nachgegangen und haben weiblichen Testpersonen, die keine Hormonpräparate wie beispielsweise die Pille einnehmen, zweimal während ihres Zyklus Aufgaben – zum Beispiel einen Rotations-Test – gestellt, bei denen Frauen meist schlechter abschneiden als Männer.

Ein Testzeitpunkt lag während der Menstruation (2. Tag), wenn alle Sexualhormone auf dem Tiefpunkt sind. Die zweite Aufgabe stellten wir in der Lutealphase (22. Tag), in der der Hormonspiegel an Östradiol und Progesteron sehr hoch ist. Die Ergebnisse waren eindeutig: Wenn die weiblichen Sexualhormone ihren Tiefpunkt erreichten (2. Tag), war die Leistung der Frauen beim mentalen Rotations-Test ähnlich gut wie die der Männer.

Stiegen aber die Hormone zum 22. Tag an, dann sank die Leistung dramatisch ab. Die untersuchten Frauen waren demnach in ihrer visuell-räumlichen Fähigkeit nicht prinzipiell schlechter als die Männer – es kam nur drauf an, wann man sie testete.

auf den zeitpunkt kommt es an

Sexualhormone beeinflussen Hirnfunktionen

Da Sexualhormone vielfältige Einflüsse auf Hirnfunktionen haben, ist es nicht einfach, herauszufinden, welche dieser Funktionen bei den Versuchspersonen verändert wurden. Ein „aussichtsreicher Kandidat“ sind aus Sicht der RUB-Forscher die so genannten cerebralen Asymmetrien – die Funktionsunterschiede zwischen der linken und der rechten Hirnhälfte. Die linke Hirnseite zeigt bei Menschen eine Überlegenheit verbaler Fähigkeiten, während die rechte eine Dominanz für visuell-räumliche Funktionen besitzt.

Diese funktionellen Links-Rechts-Unterschiede sind bei Männern ausgeprägter als bei Frauen. Könnte es sein, dass Frauen und Männer sich kognitiv unterscheiden, weil die Asymmetrien ihrer Gehirne unterschiedlich sind? Doch dann müssten sich mit der Kognition auch die Hirnasymmetrien während des Monatszyklus verändern.

Die Wissenschaftler untersuchen die Asymmetrien beim Menschen mit einem speziellen Experiment – Visuelle Halbfeldtechnik -, das es ermöglicht, quasi nur einer Hirnhälfte Bilder zu zeigen: Wenn eine Versuchsperson ein Kreuz in der Monitormitte betrachtet, wird die Figur links vom Fixationskreuz nur von ihrer rechten Hirnhälfte gesehen. Sobald die Versuchsperson nach links blickt und die Figur zentral ansieht, nehmen natürlich beide Hirnhälften diesen Stimulus wahr. Für eine solche Blickbewegung brauchen Menschen circa 200 Millisekunden.

Verschwindet die seitliche Figur aber nach nur 180 Millisekunden vom Monitor, während die Versuchsperson noch auf das zentrale Fixationskreuz blickt, dann wird dieser lateralisierte Reiz nur von der rechten, das heißt contralateralen Hemisphäre wahrgenommen.

Menstruation verändert Gehirnasymmetrien
Visuelle Halbfeldtechnik
Im nächsten Schritt vergleichen die Testpersonen verschiedene Figuren: Zunächst prägen sie sich eine zentral dargebotene abstrakte Figur einige Sekunden lang ein, sodass beide Hirnhälften diesen Reiz speichern. Dann erscheint anstelle der zentralen Figur kurz das Fixationskreuz. Anschließend wird seitlich links oder rechts für 180 Millisekunden die gleiche oder eine andere Figur eingeblendet, während der Blick auf das Kreuz gerichtet bleibt. Die Testperson entscheidet nun so schnell wie möglich per Tastendruck, ob es sich um die gleiche (G) oder eine ungleiche Figur (U) handelt.

Ergebnisse des „Visuellen Halbfeldexperiments“
In der Regel folgt die Antwort schneller und korrekter, wenn die zweite Figur auf dem Monitor links erscheint, da die rechte Hemisphäre bei visuell-räumlichen Aufgaben überlegen ist. Dieses Ergebnis bestätigten unsere männlichen Versuchspersonen sowie Frauen während der Menstruation. Dagegen war bei denselben Frauen die Leistung ihrer beiden Hirnhälften während der Lutealphase seitengleich. Die cerebralen Asymmetrien für visuell-räumliche Aufgaben hatten sich tatsächlich während des Menstruationszyklus radikal verändert.

Weniger Botenstoffe, mehr Leistung

Eine Reduktion der weiblichen Sexualhormone führt also sowohl zu einer Leistungssteigerung bei der mentalen Rotation als auch zu einer asymmetrischen Hirnorganisation. Auch bei Frauen nach der Menopause fanden die Forscher Links-Rechts-Unterschiede für visuell-räumliche Reize, die denen von Männern wie auch von Frauen während der Menstruation entsprachen.

Die Untersuchungen der RUB-Wissenschaftler zeigen, dass sich die Asymmetrie vor allem mit der Fluktuation des Hormons Progesteron veränderte. Progesteron steigt zum 22. Tag des Monatszyklus an und fällt dann wieder ab. Im Gehirn erhöht Progesteron die Effektivität der Rezeptoren für den hemmenden Botenstoff GABA und reduziert gleichzeitig die Aufnahme und Umsetzung des aktivierenden Botenstoffs Glutamat.

Insgesamt sollte Progesteron somit auf viele Hirnprozesse dämpfend wirken. Dabei könnte Progesteron die cerebralen Asymmetrien vor allem durch die Modulation des Informationsaustausches zwischen den beiden Hirnhemisphären über die große Faserverbindung (Corpus callosum) verändern.


„brücke“ zwischen den hirnhälften

Das Corpus callosum


Das Corpus callosum besteht aus über 200 Millionen Fasern und verbindet beide Hirnhälften miteinander. Die Nervenzellen, die das Corpus callosum bilden, verwenden fast ausschließlich Glutamat. Während der Lutealphase könnte das Progesteron somit die Effizienz dieser Verbindung und damit zugleich die cerebralen Asymmetrien verringern. Wenn diese Überlegungen stimmen, müsste während des Menstruationszyklus die gesamte Erregbarkeit innerhalb der Hirnrinde schwanken. Doch wie kann man das nachweisen?

MagnetstimulationMit Hilfe der transkraniellen Magnetstimulation (TMS) lässt sich die Erregbarkeit des menschlichen Gehirns schonend untersuchen. Diese neurophysiologische Methode wird seit mehr als zehn Jahren in der Neurologie als Diagnoseverfahren eingesetzt.

Das technische Grundprinzip besteht darin, dass sich durch einen starken Stromfluss innerhalb einer Rundspule ein Magnetfeld aufbaut, das ungehindert und schmerzfrei die Schädeldecke durchdringt und durch elektromagnetische Induktion innerhalb der Hirnsubstanz einen elektrischen Strom erzeugt und somit einzelne Gehirnzellen erregt.

Wie erregbar sind die verschiedenen Hirnregionen?

Durch eine spezielle Reiztechnik, bei der ein unterschwelliger TMS-Reiz wenige Millisekunden vor einem überschwelligen Testreiz gegeben wird, lässt sich die Erregbarkeit der Zielregionen im Gehirn untersuchen. Diese Methode stützt sich auf die Existenz von Zellverbänden innerhalb der Hirnrinde, die über ihre Synapsen einen hemmenden (inhibitorischen) Einfluss auf die nachgeschalteten Areale haben, während andere Neuronenverbände in der Nachbarschaft die nachgeschalteten Funktionsbereiche des Gehirns eher erregen (exzitieren).

Beträgt der zeitliche Abstand zwischen dem ersten und dem zweiten Reiz nur ein bis vier Millisekunden, werden hauptsächlich die inhibitorischen GABA-Zellverbände aktiviert. Bei einem größeren zeitlichen Abstand von acht bis 20 Millisekunden sind es dagegen die exzitatorischen Neuronenverbände, die Glutamat als Botenstoff einsetzen.

sexualhormone dämpfen nervenaktivität
„Kleiner Unterschied“ im Gehirn hormonabhängig

Nervenzelle
Die standardisierte zeitliche Abfolge einer Doppelreizmethode erlaubt eine differenzierte Aussage bezüglich der aktuellen hemmenden und erregenden Zellaktivität in einer bestimmten Hirnregion. Mit einer vergleichbaren TMS-Technik untersuchen die Forscher die Signalübertragung zwischen den beiden Hemisphären über das Corpus callosum.

Diese TMS-Doppelreiz-Methode wurde nun bei Frauen in unterschiedlichen Phasen des Menstruationszyklus eingesetzt. Die Aktivität der hemmenden und erregenden Neuronenverbände zeigte dabei in Abhängigkeit von den unterschiedlichen Zyklusphasen deutliche Schwankungen. So verringerte sich die Aktivität der erregenden Zellverbände bei hoher Konzentration der Sexualhormone Östradiol und Progesteron in der Lutealphase deutlich, während die hemmenden Zellverbände gleichzeitig aktiviert wurden. Hieraus resultierte nach Angaben der Wissenschaftler insgesamt eine verminderte Aktivierbarkeit bestimmter Hirnregionen.

Dies ist genau der Effekt, den die Forscher für Progesteron durch die Reduktion der Glutamat- und die Erhöhung der GABA-Übertragungseffizienz erwartet hatten.

Sind Frauen tatsächlich unfähig einzuparken?Gleichzeitig war eine Veränderung des Informationsaustausches zwischen den beiden Hemisphären über das Corpus callosum nachweisbar: In der Lutealphase verringerte sich die Signalvermittlung, was den Test-Ergebnissen der Visuellen Halbfeldtechnik entspricht. Damit konnten die RUB-Wissenschaftler ihre Hypothese einer im Verlauf des Menstruationszyklus wechselnden Erregbarkeit der Hirnrinde und einer Modulation der Interaktion zwischen den Hemisphären bestätigen. 

Die mit sehr unterschiedlichen Verfahren gewonnenen Untersuchungsergebnisse belegen eindrucksvoll eine im Verlauf des weiblichen Zyklus vorhandene hormonvermittelte wechselnde Asymmetrie der Hirnfunktion. Diese Schwankungen schlagen sich in tagtäglichen Funktionen nieder. Die Ergebnisse der RUB-Forscher zeigen nicht nur, dass sich „der kleine Unterschied“ im Gehirn des Menschen objektiv begründen lässt, sondern dass dieser Unterschied hormonabhängig schwankt.






 

Sogar das Blut ist anders.

Katzensteiner  / pixelio.de 
aus Die Presse, Wien, 23. 1. 2914

Die Geschlechter unterscheiden sich auch im Blut
US-Forscher zeigten, dass bei weiblichen Mäusen die Blutbildung schneller ist.

 

Dass sich Männer und Frauen nicht nur in den primären und sekundären Geschlechtsorganen voneinander unterscheiden und dass diese Unterschiede nicht nur kulturell konstruiert sind, diese Einsicht hat sich inzwischen wohl auch in die Gefilde der Geisteswissenschaften durchgesprochen, Judith Butler und andere hartnäckige Konstruktivisten vielleicht ausgenommen. Doch man staunt schon manchmal über die Kühnheit der Biologen, diesfalls jener um Daisuke Nakada (Houston, Texas), die in ihrer aktuellen Publikation in Nature (505, S.555) neben den Geschlechtsorganen das Gehirn als Beispiel für „sexually dimorphic mammalian tissues“ nennen.

Nun, über diese Formulierung ließe sich streiten. Fest steht, dass Geschlechtsdimorphismen von den Sexualhormonen bewirkt werden, indem diese Stammzellen im jeweiligen Gewebe beeinflussen.

Typische – und medizinisch wichtige – Stammzellen sind die des Blutes, hämatopoetische Stammzellen genannt. Sie sind vor allem im Knochenmark daheim, aus ihnen entstehen alle Blutzellen, rote und weiße Blutkörperchen, aber auch Makrophagen und andere Zellen des Immunsystems. So werden sie seit über 40 Jahren in der Behandlung von Leukämie und von Lymphomen eingesetzt.

Blutbedarf in der Schwangerschaft

Die texanischen Forscher entdeckten nun bei Mäusen einen überraschenden Unterschied zwischen den Geschlechtern in diesen blutbildenden Stammzellen: In Weibchen teilen sie sich schneller, und dafür ist das Sexualhormon Östrogen verantwortlich, für das in den blutbildenden Stammzellen tatsächlich besonders viele Rezeptoren vorhanden sind.

Welchen Sinn könnte dieser Geschlechterunterschied haben? Der Östrogenspiegel ist bei Säugetieren in der Zeit der Schwangerschaft besonders hoch. Auch die Milz, die ja bei der Bildung roter Blutkörperchen eine Rolle spielt, ist in dieser Zeit vergrößert, bei Mäusen und auch bei Menschen. Das lege nahe, so die Forscher, dass die verstärkte Blutbildung dazu diene, den Blutbedarf in der Schwangerschaft und den (möglichen) Blutverlust bei der Geburt auszugleichen.




Sogar die Darmflora ist verschieden... 


 

...naja, nicht bei uns, aber bei allen, die noch natürlich leben, nämlich so, wie die Angehörigen der Familie Homo etwa zwei Millionen Jahre lang:

aus derStandard.at, 21. April 2014, 17:26
Jäger und Sammler zeigen, wie die Lebensweise die Darmflora beeinflussen. 
Forscher verglichen das ostafrikanische Volk der Hadza mit Vertretern eines urbanen Lebensstils und stießen auf interessante Unterschiede

Leipzig - Viele Jäger- und Sammlergesellschaften lassen sich heute nicht mehr finden, aber es gibt sie noch. Eine davonist das in Tansania lebende Volk der Hadza, dem weniger als 1.000 Menschen angehören. Trotz wachsenden Einflusses der modernen Zivilisation haben sie sich ihre traditionelle Lebensweise noch weitgehend bewahrt.

Forscher des Leipziger Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie haben sich dies zusammen mit internationalen Kollegen zunutze gemacht, um die Auswirkungen der Lebensweise auf die menschliche Darmflora zu untersuchen. Dabei stellten sie fest, dass sich das Mikrobenprofil der Hadza von denen aller anderen bisher untersuchten Menschengruppen unterscheidet. Die Bakterien im Verdauungstrakt der Hadza spielen also möglicherweise eine entscheidende Rolle bei der Anpassung an ihre spezielle Ernährungs- und Lebensweise.

Erwartbare Ergebnisse ...

Für die aktuelle Untersuchung zogen die Forscher um Stephanie Schnorr und Amanda Henry als Vergleichsgruppe Italiener als Vertreter einer urbanen westlichen Lebensweise heran. Im Vergleich weisen die Hadza eine vielfältigere Darmflora auf: "Das ist für die menschliche Gesundheit äußerst relevant", sagt Schnorr. "Einige vor allem in Industrienationen vorkommende Krankheiten, wie zum Beispiel das Reizdarmsyndrom, Darmkrebs, Adipositas, DiabetesTyp 2, Morbus Crohn und andere, stehen in Verbindung mit der Verringerung der Diversität der mikrobiellen Darmflora."

Die Darmbesiedlung der Hadza ist zudem sehr gut an die Verdauung von Fasern aus einer pflanzenreichen Kost angepasst und hilft möglicherweise dabei, diesen Nahrungsmitteln mehr Energie zu entnehmen. 

... und überraschende.

Überraschender war ein anderes Ergebnis: Und zwar weist die Darmflora von Hadza-Männern und -Frauen erhebliche Unterschiede auf - so etwas wurde bisher bei keiner anderen menschlichen Bevölkerungsgruppe beobachtet. Die Ursache dafür dürfte in tendenziell unterschiedlichen Ernährungsweisen liegen: Während die Hadza-Männer Wild jagen und Honig sammeln, übernehmen die Frauen das Sammeln von Knollen und anderen pflanzlichen Nahrungsmitteln. Es wird zwar alles miteinander geteilt, doch isst jedes Geschlecht ein wenig mehr von der selbst beschafften Nahrung.

Darüberhinaus kommen die Forscher zum Schluss, dass Kategorien wie "gesunde" und "ungesunde" Bakterien relativ sein könnten, weil sie von der Lebensweise abhängen. Das Indiz: Die Darmflora der Hadza enthält eine große Anzahl an Bakterien, die in der westlichen Bevölkerung oft als Anzeichen für Krankheiten gedeutet werden: Etwa Treponema, Verwandte des Syphilis-Erregers.

Andere Bakterien, wie Bifidobacterium, die bei uns als "gesund" gelten, sind bei den Hadza vermindert. Dennoch treten bei den Hadza kaum durch ein Ungleichgewicht der Darmbakterien verursachte Autoimmunkrankheiten auf. Letztlich ist es also vielleicht die genetische Vielfalt der Bakterien an sich, die das wichtigste Kriterium für eine gesunde und stabile Darmflora darstellt. 

red, derStandard.at
 

Abstract
Nature Communications: "Gut microbiome of the Hadza hunter-gatherers"



Nota.  - Die Darmflora ist nicht wirklich interessant. Aber die unterschiedlichen Ernährungsgewohn-heiten von Männern und Frauen bei den Jägern und Sammlern sind es schon. Und glauben Sie, das sei vorher von irgendwem untersucht worden? Es hätte ja nur Sinn gehabt, wenn man Verschiedenheit vermutet und gesucht hätte. Doch das kann nicht sein, es wäre nicht korrekt. Und wenn dann noch der Gedanke dazugekommen wäre, dass erst der Übergang zu eiweißreicher Nahrung die Entwicklung des typisch menschlichen Gehirns erlaubt hat, wäre das Mainstreaming vollends in Misskredit geraten...
JE





Männliche und weibliche Pubertät.
aus Süddeutsche.de, 27. Mai 2014 07:26  

Baustelle im Kopf   
Sobald sie in die Pubertät kommen, machen viele Jugendliche bisweilen einen unzurechnungsfähigen Eindruck. Auch zwischen den Geschlechtern zeigen sich Unterschiede im Verhalten. Wissenschaftler haben nun eine überraschend einfache Erklärung gefunden.

Von Werner Bartens 

Sie sind völlig neben der Spur, verstehen sich selbst und die Welt nicht mehr. Und von anderen fühlen sie sich sowieso nicht verstanden. Die Pubertät ist eine besonders irritierende Phase im Leben. Aus Sicht der Jugendlichen ist es die Zeit, in der die Eltern schwierig werden. Und die Eltern würden ihren Kindern in dieser Phase am liebsten ein Warnschild an die Stirn heften: Wegen Umbau geschlossen.

Wissenschaftler haben nun eine überraschend einfache Erklärung dafür gefunden, warum viele Jugendliche einen unzurechnungsfähigen Eindruck machen, sobald sie in die Pubertät kommen: Ihr Gehirn ist in dieser Zeit schlicht weniger durchblutet.

Dieser Befund trifft auf beide Geschlechter zu. Ärzte der University of Pennsylvania zeigen im Fachblatt PNAS (online)vom heutigen Dienstag allerdings, dass sich die Durchblutung des Gehirns bei Jungen und Mädchen erheblich unterscheidet.

Der Blutfluss nimmt mit dem Ende des Grundschulalters kontinuierlich ab, bei Jungen werden aber in den Folgejahren besonders jene Hirnareale weniger versorgt, in denen Gefühle verarbeitet werden und die für angemessenes soziales Verhalten wichtig sind. Dazu gehören die Inselregion und der orbito-frontale Cortex.

"Alle Eltern wissen, dass Jungen und Mädchen auf unterschiedliche Weise erwachsen werden", sagt der Psychiater Theodore Satterthwaite, der die Studie geleitet hat. "Unsere Ergebnisse zeigen, wann die Unterschiede im Gehirn beginnen, und vielleicht können wir daraus ableiten, welche Entwicklungsschritte in welchem Alter typisch sind."

Erklären die neuen Befunde die Sozialkompetenz der Frauen?

Das Ärzteteam hatte die Gehirne von 922 jungen Menschen zwischen acht und 22 Jahren mithilfe einer speziellen Kernspintechnik untersucht und dabei festgestellt, dass zwar ab dem Alter von etwa zehn Jahren die Hirndurchblutung bei Mädchen wie Jungen abnimmt. In der Mitte der Pubertät manifestieren sich jedoch die Unterschiede zwischen den Geschlechtern.

Bei den Mädchen steigt die Blutversorgung mit etwa 16 Jahren wieder an, während sie bei Jungen anschließend noch weiter absinkt. "Wir wissen, dass auch bei Erwachsenen das Gehirn von Frauen besser durchblutet ist als das der Männer", sagt Satterthwaite. "Jetzt haben wir beobachtet, wann sich die Unterschiede erstmalig zeigen."

Die Forscher konnten allerdings nicht der Spekulation widerstehen, die zumeist besseren sozialen Fähigkeiten der Frauen auf die stärkere Durchblutung ihres Gehirns zurückzuführen. Zwar seien sie in diesem Bereich den Männern zumeist überlegen, dafür könnte die intensivere Durchblutung aber das Risiko für Depression, Schizophrenie und Angststörungen erhöhen, vermuten die Neuroforscher um Satterthwaite.

Nie ist die Differenz zwischen Wissen und Fühlen größer

Immer wieder haben Wissenschaftler untersucht, was sich im jugendlichen Gehirn abspielt und welche spezifischen Veränderungen bei Jungen und Mädchen in dieser Zeit vor sich gehen. Der Verhaltensforscher Stephen Suomi vom Nationalen Institut für Kindergesundheit der USA hat gezeigt, dass ein gestörter Serotonin-Stoffwechsel junge männliche Rhesusaffen anfällig für auffällig-aggressives Verhalten macht.

Kann weniger von dem Überträgerstoff im Gehirn gebunden werden, eskaliert das normale Spiel der Tiere schnell zum Kampf. Die aggressiven männlichen Jungaffen sprechen in Versuchen zudem deutlich stärker dem Alkohol zu. "Diese streitsüchtigen Tiere haben angefangen zu trinken, bis sie umfielen", sagt Suomi. "Von der Horde werden sie gemobbt, andere Mütter sehen sie als Bedrohung ihres Nachwuchses an."

Soziale Fähigkeiten entwickeln diese isolierten Affen nicht, und damit sind sie manchen Jungmännern durchaus ähnlich. Sie bringen nicht nur andere, sondern auch sich in Gefahr. "Etwa die Hälfte dieser Affen überlebt diese gefährliche Zeit nicht", sagt Suomi. Zwar werden viele prägende Erfahrungen in der frühesten Kindheit vermittelt, in der Jugend sind jedoch nicht nur junge Affen, sondern auch junge Männer besonders verletzlich.

"Der größte Unterschied zwischen intellektuellen und emotionalen Fähigkeiten besteht im Alter zwischen 14 und 19Jahren", sagt der Psychologe Nick Allen von der Universität Melbourne. "Das zeigt auch die Gehirnentwicklung." Die seelische Reifung kommt bei männlichen Jugendlichen selten mit der körperlichen Entwicklung mit. In keiner Phase des Lebens ist die Differenz zwischen Können und Wollen, Wissen und Fühlen größer.

Trotz vieler beeindruckender Befunde ist es dennoch weiterhin eine Illusion, dass man mit Aufnahmen vom Gehirn das Rätsel der psychischen Instabilität während der Pubertät ergründen könnte. Mit Ausnahme der neu beobachteten Unterschiede in der Durchblutung zeigen die Form und Struktur des Gehirns kaum Differenzen zwischen den Geschlechtern. "Man kann in diesen Bildern ja nicht mal das Gehirn eines Mädchens von dem eines Jungen unterscheiden", sagt Jay Giedd von den Nationalen Gesundheitsinstituten der USA.



aus scinexx

Das Gehirn von Frauen ist stärker durchblutet  
Unterschiede im Blutfluss beginnen bereits in der Pubertät 
Klarer Unterschied im Kopf von Männern und Frauen: Das Gehirn von Frauen ist stärker durchblutet als das von Männern – und dies beginnt schon in der Pubertät. Das haben US-Forscher jetzt in einer Studie festgestellt. Während bei Jungen die Durchblutung in dieser Reifungsphase nachlässt, steigt sie bei Mädchen an und bleibt dann ihr Leben lang höher. Besonders große Differenzen gibt es dabei in den Hirnzentren, die für soziales Verhalten und emotionale Kontrolle zuständig sind, so die Forscher im Fachmagazin "Proceedings of the National Academy of Sciences".
  
Abnahme des Blutflusses in verschiedenen Regionen des Gehirns in der frühen Pubertät.

Die Pubertät ist eine Zeit des Umbruchs: Der Körper verändert sich, Geschlechtsmerkmale bilden sich aus, die Hormone pegeln sich neu ein. Aus Kindern werden Männer und Frauen. Dass sich in dieser Zeit auch im Gehirn einiges verändert, ist schon länger bekannt. Denn auch im Denkorgan gibt es geschlechtsspezifische Merkmale. Und noch etwas unterschiedet sich zwischen Männern und Frauen im Erwachsenenalter: die Durchblutung des Gehirns.

Weichenstellung in der Pubertät

"Wir wissen, dass bei erwachsenen Frauen das Gehirn stärker durchblutet ist als bei Männern, aber bisher war nicht klar, wann diese Unterschiede beginnen", erklärt Theodore Satterthwaite von der University of Pennsylvania. Der Verdacht lag allerdings nahe, dass sich auch dieser geschlechtsspezifische Unterschied in der Pubertät ausbildet. Um das zu überprüfen, untersuchten die Forscher die Hirndurchblutung von 922 Jugendlichen im Alter von acht bis 22 Jahren mit Hilfe der MRT-Perfusionsbildgebung. Bei diesem Verfahren wird der arterielle Blutfluss mit Hilfe der Magnetresonanztomografie verfolgt und gemessen.

Das Ergebnis: Im Verlauf der Kindheit und frühen Pubertät nimmt bei beiden Geschlechtern die Hirndurchblutung ab. Doch dann endet diese Gemeinsamkeit: Ab 16 Jahren beginnt bei jungen Frauen, der Blutfluss zum Gehirn wieder anzusteigen. Bei jungen Männern dagegen sinkt er weiter ab. Am Ende der Pubertät war das Gehirn der Frauen dadurch deutlich besser durchblutet als das ihrer männlichen Altersgenossen. "Diese Ergebnisse bestätigen, was alle Eltern wissen: Jungen und Mädchen wachsen unterschiedlich heran", sagt Satterthwaite. Das gilt auch für das Gehirn und seine Durchblutung. 

Klare Unterschiede in Arealen für Sozialverhalten und Emotionen

Die Auswertungen zeigten auch, dass die Durchblutung sich in einigen Gehirnbereichen besonders stark zwischen Frauen und Männern unterscheidet, darunter dem orbitofrontalen Cortex. Dieses Hirnareal spielt eine wichtige Rolle für das Sozialverhalten und die Regulation der Emotionen. Nach Ansicht der Forscher könnte dies erklären, warum Frauen in den meisten Tests der sozialen Intelligenz besser abschneiden als Männer. Umgekehrt aber könnte dies Frauen anfälliger für Depressionen und Angststörungen machen, Männer dagegen eher für Schizophrenie und emotionale Blockaden. 

Das Wissen darum, dass die Unterschiede in der Durchblutung bereits in der Pubertät beginnen und in welchem Maße sie üblicherweise auftreten, könnte auch dabei helfen, psychische oder neurologische Störungen frühzeitig zu erkennen, so die Forscher. "Wir hoffen, dass solche Erkenntnisse es uns eines Tages erlauben werden, eine anormale Hirnentwicklung zu erkennen, bevor sie sich zu einer psychischen Erkrankung auswächst", so Satterthwaite. (Proceedings of the National Academy of Science (PNAS), 2014; doi: 10.1073/pnas.1400178111)
aus scinexx

Mädchen und Jungen lernen Grammatik anders
Mentales Wörterbuch macht Mädchen das Merken auch abstrakter Begriffe leichter 

Flog oder fliegte? Ging oder gehte? Grammatik zu lernen, funktioniert bei Mädchen und Jungen unterschiedlich, wie ein Experiment von US-Forschern zeigt. Mädchen speichern konsequent alle Verben – egal ob regelmäßig oder unregelmäßig – in einer Art mentalem Wörterbuch. Dadurch lernen sie auch abstrakte Wörter schnell. Jungen dagegen leiten die regelmäßigen über ein Grammatikmodul ab. Ihnen fallen abstrakte Begriffe dabei schwerer, wie die Forscher im Fachmagazin "PLOS ONE" berichten. 

Wie lernen wir sprechen? Wie merken wir uns, dass der Vogel "flog" und nicht "fliegte", dass aber der Wind "wehte"? Wie unser Gehirn die Feinheiten der Grammatik verarbeitet, dazu gibt es zahlreiche Theorien. Viele Forscher gehen davon aus, dass wir dafür zwei verschiedene Schaltkreise besitzen: Ein mentales Wörterbuch speichert Wörter und Phrasen als Ganzes, quasi als Klanggebilde. Hier werden auch unregelmäßige Verben memoriert und bei Bedarf abgerufen. Regelmäßige Verben und alles, was sich in der Sprache über feste Regeln herleiten lässt, setzt das Gehirn dagegen mit einer Art Grammatikmodul zusammen. 

Lückentext mit Verben 

"Was aber dabei genau passiert und welche Teile der Sprache gespeichert und welche zusammengesetzt werden, ist noch immer unklar – und dies erst recht bei Kindern", erklärt Studienleiterin Cristina Dye von der Newcastle University. Um mehr über die Sprache und das Sprache lernen von Kindern zu erfahren, führten sie und ihre Kollegen ein Experiment mit achtjährigen Schulkindern durch. 

Für das Experiment erhielten die Kinder Lückentexte, in denen auf einem vollständigen Satz einer mit fehlenden Verb folgte. Beispiel: "Ich gehe jeden Tag zur Schule. Wie jeden Tag, _____ ich auch gestern zur Schule." Die Forscher baten die Kinder, ihnen das fehlende Wort zu nennen, die Zeit und die Zahl der richtigen Antworten bei den insgesamt 29 regelmäßigen und 29 unregelmäßigen Verben wurden gemessen. Gleichzeitig registrierten sie auch, ob den Kindern die richtige Antwort bei Verben leichter fiel, die nicht abstrakt, sondern leicht bildlich vorstellbar sind. Denn dieser Unterschied tritt vor allem dann auf, wenn die Wörter im mentalen Wörterbuch gespeichert werden. 

Mädchen nutzen mentales Wörterbuch konsequenter 

Wie sich zeigte, gab es deutliche Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen: Jungen merkten sich nur unregelmäßige Verben als Ganzes, regelmäßige setzten sie dagegen mit Hilfe ihres mentalen Grammatikmoduls zusammen, wie die Forscher berichten. Zudem fiel es Jungen leichter, sich Verben zu merken, die gut bildlich vorstellbar waren, mitabstrakten Wörtern taten sie sich schwerer. Mädchen dagegen lernten auch abstrakte Verben schnell, wenn sie häufigervorkamen. 

"Das passt zu vorhergehenden Studien, die ebenfalls Unterschiede zwischen den Geschlechtern feststellten, wenn es darum geht, sich Fakten und Ereignisse zu merken – Mädchen haben dabei offenbar einen Vorteil gegenüber Jungen", erklärt Dye. Denn das mentale Wörterbuch ist schneller abrufbar. 

Diese Erkenntnis zum unterschiedlichen Lernverhalten könnte nach Ansicht der Forscher auch für die Schule wichtig sein: "Mädchen schneiden in der Schule oft besser ab als Jungs, es könnte sein, dass der Lehrplan auf eine Weise zusammengestellt ist, dass er die Art zu lernen der Mädchen begünstigt", so Dye. Dies müsse man nun in weiteren Studien prüfen und wenn sich das bestätige, möglicherweise den Unterricht entsprechend anpassen. (PLOS ONE, 2014,doi: 10.1371/journal.pone.0074683)

(Newcastle University, 30.06.2014 - NPO)

Nota I. Dass Mädchen eine größere Affinität zu Wörtern haben als Jungen, und zwar egal, was sie bedeuten, kommt nicht unerwartet. Überraschend ist aber, dass sich Jungen mit abstrakten Begriffen schwerer tun - nein, nicht als Mädchen, sondern als mit anschaulichen Wörtern. Sie müssen sich wohl unter einem Wort erst einmal was vorgestellt haben, bevor sie es sich merken können.

Nota II. - Merken Sie was? Wie man es wertet, kommt ganz darauf an, wie man die Wörter vorher gesetzt hat. Wenn uns der Feminismus eins gelehrt hat, dann ist es das.
JE  





Der große Unterschied sitzt im Gehirn.

aus Die Presse, Wien, 5.12.2013                                                                                             Graphik von Ragini Verma

Kleiner Unterschied, im Gehirn ganz groß: Frauen denken quer  
Auch Gehirne sind geschlechtsspezifisch, man realisiert es seit einigen Jahren. Die Differenzen sind nicht auf Regionen beschränkt, sie beherrschen die ganze Struktur.

von Jürgen Langenbach

Sind Männer und Frauen gleich? Na ja, äußerlich zeigen sich Differenzen, aber im Kern, also im Gehirn, finde sich allenfalls ein ganz kleiner Unterschied: „Sex differences in the brain“, gebe es nur dort, wo es um „Sex“ gehe, ansonsten seien die Gehirne beider Geschlechter deckungsgleich. So fasste vor nicht gar so langer Zeit, 1966, der Psychologe Seymour Levine den Stand seiner Zunft zusammen. Der kleine Unterschied lebe nur dort, wo die Produktion von Sexualhormonen – vor allem: Östrogen – gesteuert wird, im Hypothalamus, der für die Kontrolle von basalem Verhalten – Essen, Trinken, Sex – zuständig ist. Und von dort schlage das Geschlechtsspezifische dann auf das Balzen etc. durch. Im Rest des Gehirns gebe es hingegen keine Differenzen, zumindest von der Natur her nicht. 

Mädchen mögen Puppen, Buben Autos

Das hielt bald 50 Jahre, dann zeigten sich Unterschiede, allerorten: Manche Hirnregionen sind bei Männern größer, andere bei Frauen. Und kleine Mädchen greifen lieber nach Puppen, kleine Burschen bevorzugen Spielzeugautos. Das mag zum Teil kulturelle Gründe haben, aber im Experiment wählten auch kleine Meerkatzen geschlechtsspezifisch. Mädchen wieder schauen lieber in Gesichter, Buben auf mechanische Geräte. Das tun selbst Babys, die gerade einen Tag alt sind. Simon Baron-Cohen (Cambridge) hat es bemerkt, und er ist dem Geschlecht im Gehirn auch anderswo auf der Spur: Mit Autismus sind vornehmlich Männer geschlagen, bei vielen anderen Leiden des Gehirns ist ebenfalls überwiegend ein Geschlecht betroffen.

Natürlich prägt die Differenz auch den Alltag. Jeder Stammtisch weiß es, und sicher ist zumindest, dass Männer besser in Geometrie sind und eine bessere Orientierung im Raum haben. Mit einer Ausnahme: Wenn Frauen einmal auf einem Markt waren, erinnern sie sich das nächste Mal, wo sie gut eingekauft haben. Da mag die Natur mitspielen: Die Erinnerung an Orte wird gefördert von Oxytocin, einem Hormon, das Frauen beim Gebären hilft und ihre Bindung zu den Kindern stärkt. Ihre Kinder mussten die Mütter aber erst wieder finden, als sie in Zeiten des Jagens und Sammelns herumschweiften.

Auch für die Entscheidung darüber, wo sie herumschweifen sollten, brauchten diese Frauen eine gute Erinnerung an Raum und Zeit: Wo gab es das letzte Mal Früchte? Und wann waren die reif? Die Männer hatten andere Sorgen: Sie waren über große Distanzen Wild hinterher, das brauchte abstrakteren Umgang mit Raum, daher die gute Geometrie. Ein anderes Problem hingegen teilen die Geschlechter, beim Werben haben sie es mit Rivalen bzw. Rivalinnen zu tun. Da geht es unter Männern eher grob zu, Frauen bevorzugen es feiner: Sie nutzen soziale Information, sind bessere Beobachter, und ihre Gedächtnisse speichern Details besser, die von Gesichtern etwa. Das hat Ragini Verma (University of Pennsylvania) gezeigt. Aber wo sitzen die Differenzen? Bisher konzentrierte man sich auf einzelne Hirnregionen, nun hat Verma das ganze Gehirn ins Visier genommen bzw. sein „Konnektom“, das ist die Gesamtheit der Verbindungen im Gehirn. Die sehen bei Kindern gleich aus, aber mit Beginn der Pubertät entwickeln sie sich unterschiedlich: Bei Männern laufen die Bahnen bevorzugt in jeder Gehirnhälfte von hinten nach vorn. Hinten sitzt die Wahrnehmung, vorn die koordinierte Aktion, die Verschaltung beider bringt rasches Handeln. [s. Graphik oben] 

Bei Frauen geht es eher quer: Da kommuniziert die linke Hirnhälfte, in der analysiert wird, mit der rechten, in der die Intuition haust. „Bei Aufgaben, die Logik und Intuition brauchen, sind Frauen besser“, schließt Verma (Pnas, 2.12.). Ist also der kleine Unterschied doch riesengroß, sind „Männer vom Mars“ und „Frauen von der Venus“, wie der Therapeut John Gray in seinem Bestseller 1992 vermutete? „Natürlich sind immer auch Individuen unterschiedlich“, mildert Verma.

 

So viele kleine Unterschiede.


Rodin, Le baiser
aus scinexx

Was die Gene von Mann und Frau unterscheidet
6.500 Gene sind bei beiden Geschlechtern unterschiedlich aktiv

Klare Unterschiede: Mindestens 6.500 Gene sind bei Männern und Frauen unterschiedlich aktiv – und dies nicht nur in den Geschlechtsorganen, sondern auch in ganz normalen Geweben wie dem Körperfett, den Muskeln oder der Haut. Sogar in Herz und Hirn entdeckten Forscher teilweise überraschende Unterschiede. Interessant auch: Männerspezifische Gene sind offenbar anfälliger für Mutationen, wie die Analysen ergaben. 

Männer und Frauen unterscheiden sich in mehr als nur den offensichtlichen äußeren Merkmalen. Zwar ist "das" männliche oder weibliche Gehirn ein Mythos, dennoch existieren psychische und gesundheitliche Unterschiede. Studien zeigen beispielsweise, dass die Geschlechter verschieden auf Stress reagieren, dass Männer zwar meist die bessere Orientierung haben, dafür aber vergesslicher sind und unter schlimmeren Infekten leiden. 

6.500 Gene "ticken" anders 

Wie sich Frauen und Männer auf der genetischen Ebene unterscheiden, haben nun Moran Gershoni und Shmuel Pietrokovski vom Weizmann Institute of Science umfassend untersucht. Für ihre Studie analysierten sie die Genaktivität von rund 20.000 proteinkodierenden Genen in 53 verschiedenen Körpergeweben von 544 Männern und Frauen. 

Das Ergebnis: Immerhin 6.5000 Gene sind bei beiden Geschlechtern unterschiedlich aktiv – einige werden bei Frauen stärker abgelesen, andere bei Männern. "Das zugrundeliegende Erbgut ist in uns allen nahezu identisch", sagt Gershoni. "Aber es wird in verschiedenen Körperteilen und Individuen unterschiedlich genutzt." Wo und wie zeigt nun die Karte der geschlechtsspezifischen Genlandschaft.

Nicht nur in den Fortpflanzungsorganen 

"Insgesamt konzentriert sich die geschlechtsspezifische Genexpression vor allem in den Fortpflanzungsorganen - wie angesichts der physiologischen Unterschiede von Mann und Frau zu erwarten", sagen die Forscher. "Aber zusätzlich gibt es auch Unterschiede bei unzähligen Genen, die keinen direkten Bezug zur Reproduktion haben." 

So sind beispielsweise einige Gene in der Haut von Männern viel aktiver als bei Frauen. Wie die Forscher feststellten, sind dies die Gene, die das Wachstum der Körperbehaarung steuern – und damit auch den Bartwuchs von Männern. Auch Gene für das Muskelwachstum sind bei Männern aktiver, bei Frauen werden dafür an der Fettspeicherung beteiligte Gene stärker abgelesen.

 "Insgesamt unterscheidet sich die Genexpression allein in Fettgewebe, Muskeln, Haut und Herz in mehr als hundert Genen", berichten die Forscher. "Das deutet auf substanzielle Unterschiede in der Physiologie und den biologischen Signalwegen dieser Gewebe bei Frauen und Männern hin.

Unterschiede auch in Herz und Hirn 

Unerwartet waren Aktivitätsunterschiede, die die Forscher im Gewebe des linken Herzvorhofs entdeckten: Dort sind einige Gene, die unter anderem die Kalziumaufnahme steuern, bei Frauen in jüngeren Jahren sehr viel aktiver als bei Männern. Dies könnte der Grund sein, warum Frauen zumindest vor den Wechseljahren seltener an Herzerkrankungen leiden. Im Alter allerdings nimmt auch bei ihnen diese Genaktivität rasant ab. 

Auch im Gehirn stießen die Forscher auf Unterschiede: Eines der dortigen Gene wurde bei Frauen erheblich stärker abgelesen als bei Männern. Zwar ist seine genaue Funktion noch unbekannt, es könnte aber dafür verantwortlich sein, dass Frauen seltener an Parkinson erkranken als Männer, so die Vermutung der Wissenschaftler.

Männergene sind anfälliger für Mutationen 

Die Wissenschaftler untersuchten auch, wie sich die Mutationsanfälligkeit im Erbgut von Männern und Frauen unterschiedet. Dabei zeigte sich: Je geschlechtsspezifischer die Aktivität eines Gens war, desto anfälliger war es für Veränderungen. Und bei Männern funktionierte die Selektion gegen Mutationen sogar noch schlechter als bei Frauen, wie die Forscher berichten. 

Eine mögliche Erklärung dafür: " Frauen können nur eine begrenzte Zahl von Nachkommen bekommen, daher hängt das Überleben der Art stärker davon ab, dass die Frauen überlebensfähig sind", erklärt Pietrokovski. "Daher kann die natürliche Selektion es sich leisten, bei den für Männern schädlichen Genmutationen laxer zu sein." 

Zumindest auf der Ebene der Gene wirkt die Evolution demnach durchaus geschlechtsspezifisch. "Männer und Frauen unterliegen unterschiedlichen Selektionsdrücken", sagt Pietrokovski. "In gewissem Maße kann die menschliche Evolution daher als eine Art Koevolution der Geschlechter angesehen werden." (BMC Biology, 2017; doi: 10.1186/s12915-017-0352-z)

(Weizmann Institute of Science, 08.05.2017 - NPO) 


Nota. - Furchtbar kompliziert das Ganze; und dann herzerfrischen simpel: Weniger die Gene unterscheiden sich, als die Art ihrer Wirkung: bei diesen stärker, bei jenen schwächer. So richtig groß sind solche Unterscheide ja nicht; aber wenn es so viele sind, läuft's auf dasselbe hinaus. 

Dies ist der entscheidende Satz:
Männer und Frauen unterliegen unterschiedlichen Selektionsdrücken. Die Folge: Manche Eigenschaften haben sich mehr auf der weiblichen, andere mehr auf der mänlichen Seite angesammelt. Das ist nur im Detail mühselig zu verfolgen. Im Großen betrachtet ist es klar wie das Kleine Einmaleins.
JE
8. Mai 2017

 

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