Mittwoch, 27. Januar 2021

Die Legende vom Testosteron: ein folgenschwerer Unsinn.

 

aus süddeutsche.de,

Rebecca Jordan-Youngs und Katrina Karkazis' Buch "Testosteron":
Folgenschwerer Unsinn 
Bis heute wird mit dem Hormon Testosteron viel erklärt, Polizeigewalt, Börsencrashs und der Mangel von Frauen in Führungspositionen. Zu Unrecht.

Von Sonja Zekri

Zu den finsteren Kapiteln der Medizingeschichte gehören zweifellos die Menschenexperi-mente von Leo L. Stanley. In den Zwanzigerjahren war Stanley, ein bekennender Eugeniker, Gefängnisarzt im berüchtigten kalifornischen Gefängnis San Quentin und führte die Aufsicht über mehr als 10 000 Hodenimplantationen - mit menschlichem Gewebe, etwa von hingerich-teten Häftlingen, außerdem mit Testikeln von Ziegen, Widdern oder Hirschen. Mit seiner Methode erziele er wunderbare Erfolge, schwärmte Stanley, er habe ein breites Spektrum an Leiden von Parkinson bis Paranoia und natürlich Impotenz lindern können.

Ein Kollege Stanleys injizierte sich selbst Testikelextrakte von Meerschweinchen, andere planten in Afrika eine Schimpansenzucht, um aus den Geschlechtsdrüsen der Primaten das "Elixier ewiger Jugend" zu gewinnen. Ein Effekt von Rebecca Jordan-Youngs und Katrina Karkazis' Buch "Testosteron" ist zweifellos der Eindruck, dass Wissenschaftler im Namen des Menschheitswohls oft ziemlichen Unfug gemacht haben. Nur war es beim Testosteron beson-ders folgenschwerer Unsinn.

Die Biologie begründet Ungerechtigkeiten, die tatsächlich kulturelle Konstrukte sind

Bis heute wird Testosteron oder einfach nur "T", wie Jordan-Young und Karkazis es etwas übertrieben lässig nennen, zur Erklärung von vielem herangezogen, Polizeigewalt, Börsencrashs und den Mangel von Frauen in Führungspositionen etwa. In 100 Jahren des Gespräches über Testosteron, so die Autorinnen, seien fast hermetische Narrative entstanden, ja, ein regelrechter "Mythos", dessen Geschichte "kaum je aktualisiert wurde". Diesem "T-Talk", der "T-Folklore", wollen Jordan-Young und Karkazis, Medizinsoziologin die eine, Bioethikerin die andere, eine "nicht-autorisierte Biografie" gegenüberstellen. Es hätte des Untertitels - "Warum ein Hormon nicht als Ausrede taugt" - nicht bedurft, um zu ahnen: Sie haben politische Hintergedanken.

 

 
Konsequenterweise haben die Autorinnen auch weniger einen systematischen Forschungsüberblick im Sinn, als eine Analyse des Wechselspiels von Forschung und Gesellschaft, also vor allem der USA. Sie dekonstruieren den historischen Kontext einiger Studien, durchleuchten fragwürdige Versuchsanordnungen oder die rassistisch beeinflusste Auswahl von Probandengruppen. Dem Gemeinwissen stellen sie aktuelle Forschungsansätze entgegen, die ein paar Fragen an vermeintliche Selbstverständlichkeiten formulieren. Dass Testosteron beispielsweise noch immer einzig als "männliches Sexualhormon" beschrieben wird, sei in dieser Verengung nicht nur falsch, schließlich werde es auch in Eierstöcken produziert. Doch Testosteron werde herangezogen, um eine Kategorie biologisch zu begründen, die in Wahrheit ein kulturelles Konstrukt ist: das Geschlecht.

Rebecca Jordan-Youngs, Katrina Karkazis: Testosteron - Warum ein Hormon nicht als Ausrede taugt. Hanser Verlag, München 2020. 384 Seiten, 25 Euro.

Im Falle der intersexuellen südafrikanischen Leichtathletin Caster Semenya hatte das tragische Folgen: Wenn sie auf ihrer stärksten Distanz - den 800 Metern - starten will, muss sie ihren Testosteronwert mit Medikamenten senken. Doch auch Machtverhältnisse werden - testosteronbedingt - zur Frage der Hormone. Solange es als ausgemacht gilt, dass Börsenmanager und Silicon-Valley-Milliardäre hohe Testosteronwerte aufweisen, stellt sich die Frage nach der Chancengleichheit gar nicht. Erfolg und Einfluss hängen dann ab von der biologischen Grundausstattung, nicht von gesellschaftlichen Verhältnissen, die sich beeinflussen und verändern lassen. Die Biologie nimmt der Ungerechtigkeit das Skandalöse und macht sie zum individuellen Schicksal.

In den USA, wo die Selbstoptimierung zur Nationalkultur gehört, führt dies zu bizarren Blüten. Die Sozialpsychologin Amy Cuddy versprach Frauen eine Steigerung ihres Ansehens durch eine Imponierpose: Schon zwei Minuten als breitbeinige Wonder Woman lasse den Testosteron-Spiegel steigen und damit auch die Risikobereitschaft. Zwar zerlegten Forscher diese Theorie, aber längst war nicht nur eine Debatte, sondern eine regelrechte kleine Power-Posing-Industrie entstanden.

"Testosteron" ist kein einfaches Lesevergnügen. Laien werden nicht allen Details folgen können, immer wieder verlieren sich die Autorinnen auf Nebengleisen. Die deutsche Übersetzung hilft auch wenig, denn sie enthält nicht nur jede Menge Anglizismen, sondern auch Nonsens, wie den Verweis auf "methodische Entscheidungen, die in einem Zusammenhang mit den allgemeinen Ideen über das, was Testosteron ist und tut, zusammenhängen."

Dennoch muss man die Lektüre dringend empfehlen. Wenn sich eines Tages die Wissenschaftshistoriker über die epidemiologische Forschung unserer Zeit beugen - und das werden sie -, werden uns die Ergebnisse weniger erstaunen.

 
Nota. - Dabei hat die Rezensentin den folgenschwersten Unsinn noch gar nicht erwähnt: dass nämlich Testosteron aggressiv mache. Es steigert wohl die Wettbewerbsbereitschaft, aber die ist das Ferment, das männliche Sozialiät zusammenführt - und in Männergesellschaften sorgt Testosteron im Gegenteil für Kooperationsfreudigkeit, die nämlich die andere Seite des Wett-bewerbs ist. Es ist wie bei allen Genussgiften: Auf die richtige Dosis kommts an.
 
So etwas in der Süddeutschen zu lesen hätte allerdings überrascht.
JE


Dienstag, 26. Januar 2021

Frauen sind bessere Beobachter.

  bodylanguagecentral

aus FAZ.NET,

Frauen sehen besser 
Bei Scotland Yard hat man herausgefunden, dass Frauen bessere Beobachter sind und deshalb bessere Zeugen abgeben. Was sagt das über das Verhältnis der Geschlechter? 

Ein Kommentar von Ursula Scheer

Nach elf Jahren als Phantombildexperte bei Scotland Yard, in denen er mit mehr als zweitau-send Zeuginnen und Zeugen zusammengearbeitet hat, besteht für Officer Tony Barnes kein Zweifel: Frauen sehen einfach mehr als Männer. Die Lippen schmal, das Kinn breit, die Augen eng beieinander? Eine Narbe hier, der Haaransatz dort, Doppelkinn? Aus solchen Informatio-nen baut Barnes bei der Metropolitan Police mit Hilfe eines Computers Gesichter, die denen von Gesuchten möglichst ähnlich sehen sollen. Feinheiten ergänzt er per Hand.

Fast immer, so Barnes nun in der Londoner „Times“, seien die Beschreibungen der Frauen denen von Männern weit überlegen – ganz gleich, welcher Altersgruppe, sozialen Klasse oder Bildungsschicht sie angehören. Was wie anekdotische Empirie passend zu den Ermittlungser-folgen von Miss Marple scheinen könnte, hat nach Barnes’ Einschätzung einen ernsten und bedrückend realen Hintergrund: Weil Frauen sich im öffentlichen Raum größeren Bedro-hungen ausgesetzt sähen als Männer, seien sie schon zum Selbstschutz darauf trainiert, Menschen in ihrer Umgebung genauer wahrzunehmen. Sie achteten dabei besonders auf Gesichter.

Multitasking für Agentinnen

Dazu passen Untersuchungen mit Blick-Trackern, die nahelegen, dass Männer unbekannte Frauen spontan eher im Ganzkörpermodus abscannen und ansonsten in ihrer Selbstgewissheit wenig um sich schauen. Und es lässt daran denken, dass der legendäre Paläoanthroploge Louis Leaky für Feldforschung an Primaten in den sechziger Jahren drei Frauen – Dian Fossey, Jane Goodall, Biruté Galdikas – auswählte, weil er überzeugt war, dass sie evolutionär seit der Steinzeit aufs Kinderbetreuen getrimmt und akademisch unverbildet bessere Beobachter abgäben.

Gab der Erfolg der Forscherinnen seiner Theorie recht? Daran darf man zweifeln. Interessant bleibt trotzdem, was vor einigen Jahren Tamir Pardo, der damalige Chef des israelischen Geheimdiensts Mossad, „Forbes“ erzählte: Weibliche Agenten schlügen ihre männlichen Kollegen mit überragender Übersicht und Multitasking-Fähigkeit aus dem Feld. Wir wollen Männern an dieser Stelle keine Gefühle des Bedrohtseins wünschen, um bessere Beobachter zu werden, im Gegenteil. Aber ein Ausgleich des Machtgefälles bis zur Begegnung auf Augenhöhe – das wäre doch ein schöner Anblick.

 

Nota. - Evolutionsbiologischen Argumenten vertraue ich eigentlich eher als mikrobiologisch-genetischen, und sei's nur, weil ich mir mehr dabei vorstellen kann. In diesem Fall bin ich aber nicht überzeugt. Wäre das Ergebnis nämlich gewesen, dass Männer aufkerksamere Beobach-ter sind, so hätte es geheißen: Die haben zwei Millionen Jahre lang gejagt, da war genaue Beobachtuung Voraussetzung für den Erfolg. Beide Annahmen sind gleich plausibel, da müsste als spezifische Differenz ein Drittes hinzukommen.

Das Dritte ist in diesem Fall der Gesichtspunkt der langen Dauer. Auf Seiten des Jagens zwei Millionen Jahre. Auf Seiten der weiblichen Bedrohtheit, dass sie nur in Betracht kommt, seit Frauen sich allein in der Öffentlichkeit bewegen. Seit wann ist dass so generell üblich, dass es ein Selektionskriterium werden konnte? Da schlagen nicht einmal zweihundert Jahre zu Buch; das kann es also nicht sein.

Ein Witz wäre, wenn sich in diesem Fall doch ein mikrobiologischer Faktor als entscheidend erwiese.

Doch vielleicht muss man bloß beachten, dass hier ausschließlich von Gesichtern die Rede ist, und meist wohl von Männergesichtern, wenn ich nicht irre - nicht etwa von ganzen Situatio-nen. Dann wäre Ursula Scheerer dies eine Mal nicht besonders aufmerksam gewesen.

Oder sehn wirs mal andersrum: Nicht Frauen sind die besseren, sondern Männer sind die schlechteren Beobachter; bei Frauen achten sie sprichwörtlich nicht zuerst aufs Gesicht, und auf andere Mäner gleich gar nicht.

JE

Montag, 25. Januar 2021

Bei den Hyänen herrscht das Weib.

 

aus derStandard.at,  25. Jänner 2021                                                                                                  Tüpfelhyänen leben in Gruppen, die sich zu Clans von mehreren Dutzend Tieren zusammenschließen können. Deren geballte Kraft nötigt selbst Großkatzen Respekt ab.

 
Wie es Männchen im Hyänen-Matriarchat geht
Deutsche Forscher untersuchten den Stress, dem männliche Tüpfelhyänen beim Konkurrieren um Weibchen ausgesetzt sind
 
Tüpfelhyänen sind dafür bekannt, dass bei ihnen die Weibchen die erste Geige spielen. Sie sind nicht nur etwas größer als die Männchen, eine Seltenheit in der Welt der Säugetiere. Sie führen auch stets die Gruppe oder den größeren Clan an, die Männchen sind ihnen untergeordnet. Diese ungewöhnliche Sozialstruktur hat viel wissenschaftliches Interesse auf sich gezogen, doch nun berichtet das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) von einer Studie, die auf die Hyänenmännchen fokussierte.
 
Die Ausgangslage

Männchen schließen sich einer Gruppe, mit der sie nicht verwandt sind, als Außenseiter an. Je länger sie in der Gruppe verbleiben, desto höher steigt ihr Rang gegenüber Konkurrenten. "Wir wollten herausfinden, wie Männchen unterschiedlichen Ranges in ihrem Verhalten und ihrem Hormonhaushalt auf diese Konkurrenz reagieren und wie genau der soziale Rang den Fortpflanzungserfolg bei sozialen, in Gruppen lebenden Säugetieren beeinflusst", sagt Oliver Höner, Leiter des Ngorongoro-Hyänen-Projekts am IZW.

Laut Höner gibt es verschiedene Hypothesen zum unterschiedlichen Fortpflanzungserfolg einzelner Männchen. Eine besage, dass ranghöhere Männchen erfolgreicher bei der Paarung sind, weil sie durch ihren bevorzugten Zugang zu Ressourcen stärker und/oder attraktiver sind. Eine andere Hypothese betone die soziale Dimension von Dominanzbeziehungen. Sie besagt, dass rangbedingte Unterschiede in den physiologischen Kosten ("Stress") der Konkur-renzsituation unter den Männchen ihr Verhalten und letztlich ihren Fortpflanzungserfolg be-einflussen.

Die Untersuchung

Das Forschungsteam untersuchte nun das Zusammenspiel zwischen dem sozialen Rang der Männchen sowie den physiologischen Kosten und Investitionen der Männchen bei sozialen und sexuellen Aktivitäten. Sie maßen die fäkalen Glukokortikoid-Metaboliten-Konzentratio-nen (fGMC) im Kot als Biomarker für Stress. Anschließend glichen sie diese mit Langzeit-Verhaltensdaten von 319 männlichen Hyänen ab.

"Wenn Männchen um Weibchen buhlten und mit männlichen Konkurrenten interagierten, hatten rangniedrige Männchen höhere fGMC-Werte als ranghohe Männchen", sagt Studien-erstautorin Eve Davidian. "Im Gegensatz dazu variierte der fGMC-Wert nicht mit dem sozialen Rang, wenn die Männchen allein waren oder wenn sie Weibchen umworben haben und keine Rivalen anwesend waren." Es ist also die intrasexuelle Konkurrenz, die die Tiere stresst.

Auf sich gestellt

Männchen mit niedrigem Rang neigten daher dazu, den offensichtlich stressigen Wettbewerb zu scheuen. Sie verbrachten mehr Zeit allein und weniger Zeit mit sozialen und sexuellen Aktivitäten als die Männchen mit hohem Rang. Sie investierten auch weniger Aufwand in das Werben um die begehrtesten Weibchen, als es hochrangige Männchen taten. Männchen, die wenig in das Umwerben von Weibchen investierten, wurden dadurch aber auch seltener als Väter ausgewählt und zeugten weniger Nachkommen.

Doch woher rührt der Stress? Davidian vermutet, dass die rangniedrigen Männchen oft Neu-ankömmlinge in der Gruppe sind. "Diesen Männchen fehlen Freunde, auf die sie sich verlas-sen und mit denen sie Zeit verbringen können, und sie haben auch keine Sündenböcke, auf die sie ihre Aggressionen umlenken können – ein Verhalten, das Tüpfelhyänen häufig zeigen und ihnen wahrscheinlich hilft, Frustration abzubauen und Stress zu bewältigen." (red.)

 

Freitag, 8. Januar 2021

Weibliche Kriegstreiberei aus sexuellem Motiv.


aus FAZ.NET, 8. 1. 2021

Soziale Lektionen aggressiver Fremdgeher
Make love, not war? Wie sich weibliche Zebramangusten mit einer Kriegslist aggressiv für Führungsaufgaben empfehlen: Sie überfallen die Nachbarn und paaren sich mit ihnen.  
 
Von Diemut Klärner
 
Nie wieder Krieg. Global betrachtet, bleibt das ein frommer Wunsch. Doch warum? Dass gewaltsame Auseinandersetzungen für die Führungsriege einer Gruppe oft Vorteile bringen, während viele andere dafür bluten müssen, ist eine klassische Erklärung. Erstaunlicherweise passt diese nicht nur für menschliche Gesellschaften, sondern auch für bestimmte Tierarten, die in Gemeinschaften leben. Das haben Wissenschaftler um Rufus A. Johnstone von der University of Cambridge, Michael A. Cant von der University of Exeter und Faye J. Thompson vom Queen Elizabeth National Park in Uganda in einer langjährigen Freilandstudie an Zebra-mangusten entdeckt. Bei dieser Spezies, so fanden die Forscher heraus, sind eigennützige weibliche Anführer unterwegs, um von den Auswirkungen kollektiver Kämpfe zu profitieren.
 
Die Zebramanguste (Mungos mungo), benannt nach ihrem gestreiften Rücken, ist in weiten Teilen Afrikas südlich der Sahara heimisch. In Gruppen von etwa zwanzig erwachsenen Tieren plus Nachwuchs schlafen diese kleinen Raubtiere nachts in unterirdischen Bauten. Tagsüber streifen sie gemeinsam durch ihr Revier, um nach Beute zu suchen. Auf dem Speiseplan stehen zum Beispiel große Käfer und Tausendfüßler, aber auch Mäuse und Schlangen. Wie sich in zwanzig Jahren Forschung im Queen Elizabeth National Park herausgestellt hat, bleiben die meisten Zebramangusten zeitlebens derselben Gruppe treu. Alle Mitglieder sind folglich eng miteinander verwandt. Nur etwa 15 Prozent ziehen aus – fast immer unfreiwillig. Gewöhnlich sind davon junge Weibchen betroffen, die von älteren Tieren fortgejagt werden.
 
Der Nachwuchs wird kollektiv großgezogen, mit vereinten Kräften gegen Angreifer verteidigt und von allen Müttern gemeinsam gesäugt. Weibliche Zebramangusten können ihre Fortpflanzung synchronisieren: Binnen einer guten Woche stellen sich bei allen Weibchen einer Gruppe die fruchtbaren Tage ein. Da die Männchen stets deutlich in der Überzahl sind, können sie ihre Fortpflanzungschancen nur dadurch wahren, dass sie ihre auserwählte Partnerin pausenlos bewachen und Konkurrenten vertreiben. Mit den paarungsfreudigen Männchen im Schlepptau übernehmen die weiblichen Gruppenmitglieder eindeutig die Führung in der Gruppe und entscheiden darüber, wohin es bei ihren gemeinsamen Streifzügen gehen soll. Zur Verwunderung der Forscher um Johnstone marschiert das Rudel mitunter geradewegs in ein benachbartes Revier.
 
Zweikämpfe und wilde Verfolgungsjagden
 
Derart provoziert, sind die Nachbarn bald zur Stelle, um ihr Wohngebiet gegen die Eindringlinge zu verteidigen. Dann geht es recht martialisch zur Sache: Wer die andere Gruppe sichtet, ruft mit gellenden Schreien das eigene Rudel zusammen. Dicht gedrängt, bilden die Tiere dann jeweils eine Kampflinie, die laut knurrend, fauchend und kreischend zielstrebig auf den Gegner zuläuft. Wenn beide Gruppen aufeinandertreffen, beginnen Zweikämpfe und wilde Verfolgungsjagden. Bis zu einer Stunde kann das wechselseitige Kratzen und Beißen andauern. Es endet erst, wenn eine Gruppe oder beide den Rückzug antreten. 
 
In den „Proceedings“ der amerikanischen Nationalen Akademie der Wissenschaften erklären Johnstone und seine Kollegen, was weibliche Zebramangusten davon haben, dass sie während ihrer fruchtbaren Tage gern einen derartigen Streit vom Zaun zu brechen: Im Chaos der erbitterten Kämpfe können sie ihren Bewachern entwischen und sich mit den Männchen des benachbarten Rudels paaren. Genetische Analysen zeigen, dass Weibchen im Laufe ihres Lebens desto mehr Nachkommen zur Welt bringen, je häufiger sie in Revierstreitigkeiten involviert sind. Zugleich nimmt die Zahl der Kinder zu, die von Männchen eines anderen Rudels gezeugt wurden. Evolutionsbiologisch betrachtet, ist dieser Nachwuchs besonders wertvoll. Denn mit dem genetischen Erbe aus zwei verschiedenen Gruppen hat er bessere Überlebenschancen als der von Inzucht geprägte Nachwuchs, dessen Eltern derselben Gruppe entstammen.
 
Bei männlichen Zebramangusten, auch das belegen die genetischen Untersuchungen der Forscher an mehr als achthundert Tieren, gibt es keinen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Nachkommen und der erlebten Grenzkonflikte. Die Männchen ziehen also keinen erkennbaren Vorteil aus Streitigkeiten mit Nachbarn. Im Gegenteil, sollten sie im Eifer des Gefechts den Anschluss an ihre Gruppe verlieren, werden sie von allen Seiten gebissen attackiert und verletzt, wenn nicht sogar getötet. Weibliche Zebramangusten riskieren viel weniger. Innerhalb von 16 Jahren haben die Biologen nur zweimal beobachtet, dass ein Weibchen tödlich verwundet wurde. Im selben Zeitraum sahen sie 17 männliche Tiere in Auseinandersetzungen zwischen benachbarten Gruppen sterben. Insgesamt sind zwanzig Prozent der jugendlichen und zehn Prozent der erwachsenen Zebramangusten, deren Todesursache bekannt ist, solchen Kämpfen zum Opfer gefallen.
 
Modellrechnungen bestätigen, dass es sich durchaus aus evolutionsbiologischer Perspektive für weibliche Zebramangusten lohnt, potentiell tödliche Konflikte mit benachbarten Kollektiven zu provozieren. Bei der überwiegenden Mehrheit sozial lebender Säugetier-Spezies endet ein Streit mit Nachbarn dagegen nur äußerst selten oder nie so folgenreich. Ganz allein da stehen die Zebramangusten jedoch nicht mit ihren eskalierenden Konfrontationen. Benachbarte Wolfsrudel beispielsweise können sich sogar derart angriffslustig begegnen, dass die meisten Todesfälle von erwachsenen Tieren auf das Konto dieser Konflikte gehen. Dasselbe scheint für Löwen zu gelten. Auch unsere nächsten Verwandten, die Schimpansen, zeigen eine fatale Neigung, gemeinsam brutal auf Nachbarn loszugehen. Im Gombe National Park in Tansania ergab eine Langzeitstudie, dass 17 Prozent der erwachsenen Schimpansen bei Überfällen benachbarter Gruppen getötet werden. In anderen Populationen scheinen diese Menschenaffen allerdings nicht so kriegerisch aufzutreten. ...


Mittwoch, 6. Januar 2021

Dominante Blockiererinnen und männliche Beschleuniger.

aus derStandard.at, 4. Jänner 2021

Wie ein neues Männchen den weiblichen Hormonhaushalt beeinflusst
Ob Spätzünderin oder frühreif, das hängt bei Dscheladas stark vom Männchenangebot ab

Riesige Tierherden, die das Gras abweiden, sind weltweit ein vertrauter Anblick. In den meisten Fällen hat man es mit Antilopen, Büffeln oder anderen Paarhufern zu tun – im äthiopischen Hochland aber ist ein Affe in diese Rolle geschlüpft. Der bis zu 20 Kilogramm schwere Dschelada (Theropithecus gelada), ein mit einer beeindruckenden Mähne ausge-statteter Verwandter der Paviane, ist mit dieser Lebensweise eine einzigartige Erscheinung in der Welt der Primaten.

Tausend Dscheladas oder mehr können dort zusammenkommen, wo das Gras saftig ist. Blickt man auf ein solches Meer aus Affen, erkennt man erst bei eingehender Beobachtung, dass es sich um eine wohlgeordnete Gesellschaft handelt, die sich in immer kleinere Untergruppen gliedert. Keimzelle der Dschelada-Gesellschaft ist die Fortpflanzungsgruppe, die in der Regel aus mehreren miteinander verwandten Weibchen und einem bis maximal vier Männchen be-steht. Parallel dazu gibt es sogenannte Junggesellengruppen, die nur aus Männchen bestehen. Und beide Grundeinheiten können sich zu immer größeren Übergruppen zusammenschlie-ßen, bis am Ende eine Tausendschaft steht.

Ein Neuankömmling schlägt Wellen

Die Anthropologin Jacinta Beehner von der Universität Michigan und ihr Team haben die "eingehende Beobachtung" wörtlich genommen und 14 Jahre lang die sozialen Prozesse in der Dschelada-Gesellschaft studiert. Dabei haben sie eine erstaunliche Entdeckung gemacht: So-bald das bisher dominante Männchen einer Fortpflanzungsgruppe von einem neu dazugesto-ßenen Junggesellen verdrängt wird, werden sämtliche Weibchen schlagartig paarungsbereit. Die bloße Anwesenheit eines Neulings beeinflusst offenbar ihren Hormonhaushalt.

Nicht zu übersehendes Zeichen der Paarungsbereitschaft ist ein sanduhrförmiger haarloser Fleck auf der Brust der Tiere (weshalb sie auch Blutbrustpaviane genannt werden). Bei den Weibchen ist er normalerweise viel unauffälliger als bei den Männchen – auch bei ihnen be-ginnt er aber zu "leuchten", wenn sie fortpflanzungsbereit sind. Dieses Merkmal ist aber nur die sichtbare Folge der eigentlichen hormonellen Veränderung, die kurz davor eingetreten ist. Beehner und ihre Kollegen sammelten den Kot der Weibchen ein, um den Östrogenspiegel der Tiere zu untersuchten. So konnten sie den unmittelbaren Zusammenhang des Östrogen-Anstiegs mit der Ankunft eines neuen Männchens belegen.

Die Auswirkungen

Zum einen veranlasste die hormonelle Veränderung heranwachsende Weibchen dazu, früher fruchtbar zu werden. Normalerweise werden Dscheladaweibchen mit viereinhalb Jahren ge-schlechtsreif, sagt Beehner – diese Schwelle kann durch das Auftreten eines Neuankömmlings aber deutlich gesenkt werden. Sogar Weibchen, die erst ein Jahr alt und damit definitiv noch nicht fortpflanzungsfähig waren, erlebten einen vorübergehenden Anstieg des Östrogenspie-gels; auch wenn der in ihrem Fall noch folgenlos blieb. 

Das Weibchen im Vordergrund ist erst dreieinhalb Jahre alt – eigentlich zu jung für die erste Paarung. Doch die Ankunft eines neuen Männchens ist nicht ohne Folgen geblieben.

Noch verblüffender fanden die Forscher allerdings, dass sich reifere Weibchen, deren erster Fortpflanzungszyklus eigentlich schon längst überfällig gewesen wäre, plötzlich doch paarungsbereit zeigen. Daraus lässt sich nur der Schluss ziehen, dass diese Spätzün-derinnen ihre Fortpflanzungsbe-reitschaft zuvor hinausgezögert hatten. Der Hormonhaushalt lässt sich offenbar also in beide Rich-tungen steuern: Ein aussichts-reicher Neuankömmling führt zu einer Beschleunigung, die allzu lange Präsenz des alten Platzhirsches hingegen zu einer Verzögerung.

Letzteres soll laut Beehner vor allem verhindern, dass sich Töchter mit dem Vater paaren. Fremdgehen ist in der Dschelada-Gesellschaft zwar kein unbekanntes Phänomen (und es wurde beobachtet, dass sich die Tiere bei solchen verbotenen Paarungen wesentlich leiser verhalten als bei den erlaubten). Doch stammen die meisten jungen Weibchen einer Fort-pflanzungsgruppe vom dominanten Männchen ab – eine Paarung wäre also genetisch un-günstig.

Implikationen

Bei verschiedenen Neuweltaffen aus Südamerika hat man bereits festgestellt, dass die Anwe-senheit eines dominanten Weibchens in einer Gruppe die Fortpflanzungsbereitschaft sämtli-cher Geschlechtsgenossinnen unterdrückt. Das wäre eine weitere Ausformung desselben Grundphänomens: nämlich dass die soziale Umgebung den Prozess der sexuellen Reifung beeinflusst. Dass dies nun erstmals auch bei einem Altweltaffen festgestellt wurde (wenn auch in einer ganz anderen Variante), eröffnet die Möglichkeit, dass eine solche Veranlagung schon bei den gemeinsamen Urahnen beider Gruppen bestanden haben könnte. Und damit womög-lich auch der Urahnen von Menschenaffen und letztlich auch des Menschen. Beehner betont bei aller Vorsicht doch ausdrücklich die Möglichkeit, dass es einen solchen Beeinflussungspro-zess auch beim Menschen geben könnte.

Als nächstes will die Forscherin aber erst einmal beobachten, wie sich vorgezogene oder hin-ausgezögerte Fortpflanzungen mittel- bis langfristig auf die Dschelada-Population auswirken. Im nächsten Studiendurchgang will sie daher mit ihren Kollegen untersuchen, wie sich das Leben dieser Weibchen in reifen Jahren gestaltet und wie es mit ihrem Nachwuchs aussieht. Und das kann dauern. Beehner abschließend: "Wir werden uns in weiteren 14 Jahren wieder melden." (jdo.)

Dienstag, 5. Januar 2021

Wir starken Männer.

Geppetto

Wir starken Männer brauchen immer einen, der uns auf der Nase rumtanzt. Wir würden unsere Kraft sonst nicht spüren.

 

 

 

 

Montag, 4. Januar 2021

Frauen können sich nicht entscheiden.

shotshop

aus FAZ.NET, 1. 1. 2021

... Diese Zurückhaltung zeigt sich offenbar nicht nur bei Geldanlagen. Frauen haben grund-sätzlich ein Problem damit, sich zu entscheiden, sagt die Frankfurter Psychologin Yvonne Keßel. Dies habe zur Folge, dass viele Entscheidungen auf die lange Bank geschoben würden. Eine wichtige Rolle in der Entscheidungsfindung spielten auch das Alter und die Bildung. „Jüngere Frauen sind grundsätzlich eher bereit, sich zu entscheiden und Risiken einzugehen“, sagt Keßel. Denn auch im Berufsleben müssten sie sich häufig aktiv entscheiden. Mit einer höheren Bildung fielen Entscheidungen ebenfalls leichter.

Diese Unterschiede zwischen den Geschlechtern hätten nicht nur kulturelle Gründe, sondern auch evolutionsbiologische, sagt Keßel. Als „Jäger“ hätten sich Männer schnell entscheiden müssen. Eine solche Entscheidung erzeuge bei ihnen direkt ein positives Gefühl, denn da-durch werde das Belohnungszentrum im Gehirn aktiviert. Bei Frauen sei das in diesem Aus-maß meist nicht der Falle. Sie benötigten für ein gutes Gefühl mehr Zeit und sammelten hierfür Informationen. ...

 

Nota. - Schach  ist weltweit Männesache, Frauen tauchen da gar nicht auf. Es ist erstens nur ein Spiel. Und weitens ein Spiel, bei dem es stundenlang ausschließlich ums Entscheiden geht. Abzuwarten gibts da nichts.

Dass es übrigens seit einem halben Jahrhundert immer mehr Frauen in den Öffentlichen Dienst zieht, erscheint unter diesem Gesichtspunkt in einem eignen Licht.

JE

 

Freitag, 1. Januar 2021

Der Kern allen Übels.


Der Kern allen Übels: Die Quote
aus Süddeutsche.de, 31. 12. 2020
 
 
Und das in der Süddeutschen? Kann ja gar nicht sein!
JE