Donnerstag, 28. September 2017

Weg mit den Jammer-Müttern!


ägyptisch
aus FAZ, 26.09.2017
 
Weg mit den Jammer-Müttern!
Die Forderung nach einer Zwangspause für Väter belegt: Ein Teil der Frauen glaubt immer noch daran, dass es für wahre Gleichberechtigung nur genügend staatliche Steigbügel braucht.

Von

Auch zehn Jahre nach Einführung der Elternzeit pausieren drei Viertel der Männer bloß zwei Monate für ihr Kind. Das sind die beiden Monate, für die die Familie sonst die schöne staatliche Förderung durch das Elterngeld verlieren würde, die abhängig vom Einkommen vor der Geburt zwischen 300 und 1800 Euro im Monat liegt. Doch nur, wenn die Elternzeit mindestens zwei Monate auch vom anderen Elternteil genutzt wird, gibt es die volle Leistung für 14 Monate. Schon das ist eine befremdliche Bevormundung und Einmischung durch die Politik -  mit dem erklärten Ziel, die Akzeptanz für eine berufliche Väter-Pause in den Unternehmen und bei den Vätern mit dem sanften Druck des Geldes zu erhöhen. Der Befund ist aber eindeutig: Mütter bleiben wie gehabt nach der Geburt in der Regel wesentlich länger zu Hause als die Väter.   

Aus diesem Befund kann man – wie meine Kollegin Tatjana Heid an dieser Stelle in ihrem Beitrag „Weg mit den Zwei-Monats-Vätern!“ – schlussfolgern, dass es mit der Gleichberechtigung in den Familien nicht allzu weit her ist. Zwingend ist der Schluss aber nicht, schließlich ist die Aufteilung der 14 Monate (bis auf die zwei Partnermonate) freiwillig gewählt. Dass die Frau überwiegend zu Hause bleibt, könnte also einfach daran liegen, dass die Eltern diese Aufteilung der Betreuung im ersten Lebensjahr als sinnvoll und dieser Familienphase angemessen empfinden.  

Nimmt man an, dass die Frauen dennoch mit der Aufteilung unzufrieden sind, stellt sich die Frage, wer den Zustand zu ändern hätte: Immer noch die Politik, der Staat, der seit Jahren ein Gesetz nach dem anderen macht und Frauen darüber die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hierzulande dramatisch erleichtert hat? Tatjana Heid sagt ja und will den Vätern nun eine 14-wöchige Zwangspause zu Hause verordnen, ein Arbeitsverbot für junge Väter, genannt  „Vaterschutz“. Die Dauer wäre analog zum Beschäftigungsverbot im Mutterschutz sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt. Der Mutterschutz beruht allerdings nachvollziehbar vor allem auf biologischen Gründen, während Vaterschutz bloß soziologisch motiviert wäre. 

Die fröhliche Aufforderung zu einer derart weitreichenden Einmischung des Staates in die Familien kommt meiner Ansicht nach einer Bankrotterklärung der Frauen und Mütter gleich. Niemand hindert sie daran, sich hier und heute mit ihren Männern auf eine andere Aufteilung der Babypause zu einigen. Warum beharren sie nicht auf der Halbierung der Elternzeit, wenn es ihnen so wichtig ist, warum nicht gar darauf, dass der Vater den Löwenanteil der Fürsorge übernimmt? Sie müssen es nur tun, statt zu jammern und immer neue, teure Hilfestellungen zu verlangen. Mir scheint das, als warteten sie darauf, dass der Staat die Mühe des Aushandelns der Arbeitsaufteilung in der Familie endlich für sie erledigt. Wollen Mütter den Staat aber allen Ernst einladen, ihnen in der Familie verbindlich vorzuschreiben, wie Gleichberechtigung auszusehen hat? Ist solche Bevormundung ihre Vorstellung von Gleichberechtigung?

Die Forderung nach Väter-Zwangspause belegt einmal mehr, dass ein Teil der Frauen immer noch daran glaubt, für die wahre Gleichberechtigung brauche es bloß genügend staatliche Steigbügel. Doch gibt es längst eine solche Flut von Teilzeitansprüchen (auch die Elternzeit ist übrigens in Teilzeitportionen verfügbar), dass nun die „Teilzeit-Falle“ der Frauen beklagt wird und ein Rückkehrrecht in Vollzeit ebenfalls Gesetz werden soll. Geliebäugelt wird auch noch mit dem von der SPD schon länger propagierten Gesetz für die Familienarbeitszeit: Es zielt darauf, Väter und Mütter zu belohnen, wenn sie beide gleichermaßen 32 Stunden in der Woche arbeiten, getreu einem irrwitzigen Ideal, das nur die exakt hälftige Aufteilung von Arbeit und Familienzeit als „gleichberechtigt“ anerkennen  will.

Auch damit ist es aber absehbar nicht genug. Schon wünschen sich Frauen einen Staatskommissar, der ihren Arbeitslohn auf Spuren von Diskriminierung überprüft. Außerdem natürlich den gebührenfreien Betreuungsplatz für das Kind bis zum 18. Geburtstag, fußläufig zum Wohnort, aber mit garantiert qualitativ hochwertigem Betreuungspersonal, das deswegen bitteschön auch künftig viel besser verdienen möge.

Geht’s noch? „Wir wollen doch Gleichberechtigung“, schreibt Tatjana Heid. Da seien die Kosten egal, schließlich gebe Deutschland „für wesentlich unsinnigere Dinge Geld aus“, da könne sich das Land auch leisten, wenn die Väter nach der Geburt ebenfalls 14 Wochen bezahlt zu Hause bleiben, übrigens gerne zusätzlich zu einem reformierten Elterngeldgesetz, das dann gleich vier verpflichtende Partnermonate vorsieht.

Keine Antwort auf die Frage, wo das Geld herkommt. Doch Ausgaben, die der eine „unsinnig“ findet, verteidigen andere meist beinhart. Auch ist es riskant, in einem Land, in dem Arbeitskräfte knapp werden, während die Babyboomer in die Rente drängen, immer neue bezahlte Auszeiten zu verlangen. Die Kosten deckt nicht der Himmel. Das Geld fließt nur, wenn es Unternehmen gelingt, sich im Wettbewerb weiterhin zu behaupten. Man hört schon, wie sich Mütter und Väter dann fragen, warum ihnen eigentlich von ihrem Einkommen kaum was bleibt, das sie mit staatlicher Hilfe nun so wunderbar gleichberechtigt erwirtschaften. Die Antwort lautet: Das Einkommen fressen die hohen Steuern und Abgaben, die ein Land nun einmal hat, wenn seine Bürger glauben, alles lasse sich an den Staat delegieren.

Mehr Zwang, weniger Geld – das kann doch nicht die Gleichberechtigung sein, die Mütter meinen.


Nota. - Liebe Frau Göbel, das wissen Sie doch selber - und ich möchte wetten: besser als manchEr andere -, dass 'For- derungen' dieser Art nicht von "Frauen", schon gar nicht von "Müttern" in die Öffentlichkeit getragen werden, sondern von Professionellen, die mit Frauenthemen ihren Lebensunterhalt bestreiten. Das müssen Sie aussprechen - dann können Sie sich den ganzen Rest sparen. Aber da ist gewiss die Frauenbeauftragte Ihrer Redaktion davor.
JE

Mittwoch, 20. September 2017

Das weibliche Sicherheitsbedürfnis.

Egon Schiele
aus dieStandard.at, 20. September 2017, 10:00

Wenn Exzellenz zur Ausrede wird
Je höher die Karrierestufe im Wissenschaftsbetrieb, desto weniger Frauen sind dort zu finden. Ein Projekt untersuchte, wie es die Universitäten mit Gleichstellung halten und welche Auswirkungen die enorme Konkurrenz hat

von Beate Hausbichler

Wien – Frauen sind an den Universitäten eine junge Erscheinung. In Österreich konnten sie erst im Laufe des letzten Jahrhunderts Einzug in die Unis halten. Inzwischen haben sie eine beachtliche Aufholjagd hingelegt. Mit 54 Prozent sind heute Frauen als Studierende in der Mehrheit, sie werden aber ab der Postdoc-Ebene immer weniger: Der Professorinnenanteil in Österreich liegt bei 23 Prozent, europaweit werden nur 20 Prozent der Universitätsinstitute von Frauen geleitet.

Während Unis oft als Ort des streng regulierten geschlechterpolitischen Fortschritts gelten, sieht die Realität anders aus. Trotzdem werden Maßnahmen zur Frauenförderung nicht von allen Universitäten mit gleicher Intensität vorangetrieben, was auch mit dem 2002 installierten Universitätsgesetz zu tun hat. Mit ihm mussten die Unis einen großen Schritt in Richtung Selbstmanagement gehen, womit auch gleichstellungspolitische Maßnahmen den Unis übertragen wurden. Die Soziologinnen Angelika Striedinger und Johanna Hofbauer haben untersucht, wie sich die neuen unternehmerischen Anforderungen an den Universitäten auf gleichstellungspolitische Maßnahmen in Österreich auswirken und warum Frauen in den höheren Karriereebenen eine Minderheit sind.

Wettbewerb um "Exzellenz"

Hofbauer und Striedinger forschten mit Unterstützung des FWF im Rahmen des länderübergreifenden Projekts "Entrepreneurial University and Gender Change: Arbeit – Organisation – Wissen". In den nun vorliegenden Ergebnissen zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen den vier untersuchten anonymisierten österreichischen Unis. Ein Problemfeld zog sich allerdings wie ein roter Faden durch große Teile der untersuchten Daten: der enorme Wettbewerb um "Exzellenz".



"Die Universitäten raufen sich um die besten Ranking-Positionen, auch zwischen den Wissenschafterinnen und Wissenschaftern findet ein Kampf um die vordersten Plätze statt", sagt Hofbauer. Dabei werde unter den Tisch gekehrt, dass das Leistungsprinzip, nach dem nur die Besten durchkommen würden, so nicht stimme. "Es sind nicht einfach die Besten, sondern vor allem die mit den besten Ressourcen im Hintergrund und die mit dem höchsten Grad an Mobilität."

Die Konsequenz ist ein harter Konkurrenzkampf, zwischen den Unis und zwischen den Menschen im Wissenschaftsbetrieb. Striedinger und Hofbauer haben sowohl mit jungen Wissenschafterinnen als auch mit Wissenschaftern gesprochen, um herauszufinden, wo die Probleme für den gesamten Nachwuchs liegen und wo es Genderkomponenten gibt. Konkurrenzdruck und undurchsichtige Kriterien für die sogenannte Exzellenz waren Generalthemen. "Nachhaltige Karriereperspektiven oder längerfristige Verträge – darum kämpfen alle", sagt Hofbauer.

Immer wieder Sorgearbeit

Doch für Frauen sei die Ungewissheit noch einmal weitreichender. "Frauen tragen mit ihrer Geschlechterrolle eine Perspektive von Verantwortung für Familie und Sorgearbeit mit sich – selbst wenn sie noch keine Familie haben", sagt Hofbauer gegenüber dem STANDARD. Insofern sei diese Unsicherheit für Frauen existenzieller als für Männer, die noch immer damit rechnen könnten, dass sie eine Frau maßgeblich bei der Sorgearbeit entlastet.

Über die individuelle Wahl gegen oder für den Beruf Wissenschafterin hinaus spielen auch Zuschreibungen von jenen eine Rolle, die Männer und Frauen potenziell fördern könnten. "Familiengründung wird in vielen Fällen bei einer jungen Wissenschafterin als größeres Hindernis als bei ihrem Kollegen wahrgenommen", meint Striedinger.

Dass Frauen noch immer die Frage der Vereinbarkeit weit mehr als Männer umtreibt, zeigt der Braindrain in den Naturwissenschaften. Frauen wechseln oft in die Industrie, weil sie dort für sich bessere Bedingungen vorfinden. "In der Industrie findet man Möglichkeiten zur Vereinbarkeit, während man in der Wissenschaft als Hängemattenkandidatin gilt, wenn man etwa Arbeitszeitenregulierungen fordert", sagt Hofbauer. Neben den Interviews mit Menschen aus dem Wissenschaftsbetrieb lieferten den Soziologinnen verschiedenste Dokumente wichtige Daten.

Keine Zeit für Gleichstellung

In Entwicklungsplänen, Leistungsvereinbarungen oder Wissensbilanzen offenbarten die Unis ihr Verhältnis zu Gleichstellungsmaßnahmen. Die Begründungen, warum diese gesetzt werden, reichten von einem nötigen größtmöglichen Nutzen der personellen Ressourcen darüber, der Anordnung eines Ministeriums Folge leisten zu wollen, bis hin zu dem Anspruch, dass Diversität schließlich zu den Grundsäulen der Academia zähle. Es zeigte sich, dass an jenen Unis, an denen diese verschiedenen Zugänge gleichzeitig sichtbar waren, mehr Gleichstellungsaktivitäten stattfanden.

Hofbauer und Striedinger fanden auch heraus, dass sich Universitäten mit einer starken Orientierung am internationalen Exzellenzwettbewerb mit Gleichstellungsarbeit zurückhalten. "Sie rechtfertigen ihre Versäumnisse damit, dass dafür einfach keine Ressourcen mehr da sind – dabei ist es ein großes Missverständnis, dass das eine das andere ausschließen würde", ist Hofbauer überzeugt. Würden Frauen unsichtbar gemacht, würden auch die Qualität ihrer Forschung und ihre Ideen unsichtbar. Für manche Unis sei Gleichstellung daher eine notwendige Voraussetzung für Exzellenz. Andere verwendeten die Förderung von Frauen hingegen wettbewerbsbedingt als Aufputz nach außen hin, ergänzt Striedinger. Während tatsächlich relativ wenig passiere. 


Link
Entrepreneurial University und GenderChange: Arbeit – Organisation – Wissen


Nota. - Dass das vordringliche weibliche Sicherheitsbedürfnis eine erbliche Charakterschwäche wäre, sagt ja keiner. Es ist eine kluge Anpassungs- oder richtiger: Vorbeugungsmaßnahme der Evolution. Dass es den Män- nern abgeht, ist nicht deren Verdienst, aber dass es den Frauen unter veränderten historischen Bedingungen Nachteile bringt, ist auch nicht ihre Schuld. 
JE



Dienstag, 12. September 2017

Die Walküre von Birka.

aus scinexx                                                                      Mögliche Darstellung einer Wikingerkriegerin auf einem Stein aus Gotland.

Wikingerkrieger war eine Frau
DNA-Analysen enthüllen erstmals hochrangigen Wikinger-Offizier weiblichen Geschlechts 

Wehrhafte Walküre: Bei den Wikingern waren Krieg und Kampf nicht nur Männersache – es gab auch weibliche Kriegerinnen, wie ein Wikingergrab im Südosten Schwedens belegt. In ihm zeugen zahlreiche Waffen, zwei Pferde und ein Strategiespiel davon, dass hier ein höherrangiger Offizier begraben wurde. DNA-Analysen enthüllen nun, dass dieser Kriegeroffizier in Wirklichkeit eine Frau war. Frauen konnnte demnach bei den Wikingern durchaus hochrangige, "typisch männliche" Positionen bekleiden. 

Vor rund tausend Jahren dominierten die Wikinger weite Teile Nordeuropas und besiedelten als erste Europäer sogar das ferne Grönland. Obwohl die Nordmänner auch ein ausgedehntes Handelsnetz unterhielten, waren vor allem die Raubzüge ihrer Krieger gefürchtet. Gängiger Lehrmeinung nach galt dabei die klassische Arbeitsteilung: Männer waren Herrscher und Krieger, die Frauen kümmerten sich um Haus und Kinder.

Waren Walküren nur ein Mythos?

Aber stimmt das auch? "Schon im Mittelalter gab es Erzählungen über weibliche Wikingerkrieger, die Seite an Seite mit den Männern kämpften", berichten Charlotte Hedenstierna-Jonson von der Universität Stockholm und ihre Kollegen. "Obwohl diese Geschichten immer wieder in den Überlieferungen auftauchten, wurde sie aber meist als bloße Legenden abgetan."

Dass mehr dahintersteckt, belegt nun ein Grab aus der alten Wikingersiedlung Birka im Südosten Schwedens. Zwischen dem 8. und 10. Jahrhundert lebten hier bis zu tausend Menschen, geschützt von einer Festung. Im Umfeld der Siedlung haben Archäologen einen ausgedehnten Friedhof mit rund 3.000 Gräbern entdeckt. "Dies ist eine der größten bekannte Ansammlungen von Gräbern in der Wikingerwelt", erklären die Forscher.


Diese Zeichnung zeigt den Inhalt des Grabes Bj581 im schwedischen Birka

Krieger-Offizier in voller Montur

Eines der Wikingergräber von Birka, Bj581, ist besonders reich ausgestattet und gut erhalten. Prominent auf einer Terrasse zwischen Festung und Ort gelegen, enthält dieses Grab einen Toten, der die volle Ausstattung eines Kriegers mit ins Grab bekommen hatte: ein Schwert, eine Streitaxt, einen Speer, Pfeile, ein Kriegermesser, zwei Schilde und zwei Pferde. "Basierend auf diesen Grabbeigaben wurde der Tote im Grab Bj581, für einen männlichen Krieger gehalten", so die Wissenschaftler.

Neben den Waffen fanden die Archäologen auch ein Spielbrett mit Spielfiguren im Grab. "Dies deutet auf eine Beschäftigung des Toten mit Taktik und Strategie hin und spricht dafür, dass es sich hier um einen höherrangigen Offizier handelte", erklären Hedenstierna-Jonson und ihre Kollegen. Auch das sprach eher für einen Mann. "Zwar kennt man einige Wikingerfrauen, die mit Waffen begraben wurde, aber ein weiblicher Krieger dieses Rangs war bisher unbekannt."

Kriegerin statt Krieger

Dennoch wollten die Archäologen sichergehen und haben daher das Geschlecht des Wikingerkriegers anhand einer DNA-Probe aus einem seiner Knochen bestimmt. Gleichzeitig untersuchten sie über Genvergleiche und Isotopenanalysen der Zähne, aus welcher Population dieser Tote stammte.

Das überraschende Ergebnis: Der vermeintliche Krieger war in Wirklichkeit eine Kriegerin. Das Skelett im Grab Bj581 gehörte eindeutig einer Frau. Wie die Genvergleiche ergaben, war sie zudem eine Wikingerin, stammte aber offenbar nicht aus der unmittelbaren Umgebung. Sie muss als Jugendliche nach Birka gekommen sein, wie die Forscher berichten.

Mächtige Frau in einer männerdominierten Welt

Die Tatsache, dass diese Wikingerin mit voller Kriegerausstattung begraben wurde, spricht dafür, dass sie zu Lebzeiten eine hohe Stellung in der Wikingergesellschaft5 von Birka besaß. "Die exklusiven Grabbeigaben und die beiden Pferde gehörten einem Menschen, der Verantwortung für Strategie und Kriegstaktik besaß", so Hedenstierna-Jonson. "Das war keine Walküre aus der Sagenwelt, sondern eine militärische Führungspersönlichkeit, die zufällig eine Frau war."

Nach Ansicht der Archäologen belegt dieser Fund, dass es auch in der männerdominierten Welt der Wikingerkrieger durchaus Frauen gab, die damals höhere Ränge bekleideten und Männer anführten. "Frauen konnten demnach durchaus vollwertige Mitglieder dieser Gesellschaft sein", so die Forscher. "Dies zeigt, wie die Kombination von Archäologie und Genanalysen unser Verständnis der sozialen Organisation vergangener Kulturen verändern kann." (American Journal of Physical Anthropology, 2017; doi: 10.1002/ajpa.23308)

(Stockholm University, 11.09.2017 - NPO) 


Nota. - Ich muss mich wohl mal wieder für gerechte Sprache einsetzen: Was soll denn die Rede von einer "männerdominierten Welt" bedeuten? Das mag einen Sinn haben, wenn man sich unter der 'Welt der Wikinger' ausschließlich Endeckungsfahrten und Raubzüge vorstellt. Aber das war nur die Außenseite. Im Innern waren die Wikinger eine Gesellschaft von Bauern, und die beruht ökonomisch hauptsächlich auf den Hauswirtschaf- ten. Waren die auch "männerdominiert"? Was soll man sich darunter vorstellen? Und woher will man es wissen?!

Zu allem Überfluss erfahren wir nun auch noch, dass sogar in der Militärorganisation Frauen (mindestens diese eine) bis an die Spitze gelangen konnten. Was könnte man sich bei der Rede von der 'jahrtausendealten Unter- drückung der Frau' also denken?
JE


Samstag, 9. September 2017

Wozu Gender-Studies?

 
aus Forschung & Lehre 11. November 2014

Wozu Gender Studies?
Ein Forschungsfeld zwischen Feminismus und Kulturwissenschaft

von Stefan Hirschauer

Der Begriff ‚Gender ­Studies‘ wird derzeit auf mindestens drei Weisen verwendet: als Bezeichnung ­eines transdisziplinä- ren kulturwissenschaftlichen Forschungsgebietes, als beschwichtigende Umbenennung der feministischen Geschlechter- forschung und als rhetorisches Mäntelchen für bürokratische Frauenfördermaßnahmen. ­Eine kritische Bestandsaufnahme aus soziologischer Sicht.

Der Sinn von ,Gender Studies’

In einem engen und präzisen Sinn bezeichnet Gender Studies die kulturwissenschaftliche Forschung zur Geschlechterdif- ferenzierung. Das wissenschaftliche Wissen über die Geschlechterdifferenz ist heute durch eine zweifache Paradigmen- differenzierung geteilt. Neben die ontologische Unterschei-dung von sex und gender, die Natur- und Kulturwissenschaf- ten trennt, ist eine epistemologische Differenz getreten: Die Geschlechterforschung verwendet Geschlecht als analytische Kategorie und empirische Variable, sie beobachtet Phänomene also mithilfe der Geschlechterunterscheidung und stellt so biologische Geschlechtsunterschiede oder soziale und sprachliche Ungleichheiten fest. Die Gender Studies dagegen beobachten diese Unterscheidung selbst als Phänomen, d.h. sie untersuchen, ob und wie eine Gesellschaft ‚Geschlechter‘ unterscheidet (wie sie es auch mit ‚Rassen’ tun oder lassen kann) – etwa in Geburtssituationen, sprachlichen Formen, Tätigkeiten, sozialen Beziehungen usw. Ihre Kernfächer sind die Geschichts- und Literaturwissenschaften, die Ethnologie und Soziolo- gie, Erziehungswissenschaft, Linguistik und Wissenschaftsforschung. Diese Fächer haben gezeigt, dass Gender historisch und kulturell unabhängig von der biologischen Ausstattung menschlicher Männchen und Weibchen variiert – einschließlich der Zahl und des Zuschnitts von Geschlechtskategorien, die Gesellschaften vorsehen. Und sie haben eine neue grundlagentheoretische Vorstellung vom Geschlecht etabliert: Geschlecht besteht aus einer sozialen Praxis, die stattfindet oder nicht.

In der Gesellschaft stößt diese Einsicht auf tradierte alltagsweltliche Überzeugungen von der Natürlichkeit und Universa- lität des Geschlechtsunterschieds, die seit dem 19. Jahrhundert durch die Biologie geprägt wurden. Die Gender Studies haben deren alte Frage nach der Geschlechterdifferenzierung in eine kulturwissenschaftliche Grundlagenforschung überführt. Sie sind eine Wissenschaft von der Geschlechterunterscheidung, die mit den Naturwissenschaften um die Beantwortung der Frage konkurriert, was das Geschlecht überhaupt ist: eine natürliche Tatsache unserer Organ- und Zellstrukturen oder eine sinnhafte und historische Praxis, in die unsere Körper eingelassen sind. Was beide Unterneh- mungen teilen, ist die Suche nach den Grundlagen der Zweigeschlechtlichkeit – ob man sie nun in genetischen oder in kulturellen Codes sucht.

‚Geschlechter‘ bestehen in kulturwissenschaftlicher Sicht nicht bloß aus ein paar durch körperliche Tatsachen begrenzten Sozialisationseinflüssen, sondern aus einer historisch trägen Gemengelage aus Klassifikationspraktiken, kognitiven Schemata, sprachlichen Kategorien, Verhaltensgewohnheiten, Stereotypen, institutioneller Trägheit, Machtinteressen und diversen sich verstärkenden oder abschwächenden Bedingungskonstellationen. Wegen dieser Vielschichtigkeit ist diese soziale Konstruktion eine recht stabile Realität. Biologen können dem nur die Behauptung hinzufügen, dass dies auch notwendig und ewig so sein müsse. Dies ist für die Gender Studies nicht mehr als ein Datum, denn sie rekonstruieren auch biologische Forschungsergebnisse und Konzepte – nicht im Sinne von politisierender Wissenschaftskritik, sondern von empirischer Wissenschaftsforschung, die den Wandel biologischen Wissens begleitet und die Reflexivität dieser Fächer beträchtlich steigern kann.

Gender als rhetorischer Lack

Neben diesem präzisen Sinn von Gender Studies wird das Etikett aber auch noch anders verwendet: Zum einen ist ‚Gender‘ ein dünner rhetorischer Lack auf einer traditionellen Frauenforschung, die sich als feministische Gegenwis- senschaft versteht. Sie ist im Wesentlichen Geschlechterforschung geblieben, die in der Feststellung sozialer Ungleichheit ihr Zentralthema hat. Zum anderen verschleift sich das Label ‚Gender‘ in einem politischen Etikettenschwindel: Auf der einen Seite tarnen sich mit ihm verzweifelte hochschulpolitische Versuche, hartnäckige Männerdomänen in bestimmten Fächern mit ‚Frauenprofessuren‘ aufzubrechen; auf der anderen Seite macht das sog. ‚Gender Mainstreaming‘ von Bü- rokratien die analytischen Gewinne des Konzeptes zunichte, indem es Personen unausgesetzt mit der Geschlechterunter- scheidung beobachtet und ‚gendert’, ohne zu reflektieren, dass dies das Geschlecht beständig reproduziert, obwohl es doch einmal erklärtes Ziel dieser Politik war, dessen soziale Relevanz abzubauen. In dieser traurigen Gestalt ist der Feminismus zu einer Staatsmacht geworden, die sich gebärdet wie eine Guerilla im Kampf gegen einen übermächtigen Klassenfeind.

Das Konzept ‚Gender‘ ist in der öffentlichen Wahrnehmung auf diese Weise heillos mit feministischer Politik und bü- rokratischer Frauenförderung verquickt worden. Für eine Naturwissenschaftlerin ist diese Politisierung schwer verständ- lich. Aber alle Sozial- und Kulturwissenschaften haben es schwerer, sich von gesellschaftlich aufgedrängten Problemen und politisch verlangten ‚Lösungen‘ zu distanzieren. Ihnen stellen sich Herausforderungen der Professionalisierung, von denen Wissenschaf-ten hinter Labormauern keine Vorstellung haben.

So war auch die Politisierung der Geschlechterfrage lange die wichtigste Triebkraft zur Institutionalisierung der femini- stischen Geschlechterforschung. Inzwischen ist sie das größte Hemmnis ihrer intellektuellen Entfaltung. Trotz aller Aka- demisierung ist sie immer noch politisch gerahmt: in der Positionierung als kritische Gegenwissenschaft, in der Verein- nahmung durch Ministerien und soziale Bewegungen, in der Handlungsorientierung des Wissens und in der Rekrutierung ihres Personals. Sie folgt noch immer der Logik einer sozialen Bewegung: Sie fasst das Forschungspersonal in Termini politischer Repräsentation auf und fraktioniert Frauen, Männer und Queers. Und sie lässt sich als Vehikel der Frauenför- derung verzwecken, um auf diese verquere Weise einen Teil der Karrierehemmnisse für Frauen an Universitäten aus dem Weg zu räumen.

Die feministische Geschlechterforschung ist so zu einer gendered science geworden. Sie sieht genauso aus wie die Wissenschaft, die sie so vehement als androzentrisch kritisiert hat. Einen solch hohen Grad homosozialer Verdichtung und Schließung gibt es in keinem anderen Forschungsgebiet. Und die Geschlechterforschung steckt eben deshalb so tief in den Unterscheidungsroutinen der Gesellschaft, die sie kritisiert, weil sie sich durch ein besseres, kritisches Bewusstsein von diesen Routinen ausgenommen sieht. Es ist eine einzige Peinlichkeit, dass der Feminismus, der das Gendering von Wissensprozessen mit guten Gründen kritisierte, selbst nicht in der Lage war, Wissensprozesse unter Absehung von Geschlecht zu organisieren.

Dies hat intellektuelle Folgen: Leicht erkennbar ist eine politisch selektive Themenwahl der Forschung. Maximale Sensibilität gibt es – verständlicherweise – für Aufstiegshemmnisse von Frauen und persistente soziale Ungleichheiten; völlig unterforscht bleiben dagegen kulturelle Aspekte des Geschlechterverhältnisses (etwa politisch inkorrekte Attrak- tivitätsnormen oder lebensweltliche Biologismen) sowie die vorhandenen Benachteiligungen von Jungen und Männern. Sie wurden den – verständlichen – Ressentiments von Männerrechtlern überlassen.

Ein weiterer, viel schwerer zu überwindender Bias der Geschlechterforschung liegt in der systematischen Überschätzung der Relevanz, die die Geschlechterunterscheidung für moderne Gesellschaften hat. Wir leben nicht mehr in einer Genus- gesellschaft, die alle Tätigkeiten und Positionen mit geschlechtlichem Sinn versieht, sondern in einer Gesellschaft, die zwar in bestimmten Feldern noch hartnäckig nach Geschlecht unterscheidet, es in vielen Feldern aber erfolgreich ver- meidet. Es gibt eine längst realisierte Geschlechtsblindheit der modernen Gesellschaft, deren Bedeutung eine ‚Geschlech- terforschung‘ auch deshalb unterschätzt, weil sie fast nur von Frauen betrieben wird. Denn wir strukturieren unsere Welt- wahrnehmung nach unserer Selbstwahrnehmung. Die von Frauen wird aber kulturell ungleich stärker als die von Män- nern darauf verpflichtet, die Geschlechtszugehörigkeit überhaupt für einen hochrangigen Umstand ihres Lebens zu halten. Die Geschlechterforschung wird daher von Personal durchgeführt, auf das die Gesellschaft das Geschlecht projizierte. Vor allem dieser Bias bestimmt ihre Wissensproduktion. Und auch die Überzeugung, das Geschlecht sei eine weibliche Eigenschaft, ist ein wissensgeschichtliches Erbe des 19. Jahrhunderts. Die Frauenforschung hält in ihrer Sozialorganisa- tion emphatisch an diesem Erbe fest: Das Geschlecht sind die Frauen. Es ist ihre Zuständigkeit und sie sind die kulturel- len Stammhalter dieses Erbes.

Der Feminismus wird in der Geschlechterforschung von vielen immer noch als Name einer Art politischer Partei aufge- fasst – eine geschlossene Wagenburg – anstatt als das viele (auch den Autor dieser Zeilen) prägende Generationenprojekt, das er war. Der Kern des feministischen Bekenntnisses liegt in einer großen, stillen Hoffnung: das Böse in der Welt in einem Geschlecht verorten zu können und insofern selbst ‚das andere‘ zu bleiben. Der Feminismus bleibt damit der Geschlechterunterscheidung so verpflichtet wie der Atheismus der Religion. Er kann sie nur gebrauchen, repräsentieren und wütend kritisieren, aber nicht beobachten wie die Gender Studies das tun, um einen Fall von Humankategorisierung zu verstehen. Dafür braucht es (1) ein anderes Rollenverständnis und (2) eine andere Organisation der Forschung.

Ein anderes Rollenverständnis

1. Die Forschung über Frauen, Männer und Queers muss ihren tradierten politischen Separatismus endlich überwinden und auf dem Weg einer professionellen Distanzierung ihre angestammten Loyalitäten gegenüber sozialen Bewegungen in den Griff kriegen. Gefragt sind nüchterne Bestandsaufnahmen ungleicher Chancen in der Konkurrenz der ‚Geschlechter‘, Explorationen der Vielfalt neuer, posttraditionaler Lebensstile, luzide Analysen der Paradoxien im Geschlechterverhält- nis, und kaltblütige Bilanzierungen der historischen Gleichzeitigkeit des politisch Ungleichzeitigen – von archaischen Gewaltakten gegen Frauen über die Irrelevanz von Geschlecht bis zur Benachteiligung von Männern. Wer diesen Nerv nicht hat, sollte nicht über Geschlechter forschen. Wer ihn hat, könnte das Motto variieren, das Hans-Joachim Friedrichs einmal für die Rollendifferenzierung des Journalisten vom politisch denkenden Bürger prägte: „Eine gute Gender For- scherin erkennt man daran, dass sie sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache.”

Eine ebenfalls quasi-journalistische Aufgabe liegt in einer anderen Darstellung der Geschlechterforschung in der Öffent- lichkeit. Sie fällt auch hier eher durch politischen Lärm auf. Da treten Professorinnen, die sich in ihrem besseren politi- schen Bewusstsein eingebunkert haben, zum Vergnügen der Massenmedien in eine traurige Gesellschaft von revanchi- stischen Männern und Comedians, die ausrangierte Sexismen pflegen – ein unerquickliches Schlammcatchen ewig Gest- riger gegen ewig Vorgestrige. Anstelle eines subkulturellen Jargons voller Kampfvokabeln, der auf exklusive Gruppen- bildung zielt, braucht es eine Kommunikationsstrategie, die Verantwortung für den Denkstil des je eigenen Faches übernimmt und auf diese Weise öffentlich verstehbar den nostalgischen Biologismen unserer Gesellschaft entgegentritt. Eine ‚Gegenwissenschaft‘ kann das nicht, sondern nur ein Fach, das seine Zuständigkeit gegenüber der Gesellschaft wahrnimmt. 

Eine andere Forschungs­organisation

2. Neben einem veränderten Rollenverständnis braucht es eine Öffnung des disziplinären Horizonts. Vor allem die Gender Studies (im engeren Sinne) stehen hier vor zwei Erweiterungen: a) eine Überführung der Lektionen und Gegenstände der Geschlechtsdifferenzierungsforschung in den Kanon ihrer jeweiligen Fächer, also etwa der Allgemeinen Geschichte, All- gemeinen Soziologie usw. Dieser Prozess hat längst begonnen (vor allem in der Geschichts- und Literaturwissenschaft) und macht dem thematischen Separatismus ein Ende. b) Eine Überführung der Gender Studies in eine erweiterte trans- disziplinäre Differenzierungsforschung, die die Unterscheidung der Menschen nach Geschlecht nur mehr als einen inter- essanten Fall unter anderen untersucht. So braucht es auch einen Ausstieg aus den Gender Studies, um die Fragen der Kreuzung von Gender mit ähnlich politisierten Unterscheidungen – etwa Rasse, Ethnizität und Religion – nicht in eine fruchtlose ‚oppression olympics‘ münden zu lassen, sondern ohne gender bias zu analysieren.

Die Gender Studies sind jenes kulturwissenschaftliche Unternehmen, das den praktischen Vollzug der Geschlechter- differenz in der Gesellschaft beobachtet: ihren historischen Auf- und Abbau, ihre hartnäckigen Rekonstruktionen, ihre Wandlungs- und Verfallsprozesse, paradoxen Wendungen und ihre widersprüchliche Selbstabwicklung. Vor unseren Augen werden alte soziale Kategorien dekomponiert: die ‚Homosexualität‘ löst sich in geschlechtsgleiche Intimbezie- hungen auf, die ‚Mutter‘ wird durch die Reproduktionsmedizin in verschiedene Figuren aufgespalten, der ‚Mann‘ verliert sich in Rollen (wie Ernährer, Beschützer, Kämpfer usw.), die allesamt auch Frauen einnehmen können. Die Männer werden dabei weiter Macht abgeben müssen. Aber auch den Frauen wird das passieren: bei der Mutterschaft etwa, deren millimeterweise Abtretung auch ihnen Ersetzbarkeitskränkungen beschert; und bei der Moralität: Erfolgreiche Frauen werden die einst unbescholtene ‚Weiblichkeit‘ weiter desavouieren und die alte Hoffnung des Feminismus zersetzen. 

Und das ist gut so.

Postscriptum

P.S.: Ein Text wie dieser wird zwangsläufig hineingesogen in die Stimmungen und Strömungen, in denen er sich artiku- liert: der eingeübten Indifferenz der meisten, bei einem immergleichen Thema auf taub zu stellen, dem verdrucksten Schweigen der politisch Gutwilligen, die schon lange ahnen, dass etwas schief läuft, dem revanchistischen Lauern von Maskulisten auf schlagkräftige Argumente und der misstrauischen Hermeneutik der Insassinnen der Wagenburg, die den Autor schon an seiner vermeintlichen Geschlechtszugehörigkeit als potenziellen Frauenfeind verbuchten. Ach Schwestern! Es gibt ein postnormatives Denken nach dem Feminismus: klar, heiter, kritisch, theoretisch innovativ und empirisch lernfähig. Sein einziger Nachteil: Es weiß nicht immer sofort, wer der Täter war.

 

Professor Stefan Hirschauer lehrt soziologische Theorie und Gender Studies an der Universität Mainz und ist Sprecher der DFG-Forschergruppe ,Un/doing differences’

Donnerstag, 7. September 2017

Frauenquote auch im Lotto!

(Au Backe, das könnte ins Auge gehen: Ich kann mir nämlich vorstellen, dass Frauen mehr Lotto spielen als Männer, da würde die Quote nicht ihnen, sondern uns zugute kommen. Na, mir soll's recht sein.)


Mittwoch, 6. September 2017

Agent*in wacht (noch immer).

Alice Salomon Hochschule Berlinaus Süddeutsche.de,Nach Studenten-Protesten gegen ein Gedicht von Eugen Gomringer wird die Alice Salomon Hochschule in Berlin-Hellersdorf eine Fassade neu gestalten.

Berliner Provinz trifft oberfränkische Avantgarde  

von Olaf Przybilla  

"Sexistisch" - so finden Berliner Studierende ein berühmtes Gedicht von Eugen Gomringer, dem Begründer der Konkreten Poesie. Der in Oberfranken lebende Weltbürger kann da nur lächeln. Berlin ist Weltstadt, Oberfranken ist Provinz - so weit ist es klar. Es gibt da aber dieser Tage eine Debatte in der Hauptstadt, die einen doch zweifeln lässt. Entzündet hat sich der Diskurs um ein Gedicht eines 92 Jahre alten Weltbürgers. Eines Mannes mit bolivianischen und schweizerischen Wurzeln, der seit Jahrzehnten in Oberfranken eine Heimat gefunden hat.

 
Es geht um Eugen Gomringer, den Vater der Konkreten Poesie. "Avenidas" heißt sein Gedicht, das er 1953 auf Spanisch geschrieben hat. Visualisierung ist ein Grundpfeiler in der Poesie des Eugen Gomringer, man muss seine Texte also immer auch als "Konstellation" vor Augen haben:

Alleen / Alleen und Blumen / Blumen / Blumen und Frauen /
Alleen / Alleen und Frauen / Alleen und Blumen und Frauen / und ein Bewunderer 

Germanisten gilt das Gedicht als Kerntext der Konkreten Poesie. Es beschreibt - wie gesagt 1953 - eine Straßenszene auf den Ramblas in Barcelona. Zu den Ehrungen, die Gomringer zuteil wurden, gehört auch der Poetik-Preis der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin. Weshalb sein Text auf die Fassade der Hochschule geschrieben wurde, in großen Lettern.


Dort stand er schon ein paar Jahre, bis eigenen Angaben zufolge "Studierende die vorlesungsfreie Zeit genutzt" haben, um exklusiv festzustellen, dieses Gedicht reproduziere "eine klassische patriarchale Kunsttradition, in der Frauen ausschließlich die schönen Musen sind". Mit einem Wort: Sexismus. Geht es nach den Vorlesungsfreie-Zeit-Nutzern, so soll der Text so nicht stehen bleiben.


Die Reaktionen aus Oberfranken sind wunderbar. Die Tochter des Lyrikers, die Bachmann-Preisträgerin Nora Gomringer, tritt im Netz als "Gedichte Polizei Gom Ringer" auf, ein anarchischer Beitrag gegen allgemeine Verblödung, der jetzt schon als Klassiker gelten darf. Und wer mit ihrem Vater spricht, hört zuerst das leise Lachen eines 92-Jährigen. Bis er sagt: "Dass man mit so wenigen Worten so eine Wirkung erzielt, das war immer mein Ziel." Provinz? Ist woanders.


Nota. - HERR Przybilla! Ihre Sorte von makroaggressivem Humor verbitte ich mir mit aller Entschiedenheit. Ich bin selber ein*e Berliner*in und lasse mich nicht von rassistoiden Verallgemeinerungen mit Studierend*innen der Alice-Salomon-Hochschule in eine*n Töpf*in werfen. Wenn ich eine vorlesungsfreie Zeit hätte, würde ich ganz was andres damit anfangen. Nämlich würde ich beten, dass solche - vermutlich aus Wessiland zugereiste - Wutbürger*innen es nicht so weit treiben,  bis eines Tages ein*e Donald*in Trump*in nötig wird, um uns von ihnen zu befreien.
JE