Warum nur sehen Männer schneller?
Autismusforscher stießen durch Zufall auf eine Geschlechterdifferenz in der Wahrnehmung der Umwelt
Männer und Frauen unterscheiden sich nicht nur äußerlich, die Differenzen reichen tief ins Gehirn, etwa bei der Orientierung im Raum, da tun Männer sich leichter. Mit einer Ausnahme: Auf Märkten steuern Frauen blind die Stände an, an denen sie früher gut bedient worden sind. In dieser Spezifität der Geschlechter schlägt das Erbe der Jäger und Sammler durch: Männer mussten den Weg zur Beute finden und den wieder zurück. Ihn traten sie oft mit leeren Händen an, den Grundbedarf sicherten Frauen mit Früchten und Wurzeln, sie mussten sich erinnern, wann und wo diese reif waren.
Diese Geschlechterdifferenz ist also der Kultur geschuldet, bei vielen anderen Unterschieden hat die Natur das Sagen: Frauen werden fünf Mal so häufig von Depressionen getroffen, unter Autismus hingegen leiden zehn Mal so viele Männer. Simon Baron-Cohen (Cambridge) vermutet, es läge an den hohen Dosen des Sexualhormons Testosteron, mit denen männliche Embryos im Uterus ausgestattet werden, das bringe ein „extrem männliches Gehirn“, das alles in der Welt systematisieren wolle.
Frauen: 25 bis 75 Prozent langsamer
Stattdessen fiel Murray „völlig zufällig“ etwas anderes auf: Wegen des männerspezifischen Risikos für Autismus hatte er auf das Geschlecht der Testpersonen geachtet und dabei auch innerhalb der Nichtautisten einen Unterschied im Erfassen der Bewegung der Streifen bemerkt: Männer waren rascher, Frauen brauchten 25 bis 75 Prozent länger (Current Biology, 16. 8.).
Wie das zugeht, ist unklar, eine Folgerung hingegen liegt nahe: „Geschlechtsunterschiede können sich unerwartet zeigen“, schließt Murray, „aber sie weisen auf die Bedeutung des Geschlechts beim Design und der Analyse von Studien der Wahrnehmung und Kognition.“
aus scinexx
... Die Wissenschaftler vermuten, dass bestimmte Prozesse, die normalerweise die neuronale Aktivität herunterregulieren, bei diesen Krankheitsbildern gestört sind – und dass diese Prozesse bei Männern grundsätzlich schwächer ausgeprägt sind. Bei der Suche nach einer Erklärung für den beobachteten Wahrnehmungsunterschied wurden sie jedoch nicht fündig: "Im funktionellen MRT lassen sich die Unterschiede nicht abbilden", schreibt das Team.
Klar scheint: Die visuelle Verarbeitung unterscheidet sich zwischen den Geschlechtern. Welche Unterschiede im Gehirn dafür verantwortlich sein könnten, das müssen Murray und seine Kollegen jedoch erst noch herausfinden. Die Antwort kann dann womöglich auch eine andere Frage klären, hoffen die Forscher: Warum ist Autismus bei Männern so viel häufiger als bei Frauen? (Current Biology, 2018; doi: 10.1016/j.cub.2018.06.014)
Nota. - Na, eine flach auf der Hand liegende Erklärung wäre ja: Die Beute der Jäger bewegt sich, und meist viel schneller als sie selbst; Wurzeln und Früchte dagegen halten still. Das wäre freilich auch der Kultur geschuldet und nicht - jedenfalls nicht unmittelbar - dem Testosteron.
Was allerdings das Testosteron mit einem vorgeblichen männlichen Hang zum Systematisieren zu tun haben soll, wüsste ich doch gern. Inwiefern das Systematisieren für Autismus kennzeichnend sein soll, verstehe ich auch nicht.
JE
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