Sonntag, 16. September 2018

Der Ursprung der europäischen Kleinfamilie.

Chlodwigs Taufe
 aus welt.de, 13.09.2018
 
Was Sie über die Kleinfamilie wissen müssen
Warum denken wir beim Wort Großfamilien häufig an Clans? Das liegt daran, dass im alten Frankenreich unsere Gesellschaft für immer verändert wurde: Durch das fränkische Familienmodell. 

 

Chlodwig I. hat uns das alles eingebrockt. Der Sohn Childerichs gilt als Begründer des Frankenreichs, das im Wesentlichen das ehemalige römische Gallien und etliche rechtsrheinische germanische Gebiete umfasste. Deutschland und Frankreich sind daraus hervorgegangen. 

Abschied vom Clan

Noch folgenreicher war aber, dass im Frankenreich die Kleinfamilie erfunden wurde. Chlodwig ließ sich irgendwann katholisch taufen. Von da an war Gott in Frankreich. Und mit der Großfamilie, also einem Sippenverband, der deutlich weitere Verwandtschaftsverhältnisse umspannte als nur Vater, Mutter, Kinder, ging es in Zentraleuropa bergab. Noch im Römischen Reich war das Familienleben auf den Pater Familias zugeschnitten, der Herr über Leben und Tod der Hausgemeinschaft war. Verwandtschaftsgruppen wurden über männliche Abstammungslinien konstruiert. So ist es in allen Gesellschaften, die auf Clanstrukturen beruhen.

Der Historiker Bernhard Jussen, Autor einer Geschichte der Franken, begründet den fundamentalen und lang nachwirkenden Wandel in der Ehe- und Gesellschaftsordnung: Hier wichen innerhalb weniger Generationen patriarchalische Verwandtschaftsstrukturen „einem bilateralen Verwandtschaftssystem, das gleichermaßen mütterliche wie väterliche Verwandte berücksichtigte“. 

Innerhalb dieses Systems wurden durch die Kirche Verwandtenheiraten verboten, wie sie in Clans zur Stabilisierung üblich sind. Der Verwandtschaftsbegriff wurde dabei sehr eng definiert. Das führte zu einer Konzentration auf die Kleinfamilie aus Vater, Mutter, Kindern. Es entstand die gattenzentrierte Familie; die Pflichten gegenüber Schwestern, Brüdern, Vettern, Kusinen und noch weitläufigeren Verwandten schwächten sich. 

„Sie gefällt dir also, meine Schwester?“

Der andere Grund für das Verschwinden der Clans im Frankenreich liegt für Jussen in der fränkischen Grundherrschaft. Bei den Franken bewirtschaftete den einen Teil des Landes der Grundherr. Der andere wurde unter Bauernfamilien aufgeteilt, die dafür Abgaben oder Dienste auf dem Hof des Grundherrn leisteten. Das aber bedeutete, dass die einzelnen Parzellen oder Hufen von Mann und Frau und ihren Kindern und gegebenenfalls wenigen Mägden und Knechten bewirtschaftet wurden und nicht von Clans oder Großfamilien. Diese hatten ihren ökonomischen Sinn verloren.

Das fränkische Familienmodell hat sich dann auch in Ländern des Abendlandes durchgesetzt. Nur an den Rändern des lateinischen Europas blieben Clanstrukturen bestimmend: Sizilien, Schottland, Korsika. Der Satz: „Sie gefällt dir also, meine Schwester?“, der in „Asterix auf Korsika“ als verkappte Morddrohung ausgesprochen wird, ist Ausdruck eines typisch großfamiliären Ehrenkodexes.


Nota. - Im Römischen Reich war die Kirche dem Staat untergeordnet und hat nie nach mehr gestrebt. Die Völkerwande- rung überstand sie als alleinige Erbin der antiken Zivilisation; und nicht nur als Bildungsmacht: Das Netz der Bischofs- sitze war die einzige politische Infrastruktur, die überlebte. Für Chlodwigs Reich war sie nicht allein eine einflussreiche Verbündete, sondern eine Patin und Protektorin. Indem sie im Herrschaftsbereich der Franken und den germanischen Stämmen den Glauben verbreitete, festigte sie die moralische Autorität des Königs - und sanktionierte die neu entste- hende Feudalordnung.
JE

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen