aus spektrum.de, 10.12.2018
Kompetenz sieht männlich aus
Personen mit maskulineren Zügen schätzen wir offenbar auf den ersten Blick auch als fähiger ein.
von Daniela Zeibig
Wenn
wir anhand der äußeren Erscheinung die Fähigkeiten einer Person
einschätzen sollen, dann gehen Kompetenz und Maskulinität offenbar Hand
in Hand. Darauf
deutet zumindest eine Untersuchung hin, die Forscher um DongWon Oh von
der Princeton University im Fachmagazin »Psychological Science«
veröffentlichten.
Die Wissenschaftler legten
Versuchsteilnehmern zunächst in mehreren Experimenten Bilder von
verschiedenen Gesichtern vor und baten sie darum, einzuschätzen, wie
fähig die abgebildeten Personen auf den ersten Blick aussahen. Anhand
der Ergebnisse entwickelten sie dann ein Modell, dass ihnen erlaubte,
Fotos am Computer so zu manipulieren, dass die darauf gezeigten
Menschen mal mehr, mal weniger kompetent erschienen. Diese Aufnahmen
präsentierten DongWon Oh und Kollegen dann neuen Probanden. Dieses Mal
ging es unter anderem darum, die Maskulinität der abgebildeten Personen
zu beurteilen. Dabei entdeckten die Forscher, dass Gesichter, die so
manipuliert waren, dass sie besonders kompetent aussahen, von den
Versuchspersonen auch als besonders männlich eingeschätzt wurden. Zudem
attestierte man den Gezeigten auch mehr Selbstvertrauen. Auch in einem
Onlineexperiment betrachteten Probanden die auf Kompetenz geeichten
Gesichter als eher maskulin, während die inkompetent wirkenden als
femininer eingestuft wurden. Wie attraktiv die abgebildeten Personen
waren, spielte dabei keine Rolle.
In einem abschließenden Versuch
veränderten die Wissenschaftler schließlich männliche und weibliche
Gesichter so, dass sie mal maskuliner und mal femininer wirkten. Männer
sahen die Versuchspersonen dabei als umso kompetenter an, je maskuliner
sie dargestellt waren. Bei den weiblichen Gesichtern galt dieser
Zusammenhang ebenfalls – allerdings nur bis zu einem gewissen Punkt: Die
maskulinsten Frauengesichter wurden am Ende schließlich wieder als
weniger kompetent eingestuft.
»Unsere Forschung zeigt den verhängnisvollen Gender-Bias auf,
der mit unserer Wahrnehmung anderer verknüpft ist«, so DongWon Oh.
»Menschen mit einem maskulinen Aussehen schätzen wir als kompetent ein –
und das kann unsere Führungsentscheidungen beeinflussen.« Die
Ergebnisse der Wissenschaftler reihen sich damit in eine wachsende
Anzahl von Studien ein, die zeigen, dass Führungsqualitäten heutzutage nach wie vor in erster Linie mit typisch männlichen Eigenschaften assoziiert werden.
Doch leider sei eine kompetente Ausstrahlung eben nicht immer auch ein
Hinweis auf tatsächlich vorhandene Kompetenz, sagt DongWon Oh. Die
Forscher wollen deshalb als nächstes ergründen, wie sich der Effekt
eventuell abmildern lässt.
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