Maskulist Arne Hoffmann
It’s a woman’s world
Arne Hoffmann kämpft seit 20 Jahren gegen die Unterdrückung
der Männer in Deutschland. Zuhören will ihm kaum jemand. Ist das ein
Fehler?
von Sebastian Eder
Zwei
Stunden lang hat Arne Hoffmann in einem Café in Wiesbaden nüchtern jede
Frage zu der seiner Meinung nach in Deutschland herrschenden
Unterdrückung der Männer
beantwortet, aber erst beim Smalltalk nach dem Interview wird er zum
ersten Mal emotional: Ob der Drache Drogon, der am Ende der am Vorabend
erschienenen „Game of Thrones“-Folge von einem Pfeil getroffen wurde,
tatsächlich gestorben sei? „Niemals“, sagt Hoffmann. „Das ist der
wichtigste Drache, der kann nicht tot sein.“ Er sollte es wissen: In
drei Wochen gibt es bei dem Pub-Quiz, das er sonntags besucht, ein „Game
of Thrones“-Spezial.
Was sind das für Männer, die das Gefühl haben, von Frauen unterdrückt zu werden?
Patrick Albert ist ein Freund von Arne Hoffmann. Er lernte den Maskulisten vor vier Jahren in dem Irish Pub kennen, in dem jeden Sonntag das Pub-Quiz steigt. Auf Hoffmanns Team war Albert über die Facebook-Gruppe „Neu in Mainz“ aufmerksam geworden, darin verabreden sich die Mitglieder jede Woche online für den Abend in der Kneipe. „Hoffmann gehört zum harten Kern“, sagt Albert. Wie er ihn am Anfang erlebt hat? „Als sehr ruhigen Menschen. Eher so der Beobachter, niemand, der von sich aus Themen anspricht.“ Aber irgendwann, an ruhigen Abenden, fing Hoffmann an, von sich zu erzählen. „Da hat mich dann schon manches überrascht“, sagt Albert. Nie gedacht hätte er zum Beispiel, dass Hoffmann erotische Literatur schreibt. Aber will man auf Amazon Hoffmanns Bücher über Männerrechte finden, muss man sich auf seiner Autorenseite erst mal durch eine lange Liste von Büchern scrollen, die Titel haben wie: „Sex für Fortgeschrittene“ und „Onanieren für Profis“. Albert sagt: „Einen Autor solcher Bücher hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt.“
Sein Buch heißt „Plädoyer für eine linke Männerpolitik“
Es wäre insgesamt recht einfach, sich über Arne Hoffmann lustig zu machen: Er ist 48, lebt aber noch mit seinem Vater in seinem Elternhaus in einem 500-Seelen-Dorf im Taunus. Er hat keine Freundin, schreibt aber Sex-Ratgeber. Er liebt Fantasy-Geschichten und entspricht auch optisch dem Klischee eines Nerds, der sich vor allem hinter seinem Bildschirm stark fühlt – und er kämpft eben gegen die Unterdrückung der Männer, die doch immer noch fast überall in der Gesellschaft das Sagen haben. „Wenn Männern wieder und wieder und wieder eingetrichtert werde, wie frauenverachtend und gewalttätig sie seien, könnte sich dies auch zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung entwickeln“, zitiert Hoffmann die Autoren eines „Fachbuches“.
Genau bei diesem Reflex – sich über „jammernde Männer“ lustig zu machen – fängt für Hoffmann der Sexismus an. In seinem Buch „Plädoyer für eine linke Männerpolitik“ schreibt er: Männer „beginnen durchaus zu merken, dass auch sie selbst (...) Opfer verschiedenster Formen von Diskriminierung sind, aber offen darüber zu sprechen, das erscheint einem doch lächerlich, das passt nicht zu dem Bild, das man Frauen und anderen Männern von sich vermitteln will“. Insbesondere wer ein eher reaktionäres Rollenbild verinnerlicht habe – „der Mann als harter Fels“ –, tue sich damit schwer. Dabei gebe es viele gute Gründe dafür, sich als Mann über die herrschenden Verhältnisse zu beschweren: „Unsere Zivilisation beruht darauf, dass Männer zerschunden werden und ihren Schmerz verdrängen müssen: ob im Bergwerk, auf der Ölplattform oder an der Front“, sagt Hoffmann. „Einen natürlichen Schutzinstinkt wie gegenüber Frauen gibt es nicht.“ Dieses Denken werde zugespitzt durch eine Ideologie, die Männer nur als Täter, Unterdrücker oder Hindernisse wahrnehme: den Feminismus.
„Aber ich töte alle Männer, und es tut mir kein bisschen leid.“
Wo sich die Benachteiligung der Männer zeige? Hoffmanns Liste ist lang: Jungs bekämen bei gleicher Leistung die schlechteren Schulnoten als Mädchen, Männer würden öfter arbeitslos als Frauen, die Gesetzgebung benachteilige Väter, die niedrigere Lebenserwartung von Männern habe „keine biologischen Ursachen“ – sondern gesellschaftliche. Und „dass geschätzte 90 Prozent aller Obdachlosen männlich sind“, sei „ein weit größerer Skandal, als dass im obersten Promille der Gesellschaft weibliche Manager in der Unterzahl sind“.
Der Männerrechtler hat für seine These des unterdrückten Mannes also durchaus ein paar gute Beispiele. Das Problem ist: Er schießt oft meilenweit über das Ziel hinaus. In seinem aktuellen Buch versteigt er sich zum Beispiel zu der Aussage, dass „die heute vielleicht stärker als je zuvor grassierende Männerfeindlichkeit (...) Diskriminierungen bis hin zum Massenmord im Gefolge hat“. Das belegt er unter anderem mit dem Zitat eines russischen Soldaten, der über seine Zeit im Tschetschenien-Krieg gesagt haben soll: „Frauen und Kindern tue ich nichts, solange sie nicht auf mich schießen. Aber ich töte alle Männer, und es tut mir kein bisschen leid.“ Hoffmann zitiert dann Autoren, die die „Männerfeindlichkeit“ mit der „Judenfeindschaft des Christentums in früheren Jahrhunderten“ vergleichen. „Christliche Führer hatten nie zur Ermordung der Juden aufgerufen, sie schufen aber ein Klima der Ablehnung, das für andere Menschen solche Taten möglich machte.“ Ein ähnlicher Mechanismus sei am Werk, „wenn eine kulturelle Elite Hass oder Geringschätzung gegenüber Männern schürt“. Die Situation der Männer heute mit der Situation der Juden vor dem Holocaust zu vergleichen – ein anderes Wort als Wahnsinn fällt einem dazu kaum ein.
Und auch wenn Hoffmann immer wieder betont, dass er für Männer und nicht gegen Frauen kämpfe, ist das weibliche Geschlecht in seinen Argumentationen ständig an allem schuld – selbst an der eigenen Benachteiligung. Männer würden sich ja auch deswegen mit 70-Stunden-Wochen an die Spitze „durchschuften“, um in das Beuteschema attraktiver Frauen zu fallen. „Bei Frauen ist es dagegen kein Statussymbol, beruflich erfolgreich zu sein. Deswegen arbeiten sie auch keine 60 Stunden in der Woche“, sagt er.
Zehntausende Männer werden Opfer von häuslicher Gewalt
Andererseits hat Hoffmann kein Problem mit Menschen, die Frauen vor allem als Beute begreifen. Das Buch „Der perfekte Eroberer – wie Sie garantiert jede Frau verführen“ hat er zusammen mit einem sogenannten Pick-up-Artist geschrieben. Diesen selbsterklärten Verführungstrainern wird nicht nur vorgeworfen, Frauen wie austauschbare Objekte zu behandeln. Von den offensiven Anmach-Strategien der Pick-up-Artists fühlen sich viele Frauen auch schlicht belästigt. Hoffmann schrieb 2014 online: „Immer stärker bildet sich ein neuer Trend heraus, der ebenfalls seinen Reiz besitzt: der Pick-up im Internet.“ Lasse einen „eine Schnecke“ an der Bar abblitzen, könne man zu Hause vor dem Bildschirm Selbstbewusstsein für den nächsten Versuch in der Bar sammeln. „Ein gewisses Maß an Überwindung von Schüchternheit ist allerdings auch nötig, wenn man eine unbekannte Schöne zum Beispiel über Facebook anspricht.“ Aber das sei viel leichter zu bewältigen.
Gerade Feministinnen müssen sich im Internet nicht nur mit den Annäherungsversuchen wildfremder Männer herumschlagen – sie werden oft auch massiv angefeindet und bedroht. Hoffmann macht auch dafür indirekt wieder die Frauen selbst verantwortlich: „Wenn Männern wieder und wieder und wieder eingetrichtert werde, wie frauenverachtend und gewalttätig sie seien, könnte sich dies auch zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung entwickeln“, zitiert Hoffmann in seinem Werk die Autoren eines „Fachbuches“. Er verteidigt auch die Urheber von menschenverachtenden Äußerungen, die auf Plattformen der radikalen Männerszene zu lesen sind, zum Beispiel diese: „Frauen sind doch nichts anderes als Zecken im Leben eines Mannes, die ihn aussaugen. Aber seit wann bestimmt die Zecke im Fell des Hundes, wo es langgeht?“
Hoffmann nennt diese Entgleisungen zwar „inakzeptabel“, macht indirekt aber wieder Frauen dafür verantwortlich: Man mache es sich zu einfach, wenn man den „radikalen Rand“ der Szene lediglich dämonisiere. In der Biographie der „verbal aggressivsten Vertreter“ der Männerrechtsbewegung finde sich nämlich „häufig eine Lebenssituation, die zu einer posttraumatischen Verbitterungsverstörung führen kann, beispielsweise jahrelanger sexueller Missbrauch, eine besonders schmerzhaft verlaufene Scheidung, häusliche Gewalt oder das Unterschieben eines Kuckuckskindes“. Und eine posttraumatische Störung führe eben unter anderem zu „ungezügelter Aggressivität“.
Hoffmann selbst wurde nicht durch traumatische Erfahrungen zum Männerrechtler. „Ich wollte Autor werden und habe nach meinem Examen 1996 einfach ein Thema für mein erstes Buch gesucht.“ Er habe sich zuerst überlegt, ein Lexikon der populären Irrtümer über Männer und Frauen zu schreiben. „Die meisten Vorurteile über Frauen waren aber schon abgeräumt.“ Ganz anders sei das bei Männern gewesen: „Ich habe gelesen, dass Männer im gleichen Maß Opfer von häuslicher Gewalt werden wie Frauen. Ich dachte zuerst, das kann nicht stimmen.“ Hoffmann war damit tatsächlich sehr früh auf ein Thema aufmerksam geworden, das erst jetzt langsam in der Öffentlichkeit ankommt: Viele Studien haben gezeigt, dass jedes Jahr auch Zehntausende Männer Opfer von häuslicher Gewalt werden.
„Ich komme ja aus der linken Ecke.“
Hoffmann hatte also sein Thema gefunden, er schrieb ein Buch und schickte das Manuskript an 80 Verlage. Keiner wollte es drucken. Erst 2001 erschien sein Werk: „Sind Frauen bessere Menschen? Plädoyer für einen selbstbewussten Mann“. Es dauerte dann weitere zwei Jahre, bis ein „Focus“-Redakteur bei Hoffmann anrief – und aus dem Buch die Titelgeschichte „Das privilegierte Geschlecht“ machte. Im ersten Absatz des Artikels hieß es, dass Hoffmann erfahren habe, wie es im Patriarchat zugehe, als 80 Verlage sein „faktensattes“ Buch als „zu polarisierend“ oder „zu brisant“ abgelehnt hätten. „Schließlich ermannte sich ein Berliner Szeneverlag.“ Obwohl sich dann auch der Focus „ermannt“ hatte, kam durch die Titelgeschichte keine große Debatte ins Rollen.
Stattdessen musste sich Hoffmann eine Nische suchen: Internetforen. Er begann als klassischer Troll. „Ich bin in einem sehr konfrontativen Stil in Frauenforen rein“, sagt er. Dann machte er sich auf die Suche nach Gleichgesinnten. 2004 rief er sein Blog ins Leben, außerdem wurde er in verschiedenen Foren aktiv, in denen sich wütende Männer austoben. „Wenn es das Internet nicht gäbe, gäbe es auch keine Männerrechtsbewegung“, sagt Hoffmann. Bei einem Großteil der Bewegung wäre das nicht sehr bedauerlich: Der Feminismus ist auch ein zentrales Feindbild von Rechtsradikalen. Laut der linken „tageszeitung“ warnte die „neue intellektuelle Rechte“ bereits 1994 in einem Manifest davor, dass der Feminismus „eine totalitäre Gefahr“ darstelle. Auch Hoffmann sagte 2007 in einem Interview über Feminismus, dass durch staatlichen Druck eine „gigantische ideologische Umerziehung“ stattfinde. „Das ist nichts weniger als totalitär.“
Interviewen ließ er sich damals von der „Jungen Freiheit“, dem Sprachrohr der Neuen Rechten in Deutschland. Hoffmann schwamm lange im rechten Strom mit: 2011 antwortete er in einem Interview mit dem populistischen Kopp-Verlag auf die Frage „Was tun Sie, um aufzuklären?“ mit der Aussage, dass er unter anderem Artikel „in politischen Magazinen wie eigentümlich frei, der Freien Welt, Jürgen Elsässers Compact“ publiziere. Das alles sind rechte Plattformen. Heute sagt Hoffmann: „Sonst hat mir ja keiner zugehört.“ Irgendwann habe er aber gemerkt, dass sich in der „lautstarken Internet-Männerszene“ Stimmen mehrten, die „auf die Ausgrenzung von Sündenböcken setzten“. Frauen, Homosexuelle, Migranten und Linke seien immer heftiger angefeindet worden. Irgendwann habe ihm das gereicht. „Ich komme ja aus der linken Ecke.“
Nicht selten hat Hoffmann ja wirklich recht
Kurzerhand erklärte er sein Blog 2012 zum „Sprachrohr des linken Flügels der Männerrechtsbewegung“. Seitdem versucht er wieder verstärkt, in bürgerlichen Kreisen Gehör zu finden. Gelegentlich wird Hoffmann von seriösen Medien zitiert, auf seinem Blog veröffentlichte er in diesem Sommer außerdem das Programm der „Liberalen Männer“, einer Vereinigung aus FDP-Mitgliedern, die sich für Männerrechte einsetzen will. An der Gründungsveranstaltung der Gruppe Anfang August konnte er nicht teilnehmen: Die Anreise war ihm zu teuer.
Hoffmann lebt von den Spenden, die ihm Leser seines Blogs überweisen, und dem wenigen Geld, das seine Bücher einbringen („Sex-Ratgeber laufen immer“). Er zog auch aus finanziellen Gründen nie aus seinem Elternhaus aus. „Wenn ich nebenbei für die Lokalzeitung über Hasenvereine schreiben müsste, könnte ich nicht so viel für die Männerrechtsbewegung machen.“ Auch dass er Single ist, habe mit diesem Engagement zu tun: Nicht lange nachdem er 1996 anfing, sich für sein Geschlecht zu engagieren, habe sich seine damalige Freundin von ihm getrennt, sagt er. „Wie alle frisch Konvertierten war ich anfangs ziemlich kompromisslos.“ Aber auch die bislang letzte Frau, an der er „sehr interessiert“ gewesen sei, habe nie verstanden, was sein großes Problem sei. „Aber jetzt ist sie voll auf meiner Seite.“ Allerdings wohnt sie mittlerweile in Amerika.
Unterdrückt der „herrschende Feminismus“ hier also einen Gegner, der die besseren Argumente hat? Man kann es kurz machen: Nein. Kolumnisten, die kritisch über die Auswüchse des „Genderwahnsinns“ berichten, sind in den Medien mindestens genauso präsent wie die Feministinnen selbst. Dass Hoffmann nicht zu diesen Autoren gehört, liegt daran, dass seine Argumentation in weiten Teilen nicht mehrheitsfähig ist – und dafür kann niemand etwas, außer er selbst.
Er selbst sieht das selbstverständlich anders. Auf seinem Blog steht das Zitat: „Hat man 24 Stunden früher als die übrigen Menschen Recht, so gilt man 24 Stunden lang für närrisch.“ Und nicht selten hat Hoffmann ja wirklich recht: Drogon, der wichtigste Drache aus „Game of Thrones“, überlebte den Angriff am Ende von Folge vier zum Beispiel tatsächlich. In der fünften Episode konnte er schon wieder Männer töten. Das Kommando dafür bekam er von Daenerys Targaryen. Einer Frau.
Nota. - Dies Blog unterscheidet sich, wie Sie leicht erkennen werden, sehr von den Veröffentlichungn Arne Hoffmanns. Ich will auch nicht wirklich zur Populariserung seine Sachen beitragen, ich finde meine besser. Aber bemerkenswert ist doch: Während unter den feministischen Autor*innen jede schrille Schrulle an die große Glocke gehängt wird, hat es Hoffmann bis heute nichteinmal geschafft, Skandal zu machen. Ich auch nicht, und das vereint uns.
JE
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