Samstag, 27. Januar 2018

Frauen sind zäher.


aus Die Presse, Wien,

Warum Frauen einfach zäher sind
Frauen haben eine höhere Lebenserwartung als Männer, sie sind auch für extreme Situationen wie Hungersnöte besser gerüstet. Dann zählen gesellschaftliche Faktoren kaum, dann regiert die Biologie.



Frauen tragen Kinder aus, Frauen nähren sie, das zehrt, und die Mühen anderer Arbeit sind auch nicht gering. Und doch werden Frauen älter als Männer: Die sind, in Gesellschaften ohne moderne Medizin, schon bei der Geburt viel stärker bedroht. Und wenn einer den Beginn übersteht, ist heute im weltweiten Durchschnitt seine Lebenserwartung um etwa fünf Jahre geringer als die einer Frau – in Österreich: 84 vs 79 –, regional schwankt es stark, der Trend zeigt sich aber überall (außer in Gesellschaften, in denen neugeborene Mädchen durch Infantizid bedroht sind).

Warum das so ist, ist wenig klar: Liegt es an der Biologie, liegt es an der Gesellschaft bzw. der Lebensweise, und wie viel von der ist wieder biologisch grundiert? Das frühere Ableben von Männern wird oft mit ihrem riskanteren Lebensstil in Zusammenhang gebracht, und der kann von der Erziehung kommen, aber auch von der genetischen bzw. hormonellen Ausstattung. Wie soll man die Faktoren trennen? Einen Wink gaben schon Lebensgemeinschaften, in denen sich die – eher gesunden – Lebensweisen von Frauen und Männern nicht unterscheiden, in Klöstern. Aber auch dort werden die Schwestern älter als die Brüder.

Allerdings wird niemand in ein Kloster geboren, er kommt aus einer Sozialisation und bringt die mit. Aber auch die bricht zusammen, wenn alles zusammenbricht wie bei Masernepidemien 1846 und 1882 in Island, oder bei der Kartoffelfäule, die von 1845 bis 1849 die Bevölkerung Irlands um drei Millionen Menschen dezimierte. Die hatten zuvor in beiden Geschlechtern eine Lebenserwartung von 38 Jahren. Nun sank sie bei Frauen auf 22,4, bei Männern auf 18,7.

Differenz in Genen und Hormonen

Ganz ähnlich bei den Masernepidemien in Island: Die erste senkte die Lebenserwartung bei Männern von 35,35 auf 17,86 und bei Frauen von 40,81 auf 18,82, bei der zweiten ging es von 37,62 auf 16,76 bzw. von 43,99 auf 18,83. Noch einmal das gleiche Bild bot sich in der Ukraine 1933, als Stalins Verstaatlichung der Landwirtschaft Millionen den Tod brachte: Auch wenn es um das nackte Überleben geht, sind Frauen zäher. Nur ein Aspekt deutet in Gegenrichtung: In Island waren die Rückgänge bei den Frauen viel höher. Aber das sieht der Demograf James Vaupel (Odense), der diese und andere wohl dokumentierte Schrecken ausgewertet hat, als Produkt der Biologie: Auf Masern sind Frauen anfälliger. Bei vielen anderen Leiden ist es umgekehrt: Das weibliche Sexualhormon Östrogen stärkt das Immunsystem, das männliche Testosteron schwächt es, zudem kommen manche Leiden vom Geschlechtschromosom X, Männer haben nur eines, bei Frauen kann bei Schäden auf einem das zweite einspringen (Pnas 8. 1.): „Der Überlebensvorteil der Frauen ist fundamental von Biologie getragen“, schließt Vaupel.

Allerdings kann die von der Gesellschaft ausgehebelt werden: Bei Sklaven in Trinidad wurden die Männer älter, weil die Sklavenhalter an ihrer Arbeitskraft interessiert waren. Umgekehrt können weder Gesellschaft noch Natur helfen, wenn es zu arg kommt: Als freigelassene Sklaven aus den USA sich ab 1820 in Nigeria ansiedelten, starben in der fremden Umgebung 43 Prozent im ersten Jahr, die Lebenserwartung für Frauen sank auf 2,23 Jahre, die für Männer auf 1,68.

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