Aus einem Interview der heutigen FAZ mit Cathérine Millet, einer der Autorinnen von Die Freiheit, lästig zu sein:
...War die Debatte bisher zu einseitig?
Ich glaube schon. Das Interessante ist doch, dass eines der Leitmotive der #MeeToo-Bewegung ist, den Frauen eine Stimme zu geben. Allerdings ist es eine seltsame Annahme, dass sich alle Frauen nur einstimmig äußern dürfen. Dagegen wollten wir angehen. Ich glaube, dass die Einseitigkeit der Darstellung angesichts der Ausmaße, die sie angenommen hat, sehr einschüchternd sein kann. Dass gerade junge Frauen sich bisher nicht getraut haben, zu sagen, dass sie es vielleicht nicht so dramatisch finden, wenn ein Mann sie blöd anmacht. ...
Ich glaube schon. Das Interessante ist doch, dass eines der Leitmotive der #MeeToo-Bewegung ist, den Frauen eine Stimme zu geben. Allerdings ist es eine seltsame Annahme, dass sich alle Frauen nur einstimmig äußern dürfen. Dagegen wollten wir angehen. Ich glaube, dass die Einseitigkeit der Darstellung angesichts der Ausmaße, die sie angenommen hat, sehr einschüchternd sein kann. Dass gerade junge Frauen sich bisher nicht getraut haben, zu sagen, dass sie es vielleicht nicht so dramatisch finden, wenn ein Mann sie blöd anmacht. ...
Gut, dann sprechen wir doch von den Nuancen. Am Anfang Ihres Textes schreiben Sie: „Die Vergewaltigung ist ein Verbrechen, aber eine plumpe Anmache ist kein Delikt.“ Sind Sie wirklich der Ansicht, man mache da keinen Unter- schied?
Ehrlich gesagt, ja. Vor ein paar Tagen hörte ich im Radio eine Feministin, die gegen unseren Text argumentierte. Und sie erklärte genau das: Man dürfe nicht mehr unterscheiden, man müsse einen Mann, der einem irgendwie lästig wird, sofort anzeigen. Ich finde das verrückt. Es gibt doch wohl sehr viele sehr unterschiedliche Formen des Lästig-Seins. Manche davon sind schlimm, viele sind es nicht. Die zu unterscheiden, die graduellen Nuancen nicht einfach zu verwischen, das scheint mir essentiell.
Glauben Sie nicht, dass das jede Frau anders empfindet?
Natürlich, aber gerade deshalb sollte man es doch jeder Frau überlassen, das für sich selbst zu entscheiden, selbst zu wissen, wo ihre Grenze liegt. Gerade deshalb, gerade weil jede Frau das anders empfindet, bin ich dagegen, dass man uns eine Moral von außen auferlegt.
Sie sind also nicht gegen die #MeToo-Bewegung oder den #balancetonporc-Aufruf („Prangere dein Schwein an“), sondern gegen das, was Sie als Ausschweifungen der Bewegung bezeichnen?
Na ja, sagen wir es so: Ich bin persönlich dagegen, dass man so ernste Angelegenheiten wie eine Vergewaltigung auf dem Marktplatz von heute, also im Netz verhandelt. Dass man Männer in den sozialen Netzwerken eines solchen Deliktes beschuldigt, sie öffentlich denunziert, bevor man sich an die Justiz gewandt hat – für mich ist das der Wilde Westen. Wir leben in zivilisierten Gesellschaften, wir haben Gesetze, die dazu da sind, uns zu schützen, stattdessen wählt man die öffentliche Anklagebank und rechnet vor den Augen aller mit diesem oder jenem ab. ...
Interview von Annabelle Hirsch
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