Donnerstag, 16. Juni 2022

Es reicht.


aus welt.de, 16. 6. 2022
 
Transgender-Debatte
Warum der gegen uns gerichtete Vorwurf der Hetze unbegründet ist
Den Verfassern eines WELT-Gastbeitrags zu Transgender in den Medien hat der Queer-Beauftragte der Bundesregierung „Hetze“ sowie „Homo- und Transfeind-lichkeit“ vorgeworfen. Einer der Verfasser, ein Politologe, antwortet hier auf die Kritik. Und erläutert seinen Standpunkt. 
 
 

Die WELT veröffentlichte kürzlich einen von mir mitverfassten Artikel, zunächst unter dem Titel „Wie ARD und ZDF unsere Kinder sexualisieren und umerziehen“. Diese Überschrift wurde dann in „Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: Wie ARD und ZDF unsere Kinder indok-trinieren“ verwandelt. Der von unserem Autorenteam gewählte Titel war: „Aufruf von Wis-senschaftlern gegen die Fehlberichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“.

In diesem Text verwiesen wir auf eben diesen zur Unterschrift bereitstehenden Aufruf. Zen-trales Thema waren die fehlerhaften Darstellungen biologischer Sachverhalte zu den Themen Geschlecht und Genderdysphorie/Transsexualismus. Unsere Vorwürfe haben wir in einem 50-seitigen Dossier belegt, und der Aufruf wurde mittlerweile neben anderen Unterstützern auch von hunderten von Wissenschaftlern unterzeichnet, darunter zahlreiche Biologen, Mediziner und Psychologen mit universitärem Lehrstuhl.

Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, will es aber besser wissen als diese Koryphäen. In einer Replik auf unseren Text, die ebenfalls in der WELT erschien, schrieb er: „Die Autor*innen sprechen in ihrem Text von einer ‚bestätigte(n) wissenschaft-lichen Erkenntnis der Zweigeschlechtlichkeit‘. Spätestens hier kann man den Text eigentlich weglegen und als quasi-kreationistisches Erzeugnis ignorieren. Ich mache mir trotzdem die Mühe, dem zu entgegnen: Intergeschlechtlichkeit existiert! Transgeschlechtlichkeit existiert!”

Tatsächlich haben die Autoren des Dossiers – was Lehmann wissen müsste, falls er es denn gelesen hat – die Existenz von Intersexualität (Störung der geschlechtlichen Entwicklung) und Transsexualität bzw. Genderdysphorie nicht nur konstatiert, sondern auch klare klinische De-finitionen dieser Phänomene gegeben. Allerdings vermögen wir, anders als Lehmann, auch den Begriff des Geschlechts im Dossier zu definieren. Aus dieser Definition (bezugnehmend auf Arten anisogametischer Keimzellen) ergibt sich in Konjunktion mit den empirischen Fak-ten (es gibt nur zwei solche Arten: Eizellen und Spermien) logisch gültig die Zweigeschlecht-lichkeit. Intersexualität und Transsexualität sind Erscheinungen innerhalb dieser Zweige-schlechtlichkeit.

Eine Störung (oder Variante) der geschlechtlichen Entwicklung produziert so wenig ein neues Geschlecht, wie eine anatomische Entwicklungsstörung in Form eines verkürzten Arms oder eines zusätzlichen Fingers eine neue Spezies der Gattung Mensch produziert. Ebenso: So sehr sich manche Frauen auch als Mann identifizieren mögen und manche Männer als Frau, so we-nig kreieren sie dadurch biologisch gesehen ein drittes Geschlecht.

Wenn das Bundesverfassungsgericht, auf welches sich Lehmann beruft, ein solches als Ge-schlechtseintrag zulässt, so ist dies eine juristische Fiktion, ändert aber nichts an den biolo-gischen Fakten. Kurz, Lehmann hat seine abstrusen Vorstellungen sicherlich nicht der bio-logischen Primärliteratur entnommen, sondern offenbar dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Lehmann erklärt weiter: „Auch gegenüber der Politik der Bundesregierung verbreitet das Pam-phlet Falschbehauptungen. Wie etwa, dass künftig 14-Jährige ,gegen den Willen ihrer Eltern über eine hormonelle und operative Anpassung entscheiden können‘ sollen. Nein, das ist nicht geplant. Das war es auch nie.“

Dass Lehmann diese falsche Behauptung, auf deren Verlogenheit er wiederholt hingewiesen wurde, permanent und impertinent allerorten wiederholt, macht sie nicht wahrer. Es sei Le-sern und vor allem den Eltern unter ihnen geraten, den Koalitionsvertrag und die früheren Entwürfe des sogenannten „Selbstbestimmungsgesetzes“ von Grünen und FDP selbst zu prüfen.

So heißt es etwa im Gesetzentwurf der Grünen vom 10.6.2020 über den genitalverändernden chirurgischen Eingriff: „Verweigern die sorgeberechtigten Personen [ihre] Einwilligung, so ersetzt das Familiengericht die Einwilligung …“ Für die Hormonbehandlung wiederum wird weder die Einwilligung der Eltern noch die des Familiengerichts verlangt, wie der Entwurf unter „Zu Satz 3“ ausdrücklich feststellt.

Und was seinen großen Kritikpunkt am bestehenden Transsexuellengesetz angeht, nämlich dass die „Zwangsgutachten“ „entwürdigend“ seien, so sei darauf hingewiesen, dass das Bun-desverfassungsgericht dies anders sieht und die Zulässigkeit dieser Gutachten bereits 2011 erklärte und 2017 nochmals ausführlich begründete. Während das Bundesverfassungsgericht eben keine wissenschaftliche Instanz zur Entscheidung über biologische Fakten ist, ist es autorisiert, festzustellen, was im Sinne der Verfassung menschenwürdig ist.

Nicht nur für Kindeswohl und Elternrechte hat das geplante „Selbstbestimmungsgesetz“ katastrophale Auswirkungen, sondern auch für Frauen. Das Gesetzesvorhaben würde es er-lauben, seinen amtlichen Geschlechtseintrag umstandslos mit allen Rechtsfolgen zu ändern. Andere Länder haben mit den Folgen hieraus bereits Erfahrungen. In vermeintlichen Frauen-gefängnissen wurden Frauen von mit ihnen inhaftierten „transidenten“ Männer vergewaltigt; und von Männern begangene Vergewaltigungen können kriminalstatistisch Frauen zugeschrie-ben werden (die sich vor Gericht auf ihre Peiniger natürlich entgegen der Fakten mit weibli-chen Pronomen beziehen müssen, was wiederum die Rede- und Gewissensfreiheit verletzt).

Zudem haben Männer, ob „transident“ oder nicht, hierdurch leichten Zugang zu Frauentoi-letten, die diese aber nicht unbedingt mit Männern teilen möchten, da dies ihrem Schamemp-finden und erwiesenermaßen ihren Sicherheitsinteressen widerspricht. Und schließlich werden in diesen Ländern Frauen von Transfrauen im Kampfsport mühelos überwunden, beim Ge-wichtheben deklassiert und bei Schwimmwettbewerben um Längen zurückgelassen. Die Rede von undefinierten „Geschlechtsidentitäten“ ändert an dieser auf biologischen Realitäten beru-henden Unfairness nichts. Lehmann aber scheinen die Interessen von Frauen gleichgültig zu sein.

Damit kommen wir zu einem Thema, mit dem Lehmann in Ermangelung vernünftiger Ar-gumente beginnt: nämlich „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ und „Hetze“. Er meint, unser Artikel habe „einen Frontalangriff gegen LGBTIQ*“ unternommen und triefe „vor Homo- und Transfeindlichkeit.“ Diese Aussagen sind unbegründet und bleiben wenig über-raschend von Lehmann unbelegt.

Tatsächlich hat ein Transsexuellennetzwerk, dass sich von der „Genderideologie“ ausdrücklich distanziert, auf unseren Beitrag positiv reagiert. Und die LGB Alliance Deutschland hat unse-ren Artikel und Aufruf unterstützt und Mathias Döpfners Distanzierung von ihm verurteilt. Abschließend sei meine Eingangsbemerkung ergänzt. Zentrales Thema waren für uns in der Tat die fehlerhaften Darstellungen biologischer Sachverhalte zu den Themen Geschlecht und Genderdys-phorie/Transsexualismus. Aber wir wiesen auch darauf hin, dass diese Falschdar-stellungen extrem negative Auswirkungen auf Kinder bzw. Jugendliche haben.

Ebenso wiesen wir darauf hin, dass Sexualaufklärung – die wir befürworten – altersangemes-sen sein muss. Wir haben in dem Artikel festgestellt und im Dossier belegt, dass dies oft ganz gewiss nicht der Fall ist. Erwachsene können einvernehmlich miteinander tun, was sie wollen, aber nicht jedes erwachsene Verhalten muss Kindern und Heranwachsenden, auch nicht durch Medien vermittelt, penetrant und permanent zur Schau gestellt werden. Wenn Lehmann dies anders sieht, sieht er das Jugendwohl offenbar so wenig wie das von Frauen.

Unser Aufruf fordert, Wissenschaft vor Ideologie und Gemeinwohl vor Partialinteressen zu stellen. Lehmann kommt dieser Aufforderung so wenig nach wie der ÖRR. Zumindest aber, so unsere Hoffnung, ist Letzterer reformfähig.

 

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen