Dienstag, 27. März 2018

Eine Frau mit Power.

aus Süddeutsche.de

Streitfall Wedel  
"Die Zeit" trennt sich von "Fischer im Recht"
 
Von Claudia Tieschky

Die Wochenzeitung Die Zeit arbeitet nach einer Kontroverse um den Fall Dieter Wedel nicht mehr mit dem Strafrechtler und früheren Bundesrichter Thomas Fischer als Autor zusammen. Sabine Rückert, die der Zeit-Chefredaktion angehört, bestätigte eine entsprechende Spiegel-Meldung. Grund sei, dass ein Text Fischers illoyal gewesen sei "gegenüber unseren eigenen Reportern, die mit erheblichem Aufwand recherchierten, und vor allem auch gegenüber den Frauen, die sich uns unter erheblichem persönlichen Risiko anvertraut haben. Außerdem hatte Herr Fischer keine Argumente", sagte Rückert der SZ. Illoyal sei auch gewesen, den Text "überraschend und ohne Absprache mit der Zeit" in einem Mediendienst zu veröffentlichen.

Fischer hatte im Januar bei meedia.de die Zeit für ihre Berichterstattung über Wedel kritisiert. Die Zeitung schrieb am 4. Januar im Zeit Magazin und am 25. Januar in einem Dossier über Anschuldigungen, die mehrere Schauspielerinnen gegen Wedel erheben und die von Mobbing bis zur Vergewaltigung reichen. Wedel erklärte nach der ersten Veröffentlichung, Frauen nicht bedrängt oder sexuell genötigt zu haben; zu den Vorwürfen im Dossier wollte er sich aus gesundheitlichen Gründen nicht äußern, sprach aber von einem "Klima der Vorverurteilung". Der Presserat bescheinigte der Zeit vorige Woche allerdings "vorbildliche Verdachtsberichterstattung".

Fischer schrieb bei meedia.de dagegen unter anderem von einem "Tribunal" und einer "medialen Abrechnung"; die Zeit nutze "Mittel der Suggestion und Verzeichnung, der Zirkelschlüssigkeit und der Denunziation". Eine erste Fassung des Textes hatte Fischer dem Spiegel zufolge der Zeit angeboten, die den Abdruck ablehnte. Der Jurist, der von 2015 bis 2017 bei Zeit Online die publikumsträchtige Kolumne "Fischer im Recht" schrieb, erklärte nun im Spiegel, man habe ihm sogar sein Zeit-Freiabo gestrichen. Auch das wird von der Zeit bestätigt.



aus nzz.ch,

Loyalität? Gehorsam!

von Marc Felix Serrao, Berlin 

... Die Redaktion hat die Zusammenarbeit mit Deutschlands bekanntestem Strafrechtler beendet. Sie hat sogar sein Gratis-Abo eingestellt. Der Grund ist Fischers Kritik an der Berichterstattung des «Zeit-Magazins» über die mutmasslichen sexuellen Übergriffe des Regisseurs Dieter Wedel. Diese kam in seinen Augen einem «Tribunal» gleich, das wichtige Fragen gar nicht oder suggestiv beantwortete. Das wollte Fischer Anfang des Jahres aufschreiben, und zwar dort, wo man ihn sonst mit Wonne auf alles und jeden und gerne auch auf andere Medien losliess. Doch die «Zeit» lehnte ab. Ende Januar erschien sein Text dann beim Branchendienst «Meedia», der wie die «Zeit» zum Holtzbrinck-Verlag gehört. Das Echo war gewaltig.

Anfang März folgte noch ein zweiter Text. Das fortgesetzte Wedel-Tribunal der «Zeit» löse «die Abgrenzungen zwischen Straftaten und Belästigungen, krimineller Energie und Alltag, Personen und Systemen auf», schrieb Fischer dort. Der Regisseur zahle einen hohen Preis: seine soziale Vernichtung. Auch dieser Text schlug Wellen. Die Leser kommentieren ihn bis heute.

Warum verzichtet die «Zeit», die sich als liberale und «führende meinungsbildende Wochenzeitung» versteht, auf einen Autor, der so viel zur Meinungsbildung beiträgt? Der «SZ» nannte Rückert nun ihre Gründe. Fischer sei illoyal gewesen, und zwar auch «gegenüber den Frauen, die sich uns unter erheblichem persönlichem Risiko anvertraut haben». Er habe keine Argumente gehabt. Und sein Text sei ohne Absprache erschienen. Was man so sagt im Trennungsfuror.

Zu behaupten, Fischer habe keine Argumente, ist lächerlich. Man muss dem angriffslustigen Richter a. D. gar nicht zustimmen. Aber der Mann bietet eine ganze Batterie an Argumenten auf, von der Beweiswürdigung bis zur Klärung des Schuldbegriffs. Dann die Absprache. Die «Zeit» war laut «Meedia»-Chefredaktor Georg Altrogge durchaus informiert. Er habe das Büro des Chefredaktors Giovanni di Lorenzo vorab angerufen und auf die geplante Veröffentlichung hingewiesen, sagt er auf Anfrage – «aus Gründen der Fairness und um die medienethische Debatte über den Fall Wedel anzustossen». Debatte ist das entscheidende Wort. ...


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