aus Süddeutsche.de Streitfall Wedel
"Die Zeit" trennt sich von "Fischer im Recht"
Von Claudia Tieschky
Die Wochenzeitung Die Zeit arbeitet nach
einer Kontroverse um den Fall Dieter Wedel nicht mehr mit dem
Strafrechtler und früheren Bundesrichter Thomas Fischer als Autor
zusammen. Sabine Rückert, die der Zeit-Chefredaktion angehört, bestätigte eine entsprechende Spiegel-Meldung.
Grund sei, dass ein Text Fischers illoyal gewesen sei "gegenüber
unseren eigenen Reportern, die mit erheblichem Aufwand recherchierten,
und vor allem auch gegenüber den Frauen, die sich uns unter erheblichem
persönlichen Risiko anvertraut haben. Außerdem hatte Herr Fischer keine
Argumente", sagte Rückert der SZ. Illoyal sei auch gewesen, den Text
"überraschend und ohne Absprache mit der Zeit" in einem Mediendienst zu veröffentlichen.
Fischer hatte im Januar bei meedia.de die Zeit für ihre Berichterstattung über Wedel kritisiert. Die Zeitung schrieb am 4. Januar im Zeit Magazin und am 25.
Januar in einem Dossier über Anschuldigungen, die mehrere
Schauspielerinnen gegen Wedel erheben und die von Mobbing bis zur
Vergewaltigung reichen. Wedel erklärte nach der ersten Veröffentlichung,
Frauen nicht bedrängt oder sexuell genötigt zu haben; zu den Vorwürfen
im Dossier wollte er sich aus gesundheitlichen Gründen nicht äußern,
sprach aber von einem "Klima der Vorverurteilung". Der Presserat
bescheinigte der Zeit vorige Woche allerdings "vorbildliche Verdachtsberichterstattung".
Fischer schrieb bei meedia.de dagegen unter anderem von einem "Tribunal" und einer "medialen Abrechnung"; die Zeit
nutze "Mittel der Suggestion und Verzeichnung, der Zirkelschlüssigkeit
und der Denunziation". Eine erste Fassung des Textes hatte Fischer dem Spiegel zufolge der Zeit angeboten, die den Abdruck ablehnte. Der Jurist, der von 2015 bis 2017 bei Zeit Online die publikumsträchtige Kolumne "Fischer im Recht" schrieb, erklärte nun im Spiegel, man habe ihm sogar sein Zeit-Freiabo gestrichen. Auch das wird von der Zeit bestätigt.
aus nzz.ch,
Loyalität? Gehorsam!
von Marc Felix Serrao, Berlin
... Die Redaktion hat die
Zusammenarbeit mit Deutschlands bekanntestem Strafrechtler beendet. Sie
hat sogar sein Gratis-Abo eingestellt. Der Grund ist Fischers Kritik an
der Berichterstattung des «Zeit-Magazins» über die mutmasslichen
sexuellen Übergriffe des Regisseurs Dieter Wedel. Diese kam in seinen
Augen einem «Tribunal» gleich, das wichtige Fragen gar nicht oder
suggestiv beantwortete. Das wollte Fischer Anfang des Jahres
aufschreiben, und zwar dort, wo man ihn sonst mit Wonne auf alles und
jeden und gerne auch auf andere Medien losliess. Doch die «Zeit» lehnte
ab. Ende Januar erschien sein Text dann beim Branchendienst «Meedia», der wie die «Zeit» zum Holtzbrinck-Verlag gehört. Das Echo war gewaltig.
Anfang März folgte noch ein zweiter Text.
Das fortgesetzte Wedel-Tribunal der «Zeit» löse «die Abgrenzungen
zwischen Straftaten und Belästigungen, krimineller Energie und Alltag,
Personen und Systemen auf», schrieb Fischer dort. Der Regisseur zahle
einen hohen Preis: seine soziale Vernichtung. Auch dieser Text schlug
Wellen. Die Leser kommentieren ihn bis heute.
Warum
verzichtet die «Zeit», die sich als liberale und «führende
meinungsbildende Wochenzeitung» versteht, auf einen Autor, der so viel
zur Meinungsbildung beiträgt? Der «SZ» nannte Rückert nun ihre Gründe.
Fischer sei illoyal gewesen, und zwar auch «gegenüber den Frauen, die
sich uns unter erheblichem persönlichem Risiko anvertraut haben». Er
habe keine Argumente gehabt. Und sein Text sei ohne Absprache
erschienen. Was man so sagt im Trennungsfuror.
Zu
behaupten, Fischer habe keine Argumente, ist lächerlich. Man muss dem
angriffslustigen Richter a. D. gar nicht zustimmen. Aber der Mann bietet
eine ganze Batterie an Argumenten auf, von der Beweiswürdigung bis zur
Klärung des Schuldbegriffs. Dann die Absprache. Die «Zeit» war laut
«Meedia»-Chefredaktor Georg Altrogge durchaus informiert. Er habe das
Büro des Chefredaktors Giovanni di Lorenzo vorab angerufen und auf die
geplante Veröffentlichung hingewiesen, sagt er auf Anfrage – «aus
Gründen der Fairness und um die medienethische Debatte über den Fall
Wedel anzustossen». Debatte ist das entscheidende Wort. ...
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