aus Süddeutsche.de Streitfall Wedel
"Die Zeit" trennt sich von "Fischer im Recht"
Von Claudia Tieschky
Die Wochenzeitung Die Zeit arbeitet nach
einer Kontroverse um den Fall Dieter Wedel nicht mehr mit dem
Strafrechtler und früheren Bundesrichter Thomas Fischer als Autor
zusammen. Sabine Rückert, die der Zeit-Chefredaktion angehört, bestätigte eine entsprechende Spiegel-Meldung.
Grund sei, dass ein Text Fischers illoyal gewesen sei "gegenüber
unseren eigenen Reportern, die mit erheblichem Aufwand recherchierten,
und vor allem auch gegenüber den Frauen, die sich uns unter erheblichem
persönlichen Risiko anvertraut haben. Außerdem hatte Herr Fischer keine
Argumente", sagte Rückert der SZ. Illoyal sei auch gewesen, den Text
"überraschend und ohne Absprache mit der Zeit" in einem Mediendienst zu veröffentlichen.
Fischer hatte im Januar bei meedia.de die Zeit für ihre Berichterstattung über Wedel kritisiert. Die Zeitung schrieb am 4. Januar im Zeit Magazin und am 25.
Januar in einem Dossier über Anschuldigungen, die mehrere
Schauspielerinnen gegen Wedel erheben und die von Mobbing bis zur
Vergewaltigung reichen. Wedel erklärte nach der ersten Veröffentlichung,
Frauen nicht bedrängt oder sexuell genötigt zu haben; zu den Vorwürfen
im Dossier wollte er sich aus gesundheitlichen Gründen nicht äußern,
sprach aber von einem "Klima der Vorverurteilung". Der Presserat
bescheinigte der Zeit vorige Woche allerdings "vorbildliche Verdachtsberichterstattung".
Fischer schrieb bei meedia.de dagegen unter anderem von einem "Tribunal" und einer "medialen Abrechnung"; die Zeit
nutze "Mittel der Suggestion und Verzeichnung, der Zirkelschlüssigkeit
und der Denunziation". Eine erste Fassung des Textes hatte Fischer dem Spiegel zufolge der Zeit angeboten, die den Abdruck ablehnte. Der Jurist, der von 2015 bis 2017 bei Zeit Online die publikumsträchtige Kolumne "Fischer im Recht" schrieb, erklärte nun im Spiegel, man habe ihm sogar sein Zeit-Freiabo gestrichen. Auch das wird von der Zeit bestätigt.
aus nzz.ch,
Loyalität? Gehorsam!
von Marc Felix Serrao, Berlin
... Die Redaktion hat die
Zusammenarbeit mit Deutschlands bekanntestem Strafrechtler beendet. Sie
hat sogar sein Gratis-Abo eingestellt. Der Grund ist Fischers Kritik an
der Berichterstattung des «Zeit-Magazins» über die mutmasslichen
sexuellen Übergriffe des Regisseurs Dieter Wedel. Diese kam in seinen
Augen einem «Tribunal» gleich, das wichtige Fragen gar nicht oder
suggestiv beantwortete. Das wollte Fischer Anfang des Jahres
aufschreiben, und zwar dort, wo man ihn sonst mit Wonne auf alles und
jeden und gerne auch auf andere Medien losliess. Doch die «Zeit» lehnte
ab. Ende Januar erschien sein Text dann beim Branchendienst «Meedia», der wie die «Zeit» zum Holtzbrinck-Verlag gehört. Das Echo war gewaltig.
Anfang März folgte noch ein zweiter Text.
Das fortgesetzte Wedel-Tribunal der «Zeit» löse «die Abgrenzungen
zwischen Straftaten und Belästigungen, krimineller Energie und Alltag,
Personen und Systemen auf», schrieb Fischer dort. Der Regisseur zahle
einen hohen Preis: seine soziale Vernichtung. Auch dieser Text schlug
Wellen. Die Leser kommentieren ihn bis heute.
Warum
verzichtet die «Zeit», die sich als liberale und «führende
meinungsbildende Wochenzeitung» versteht, auf einen Autor, der so viel
zur Meinungsbildung beiträgt? Der «SZ» nannte Rückert nun ihre Gründe.
Fischer sei illoyal gewesen, und zwar auch «gegenüber den Frauen, die
sich uns unter erheblichem persönlichem Risiko anvertraut haben». Er
habe keine Argumente gehabt. Und sein Text sei ohne Absprache
erschienen. Was man so sagt im Trennungsfuror.
Zu
behaupten, Fischer habe keine Argumente, ist lächerlich. Man muss dem
angriffslustigen Richter a. D. gar nicht zustimmen. Aber der Mann bietet
eine ganze Batterie an Argumenten auf, von der Beweiswürdigung bis zur
Klärung des Schuldbegriffs. Dann die Absprache. Die «Zeit» war laut
«Meedia»-Chefredaktor Georg Altrogge durchaus informiert. Er habe das
Büro des Chefredaktors Giovanni di Lorenzo vorab angerufen und auf die
geplante Veröffentlichung hingewiesen, sagt er auf Anfrage – «aus
Gründen der Fairness und um die medienethische Debatte über den Fall
Wedel anzustossen». Debatte ist das entscheidende Wort. ...
... Dann geht alles ganz schnell. Die Sängerin steht auf und hält dem
Teenager ihre Wange hin. Als der 19-Jährige sich nähert, dreht sie ihm
den Mund zu und presst ihn auf seinen. Der rosarote Lippenstift besteht.
Benjamin hingegen taumelt und geht zu Boden. Perry reißt die Arme in
die Höhe wie ein Preisboxer nach dem K.o. des Gegners, die drei Juroren
klatschen ab, alle drei beglückwünschen sich gegenseitig zu dem
gelungenen Coup. ...
Einige werden dagegenhalten, Benjamin Glaze hätte nein sagen
können. Sie werden sagen: Selbst schuld, warum muss er auch unbedingt
verraten, dass er noch nie ein Mädchen geküsst hat. Zumal er der
Expertin für unaufgefordertes Küssen, "I kissed a Girl"-Sängerin Katy
Perry, gegenüberstand. Das schreit doch geradezu danach, dem jungen Mann
diese Erfahrung zuteilwerden zu lassen. Schließlich haben Männer auch
jahrzehntelang behauptet, dass Frauen, die Ausschnitt zu Minirock
tragen, sexuell belästigt werden wollen. ...
Frauen lächeln anders Geschlechtsbestimmung allein anhand des Lächelns funktioniert
Subtile Unterschiede: Wenn Männer und
Frauen lächeln, tun sie dies nicht auf gleiche Weise. Stattdessen neigen
Frauen dazu, ihre Lippen und Mundpartie stärker zu dehnen – ihr Lächeln
ist dadurch auf subtile Weise ausdrucksstärker als das der Männer.
Enthüllt haben dies Analysen der Lächeldynamik mithilfe einer
künstlichen Intelligenz. Ihr gelang es nach kurzem Training sogar, das
Geschlecht unbekannter Personen allein anhand ihres Lächelns zu
bestimmen.
Unsere Mimik ist ein Spiegel unserer Persönlichkeit und ein
wichtiges Mittel der nonverbalen Kommunikation. Denn mit unserem
Gesichtsausdruck vermitteln wir unsere Stimmung, aber auch unsere
Haltung zu unserem gegenüber. So kann unser Lächeln Vertrauen signalisieren, aber auch Dominanz oder Zuneigung. Bestimmte Formen des Lächelns können sogar Stress auslösen.
Doch gibt es beim Lächeln auch Unterschiede zwischen den Geschlechtern?
Lächeln Frauen womöglich anders als Männer? Tatsächlich gibt es einige
Studien, die Frauen ein ausdrucksvolleres Lächeln zuschreiben als
Männern, allerdings ist ihre Aussagekraft umstritten.
KI als "Schiedsrichter"
Deshalb haben Hassan Ugail und Ahmad Al-dahoud von der University of
Bradford in England nun ein lernfähiges Computerprogramm als
"Schiedsrichter" herangezogen. "Wir lassen das Programm die Intensität
und Dauer des Lächelns analysieren, in der Hoffnung, Unterschiede
zwischen den Geschlechtern zu identifizieren", erklären die Forscher.
Dafür wählten sie insgesamt 210 Parameter im Gesicht aus, darunter
Abstände zwischen anatomischen Punkten sowie 49 feste "Landmarken".
Diese konzentrierten sich vor allem in den Bereichen rund um den Mund
und die Augen. Der Computer lernte durch Videos lächelnder Männer und
Frauen, diese Parameter zu identifizieren und die dynamischen
Veränderungen beim Lächeln zu erfassen.
Einige der "Landmarken", die die KI im Gesicht der Probanden analysierte.
Verräterische Mundpartie
Es zeigte sich: Es gibt tatsächlich Unterschiede zwischen dem weiblichen
und dem männlichen Lächeln. "Frauen haben definitiv ein breiteres
Lächeln", berichtet Ugail. "Das wurde schon allein beim Blick auf die
Veränderungen im Lippenbereich während des Lächelns klar: Bei Frauen
dehnt sich dieser Bereich stärker als bei Männern." Das gelte auch für
das Gebiet um den Mund herum.
Doch reichen diese für Unterschiede aus, um allein anhand des Lächelns
das Geschlecht einer Person zu bestimmen? Um das zu testen, zeigten die
Forscher dem Programm Videoclips von 109 lächelnden Personen. Der
Computer sollte nun anhand der erlernten Parameter und Unterschiede
angeben, ob es sich um Mann oder Frau handelte. Trefferquote 86 Prozent
Das Ergebnis: Immerhin in 86 Prozent der Fälle lag das Computerprogrammn
richtig – es hatte korrekt das Geschlecht der Testperson allein anhand
der Dynamik ihres Lächelns bestimmt. Wie die Forscher betonen, lässt
sich diese Trefferquote wahrscheinlich noch erhöhen. "Wir haben für
diese Studie ein relativ einfaches Programm gewählt", sagt Ugail. "Eine
fortgeschrittenere künstliche Intelligenz würde die Erkennungsraten
verbessern."
Nach Ansicht der Forscher könnten sich in Zukunft vielleicht sogar
einzelne Personen an ihrem Lächeln identifizieren lassen. "Diese Art der
Gesichtserkennung wäre eine Biometrie der nächsten Generation. Denn sie
ist nicht allein von äußerlichen Merkmalen abhängig, sondern beruht auf
der mimischen Dynamik, die für jedes Individuum einzigartig ist",
erklärt Ugail. Während die Gesichtszüge mittels plastischer Chirurgie
verändert werden können, wäre das individuelle Lächeln nur schwer zu
verändern oder nachzuahmen. (The Visual Computer, 2018; doi: 10.1007/s00371-018-1494-x)
(University of Bradford, 15.03.2018 - NPO)
Nota. - Der landläufige Genderologe wird wieder sagen: Alles nur Erziehung.
(Übrigens sind die in der Studie vernachlässigten Augenwinkel verräterischer: Man kann daran echt und unecht unter- scheiden; an den Wangengrübchen auch. Würde man die berücksichtigen, käme man vielleicht zu dem Ergebnis: Alles nur Theater.) JE
Ja das war wieder ein Flügelschlagen im Hühnerhaus! Nein, der Bundesgerichtshof schreibt der Bank nicht vor, dass sie weibliche Kunden als Kundinnen anspricht. Doch "es geht um Gerechtigkeit, nicht um Befindlichkeiten!", entrüstet sich Karin Janker in der heutigen Süddeutschen.
Nein Frau Janker, es geht um Recht. Was gerecht ist, müssen die Privaten unter sich ausmachen; zum Beispiel die Kund*innen mit ihrer Bank. Aber Recht setzt der Staat. Unserer ist - bitteschön, das ist er - ein freiheitlicher Staat. Um einem Privaten vor- zuschreiben, wie er einen andern Privaten anzureden hat, braucht er schon gewichtige verfassungsrechliche Gründe. Die Be- findlichkeit von eineR, die sich ungerecht behandelt fühlt, ist so ein gewichtiger Grund nicht; gottlob nicht fürs oberste Ge- richt.
«Wenn mich ein Mann unangemessen berührt oder blöd anspricht – dann haue ich ihm eine runter!»
Sie
kritisiert den «Opferfeminismus», hält neue Regeln zu sexueller
Belästigung für unnötig und wünscht sich Frauen, die sich selber wehren.
RechtsprofessorinMonika Frommel zur MeToo-Debatte.
ein Interview von Martin Helg
NZZ am Sonntag: Frau Frommel, Sie kritisieren öffentlich die MeToo-Debatte. Warum?
Monika Frommel:
Mich stört die Bereitschaft, mit dem Opfersein zu kokettieren und
Solidarität immer nur über die Opferrolle einzufordern. Diese Haltung
führt Gesellschaft, die überall Opfer sieht. Sie hat die Neigung zu
skandalisieren und relativiert alle rechtsstaatlichen Bedenken: die
Unschuldsvermutung und auch berechtigte Zweifel an scheinbar eindeutigen
Beschuldigungen. Verdächtigte werden in den Medien als Täter an den
Pranger gestellt. Zweifel werden ignoriert, schwache Indizien gelten als
harte Tatsachen. Sich gegenseitig bestärkende Geschichten erhalten ein
Eigenleben.
Gehört es denn nicht zu den grundlegenden Funktionen von Medien, Unrecht und Gewalt aufzudecken?
Digitale
Pranger sind ein unfassbarer historischer Rückschritt. Wir haben nun
seit etwa 250 Jahren differenzierte rechtliche Verfahren entwickelt, wie
ein Verdacht durch eine Staatsanwaltschaft geordnet abgehandelt wird.
Heute werden stattdessen Leute wie jüngst der Filmregisseur Dieter Wedel
in angeblich seriösen Zeitungen coram publico blossgestellt. Damit
kehren wir zurück zum Scherbengericht wie im alten Athen, ohne dass die
Möglichkeit besteht, sich angemessen zu verteidigen.
Die Frauen, die öffentlich Männer anprangern, sehen offenbar keinen anderen Weg, Gehör zu finden.
Es
waren nicht Frauen, die einen Verdacht geäussert haben, sondern das
«Zeit»-Magazin, das einzelne Geschichten so arrangiert hat, dass eine
scheinbar schlüssige Beschuldigung daraus wurde. Zugegeben: in den
achtziger Jahren, als sich einige der jetzt behaupteten Fälle zugetragen
haben sollen, war es noch schwieriger, sich Hilfe zu holen. Aber
unterdessen haben sich viele Beschwerdestellen gebildet, und auch
rechtlich hat sich zumindest in Europa enorm viel getan. In Deutschland
gibt es neben den kostenlosen Beschwerdestellen eine leicht zugängliche
rechtliche Beratung beim Amtsgericht und Prozesskostenhilfe. Das
Antidiskriminierungsgesetz zwingt alle Betriebe dazu, Verfahren
anzubieten. Sie werden auch in Anspruch genommen. Es wäre daher Aufgabe
der Politik, auf deren Existenz aufmerksam zu machen, statt Zweifel zu
sähen. In Deutschland ist im Zuge dieser Kampagnen sogar das
belästigende Berühren in sexueller Absicht letztes Jahr unter Strafe
gestellt worden, und kein Mensch weiss, wie man so etwas in einem
Strafverfahren handhaben soll.
Nach den sexuellen
Übergriffen in der Neujahrsnacht 2016 in Köln empfahl die
Bürgermeisterin den Frauen, im Zweifelsfall eine Armlänge Abstand zu
halten. Das klingt nicht gerade nach einem effizienten Rechtsschutz.
Und
prompt sind alle über sie hergefallen! So als wenn das Achten auf sich
selbst überhaupt keinen Wert mehr hätte. Eine allmächtige göttliche Hand
soll offenbar Frauen schützen. Das heisst, Frauen werden qua
Weiblichkeit als «ontologische Opfer» definiert und der Mann als
«ontologischer Täter». Zwar gab es sehr viele Strafanzeigen nach den
Kölner Ereignissen, aber kaum eine war substanziiert. Die Gerichte
konnten im Wesentlichen nur Handy-Diebstähle verurteilen. Das war wohl
auch der Sinn vieler Übergriffe; denn auch dabei berühren Diebe die
Körper ihrer Opfer.
Ach wirklich? Sie denken, da steckte gar keine sexuelle Absicht dahinter?
Wir
wissen es nicht. Belästigung ist ein rein subjektiver Begriff. Wo fängt
sie an, wo hört sie auf? Wenn ich belegen kann, dass in sexueller
Absicht völlig unangemessen eine Berührung stattgefunden hat, zum
Beispiel ein Griff in den Schritt oder an den Hintern, war das nach
deutschem Recht schon seit langem eine sexuelle Nötigung. Es gab
überhaupt keine Lücke im Recht, allenfalls liess die Auslegung des
geltenden Rechts gelegentlich zu wünschen übrige. Aber dennoch regelte
man kampagnenartig 2016 alles wieder neu.
Vermutlich ist der Griff an den Hintern schwer zu beweisen.
Das
stimmt. Es liegt deshalb an mir, mich sofort zur Wehr zu setzten. Wenn
mich ein Mann unangemessen berührt oder blöd anspricht, dann habe ich
ein Notwehrrecht. Dann haue ich ihm eine runter! Oder ich schreie ihn
an. Ich kann nicht bei jedem Konflikt an die Medien gelangen oder die
Polizei holen, die kommt auch gar nicht.
Ohrfeigen sind problematisch, wenn man sich in einem Abhängigkeitsverhältnis befindet.
Wenn
ein Mann, zum Beispiel ein Vorgesetzter, seine Machtposition ausnutzt,
kann die Frau zivilrechtlich Unterlassung und Schadenersatz verlangen,
das ist viel eleganter als eine strafrechtliche Anzeige, bei der die
Unschuldsvermutung gilt. Im Zivilrecht kann ich als Frau viel leichter
im einstweiligen Rechtsschutz eine Unterlassung bekommen, da dreht sich
die Beweislast schnell um, sobald es Indizien gibt, dass Druck ausgeübt
worden ist. Dann muss der belästigende Mann beweisen, dass dies nicht
der Fall war, und der Arbeitgeber ist verpflichtet, dafür zu sorgen,
dass keine sexuelle Belästigung mehr stattfindet.
Glaubt man im Zweifelsfall nicht doch eher dem Mann?
Bei
umgekehrter Beweislast hat die Frau eine absolut starke Position, die
für Männer gefährlich werden kann – der Fall Assange in Schweden hat das
deutlich gemacht. Nach deutschem Recht wäre bei einem One-Night-Stand
die Frage des Kondomgebrauchs erst dann relevant, wenn tatsächlich die
Möglichkeit einer Krankheitsübertragung bestanden hätte. Die
schwedischen Gesetzesmodelle gehen sehr viel weiter. Wenn Sex neuerdings
nur noch legal sein soll, wenn das Einverständnis explizit erfolgt ist
und dazu auch noch nachgewiesen werden muss, dann schafft das ein Klima
des Verdachts und der jederzeit möglichen Beschuldigung. Nur schon die
Art und Weise, wie über das Thema geredet wird, macht Männer zu Trotteln
und Frauen zu Opfern.
Wenn ein Mann sich daneben benimmt, kann ich nicht pauschal sagen, es gehe ihm um Macht. Das wird allzu rasch sexualisiert.
An
den Schalthebeln der Macht sitzen in den meisten Ländern Männer und
schützen sich gegenseitig. Auch das Wort «Schweigekartell» fällt in
diesem Zusammenhang immer wieder.
Dieser
Begriff gehört in die Nachkriegszeit, als in Deutschland die Altnazis
wieder in Amt und Würden kamen und alle darüber schwiegen, was an
Verbrechen geschehen war. Damals wurden auch systematische
Kriegsvergewaltigungen verschwiegen. Aber jetzt haben wir seit über
40 Jahren Feminismus, und es ist albern, mit solchen alten Geschichten
jetzt zu kommen. Möglich, dass es eine Kasino-Kultur gibt, in der kleine
und mächtige Männer sich zu decken versuchen. Aber im Zeitalter der
Digitalisierung funktioniert das nicht mehr.
Weshalb kritisieren Sie insbesondere die Vorwürfe gegen Dieter Wedel?
Die
Recherchen haben bis jetzt keine Beweise für die behaupteten Taten
ergeben, sondern nur dafür, dass er sexuell freizügig gelebt hat. Zur
sexuellen Freizügigkeit gehören immer zwei. Wenn die Bluse einer Frau
zerrissen wird, muss sie die zerrissene Bluse als Beweis einer Nötigung
einreichen. Stattdessen machen diese Schauspielerinnen Jahrzehnte
später, wenn vorgeworfene Taten verjährt sind, mit dem «Zeit»-Magazin
eine tolle Story. Es gibt einen windigen Paragrafen in Deutschland,
wonach man die These vertreten könnte, dass die Verjährung auch bei
erwachsenen Frauen bis zum 30. Lebensjahr ruht, erst dann wird gezählt.
Somit können Frauen sich mit 49 überlegen, wem sie noch eins reinwürgen
wollen. Nur kann man dann nichts mehr beweisen. Diese
Verjährungsvorschrift behandelt Frauen wie Kinder. Neben dem Opferkult
ist das dann die doppelte Infantilisierung aller Frauen.
Vielleicht haben sich die Frauen damals geschämt?
Die
meisten Frauen, junge wie alte, wissen sich schon zu wehren. Was soll
das stereotype Gerede von Scham und Angst? Volkes Stimme ist da
kräftiger.
Die
Debatte dreht sich auch darum, dass Männer sich Respektlosigkeiten
erlauben, weil sie ein Machtprivileg gegenüber den Frauen geniessen.
Wenn
auf einer Party ein angetrunkener Mann sich daneben benimmt, dann kann
ich nicht pauschal sagen, es gehe ihm um Macht. Schlechtes Benehmen wird
oft allzu rasch sexualisiert. Ich würde hier mal lieber die Kirche im
Dorf lassen.
Sie sehen da kein grundsätzliches Ungleichgewicht?
Bei
Vergewaltigungen, wo ein Opfer über Stunden gequält wird, würde ich als
Kriminologin von einer sadistischen Form der sexualisierten
Machtausübung reden. Aber Alltagssexismus ist etwas anderes. Man kann
nicht die Erkenntnisse, die wir aus schweren Vergewaltigungen gezogen
haben, übertragen auf jedes leicht sexualisierte Verhalten. Das zu
behaupten, ist für mich unehrlich und könnte «Staatsfeminismus» oder
«Opferfeminismus» genannt werden. Dies führt weit weg von einer
liberalen Gesellschaft und mündet in einen unerträglichen
Bevormundungsstaat.
In der Sendung «Hart, aber fair» hat eine Reporterin einem Mann Despektierlichkeit vorgehalten, weil er Frauen als «Mädels» bezeichnete. Zu Recht?
Männer
und Frauen reden auch von «Jungs». Alltagssprache ist locker und
spricht Menschen auch in ihrer Sexualität an, das gehört zur liberalen
Kultur. Wenn wir päpstlicher als die Päpstin werden, fallen wir zurück
in die stummen fünfziger Jahre. Da liegen die französischen
Schauspielerinnen mit ihrer Kritik an #metoo richtig, die sagten, solche
Regeln seien der Tod jeder Erotik. Scherze sind oft sexuell
unterfüttert, ich sehe nicht, warum wir plötzlich nicht mehr damit
umgehen können sollen. Empowerment ist die richtige Frauenpolitik! Nur
so kann ich als Mädchen, als Frau oder als sexuell anders orientierter
Mensch mich gegen Diskriminierung wehren; nicht durch Infantilisierung.
Im Übrigen ist Sexualität immer eine dosierte Grenzüberschreitung. Sonst
passiert nichts zwischen Geschlechtern.
Mit dem Grenzen-Überschreiten beginnen muss immer noch der Mann, oder?
Evolutionsbiologisch
würde ich das bezweifeln. Die Auswahl des Sexualpartners traf immer
schon die Frau durch körpersprachliche Signale, die sehr genau
wahrgenommen werden. Wenn wir nun so tun, als habe es solche Signale nie
gegeben, stellen wir uns dümmer, als wir sind. Oder wollen Männern
verbieten, wahrzunehmen, was sie sehen; wie wenn ich ein Fallgesetz
ausser Kraft setzen will! Das Rollenspiel lebt davon, was wir daraus
machen. Zu jedem Zeitpunkt gibt es die Möglichkeit, zu stoppen oder zu
steigern. Sexuelle Missverstände entstehen zwar, aber im wesentlichen
dann, wenn Männer zu schnell und Frauen ambivalent sind oder nur teasen
oder bewundert werden wollen. Ein Franzose versteht das, ein Deutscher
vielleicht nicht. Aber eigentlich hatte ich in meinem Leben nie das
Gefühl, dass das nicht begriffen wird.
Wenn die Frauen Bereitschaft signalisieren, ist es am Mann, mit der Kommunikation konkreter zu werden.
Klar,
und es ist unfair, das zu kritisieren, denn es ist das uralte Spiel der
Geschlechter. Dieser neue Moralismus ist wenig realistisch, denn
menschliches Verhalten ist nun einmal ein Hin und Her; wenn Frauen, die
halbnackt und mit zerrissenen Klamotten herumlaufen, das nicht als
sexuelles Signal verstanden haben wollen, nehmen sie etwas für sich
Anspruch, was sie anderen verbieten wollen.
...
Von struktureller männlicher Gewalt spüren Sie hier nichts?
Schlechtes
Benehmen gibt es von männlicher und weiblicher Seite, ich sehe da kein
strukturelles Problem. Hemmende Strukturen gibt es bei der
Karriere-Politik. Aber wenn Politiker wie die deutsche
Familienministerin sich an die MeToo-Debatte anhängen und damit
argumentieren, wollen sie Wählerinnen ansprechen, die der feministischen
Opferrhetorik glauben. So wird politische Phantasielosigkeit oder gar
Versagen über starke Worte bei populistischen Kampagnen geheilt. Das ist
das traurige Ende einer einst fröhlichen feministischen Debatte.
Manche junge Männer scheinen es immer noch für chic zu halten, verächtlich über Frauen zu reden.
Das
könnte etwas damit zu tun haben, dass wir einen hohen Anteil an
muslimischen Menschen hier haben, bei denen das offenbar kulturell
adäquat ist. Und es hat etwas mit Pubertät zu tun. In der Pubertät haben
Mädchen einen Riesenvorteil, die Jungs sind diejenigen, die den Korb
kriegen und die Blöden sind. Dass unreife Jungs dann doofe Witze machen,
hat viel mit ihren ungestillten Bedürfnissen zu tun. Wir sollten etwas
humorvoller damit umgehen.
Kann man von einem sozialen Machtprivileg der jungen Mädchen reden?
Junge
Frauen kämpfen gegen ein Überangebot an sexuellen Avancen, alte Frauen
hingegen gegen ein eher zu geringes Angebot. Beim männlichen Geschlecht
ist es anders. Das hat aber nicht mit Macht zu tun, sondern eher mit
Geld und damit, dass unterprivilegierte junge Frauen glauben, sie
könnten sich bei älteren Männern ökonomische Sicherheit gegen Sex
eintauschen. Ein asymmetrischer Tausch nach der Devise: Ich bin jünger,
ich erbe mal. Diese Frauen steigen auf durch Heirat. Gut gebildete
Frauen dagegen suchen sich den Partner auf der gleichen Ebene. Sie haben
ihr eigenes Geld, behalten es auch gerne für sich und suchen sich einen
gleich gut verdienenden Partner.
Tatsächlich? Seit Jahren liest man, gebildete Frauen fänden keine Männer.
Ach
was, das gehört zu den Legenden des Opferfeminismus, der die
Machtverhältnisse nicht realistisch analysiert. Das
Ehescheidungsfolgenrecht beschert gutverdienenden Frauen durchaus
Partner über Partner! Weil ein Mann, der verheiratet war und Unterhalt
zahlen muss, sich nicht noch eine Frau leisten kann, bei der er
unterhaltspflichtig ist. Männer und Frauen haben hier einfach
unterschiedliche Lagen und Interessen.
Wenn man die Löhne betrachtet, kann von einer Gleichstellung der Geschlechter noch lange keine Rede sein.
Der
Gender-Pay-Gap betrifft vorwiegend die eher gutverdienenden Frauen,
deshalb kann man damit auch keine wirkungsvolle feministische Politik
mehr machen und ereifert sich stattdessen über die Hand auf dem Knie.
Heute sind es Migrantinnen und Migranten, die schlechter bezahlt werden,
das Lohngefälle verläuft nicht mehr zwischen den Geschlechtern. Die
meisten jungen Frauen zwischen 20 und 30 Jahren sind besser ausgebildet
als die jungen Männer, und in vielen Berufsbereichen wie Lehramt oder
der Justiz sind Frauen auch gut bezahlt. Dass Männer besonders in
Gegenden, in denen hochtechnische oder IT-Berufe verbreitet sind, im
Durchschnitt deutlich besser verdienen, hat damit zu tun, dass Frauen
diese Berufe seltener ergreifen.
Das heisst, die Frauen sollten andere Berufe wählen, um die gleichen wirtschaftlichen Möglichkeiten zu haben?
Nicht
unbedingt. Man muss nur durchsetzen, dass auch in Berufen mit hohem
Frauenanteil, etwa der Pflege, bessere Löhne bezahlt werden. Man könnte
das politisch steuern, indem man für einfache Arbeiten schlechter
qualifiziertes Personal beizieht und zum Beispiel auch die
Arbeitsverbote bei Flüchtlingen aufhebt. Viele haben noch keine hohen
Kompetenzen für technische Berufe. Sie könnten im Pflegebereich einfache
Arbeiten ausführen. Stattdessen schliessen wir sie ganz vom
Erwerbsleben aus.
Dank unqualifizierten Hilfsarbeitern würden die Frauen in besser bezahlte Chefpositionen rücken?
Genau.
Ich kann nicht jede weibliche Pflegekraft hoch bezahlen, wenn zwei
Drittel ihrer Tätigkeit ganz einfach sind. Der Beizug von ausländischen
Hilfskräften ermöglicht zudem den interkulturellen Austausch und die
soziale Angleichung. Irgendwann können auch Roboter die ganz einfachen
Dinge erledigen. Wobei das eine das andere nicht ausschliesst: Reden
will ich immer noch lieber mit Menschen. Es ist alles nicht so einfach.
Jedenfalls hat nicht alles nur mit dem Geschlechterverhältnis zu tun.
Eine schwache Position haben Frauen im Erwerbsleben allein schon dadurch, dass sie in der Minderzahl sind.
Das
ist richtig, ich denke, es braucht einen Frauenanteil von einem
Drittel, damit sich das Klima im Betrieb und die Wahrnehmung der Frauen
ändert. Aber 70 Prozent aller Mütter arbeiten nun einmal Teilzeit, das
ist ihre freie Entscheidung, denn das Betreuungsangebot ist vorhanden.
Es wird im reichen Süddeutschland eher nicht so angenommen wie in
ärmeren Gegenden. Je privilegierter eine Gesellschaft ist, je höher die
Bildung ihrer Frauen, desto mehr dieser Frauen arbeiten bewusst nur
Teilzeit. Frauen sehen den Beruf heute als ein Stück
Selbstverwirklichung an und nicht primär als Beitrag zur Ernährung der
Familie. Männer dagegen schlucken eine Menge, um mehr Kohle zu
verdienen.
Viele Männer müssen dabei in Kauf nehmen, dass sie von mächtigeren Männern schikaniert werden.
Ja,
nur können sie das nicht als Sexismus anprangern, sie müssen es anders
formulieren. Diese Fokussierung auf das männliche Geschlecht hat auch
grosse Nachteile. Den Vorteil, den mächtige Männer haben, bezahlen die
marginalisierten Männer. Sie haben hohe Abstiegsrisiken und sind öfter
in Psychiatrien untergebracht. Sie sterben früher, ihre Selbstmordrate
ist höher. Ich kann nicht sehen, dass alle Nachteile immer nur die
Frauen treffen. Männer und Frauen haben unterschiedliche Vor- und
Nachteile. Vielleicht sollte man lernen, realistischer damit zu leben.
Zum Mann muss man erst gemacht werden. So war das früher. Erst mit
Lederriemen und Rohrstöcken. Dann beim Militär hieß es: Wolln wir doch
mal sehen, ob wir nicht richtige Männer aus euch machen! Damit war’s
nicht genug. Dann musste er ein Mädchen zur Frau machen, Kinder zeugen
und eine Familie ernähren. Und im Ernstfall musste er zeigen, was er
beim Militär alles gelernt hatte. Und bei alldem war immer einer da, der
ihn daran erinnerte, was ein richtiger Mann an seiner Stelle getan
hätte. So, wie es früher war, ist es nicht
mehr. Inzwischen stellt sich heraus, dass sie auch dann zu Männern
werden, wenn sie keiner mehr dazu machen will: Der Unterschied ist nicht so klein,
wie gesagt wurde. Jetzt neigt die öffentliche Mainstreamung eher dazu,
sie daran zu hindern. Da sie es aber doch nicht recht verhindern kann,
muss sie sich damit bescheiden, sie wenigstens in ein nachhaltiges
Schuldgefühl einzuüben. Goya, Der Angeklagte 29. 12. 14
... Auch auf der
soeben zu Ende gegangenen Berlinale wurde vorauseilende
Konfliktvermeidung betrieben. Festivaldirektor Dieter Kosslick wurde
nicht müde zu betonen, dass Arbeiten von Regisseuren, die ein
Fehlverhalten zugegeben hatten, nicht ins Programm aufgenommen worden
waren. Namen wollte er nicht nennen. Derzeit verläuft ein schmaler Grat
zwischen Solidarität und Feigheit.
Die
Gemütslage des männlichen Teils des Showbusiness scheint denn auch der
eines beim Fremdgehen ertappten Ehemannes zu entsprechen. Notgedrungen
schuldbewusst und überaus bemüht, bloss nichts falsch zu machen: «Ja
Schatz, du hast ja recht!» Die betrogene Frau erhält allein mittels der
Verletzung Macht über den Täter. #MeToo hat diese Schuldspirale
weitergedreht, indem sie nicht nur Versehrung und Verletzung der Frauen
kollektivierte, sondern auch gleich die potenzielle (Mit-)Täterschaft
aller Männer – oder zumindest den begründeten Verdacht einer solchen
Mittäterschaft.
Aber
verletzt (worden) zu sein, ist für Frauen ja weniger ein Thema als ein
Zustand. Ein spezifisch weiblich konnotierter zudem. Denn Frauen
erfahren seelische Verletzung zunächst am eigenen Leib. Dem begafften
und bewerteten, betatschten oder gewaltsam unterworfenen. Und dem
menstruierenden, gebärenden und klimakterischen Leib und ja, natürlich
auch dem ignorierten Leib. Schauspielerinnen erfahren dieses Leid
doppelt, am eigenen Leib und an jenem der von ihnen verkörperten
Figuren.
Die
Protagonisten des Showgeschäftes stehen also vor einer
Lose-lose-Situation. Ausbleibende Solidarität macht sie untragbar,
explizite Solidarität zu Heuchlern. Und Humor wäre auch im Gewand der
Selbstironie untragbar. Mitleid ist angesichts der bis anhin
ungebrochenen Macht männlicher Funktionsträger sicher nicht angebracht.
Sehr wohl aber die Frage, warum Jahrzehnte des politischen Ringens von
Frauen um Chancengleichheit, Sichtbarkeit und das Ende stereo- typer
Geschlechterbilder nicht längst zu jenem Paradigmenwechsel geführt
haben, den das Ausstellen weiblicher Wunden derzeit erzwingt.
Der Botenstoff des verletzten Seins
Warum
also braucht es, wenn es um sogenannte Frauenanliegen geht, den
Botenstoff des verletzten Seins, um so unstrittige wie letztlich alle
Geschlechter beschämende Schieflagen ins Bewusstsein der Öffentlichkeit
zu transportieren und damit die Entscheider unter Druck zu setzen? Recht
hat, Recht erfährt die fordernde Frau auch im Jahre 2018 offenbar erst
mit den vergossenen Tränen, nach der Erniedrigung und um deren Preis.
Heult doch!
Leid,
Trauer und folgenlose Empörung sind Bausteine eines weiblich
konnotierten Duldungs-und Sehnsuchtschemas, aus dem das Kino das Genre
des Melodrams und das Fernsehen das der Soap-Opera formten. Und
Hollywood einen Epochenbruch namens #MeToo, der gesellschaftlichen
Fortschritt auf dem Fundament weiblicher Ohnmacht errichtet. ...
Hiess
es also die längste Zeit «Wer schreit, hat unrecht», so gilt derzeit
«Wer leidet, hat recht». Mindestens ist er, oder zumeist sie, sakrosankt
im Furor: Bloss nicht reizen. Zum Beispiel mit Fakten.
Doch
das Kino und dessen Personal haben mehr Respekt und Genauigkeit
verdient, als ihm in den Zeiten von #MeToo zuteilwird. Die deutsche
Kulturstaatsministerin Monika Grütters etwa pries zur Eröffnung der
Berlinale im Marlene-Dietrich-Palast dessen Namensgeberin und sprach von
den Hosen, welche die Schauspielerin in Josef von Sternbergs Film
«Morocco» (1930) erstmals trug. Grütters sagte, dass man mehr über
Frauen, die die Hosen anhaben, reden solle als über Männer in
Bademänteln. Klingt gut, der Applaus gibt dem Bonmot recht.
Man
muss trotzdem darauf hinweisen, dass es von Sternberg war, der Marlene
Dietrichs Look kreierte, um, wie er schrieb, «die kleine deutsche
Hausfrau» in eine Kabarettsängerin mit laszivem Touch zu verwandeln. Und
dass «Morocco» nicht zuletzt davon erzählt, wie Dietrichs Figur sich
von einer smarten zu einer schmachtenden Frau wandelt – Gary Coopers
wegen, was man ja durchaus verstehen kann. ...
Wenn
Hollywood am Sonntag sich selbst feiert, dann, so wäre es zu wünschen,
vielleicht nicht nur im melodramatischen Duktus von #MeToo und im
aktionsgetriebenen von #TimesUp. Sondern in einem Respekt für bereits
geschriebene und noch zu verfassende Filmgeschichte, wo Denken, Fühlen
und Handeln gleichzeitig stattfinden. Kino ist Dialog. Und ermöglicht
Dialog. Auch und gerade zwischen den Geschlechtern, deren gestörtes
Miteinander sich in nahezu jedem Genre erzählen lässt. Vielleicht
demnächst auch einmal wieder als Komödie?
Homosexualität: Eine Frage der Gene? Erste genomweite Vergleichsstudie findet zwei potenziell relevante Genvarianten
Spurensuche im Genom: Forscher haben im
Erbgut schwuler Männer zwei Genvarianten entdeckt, die möglicherweise
die sexuelle Orientierung mitbeeinflussen. Sie treten bei homosexuellen
Männern etwas häufiger auf als bei heterosexuellen, wie die erste
genomweite Assoziationsstudie zu diesem Thema ergab. Allerdings:
Angesichts der komplexen genetischen Basis der sexuellen Orientierung
sind dies bestenfalls erste Anhaltspunkte, wie die Forscher betonen.
Ob heterosexuell, bi- oder homosexuell: Was bestimmt unsere
sexuelle Orientierung? Noch gibt diese Frage Rätsel auf. Klar scheint,
dass unsere Vorlieben für gleichgeschlechtliche oder
gegengeschlechtliche Partner kein rein psychologisches Phänomen sind –
es gibt eine biologische Basis. Indizien dafür liefern unter anderem
Vergleiche der Hirnstruktur, die sowohl bei schwulen Männern als auch
bei lesbischen Frauen Unterschiede zu ihren heterosexuellen Geschlechtsgenossen fanden.
Auch die Gene spielen eine Rolle: Zwillingsstudien haben gezeigt, dass
es neben psychologischen Aspekten und Umwelteinflüssen auch eine
erhebliche erbliche Komponente gibt. Immerhin 30 bis 40 Prozent macht ihr Einfluss nach aktuellem Kenntnisstand aus.
Fahndung nach "Schwulengenen"
Doch um welche und wie viele Genvarianten es sich handelt, ist bisher
unbekannt. "Zwar wurden einige Genvarianten auf dem Chromosom 8
entdeckt, die zur Entwicklung der sexuellen Orientierung bei Männern
beitragen könnten, spezifische Gene für Homosexualität wurden aber
bisher nicht identifiziert", erklären Alan Sanders von der University of
Chicago und seine Kollegen.
Die Forscher haben nun die erste genomweite Assoziationsstudie (GWAS)
durchgeführt, um nach Genmarkern für männliche Homosexualität zu suchen.
Dafür analysierten sie DNA-Proben von 1.077 homosexuellen und 1.231
heterosexuellen Männern und verglichen das Erbgut bis auf die Ebene
einzelner Genbuchstaben – der sogenannten Single Nucleotid Polymorphisms
(SNP).
Auf Chromosom 13 und Chromosom 14 haben die Forscher jeweils eine potenziell relevante Genregion entdeckt.
Zwei auffällige Genorte
Und tatsächlich: In zwei Genregionen fanden die Wissenschaftler
auffallende Unterschiede zwischen schwulen und heterosexuellen Männern.
Einer dieser Genorte liegt auf dem Chromosom 13 zwischen den Genen
SLITRK5 und SLITRK6. "Genfamilien wie SLITRK sind wichtig für die
neuronale Entwicklung und gelten daher als Kandidatengene für
verschiedene neuropsychiatrische Eigenschaften, aber auch als potenziell
relevant für die sexuelle Orientierung", erklären die Forscher.
Studien haben gezeigt, dass das Gen SLITRK6 besonders im Zwischenhirn
aktiv ist – in der Hirnregion, in der unter anderem der Hypothalamus und
der Thalamus liegen. In beiden Arealen haben Wissenschaftler bestimmte
Zentren entdeckt, die sich in ihrer Größe und Zelldichte bei
homosexuellen und heterosexuellen Männern unterscheiden. Die Lage einer
auffälligen Genvariante ganz in der Nähe dieses Gens erscheint daher
durchaus plausibel.
Verbindung mit der Schilddrüse?
Den zweiten möglichen Genunterschied zwischen hetero- und homosexuellen
Männern haben die Forscher auf dem Chromosom 14 entdeckt. Dort liegen
die verdächtigen SNPS mitten in einem Gen, das die Baupläne für einen
Hormonrezeptor der Schilddrüse enthält. Veränderungen in diesem
TSHR-Rezeptor können die Schilddrüsenerkrankung Morbus Basedow auslösen,
das TSHR-Gen ist aber auch in verschiedenen Hirnarealen, darunter dem
Hippocampus aktiv, wie die Forscher erklären.
Das Interessante daran: Frühere Studien haben bereits erste Hinweise
darauf erbracht, dass es eine Verbindung zwischen bestimmten
Schildrüsenstörungen und Homosexualität geben könnte. So erkranken
homosexuelle Männer möglicherweise etwas häufiger an Morbus Basedow als
heterosexuelle, wie dänische Forscher herausfanden. Zudem scheinen
Frauen, die in der Schwangerschaft unter einer Schilddrüsenstörung
leiden, eher homosexuelle Söhne zu bekommen.
Noch sehr spekulativ
Allerdings: Noch sind all diese Zusammenhänge sehr spekulativ, wie die
Forscher einräumen. Denn wie die Wissenschaftler betonen, war die Zahl
ihrer Probanden zu gering, um mehr als nur erste Hinweise und vorläufige
Ergebnisse zu liefern. Gerade GWAS-Analysen zu komplexen Merkmalen
erfordern eine weit größere Teilnehmerzahl, um auch weniger häufige
Genfaktoren aufzuspüren und für mögliche Zusammenhänge eine höhere
Signifikanz zu erreichen.
"Das Ziel unserer Studie war es, nach der genetischen Basis für die
männliche sexuelle Orientierung zu suchen", sagt Sanders. "Was wir jetzt
mit unserer genomweiten Assoziationsstudie erreicht haben, ist immerhin
ein erster Schritt. Wir hoffen nun, dass weitere, umfangreichere
Studien die genetischen Zusammenhänge noch weiter beleuchten werden."
(Scientific Reports, 2017; doi: 10.1038/s41598-017-15736-4)
(North Shore University, Nature , 11.12.2017 - NPO)
aus Tagesspiegel.de, 12. 12. 2017
Löst Immunreaktion der Mutter bei Söhnen Homosexualität aus?
Kanadische Forscher haben im Blut von Müttern schwuler Söhne Hinweise
gefunden, die das Entstehen von Homosexualität erklären könnten.
Statistiken zufolge haben homosexuelle Männer häufiger ältere Brüder als heterosexuelle. Diesem „Effekt der brüderlichen Geburtsfolge“ nach steigt die Wahrscheinlichkeit, homosexuell
veranlagt zu sein, mit der Anzahl der älteren Brüder eines Mannes, so
Ray Blanchard von der Universität Toronto. Womöglich gelangen während
der ersten Schwangerschaften mit Söhnen „männliche“ Biomoleküle ins Blut
der Mutter und aktivieren die Körperabwehr. In späteren
Schwangerschaften mit Söhnen löst das eine Immunreaktion aus und
beeinflusst die Entwicklung im Gehirn des Embryos sowie dessen sexuelle
Orientierung – so die Theorie.
Antikörper gegen ein Protein, das für die Gehirnentwicklung wichtig istNun hat Blanchards Forscherteam im Blut von 54 Frauen,
die homosexuelle Söhne haben, tatsächlich einen Unterschied zum Blut
von 72 Müttern heterosexueller Söhne entdeckt: Sie hatten große Mengen
eines Antikörpers im Blut, der sich gegen ein für die Gehirnentwicklung
wichtiges Protein richtet: NLGN4Y. Dieses Eiweiß wird ausschließlich von
Söhnen produziert, weil es vom Y-Chromosom stammt. Je mehr ältere Söhne
die Frauen hatten, umso mehr Antikörper gegen NLGN4Y hatten die Frauen
im Blut.
„Die Ergebnisse legen einen Zusammenhang nahe
zwischen der Immunreaktion der Mutter und der sexuellen Orientierung der
männlichen Nachkommen“, schreibt Blanchard im Fachblatt „PNAS“.
Auch bei einigen Frauen, deren homosexuelle Söhne keine älteren Brüder
hatten, fanden die Forscher die Antikörper – vermutlich ausgelöst durch
Biomoleküle von männlichen Embryonen aus unerkannten Fehlgeburten oder
durch Sperma.
Sexuelle Orientierung ist ein komplexes Phänomen
Andere Einflüsse
auf die sexuelle Prägung schließe das nicht aus, betonen die Forscher,
etwa hormonelle oder genetische. Außerdem sei es „klar, dass nur ein
Teil der Variation
in männlicher sexueller Orientierung durch solche Effekte erklärt
werden könne.“ Schätzungen zufolge ist wohl nur jeder siebte schwule
Mann aufgrund des Effekts der brüderlichen Geburtsfolge homosexuell.
Sexuelle Orientierung sei „ganz offensichtlich ein komplexes Phänomen“.
Nota. -Dem wissenschaftsgläubigen 19. Jahrhundert lag es nahe, Homosexualität als biologisch bedingt und angeboren aufzufassen. Interessierte Vertreter der aufkommenden Sexualwissenschaften wie Magnus Hirschfeld machten zu Anfang des 20. Jahrhunderts daraus ein Argument, sie als eine naturgewollte Normvariante darzustellen, die man nicht unter Strafe stellen könne. Sie ahnten nicht, dass im Laufe des Jahrhunderts die Idee aufkommen könnte, die Homosexuellen einfach auszurotten. Seither ist es unter Zivilisierten verpönt, sexuelle Sonderformen überhaupt mit Biologie in Verbindung zu bringen. Das ist inzwischen selbst zu einem dogmatischen Vorurteil geworden. Es ist richtig, dass sich die Forscher davon nicht länger bange machen lassen. Wie ihre Ergebnisse zu beurteilen sind, ist eine Frage der wissenschaftlichen Kitik und nicht der guten Gesinnung. JE
Jenes
Institut, das sich heute unter dem Namen 'die Schule' über die ganze
Welt verbreitet hat, ist in seinen Grund- zügen in der Klöstern des
mittelalterlichen Europa entstanden; als ein Ort, wo die von
kriegerischen Rittern be- herrschte Feudalgesellschaft mit der nötigen
Dosis buchgelehrter Kleriker versehen wurde, die ein wenig Frieden
bringen konnten - in die Herzen und, so Gott wollte, auch ein wenig in
die Städte und Fluren. Sie waren mental gewissermaßen der 'weibliche'
Teil in einer von männlichen Tugenden geprägten Adelsgesellschaft.
Nicht, was vom heranwachsenden Ritter an männlichen Tugenden zu erwarten
war, wurde dort gepflegt, sondern deren friedfertig ordnungsliebender
Widerpart - Fleiß und Ausdauer. Die Mittel: stundenlanges Stillsitzen,
Mundhalten, Nachspre- chen und Repetieren. Während an den erstgeborenen
Söhnen der herrschenden Kriegerkaste Kraft, Mut und Aben- teuergeist
gefördert wurden, mussten sich ihre nachgeborenen Brüder in Sanftmut,
Frömmigkeit und - nun ja, Ver- schlagenheit üben. Die Schule war nicht -
schon damals nicht - der Ort, wo Jungen Männer werden durften.
In
dem Maße, wie die Gesellschaft bürgerlicher wurden, kamen neben den
Jungenschulen auch Institute für Mäd- chen auf, und als die industrielle
Revolution der neunzehnten Jahrhunderts die bäuerliche Bevölkerung zu
Industrie- arbeitern proletarisierte, wurde die Elementarschule zur
Pflicht und das pfäffische Ideal des arbeitsamen Duckmäu- sers zur Norm.
Für die Mädchen nun auch wie für die Jungen. Und beim Lehrpersonal der
Volksschulen waren die Frauen bald typischer als die Männer. Natürlich
hat sich im zwanzigsten Jahrhundert allerhand getan, der industrielle
Tagelöhner ist auch schon längst nicht mehr der Standardfall des
Arbeitslebens. Der höherqualifizierte Angestellte, dem man auch schonmal
eigene Entscheidungen zumuten konnte - idealiter: der Staatsbeamte -
wurde zum Produktionsziel der allgemeinbildenden Schulen, und dazu
taugen Mädchen mindestens ebeno wie Jungen; wenn nicht mehr! Fragen
Sie sich jetzt immer noch, wie es kam, dass unsere Schulen zur
Vorbereitung weiblicher Karrieren in der postindustriellen Berufswelt
besser geeignet sind als zur Entwicklung männlicher Talente?
7. 10. 2013
...doch schulgerechtes Verhalten macht sich bezahlt!
Internationale Studie belegt den Zusammenhang zwischen dem Verhalten
in der Schule, beruflichem Erfolg und späterem Einkommen
Oft geschmähte schulische „Sekundärtugenden“ wie Fleiß oder
Verantwortungsgefühl haben offenbar einen erheblichen Einfluss auf das
spätere Leben, und zwar unabhängig von der Intelligenz der Schülerinnen
und Schüler sowie von Bildung oder Einkommen ihrer Eltern.
Verantwortungsvolle Teenager, die Interesse an schulischen Themen zeigen
und ihre Aufgaben erledigen, haben nicht nur bessere Noten in der
Schule, sondern sind auch erfolgreicher im Beruf und verdienen besser.
Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom
Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung an der Universität
Tübingen, der University of Houston und der University of Illinois in
Urbana-Champaign. „Das beeindruckende an diesem Ergebnis ist, dass unser
Verhalten einen Einfluss darauf hat, was aus uns wird und nicht nur,
wie wir von der Natur oder unseren Eltern ausgestattet wurden“, sagt
Marion Spengler von der Universität Tübingen, die Erstautorin der
Studie. Die Ergebnisse wurden im Journal of Personality and Social
Psychology veröffentlicht.
Der Studie liegen Daten aus einer Langzeiterhebung des American
Institutes for Research zugrunde, bei der im Jahr 1960 346.660
Schülerinnen und Schüler der neunten bis zwölften Klasse nach ihren
Einstellungen, ihrem Verhalten und ihren Lese- und Schreibfähigkeiten
befragt wurden. Zudem wurden breite Persönlichkeitsmerkmale und
kognitive Fähigkeiten erhoben sowie das Einkommen der Eltern und
demographische Merkmale wie Geschlecht oder Ethnie. Elf Jahre später
wurden 81.912 Personen zu ihren Bildungs- und Berufsbiographien befragt
und nach 50 Jahren machten erneut 1.912 Personen Angaben zu ihrem
Bildungsabschluss sowie ihrem jährlichen Einkommen und ihrem beruflichen
Status.
Es zeigte sich, dass verantwortungsvolle Schülerinnen und Schüler, die
Interesse an der Schule zeigten, ihre Schul- und Hausaufgaben erledigten
und wenig Probleme mit Lesen und Schreiben hatten, sowohl nach elf als
auch nach 50 Jahren noch einen höheren Bildungsabschluss und einen
angeseheneren Job hatten. Außerdem war ihr Einkommen nach 50 Jahren
höher als das Gleichaltriger, die kein großes Interesse für die Schule
mitbrachten. „Das bedeutet natürlich nicht, dass adäquates Verhalten in
der Schule zwangsläufig zu beruflichem Erfolg führt“, betont Spengler.
„Die Ergebnisse zeigen jedoch einen robusten Zusammenhang.“
Originalpublikation:
Spengler, M., Damian, R. I., & Roberts, B. (2018). How You Behave in
School Predicts Life Success Above and Beyond Family Background, Broad
Traits, and Cognitive Ability. Journal of Personality and Social
Psychology. doi:10.1037/pspp0000185
Link zur Studie: http://www.apa.org/pubs/journals/releases/psp-pspp0000185.pdf
Jungen würden in der Schule benachteiligt, weil die Schule ihrer Natur nach männliche Eigenschaften diskriminiert? Ach, wenn es so einfach wäre! Dann müsste man ja nur die Schulen ändern, und alles käme ins Lot.