Dienstag, 27. März 2018

Eine Frau mit Power.

aus Süddeutsche.de

Streitfall Wedel  
"Die Zeit" trennt sich von "Fischer im Recht"
 
Von Claudia Tieschky

Die Wochenzeitung Die Zeit arbeitet nach einer Kontroverse um den Fall Dieter Wedel nicht mehr mit dem Strafrechtler und früheren Bundesrichter Thomas Fischer als Autor zusammen. Sabine Rückert, die der Zeit-Chefredaktion angehört, bestätigte eine entsprechende Spiegel-Meldung. Grund sei, dass ein Text Fischers illoyal gewesen sei "gegenüber unseren eigenen Reportern, die mit erheblichem Aufwand recherchierten, und vor allem auch gegenüber den Frauen, die sich uns unter erheblichem persönlichen Risiko anvertraut haben. Außerdem hatte Herr Fischer keine Argumente", sagte Rückert der SZ. Illoyal sei auch gewesen, den Text "überraschend und ohne Absprache mit der Zeit" in einem Mediendienst zu veröffentlichen.

Fischer hatte im Januar bei meedia.de die Zeit für ihre Berichterstattung über Wedel kritisiert. Die Zeitung schrieb am 4. Januar im Zeit Magazin und am 25. Januar in einem Dossier über Anschuldigungen, die mehrere Schauspielerinnen gegen Wedel erheben und die von Mobbing bis zur Vergewaltigung reichen. Wedel erklärte nach der ersten Veröffentlichung, Frauen nicht bedrängt oder sexuell genötigt zu haben; zu den Vorwürfen im Dossier wollte er sich aus gesundheitlichen Gründen nicht äußern, sprach aber von einem "Klima der Vorverurteilung". Der Presserat bescheinigte der Zeit vorige Woche allerdings "vorbildliche Verdachtsberichterstattung".

Fischer schrieb bei meedia.de dagegen unter anderem von einem "Tribunal" und einer "medialen Abrechnung"; die Zeit nutze "Mittel der Suggestion und Verzeichnung, der Zirkelschlüssigkeit und der Denunziation". Eine erste Fassung des Textes hatte Fischer dem Spiegel zufolge der Zeit angeboten, die den Abdruck ablehnte. Der Jurist, der von 2015 bis 2017 bei Zeit Online die publikumsträchtige Kolumne "Fischer im Recht" schrieb, erklärte nun im Spiegel, man habe ihm sogar sein Zeit-Freiabo gestrichen. Auch das wird von der Zeit bestätigt.



aus nzz.ch,

Loyalität? Gehorsam!

von Marc Felix Serrao, Berlin 

... Die Redaktion hat die Zusammenarbeit mit Deutschlands bekanntestem Strafrechtler beendet. Sie hat sogar sein Gratis-Abo eingestellt. Der Grund ist Fischers Kritik an der Berichterstattung des «Zeit-Magazins» über die mutmasslichen sexuellen Übergriffe des Regisseurs Dieter Wedel. Diese kam in seinen Augen einem «Tribunal» gleich, das wichtige Fragen gar nicht oder suggestiv beantwortete. Das wollte Fischer Anfang des Jahres aufschreiben, und zwar dort, wo man ihn sonst mit Wonne auf alles und jeden und gerne auch auf andere Medien losliess. Doch die «Zeit» lehnte ab. Ende Januar erschien sein Text dann beim Branchendienst «Meedia», der wie die «Zeit» zum Holtzbrinck-Verlag gehört. Das Echo war gewaltig.

Anfang März folgte noch ein zweiter Text. Das fortgesetzte Wedel-Tribunal der «Zeit» löse «die Abgrenzungen zwischen Straftaten und Belästigungen, krimineller Energie und Alltag, Personen und Systemen auf», schrieb Fischer dort. Der Regisseur zahle einen hohen Preis: seine soziale Vernichtung. Auch dieser Text schlug Wellen. Die Leser kommentieren ihn bis heute.

Warum verzichtet die «Zeit», die sich als liberale und «führende meinungsbildende Wochenzeitung» versteht, auf einen Autor, der so viel zur Meinungsbildung beiträgt? Der «SZ» nannte Rückert nun ihre Gründe. Fischer sei illoyal gewesen, und zwar auch «gegenüber den Frauen, die sich uns unter erheblichem persönlichem Risiko anvertraut haben». Er habe keine Argumente gehabt. Und sein Text sei ohne Absprache erschienen. Was man so sagt im Trennungsfuror.

Zu behaupten, Fischer habe keine Argumente, ist lächerlich. Man muss dem angriffslustigen Richter a. D. gar nicht zustimmen. Aber der Mann bietet eine ganze Batterie an Argumenten auf, von der Beweiswürdigung bis zur Klärung des Schuldbegriffs. Dann die Absprache. Die «Zeit» war laut «Meedia»-Chefredaktor Georg Altrogge durchaus informiert. Er habe das Büro des Chefredaktors Giovanni di Lorenzo vorab angerufen und auf die geplante Veröffentlichung hingewiesen, sagt er auf Anfrage – «aus Gründen der Fairness und um die medienethische Debatte über den Fall Wedel anzustossen». Debatte ist das entscheidende Wort. ...


Donnerstag, 15. März 2018

#HimToo.

aus Süddeutsche.de

... Dann geht alles ganz schnell. Die Sängerin steht auf und hält dem Teenager ihre Wange hin. Als der 19-Jährige sich nähert, dreht sie ihm den Mund zu und presst ihn auf seinen. Der rosarote Lippenstift besteht. Benjamin hingegen taumelt und geht zu Boden. Perry reißt die Arme in die Höhe wie ein Preisboxer nach dem K.o. des Gegners, die drei Juroren klatschen ab, alle drei beglückwünschen sich gegenseitig zu dem gelungenen Coup. ...

Einige werden dagegenhalten, Benjamin Glaze hätte nein sagen können. Sie werden sagen: Selbst schuld, warum muss er auch unbedingt verraten, dass er noch nie ein Mädchen geküsst hat. Zumal er der Expertin für unaufgefordertes Küssen, "I kissed a Girl"-Sängerin Katy Perry, gegenüberstand. Das schreit doch geradezu danach, dem jungen Mann diese Erfahrung zuteilwerden zu lassen. Schließlich haben Männer auch jahrzehntelang behauptet, dass Frauen, die Ausschnitt zu Minirock tragen, sexuell belästigt werden wollen. ...



Lächeln Frauen anders?

aus scinexx

Frauen lächeln anders
Geschlechtsbestimmung allein anhand des Lächelns funktioniert

Subtile Unterschiede: Wenn Männer und Frauen lächeln, tun sie dies nicht auf gleiche Weise. Stattdessen neigen Frauen dazu, ihre Lippen und Mundpartie stärker zu dehnen – ihr Lächeln ist dadurch auf subtile Weise ausdrucksstärker als das der Männer. Enthüllt haben dies Analysen der Lächeldynamik mithilfe einer künstlichen Intelligenz. Ihr gelang es nach kurzem Training sogar, das Geschlecht unbekannter Personen allein anhand ihres Lächelns zu bestimmen.

Unsere Mimik ist ein Spiegel unserer Persönlichkeit und ein wichtiges Mittel der nonverbalen Kommunikation. Denn mit unserem Gesichtsausdruck vermitteln wir unsere Stimmung, aber auch unsere Haltung zu unserem gegenüber. So kann unser Lächeln Vertrauen signalisieren, aber auch Dominanz oder Zuneigung. Bestimmte Formen des Lächelns können sogar Stress auslösen.

Doch gibt es beim Lächeln auch Unterschiede zwischen den Geschlechtern? Lächeln Frauen womöglich anders als Männer? Tatsächlich gibt es einige Studien, die Frauen ein ausdrucksvolleres Lächeln zuschreiben als Männern, allerdings ist ihre Aussagekraft umstritten.

KI als "Schiedsrichter"

Deshalb haben Hassan Ugail und Ahmad Al-dahoud von der University of Bradford in England nun ein lernfähiges Computerprogramm als "Schiedsrichter" herangezogen. "Wir lassen das Programm die Intensität und Dauer des Lächelns analysieren, in der Hoffnung, Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu identifizieren", erklären die Forscher.


Dafür wählten sie insgesamt 210 Parameter im Gesicht aus, darunter Abstände zwischen anatomischen Punkten sowie 49 feste "Landmarken". Diese konzentrierten sich vor allem in den Bereichen rund um den Mund und die Augen. Der Computer lernte durch Videos lächelnder Männer und Frauen, diese Parameter zu identifizieren und die dynamischen Veränderungen beim Lächeln zu erfassen.



Einige der "Landmarken", die die KI im Gesicht der Probanden analysierte.
Einige der "Landmarken", die die KI im Gesicht der Probanden analysierte.

Verräterische Mundpartie

Es zeigte sich: Es gibt tatsächlich Unterschiede zwischen dem weiblichen und dem männlichen Lächeln. "Frauen haben definitiv ein breiteres Lächeln", berichtet Ugail. "Das wurde schon allein beim Blick auf die Veränderungen im Lippenbereich während des Lächelns klar: Bei Frauen dehnt sich dieser Bereich stärker als bei Männern." Das gelte auch für das Gebiet um den Mund herum.


Doch reichen diese für Unterschiede aus, um allein anhand des Lächelns das Geschlecht einer Person zu bestimmen? Um das zu testen, zeigten die Forscher dem Programm Videoclips von 109 lächelnden Personen. Der Computer sollte nun anhand der erlernten Parameter und Unterschiede angeben, ob es sich um Mann oder Frau handelte.


Trefferquote 86 Prozent

Das Ergebnis: Immerhin in 86 Prozent der Fälle lag das Computerprogrammn richtig – es hatte korrekt das Geschlecht der Testperson allein anhand der Dynamik ihres Lächelns bestimmt. Wie die Forscher betonen, lässt sich diese Trefferquote wahrscheinlich noch erhöhen. "Wir haben für diese Studie ein relativ einfaches Programm gewählt", sagt Ugail. "Eine fortgeschrittenere künstliche Intelligenz würde die Erkennungsraten verbessern."

 

Nach Ansicht der Forscher könnten sich in Zukunft vielleicht sogar einzelne Personen an ihrem Lächeln identifizieren lassen. "Diese Art der Gesichtserkennung wäre eine Biometrie der nächsten Generation. Denn sie ist nicht allein von äußerlichen Merkmalen abhängig, sondern beruht auf der mimischen Dynamik, die für jedes Individuum einzigartig ist", erklärt Ugail. Während die Gesichtszüge mittels plastischer Chirurgie verändert werden können, wäre das individuelle Lächeln nur schwer zu verändern oder nachzuahmen. (The Visual Computer, 2018; doi: 10.1007/s00371-018-1494-x) 

(University of Bradford, 15.03.2018 - NPO) 


Nota. - Der landläufige Genderologe wird wieder sagen: Alles nur Erziehung.
(Übrigens sind die in der Studie vernachlässigten Augenwinkel verräterischer: Man kann daran echt und unecht unter- scheiden; an den Wangengrübchen auch. Würde man die berücksichtigen, käme man vielleicht zu dem Ergebnis: Alles nur Theater.)
JE


Dienstag, 13. März 2018

Kunde oder Kundin?


Ja das war wieder ein Flügelschlagen im Hühnerhaus! Nein, der Bundesgerichtshof schreibt der Bank nicht vor, dass sie weibliche Kunden als Kundinnen anspricht. Doch "es geht um Gerechtigkeit, nicht um Befindlichkeiten!", entrüstet sich Karin Janker in der heutigen Süddeutschen. 

Nein Frau Janker, es geht um Recht. Was gerecht ist, müssen die Privaten unter sich ausmachen; zum Beispiel die Kund*innen mit ihrer Bank. Aber Recht setzt der Staat. Unserer ist - bitteschön, das ist er - ein freiheitlicher Staat. Um einem Privaten vor- zuschreiben, wie er einen andern Privaten anzureden hat, braucht er schon gewichtige verfassungsrechliche Gründe. Die Be- findlichkeit von eineR, die sich ungerecht behandelt fühlt, ist so ein gewichtiger Grund nicht; gottlob nicht fürs oberste Ge- richt.




Sonntag, 11. März 2018

Eine Breitseite.

aus nzz.ch,

«Wenn mich ein Mann unangemessen berührt oder blöd anspricht – dann haue ich ihm eine runter!» 

Sie kritisiert den «Opferfeminismus», hält neue Regeln zu sexueller Belästigung für unnötig und wünscht sich Frauen, die sich selber wehren. Rechtsprofessorin Monika Frommel zur MeToo-Debatte. 

ein Interview von Martin Helg

NZZ am Sonntag: Frau Frommel, Sie kritisieren öffentlich die MeToo-Debatte. Warum?

Monika Frommel: Mich stört die Bereitschaft, mit dem Opfersein zu kokettieren und Solidarität immer nur über die Opferrolle einzufordern. Diese Haltung führt Gesellschaft, die überall Opfer sieht. Sie hat die Neigung zu skandalisieren und relativiert alle rechtsstaatlichen Bedenken: die Unschuldsvermutung und auch berechtigte Zweifel an scheinbar eindeutigen Beschuldigungen. Verdächtigte werden in den Medien als Täter an den Pranger gestellt. Zweifel werden ignoriert, schwache Indizien gelten als harte Tatsachen. Sich gegenseitig bestärkende Geschichten erhalten ein Eigenleben.

Gehört es denn nicht zu den grundlegenden Funktionen von Medien, Unrecht und Gewalt aufzudecken?

Digitale Pranger sind ein unfassbarer historischer Rückschritt. Wir haben nun seit etwa 250 Jahren differenzierte rechtliche Verfahren entwickelt, wie ein Verdacht durch eine Staatsanwaltschaft geordnet abgehandelt wird. Heute werden stattdessen Leute wie jüngst der Filmregisseur Dieter Wedel in angeblich seriösen Zeitungen coram publico blossgestellt. Damit kehren wir zurück zum Scherbengericht wie im alten Athen, ohne dass die Möglichkeit besteht, sich angemessen zu verteidigen.

Die Frauen, die öffentlich Männer anprangern, sehen offenbar keinen anderen Weg, Gehör zu finden.

Es waren nicht Frauen, die einen Verdacht geäussert haben, sondern das «Zeit»-Magazin, das einzelne Geschichten so arrangiert hat, dass eine scheinbar schlüssige Beschuldigung daraus wurde. Zugegeben: in den achtziger Jahren, als sich einige der jetzt behaupteten Fälle zugetragen haben sollen, war es noch schwieriger, sich Hilfe zu holen. Aber unterdessen haben sich viele Beschwerdestellen gebildet, und auch rechtlich hat sich zumindest in Europa enorm viel getan. In Deutschland gibt es neben den kostenlosen Beschwerdestellen eine leicht zugängliche rechtliche Beratung beim Amtsgericht und Prozesskostenhilfe. Das Antidiskriminierungsgesetz zwingt alle Betriebe dazu, Verfahren anzubieten. Sie werden auch in Anspruch genommen. Es wäre daher Aufgabe der Politik, auf deren Existenz aufmerksam zu machen, statt Zweifel zu sähen. In Deutschland ist im Zuge dieser Kampagnen sogar das belästigende Berühren in sexueller Absicht letztes Jahr unter Strafe gestellt worden, und kein Mensch weiss, wie man so etwas in einem Strafverfahren handhaben soll.

Nach den sexuellen Übergriffen in der Neujahrsnacht 2016 in Köln empfahl die Bürgermeisterin den Frauen, im Zweifelsfall eine Armlänge Abstand zu halten. Das klingt nicht gerade nach einem effizienten Rechtsschutz.

Und prompt sind alle über sie hergefallen! So als wenn das Achten auf sich selbst überhaupt keinen Wert mehr hätte. Eine allmächtige göttliche Hand soll offenbar Frauen schützen. Das heisst, Frauen werden qua Weiblichkeit als «ontologische Opfer» definiert und der Mann als «ontologischer Täter». Zwar gab es sehr viele Strafanzeigen nach den Kölner Ereignissen, aber kaum eine war substanziiert. Die Gerichte konnten im Wesentlichen nur Handy-Diebstähle verurteilen. Das war wohl auch der Sinn vieler Übergriffe; denn auch dabei berühren Diebe die Körper ihrer Opfer.

Ach wirklich? Sie denken, da steckte gar keine sexuelle Absicht dahinter?

Wir wissen es nicht. Belästigung ist ein rein subjektiver Begriff. Wo fängt sie an, wo hört sie auf? Wenn ich belegen kann, dass in sexueller Absicht völlig unangemessen eine Berührung stattgefunden hat, zum Beispiel ein Griff in den Schritt oder an den Hintern, war das nach deutschem Recht schon seit langem eine sexuelle Nötigung. Es gab überhaupt keine Lücke im Recht, allenfalls liess die Auslegung des geltenden Rechts gelegentlich zu wünschen übrige. Aber dennoch regelte man kampagnenartig 2016 alles wieder neu.

Vermutlich ist der Griff an den Hintern schwer zu beweisen.

Das stimmt. Es liegt deshalb an mir, mich sofort zur Wehr zu setzten. Wenn mich ein Mann unangemessen berührt oder blöd anspricht, dann habe ich ein Notwehrrecht. Dann haue ich ihm eine runter! Oder ich schreie ihn an. Ich kann nicht bei jedem Konflikt an die Medien gelangen oder die Polizei holen, die kommt auch gar nicht.

Ohrfeigen sind problematisch, wenn man sich in einem Abhängigkeitsverhältnis befindet.

Wenn ein Mann, zum Beispiel ein Vorgesetzter, seine Machtposition ausnutzt, kann die Frau zivilrechtlich Unterlassung und Schadenersatz verlangen, das ist viel eleganter als eine strafrechtliche Anzeige, bei der die Unschuldsvermutung gilt. Im Zivilrecht kann ich als Frau viel leichter im einstweiligen Rechtsschutz eine Unterlassung bekommen, da dreht sich die Beweislast schnell um, sobald es Indizien gibt, dass Druck ausgeübt worden ist. Dann muss der belästigende Mann beweisen, dass dies nicht der Fall war, und der Arbeitgeber ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass keine sexuelle Belästigung mehr stattfindet.

Glaubt man im Zweifelsfall nicht doch eher dem Mann?

Bei umgekehrter Beweislast hat die Frau eine absolut starke Position, die für Männer gefährlich werden kann – der Fall Assange in Schweden hat das deutlich gemacht. Nach deutschem Recht wäre bei einem One-Night-Stand die Frage des Kondomgebrauchs erst dann relevant, wenn tatsächlich die Möglichkeit einer Krankheitsübertragung bestanden hätte. Die schwedischen Gesetzesmodelle gehen sehr viel weiter. Wenn Sex neuerdings nur noch legal sein soll, wenn das Einverständnis explizit erfolgt ist und dazu auch noch nachgewiesen werden muss, dann schafft das ein Klima des Verdachts und der jederzeit möglichen Beschuldigung. Nur schon die Art und Weise, wie über das Thema geredet wird, macht Männer zu Trotteln und Frauen zu Opfern.
Wenn ein Mann sich daneben benimmt, kann ich nicht pauschal sagen, es gehe ihm um Macht. Das wird allzu rasch sexualisiert.

An den Schalthebeln der Macht sitzen in den meisten Ländern Männer und schützen sich gegenseitig. Auch das Wort «Schweigekartell» fällt in diesem Zusammenhang immer wieder.

Dieser Begriff gehört in die Nachkriegszeit, als in Deutschland die Altnazis wieder in Amt und Würden kamen und alle darüber schwiegen, was an Verbrechen geschehen war. Damals wurden auch systematische Kriegsvergewaltigungen verschwiegen. Aber jetzt haben wir seit über 40 Jahren Feminismus, und es ist albern, mit solchen alten Geschichten jetzt zu kommen. Möglich, dass es eine Kasino-Kultur gibt, in der kleine und mächtige Männer sich zu decken versuchen. Aber im Zeitalter der Digitalisierung funktioniert das nicht mehr.

Weshalb kritisieren Sie insbesondere die Vorwürfe gegen Dieter Wedel?

Die Recherchen haben bis jetzt keine Beweise für die behaupteten Taten ergeben, sondern nur dafür, dass er sexuell freizügig gelebt hat. Zur sexuellen Freizügigkeit gehören immer zwei. Wenn die Bluse einer Frau zerrissen wird, muss sie die zerrissene Bluse als Beweis einer Nötigung einreichen. Stattdessen machen diese Schauspielerinnen Jahrzehnte später, wenn vorgeworfene Taten verjährt sind, mit dem «Zeit»-Magazin eine tolle Story. Es gibt einen windigen Paragrafen in Deutschland, wonach man die These vertreten könnte, dass die Verjährung auch bei erwachsenen Frauen bis zum 30. Lebensjahr ruht, erst dann wird gezählt. Somit können Frauen sich mit 49 überlegen, wem sie noch eins reinwürgen wollen. Nur kann man dann nichts mehr beweisen. Diese Verjährungsvorschrift behandelt Frauen wie Kinder. Neben dem Opferkult ist das dann die doppelte Infantilisierung aller Frauen.

Vielleicht haben sich die Frauen damals geschämt?

Die meisten Frauen, junge wie alte, wissen sich schon zu wehren. Was soll das stereotype Gerede von Scham und Angst? Volkes Stimme ist da kräftiger.

Die Debatte dreht sich auch darum, dass Männer sich Respektlosigkeiten erlauben, weil sie ein Machtprivileg gegenüber den Frauen geniessen.

Wenn auf einer Party ein angetrunkener Mann sich daneben benimmt, dann kann ich nicht pauschal sagen, es gehe ihm um Macht. Schlechtes Benehmen wird oft allzu rasch sexualisiert. Ich würde hier mal lieber die Kirche im Dorf lassen.

Sie sehen da kein grundsätzliches Ungleichgewicht?

Bei Vergewaltigungen, wo ein Opfer über Stunden gequält wird, würde ich als Kriminologin von einer sadistischen Form der sexualisierten Machtausübung reden. Aber Alltagssexismus ist etwas anderes. Man kann nicht die Erkenntnisse, die wir aus schweren Vergewaltigungen gezogen haben, übertragen auf jedes leicht sexualisierte Verhalten. Das zu behaupten, ist für mich unehrlich und könnte «Staatsfeminismus» oder «Opferfeminismus» genannt werden. Dies führt weit weg von einer liberalen Gesellschaft und mündet in einen unerträglichen Bevormundungsstaat.

In der Sendung «Hart, aber fair» hat eine Reporterin einem Mann Despektierlichkeit vorgehalten, weil er Frauen als «Mädels» bezeichnete. Zu Recht?

Männer und Frauen reden auch von «Jungs». Alltagssprache ist locker und spricht Menschen auch in ihrer Sexualität an, das gehört zur liberalen Kultur. Wenn wir päpstlicher als die Päpstin werden, fallen wir zurück in die stummen fünfziger Jahre. Da liegen die französischen Schauspielerinnen mit ihrer Kritik an #metoo richtig, die sagten, solche Regeln seien der Tod jeder Erotik. Scherze sind oft sexuell unterfüttert, ich sehe nicht, warum wir plötzlich nicht mehr damit umgehen können sollen. Empowerment ist die richtige Frauenpolitik! Nur so kann ich als Mädchen, als Frau oder als sexuell anders orientierter Mensch mich gegen Diskriminierung wehren; nicht durch Infantilisierung. Im Übrigen ist Sexualität immer eine dosierte Grenzüberschreitung. Sonst passiert nichts zwischen Geschlechtern.

Mit dem Grenzen-Überschreiten beginnen muss immer noch der Mann, oder?

Evolutionsbiologisch würde ich das bezweifeln. Die Auswahl des Sexualpartners traf immer schon die Frau durch körpersprachliche Signale, die sehr genau wahrgenommen werden. Wenn wir nun so tun, als habe es solche Signale nie gegeben, stellen wir uns dümmer, als wir sind. Oder wollen Männern verbieten, wahrzunehmen, was sie sehen; wie wenn ich ein Fallgesetz ausser Kraft setzen will! Das Rollenspiel lebt davon, was wir daraus machen. Zu jedem Zeitpunkt gibt es die Möglichkeit, zu stoppen oder zu steigern. Sexuelle Missverstände entstehen zwar, aber im wesentlichen dann, wenn Männer zu schnell und Frauen ambivalent sind oder nur teasen oder bewundert werden wollen. Ein Franzose versteht das, ein Deutscher vielleicht nicht. Aber eigentlich hatte ich in meinem Leben nie das Gefühl, dass das nicht begriffen wird.

Wenn die Frauen Bereitschaft signalisieren, ist es am Mann, mit der Kommunikation konkreter zu werden.

Klar, und es ist unfair, das zu kritisieren, denn es ist das uralte Spiel der Geschlechter. Dieser neue Moralismus ist wenig realistisch, denn menschliches Verhalten ist nun einmal ein Hin und Her; wenn Frauen, die halbnackt und mit zerrissenen Klamotten herumlaufen, das nicht als sexuelles Signal verstanden haben wollen, nehmen sie etwas für sich Anspruch, was sie anderen verbieten wollen.

...

Von struktureller männlicher Gewalt spüren Sie hier nichts?

Schlechtes Benehmen gibt es von männlicher und weiblicher Seite, ich sehe da kein strukturelles Problem. Hemmende Strukturen gibt es bei der Karriere-Politik. Aber wenn Politiker wie die deutsche Familienministerin sich an die MeToo-Debatte anhängen und damit argumentieren, wollen sie Wählerinnen ansprechen, die der feministischen Opferrhetorik glauben. So wird politische Phantasielosigkeit oder gar Versagen über starke Worte bei populistischen Kampagnen geheilt. Das ist das traurige Ende einer einst fröhlichen feministischen Debatte.

Manche junge Männer scheinen es immer noch für chic zu halten, verächtlich über Frauen zu reden.

Das könnte etwas damit zu tun haben, dass wir einen hohen Anteil an muslimischen Menschen hier haben, bei denen das offenbar kulturell adäquat ist. Und es hat etwas mit Pubertät zu tun. In der Pubertät haben Mädchen einen Riesenvorteil, die Jungs sind diejenigen, die den Korb kriegen und die Blöden sind. Dass unreife Jungs dann doofe Witze machen, hat viel mit ihren ungestillten Bedürfnissen zu tun. Wir sollten etwas humorvoller damit umgehen.

Kann man von einem sozialen Machtprivileg der jungen Mädchen reden?

Junge Frauen kämpfen gegen ein Überangebot an sexuellen Avancen, alte Frauen hingegen gegen ein eher zu geringes Angebot. Beim männlichen Geschlecht ist es anders. Das hat aber nicht mit Macht zu tun, sondern eher mit Geld und damit, dass unterprivilegierte junge Frauen glauben, sie könnten sich bei älteren Männern ökonomische Sicherheit gegen Sex eintauschen. Ein asymmetrischer Tausch nach der Devise: Ich bin jünger, ich erbe mal. Diese Frauen steigen auf durch Heirat. Gut gebildete Frauen dagegen suchen sich den Partner auf der gleichen Ebene. Sie haben ihr eigenes Geld, behalten es auch gerne für sich und suchen sich einen gleich gut verdienenden Partner.

Tatsächlich? Seit Jahren liest man, gebildete Frauen fänden keine Männer.

Ach was, das gehört zu den Legenden des Opferfeminismus, der die Machtverhältnisse nicht realistisch analysiert. Das Ehescheidungsfolgenrecht beschert gutverdienenden Frauen durchaus Partner über Partner! Weil ein Mann, der verheiratet war und Unterhalt zahlen muss, sich nicht noch eine Frau leisten kann, bei der er unterhaltspflichtig ist. Männer und Frauen haben hier einfach unterschiedliche Lagen und Interessen.

Wenn man die Löhne betrachtet, kann von einer Gleichstellung der Geschlechter noch lange keine Rede sein.

Der Gender-Pay-Gap betrifft vorwiegend die eher gutverdienenden Frauen, deshalb kann man damit auch keine wirkungsvolle feministische Politik mehr machen und ereifert sich stattdessen über die Hand auf dem Knie. Heute sind es Migrantinnen und Migranten, die schlechter bezahlt werden, das Lohngefälle verläuft nicht mehr zwischen den Geschlechtern. Die meisten jungen Frauen zwischen 20 und 30 Jahren sind besser ausgebildet als die jungen Männer, und in vielen Berufsbereichen wie Lehramt oder der Justiz sind Frauen auch gut bezahlt. Dass Männer besonders in Gegenden, in denen hochtechnische oder IT-Berufe verbreitet sind, im Durchschnitt deutlich besser verdienen, hat damit zu tun, dass Frauen diese Berufe seltener ergreifen.

Das heisst, die Frauen sollten andere Berufe wählen, um die gleichen wirtschaftlichen Möglichkeiten zu haben?

Nicht unbedingt. Man muss nur durchsetzen, dass auch in Berufen mit hohem Frauenanteil, etwa der Pflege, bessere Löhne bezahlt werden. Man könnte das politisch steuern, indem man für einfache Arbeiten schlechter qualifiziertes Personal beizieht und zum Beispiel auch die Arbeitsverbote bei Flüchtlingen aufhebt. Viele haben noch keine hohen Kompetenzen für technische Berufe. Sie könnten im Pflegebereich einfache Arbeiten ausführen. Stattdessen schliessen wir sie ganz vom Erwerbsleben aus.

Dank unqualifizierten Hilfsarbeitern würden die Frauen in besser bezahlte Chefpositionen rücken?

Genau. Ich kann nicht jede weibliche Pflegekraft hoch bezahlen, wenn zwei Drittel ihrer Tätigkeit ganz einfach sind. Der Beizug von ausländischen Hilfskräften ermöglicht zudem den interkulturellen Austausch und die soziale Angleichung. Irgendwann können auch Roboter die ganz einfachen Dinge erledigen. Wobei das eine das andere nicht ausschliesst: Reden will ich immer noch lieber mit Menschen. Es ist alles nicht so einfach. Jedenfalls hat nicht alles nur mit dem Geschlechterverhältnis zu tun.

Eine schwache Position haben Frauen im Erwerbsleben allein schon dadurch, dass sie in der Minderzahl sind.

Das ist richtig, ich denke, es braucht einen Frauenanteil von einem Drittel, damit sich das Klima im Betrieb und die Wahrnehmung der Frauen ändert. Aber 70 Prozent aller Mütter arbeiten nun einmal Teilzeit, das ist ihre freie Entscheidung, denn das Betreuungsangebot ist vorhanden. Es wird im reichen Süddeutschland eher nicht so angenommen wie in ärmeren Gegenden. Je privilegierter eine Gesellschaft ist, je höher die Bildung ihrer Frauen, desto mehr dieser Frauen arbeiten bewusst nur Teilzeit. Frauen sehen den Beruf heute als ein Stück Selbstverwirklichung an und nicht primär als Beitrag zur Ernährung der Familie. Männer dagegen schlucken eine Menge, um mehr Kohle zu verdienen.

Viele Männer müssen dabei in Kauf nehmen, dass sie von mächtigeren Männern schikaniert werden.

Ja, nur können sie das nicht als Sexismus anprangern, sie müssen es anders formulieren. Diese Fokussierung auf das männliche Geschlecht hat auch grosse Nachteile. Den Vorteil, den mächtige Männer haben, bezahlen die marginalisierten Männer. Sie haben hohe Abstiegsrisiken und sind öfter in Psychiatrien untergebracht. Sie sterben früher, ihre Selbstmordrate ist höher. Ich kann nicht sehen, dass alle Nachteile immer nur die Frauen treffen. Männer und Frauen haben unterschiedliche Vor- und Nachteile. Vielleicht sollte man lernen, realistischer damit zu leben.





Samstag, 10. März 2018

Als Mann wird man nicht geboren.



Zum Mann muss man erst gemacht werden.

So war das früher. Erst mit Lederriemen und Rohrstöcken. Dann beim Militär hieß es: Wolln wir doch mal sehen, ob wir nicht richtige Männer aus euch machen! Damit war’s nicht genug. Dann musste er ein Mädchen zur Frau machen, Kinder zeugen und eine Familie ernähren. Und im Ernstfall musste er zeigen, was er beim Militär alles gelernt hatte. Und bei alldem war immer einer da, der ihn daran erinnerte, was ein richtiger Mann an seiner Stelle getan hätte.

So, wie es früher war, ist es nicht mehr. Inzwischen stellt sich heraus, dass sie auch dann zu Männern werden, wenn sie keiner mehr dazu machen will: Der Unterschied ist nicht so klein, wie gesagt wurde. Jetzt neigt die öffentliche Mainstreamung eher dazu, sie daran zu hindern. Da sie es aber doch nicht recht verhindern kann, muss sie sich damit bescheiden, sie wenigstens in ein nachhaltiges Schuldgefühl einzuüben.

Goya, Der Angeklagte

29. 12. 14

Samstag, 3. März 2018

Heult doch.


aus nzz.ch, 1. 3. 2018

von Heike-Maria Fendel

... Auch auf der soeben zu Ende gegangenen Berlinale wurde vorauseilende Konfliktvermeidung betrieben. Festivaldirektor Dieter Kosslick wurde nicht müde zu betonen, dass Arbeiten von Regisseuren, die ein Fehlverhalten zugegeben hatten, nicht ins Programm aufgenommen worden waren. Namen wollte er nicht nennen. Derzeit verläuft ein schmaler Grat zwischen Solidarität und Feigheit.

Die Gemütslage des männlichen Teils des Showbusiness scheint denn auch der eines beim Fremdgehen ertappten Ehemannes zu entsprechen. Notgedrungen schuldbewusst und überaus bemüht, bloss nichts falsch zu machen: «Ja Schatz, du hast ja recht!» Die betrogene Frau erhält allein mittels der Verletzung Macht über den Täter. #MeToo hat diese Schuldspirale weitergedreht, indem sie nicht nur Versehrung und Verletzung der Frauen kollektivierte, sondern auch gleich die potenzielle (Mit-)Täterschaft aller Männer – oder zumindest den begründeten Verdacht einer solchen Mittäterschaft.

Aber verletzt (worden) zu sein, ist für Frauen ja weniger ein Thema als ein Zustand. Ein spezifisch weiblich konnotierter zudem. Denn Frauen erfahren seelische Verletzung zunächst am eigenen Leib. Dem begafften und bewerteten, betatschten oder gewaltsam unterworfenen. Und dem menstruierenden, gebärenden und klimakterischen Leib und ja, natürlich auch dem ignorierten Leib. Schauspielerinnen erfahren dieses Leid doppelt, am eigenen Leib und an jenem der von ihnen verkörperten Figuren.

Die Protagonisten des Showgeschäftes stehen also vor einer Lose-lose-Situation. Ausbleibende Solidarität macht sie untragbar, explizite Solidarität zu Heuchlern. Und Humor wäre auch im Gewand der Selbstironie untragbar. Mitleid ist angesichts der bis anhin ungebrochenen Macht männlicher Funktionsträger sicher nicht angebracht. Sehr wohl aber die Frage, warum Jahrzehnte des politischen Ringens von Frauen um Chancengleichheit, Sichtbarkeit und das Ende stereo- typer Geschlechterbilder nicht längst zu jenem Paradigmenwechsel geführt haben, den das Ausstellen weiblicher Wunden derzeit erzwingt.

Der Botenstoff des verletzten Seins

Warum also braucht es, wenn es um sogenannte Frauenanliegen geht, den Botenstoff des verletzten Seins, um so unstrittige wie letztlich alle Geschlechter beschämende Schieflagen ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu transportieren und damit die Entscheider unter Druck zu setzen? Recht hat, Recht erfährt die fordernde Frau auch im Jahre 2018 offenbar erst mit den vergossenen Tränen, nach der Erniedrigung und um deren Preis. Heult doch!

Leid, Trauer und folgenlose Empörung sind Bausteine eines weiblich konnotierten Duldungs-und Sehnsuchtschemas, aus dem das Kino das Genre des Melodrams und das Fernsehen das der Soap-Opera formten. Und Hollywood einen Epochenbruch namens #MeToo, der gesellschaftlichen Fortschritt auf dem Fundament weiblicher Ohnmacht errichtet. ...

Hiess es also die längste Zeit «Wer schreit, hat unrecht», so gilt derzeit «Wer leidet, hat recht». Mindestens ist er, oder zumeist sie, sakrosankt im Furor: Bloss nicht reizen. Zum Beispiel mit Fakten.

Doch das Kino und dessen Personal haben mehr Respekt und Genauigkeit verdient, als ihm in den Zeiten von #MeToo zuteilwird. Die deutsche Kulturstaatsministerin Monika Grütters etwa pries zur Eröffnung der Berlinale im Marlene-Dietrich-Palast dessen Namensgeberin und sprach von den Hosen, welche die Schauspielerin in Josef von Sternbergs Film «Morocco» (1930) erstmals trug. Grütters sagte, dass man mehr über Frauen, die die Hosen anhaben, reden solle als über Männer in Bademänteln. Klingt gut, der Applaus gibt dem Bonmot recht.

Man muss trotzdem darauf hinweisen, dass es von Sternberg war, der Marlene Dietrichs Look kreierte, um, wie er schrieb, «die kleine deutsche Hausfrau» in eine Kabarettsängerin mit laszivem Touch zu verwandeln. Und dass «Morocco» nicht zuletzt davon erzählt, wie Dietrichs Figur sich von einer smarten zu einer schmachtenden Frau wandelt – Gary Coopers wegen, was man ja durchaus verstehen kann. ...

Wenn Hollywood am Sonntag sich selbst feiert, dann, so wäre es zu wünschen, vielleicht nicht nur im melodramatischen Duktus von #MeToo und im aktionsgetriebenen von #TimesUp. Sondern in einem Respekt für bereits geschriebene und noch zu verfassende Filmgeschichte, wo Denken, Fühlen und Handeln gleichzeitig stattfinden. Kino ist Dialog. Und ermöglicht Dialog. Auch und gerade zwischen den Geschlechtern, deren gestörtes Miteinander sich in nahezu jedem Genre erzählen lässt. Vielleicht demnächst auch einmal wieder als Komödie?


Freitag, 2. März 2018

Ist Homosexualität genetisch bedingt?

Unsere sexuelle Orientierung ist zumindest zum Teil genetisch bedingt. Doch welche Gene dafür verantwortlich sind, ist bisher unklar.
aus scinexx

Homosexualität: Eine Frage der Gene?
Erste genomweite Vergleichsstudie findet zwei potenziell relevante Genvarianten

Spurensuche im Genom: Forscher haben im Erbgut schwuler Männer zwei Genvarianten entdeckt, die möglicherweise die sexuelle Orientierung mitbeeinflussen. Sie treten bei homosexuellen Männern etwas häufiger auf als bei heterosexuellen, wie die erste genomweite Assoziationsstudie zu diesem Thema ergab. Allerdings: Angesichts der komplexen genetischen Basis der sexuellen Orientierung sind dies bestenfalls erste Anhaltspunkte, wie die Forscher betonen.

Ob heterosexuell, bi- oder homosexuell: Was bestimmt unsere sexuelle Orientierung? Noch gibt diese Frage Rätsel auf. Klar scheint, dass unsere Vorlieben für gleichgeschlechtliche oder gegengeschlechtliche Partner kein rein psychologisches Phänomen sind – es gibt eine biologische Basis. Indizien dafür liefern unter anderem Vergleiche der Hirnstruktur, die sowohl bei schwulen Männern als auch bei lesbischen Frauen Unterschiede zu ihren heterosexuellen Geschlechtsgenossen fanden.

Auch die Gene spielen eine Rolle: Zwillingsstudien haben gezeigt, dass es neben psychologischen Aspekten und Umwelteinflüssen auch eine erhebliche erbliche Komponente gibt. Immerhin 30 bis 40 Prozent macht ihr Einfluss nach aktuellem Kenntnisstand aus. 

Fahndung nach "Schwulengenen" 

Doch um welche und wie viele Genvarianten es sich handelt, ist bisher unbekannt. "Zwar wurden einige Genvarianten auf dem Chromosom 8 entdeckt, die zur Entwicklung der sexuellen Orientierung bei Männern beitragen könnten, spezifische Gene für Homosexualität wurden aber bisher nicht identifiziert", erklären Alan Sanders von der University of Chicago und seine Kollegen.

Die Forscher haben nun die erste genomweite Assoziationsstudie (GWAS) durchgeführt, um nach Genmarkern für männliche Homosexualität zu suchen. Dafür analysierten sie DNA-Proben von 1.077 homosexuellen und 1.231 heterosexuellen Männern und verglichen das Erbgut bis auf die Ebene einzelner Genbuchstaben – der sogenannten Single Nucleotid Polymorphisms (SNP).
 
Auf Chromosom 13 und Chromosom 14 haben die Forscher jeweils eine potenziell relevante Genregion entdeckt.
Auf Chromosom 13 und Chromosom 14 haben die Forscher jeweils eine potenziell relevante Genregion entdeckt.

Zwei auffällige Genorte

Und tatsächlich: In zwei Genregionen fanden die Wissenschaftler auffallende Unterschiede zwischen schwulen und heterosexuellen Männern. Einer dieser Genorte liegt auf dem Chromosom 13 zwischen den Genen SLITRK5 und SLITRK6. "Genfamilien wie SLITRK sind wichtig für die neuronale Entwicklung und gelten daher als Kandidatengene für verschiedene neuropsychiatrische Eigenschaften, aber auch als potenziell relevant für die sexuelle Orientierung", erklären die Forscher.
 

Studien haben gezeigt, dass das Gen SLITRK6 besonders im Zwischenhirn aktiv ist – in der Hirnregion, in der unter anderem der Hypothalamus und der Thalamus liegen. In beiden Arealen haben Wissenschaftler bestimmte Zentren entdeckt, die sich in ihrer Größe und Zelldichte bei homosexuellen und heterosexuellen Männern unterscheiden. Die Lage einer auffälligen Genvariante ganz in der Nähe dieses Gens erscheint daher durchaus plausibel.
  
Verbindung mit der Schilddrüse? 

Den zweiten möglichen Genunterschied zwischen hetero- und homosexuellen Männern haben die Forscher auf dem Chromosom 14 entdeckt. Dort liegen die verdächtigen SNPS mitten in einem Gen, das die Baupläne für einen Hormonrezeptor der Schilddrüse enthält. Veränderungen in diesem TSHR-Rezeptor können die Schilddrüsenerkrankung Morbus Basedow auslösen, das TSHR-Gen ist aber auch in verschiedenen Hirnarealen, darunter dem Hippocampus aktiv, wie die Forscher erklären. 

Das Interessante daran: Frühere Studien haben bereits erste Hinweise darauf erbracht, dass es eine Verbindung zwischen bestimmten Schildrüsenstörungen und Homosexualität geben könnte. So erkranken homosexuelle Männer möglicherweise etwas häufiger an Morbus Basedow als heterosexuelle, wie dänische Forscher herausfanden. Zudem scheinen Frauen, die in der Schwangerschaft unter einer Schilddrüsenstörung leiden, eher homosexuelle Söhne zu bekommen.

Noch sehr spekulativ

Allerdings: Noch sind all diese Zusammenhänge sehr spekulativ, wie die Forscher einräumen. Denn wie die Wissenschaftler betonen, war die Zahl ihrer Probanden zu gering, um mehr als nur erste Hinweise und vorläufige Ergebnisse zu liefern. Gerade GWAS-Analysen zu komplexen Merkmalen erfordern eine weit größere Teilnehmerzahl, um auch weniger häufige Genfaktoren aufzuspüren und für mögliche Zusammenhänge eine höhere Signifikanz zu erreichen.

"Das Ziel unserer Studie war es, nach der genetischen Basis für die männliche sexuelle Orientierung zu suchen", sagt Sanders. "Was wir jetzt mit unserer genomweiten Assoziationsstudie erreicht haben, ist immerhin ein erster Schritt. Wir hoffen nun, dass weitere, umfangreichere Studien die genetischen Zusammenhänge noch weiter beleuchten werden." (Scientific Reports, 2017; doi: 10.1038/s41598-017-15736-4)

(North Shore University, Nature , 11.12.2017 - NPO)



aus Tagesspiegel.de, 12. 12. 2017

Löst Immunreaktion der Mutter bei Söhnen Homosexualität aus?
Kanadische Forscher haben im Blut von Müttern schwuler Söhne Hinweise gefunden, die das Entstehen von Homosexualität erklären könnten.
 
 
Statistiken zufolge haben homosexuelle Männer häufiger ältere Brüder als heterosexuelle. Diesem „Effekt der brüderlichen Geburtsfolge“ nach steigt die Wahrscheinlichkeit, homosexuell veranlagt zu sein, mit der Anzahl der älteren Brüder eines Mannes, so Ray Blanchard von der Universität Toronto. Womöglich gelangen während der ersten Schwangerschaften mit Söhnen „männliche“ Biomoleküle ins Blut der Mutter und aktivieren die Körperabwehr. In späteren Schwangerschaften mit Söhnen löst das eine Immunreaktion aus und beeinflusst die Entwicklung im Gehirn des Embryos sowie dessen sexuelle Orientierung – so die Theorie. 
 
Antikörper gegen ein Protein, das für die Gehirnentwicklung wichtig istNun hat Blanchards Forscherteam im Blut von 54 Frauen, die homosexuelle Söhne haben, tatsächlich einen Unterschied zum Blut von 72 Müttern heterosexueller Söhne entdeckt: Sie hatten große Mengen eines Antikörpers im Blut, der sich gegen ein für die Gehirnentwicklung wichtiges Protein richtet: NLGN4Y. Dieses Eiweiß wird ausschließlich von Söhnen produziert, weil es vom Y-Chromosom stammt. Je mehr ältere Söhne die Frauen hatten, umso mehr Antikörper gegen NLGN4Y hatten die Frauen im Blut. 
 
„Die Ergebnisse legen einen Zusammenhang nahe zwischen der Immunreaktion der Mutter und der sexuellen Orientierung der männlichen Nachkommen“, schreibt Blanchard im Fachblatt „PNAS“. Auch bei einigen Frauen, deren homosexuelle Söhne keine älteren Brüder hatten, fanden die Forscher die Antikörper – vermutlich ausgelöst durch Biomoleküle von männlichen Embryonen aus unerkannten Fehlgeburten oder durch Sperma. 

Sexuelle Orientierung ist ein komplexes Phänomen 

Andere Einflüsse auf die sexuelle Prägung schließe das nicht aus, betonen die Forscher, etwa hormonelle oder genetische. Außerdem sei es „klar, dass nur ein Teil der Variation in männlicher sexueller Orientierung durch solche Effekte erklärt werden könne.“ Schätzungen zufolge ist wohl nur jeder siebte schwule Mann aufgrund des Effekts der brüderlichen Geburtsfolge homosexuell. Sexuelle Orientierung sei „ganz offensichtlich ein komplexes Phänomen“.


Nota. - Dem wissenschaftsgläubigen 19. Jahrhundert lag es nahe, Homosexualität als biologisch bedingt und angeboren aufzufassen. Interessierte Vertreter der aufkommenden Sexualwissenschaften wie Magnus Hirschfeld machten zu Anfang des 20. Jahrhunderts daraus ein Argument, sie als eine naturgewollte Normvariante darzustellen, die man nicht unter Strafe stellen könne.

Sie ahnten nicht, dass im Laufe des Jahrhunderts die Idee aufkommen könnte, die Homosexuellen einfach auszurotten. Seither ist es unter Zivilisierten verpönt, sexuelle Sonderformen überhaupt mit Biologie in Verbindung zu bringen. Das ist inzwischen selbst zu einem dogmatischen Vorurteil geworden. Es ist richtig, dass sich die Forscher davon nicht länger bange machen  lassen. Wie ihre Ergebnisse zu beurteilen sind, ist eine Frage der wissenschaftlichen Kitik und nicht der guten Gesinnung.
JE

Donnerstag, 1. März 2018

Schule ist nichts für Jungen.



Jenes Institut, das sich heute unter dem Namen 'die Schule' über die ganze Welt verbreitet hat, ist in seinen Grund- zügen in der Klöstern des mittelalterlichen Europa entstanden; als ein Ort, wo die von kriegerischen Rittern be- herrschte Feudalgesellschaft mit der nötigen Dosis buchgelehrter Kleriker versehen wurde, die ein wenig Frieden bringen konnten - in die Herzen und, so Gott wollte, auch ein wenig in die Städte und Fluren. Sie waren mental gewissermaßen der 'weibliche' Teil in einer von männlichen Tugenden geprägten Adelsgesellschaft. Nicht, was vom heranwachsenden Ritter an männlichen Tugenden zu erwarten war, wurde dort gepflegt, sondern deren friedfertig ordnungsliebender Widerpart - Fleiß und Ausdauer. Die Mittel: stundenlanges Stillsitzen, Mundhalten, Nachspre- chen und Repetieren. Während an den erstgeborenen Söhnen der herrschenden Kriegerkaste Kraft, Mut und Aben- teuergeist gefördert wurden, mussten sich ihre nachgeborenen Brüder in Sanftmut, Frömmigkeit und - nun ja, Ver- schlagenheit üben. Die Schule war nicht - schon damals nicht - der Ort, wo Jungen Männer werden durften.


In dem Maße, wie die Gesellschaft bürgerlicher wurden, kamen neben den Jungenschulen auch Institute für Mäd- chen auf, und als die industrielle Revolution der neunzehnten Jahrhunderts die bäuerliche Bevölkerung zu Industrie- arbeitern proletarisierte, wurde die Elementarschule zur Pflicht und das pfäffische Ideal des arbeitsamen Duckmäu- sers zur Norm. Für die Mädchen nun auch wie für die Jungen. Und beim Lehrpersonal der Volksschulen waren die Frauen bald typischer als die Männer.

Natürlich hat sich im zwanzigsten Jahrhundert allerhand getan, der industrielle Tagelöhner ist auch schon längst nicht mehr der Standardfall des Arbeitslebens. Der höherqualifizierte Angestellte, dem man auch schonmal eigene Entscheidungen zumuten konnte - idealiter: der Staatsbeamte - wurde zum Produktionsziel der allgemeinbildenden Schulen, und dazu taugen Mädchen mindestens ebeno wie Jungen; wenn nicht mehr!

Fragen Sie sich jetzt immer noch, wie es kam, dass unsere Schulen zur Vorbereitung weiblicher Karrieren in der postindustriellen Berufswelt besser geeignet sind als zur Entwicklung männlicher Talente? 

 7. 10. 2013

...doch schulgerechtes Verhalten macht sich bezahlt!


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„Sekundärtugenden“ machen Schüler erfolgreicher
Dr. Karl G. Rijkhoek 

27.02.2018 16:14
 
Internationale Studie belegt den Zusammenhang zwischen dem Verhalten in der Schule, beruflichem Erfolg und späterem Einkommen
 
Oft geschmähte schulische „Sekundärtugenden“ wie Fleiß oder Verantwortungsgefühl haben offenbar einen erheblichen Einfluss auf das spätere Leben, und zwar unabhängig von der Intelligenz der Schülerinnen und Schüler sowie von Bildung oder Einkommen ihrer Eltern. Verantwortungsvolle Teenager, die Interesse an schulischen Themen zeigen und ihre Aufgaben erledigen, haben nicht nur bessere Noten in der Schule, sondern sind auch erfolgreicher im Beruf und verdienen besser. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung an der Universität Tübingen, der University of Houston und der University of Illinois in Urbana-Champaign. „Das beeindruckende an diesem Ergebnis ist, dass unser Verhalten einen Einfluss darauf hat, was aus uns wird und nicht nur, wie wir von der Natur oder unseren Eltern ausgestattet wurden“, sagt Marion Spengler von der Universität Tübingen, die Erstautorin der Studie. Die Ergebnisse wurden im Journal of Personality and Social Psychology veröffentlicht.

Der Studie liegen Daten aus einer Langzeiterhebung des American Institutes for Research zugrunde, bei der im Jahr 1960 346.660 Schülerinnen und Schüler der neunten bis zwölften Klasse nach ihren Einstellungen, ihrem Verhalten und ihren Lese- und Schreibfähigkeiten befragt wurden. Zudem wurden breite Persönlichkeitsmerkmale und kognitive Fähigkeiten erhoben sowie das Einkommen der Eltern und demographische Merkmale wie Geschlecht oder Ethnie. Elf Jahre später wurden 81.912 Personen zu ihren Bildungs- und Berufsbiographien befragt und nach 50 Jahren machten erneut 1.912 Personen Angaben zu ihrem Bildungsabschluss sowie ihrem jährlichen Einkommen und ihrem beruflichen Status.

Es zeigte sich, dass verantwortungsvolle Schülerinnen und Schüler, die Interesse an der Schule zeigten, ihre Schul- und Hausaufgaben erledigten und wenig Probleme mit Lesen und Schreiben hatten, sowohl nach elf als auch nach 50 Jahren noch einen höheren Bildungsabschluss und einen angeseheneren Job hatten. Außerdem war ihr Einkommen nach 50 Jahren höher als das Gleichaltriger, die kein großes Interesse für die Schule mitbrachten. „Das bedeutet natürlich nicht, dass adäquates Verhalten in der Schule zwangsläufig zu beruflichem Erfolg führt“, betont Spengler. „Die Ergebnisse zeigen jedoch einen robusten Zusammenhang.“


Originalpublikation:
Spengler, M., Damian, R. I., & Roberts, B. (2018). How You Behave in School Predicts Life Success Above and Beyond Family Background, Broad Traits, and Cognitive Ability. Journal of Personality and Social Psychology. doi:10.1037/pspp0000185
Link zur Studie: http://www.apa.org/pubs/journals/releases/psp-pspp0000185.pdf

http://www.hib.uni-tuebingen.de


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Jungen würden in der Schule benachteiligt, weil die Schule ihrer Natur nach männliche Eigenschaften diskriminiert? Ach, wenn es so einfach wäre! Dann müsste man ja nur die Schulen ändern, und alles käme ins Lot.

Aber das Problem liegt tiefer: Schulen diskriminieren männliche Eigenschaften, weil in der Angestelltenzivilisation männliche Eigenschaften unnütz und störend sind. Ein Silberstreifen am Horizont: Die voranschreitende Digitalisierung der materiellen Produktion sollte die Angestelltenzivilisation erübrigen und durch einen neuen Unternehmungsgeist ersetzen.