Montag, 9. Juni 2014

Wie die Männer aus der Mode kamen.



Anthonis van Dyck, Wilhelm von Oranien als Prinz mit seiner zukünftigen Braut Maria Stuart

Die größte Hype ist vorüber, da kann auch ich Conchita Wurst zum Anlass eines Eintrags nehmen. Natürlich nicht wg. Toleranz, Akzeptanz und andern frommen Dingen. Sondern wegen Outfit. Ein Mann muss ja nicht erst Frauenkleider anlegen, um ein bisschen weibisch zu wirken. Es reicht schon, wenn er überhaupt auf sein Äußeres mehr achtet, als im Durchschnitt üblich. Fast zwei Jahrhunderte lang - oder, wenn Sie wollen, nur zwei Jahrhun- derte lang - kleideten sich Männer, um möglichst wenig aufzufallen. Frauen kleideten sich dagegen stets, um bloß nicht übersehen zu werden. 

Ob es gut ist, dass sich das letzthin zu ändern beginnt, ist eine Frage für sich. Aber wie es dazu kam, dass Mode zu einer Frauenangelegenheit wurde, lässt sich erklären:



Sehen Sie ein Foto vom Vorstand eines Weltkonzerns. Wenn auch jeder der Herren seinen eignen Schneider hat, tragen sie doch alle denselben dunkelgrauen Anzug mit denselben Nadelstreifen. Lediglich die einzige Dame dabei fällt farbenfroh aus dem Rahmen, wenn auch nicht schrill, so doch in einem Kostüm, das außer ihr noch keine trug. Und währdend in England selbst die Königin denselben Hut - ach je - nicht zweimal aufsetzen kann, darf ein Lord denselben ausgebeulten und zerknitterten Anzug aus bester Shetlandwolle, und jeder Premierminister zumal, ruhig zwanzig Jahre lang anziehen. Nicht in Ascot; aber auch dort trägt er alle Jahre wieder wie alle andern, solange er reinpasst, denselben Cut, während seine Lady in Ohnmacht fällt, wenn eine Andere im selben Pariser Modell kommt wie sie.

Weil sie um die Männer, ihre Herren und Pariarchen buhlen? Wenn Sie den Lord fragen, ob die Lady rot oder grün trägt, muss er sich erst umwenden und hinsehen, unterwegs hatte er es nicht bemerkt. Nein, die Damen kämpfen nicht um die Gunst der Männer, sondern gegen die andern Frauen. Unter den Paradiesvögeln will jede die oberste sein. Darum haben sie die Männer in geschäftliche Einheitskluft gesteckt und ihnen die Mode weggenommen.

In Wahrheit ist es nämlich so: Seit dem Sieg der bürgerlichen Gesellschaft hatte der Mann - Luther und Calvin hatten das Ihre beigetragen - ein Arbeiter zu sein, und zwar nicht im Weinberg und -keller des Herrn, sondern an der Werkbank und im Kontor! Der Bourgeois war ein alltäglich Werktätiger, kein eitler Müßiggänger wie der Aristokrat, und das sollte man ihm gefälligst auch ansehen; oder so sollte es wenigstens aussehen. Doch die Damen - ja, die Damen des Hauses, die vormals noch den bürgerliche Hauhalt selbst geführt hatten, überließen das nunmehr, wie Gräfinnen und Edelfräuleins, dem Dienstpersonal; und wie jene wollten sie, bitteschön, auch aussehen.

So ist die Mode Frauensache geworden.


PS. Beachten Sie übrigens, dass der Prinz oben Rosa trägt. Rosa galt bis Anfang der vorigen Jahrhunderts als die natürliche Jungenfarbe - als Vorstufe zum königlich kriegerischen Rot. Als Mädchenfarbe galt hingegen Blau - nach dem Mantel der Himmelskönigin Maria.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen