aus Die Presse, Wien, 27. 5. 2014
Biologie: Wie Männer gute Mütter werden
Wenn
Kinder kommen, verändern sich die Gehirne der Eltern, und das
geschlechtsspezifisch. Sind beide Elternteile Männer, werden auch die
weiblichen Hirnregionen aktiviert.
Verändert sich einer, in
Wahrnehmung und/oder Verhalten, weil er Vater geworden ist? Bei den
Mäusen tut er das, und wie! Mäusemännchen, vor allem die, die noch nie
Vater gewesen sind, attackieren Mäusejunge, oft hart, oft bis zum Tod.
Das ändert sich komplett, wenn eigene Jungen kommen, dann nehmen die
Väter eher mütterliche Verhaltensweisen an, sie gesellen sich zu den
Jungen, lecken sie etc.
Wie das zugeht, hat Catherine Dulac
(Harvard) erkundet, es läuft über zwei Stufen (Nature 509, S. 295). Die
erste ist das vomeronasale Organ (VNO), das ist ein Geruchssinn, der auf
Pheromone anspricht: Ist er bei Mäusemännchen defekt – oder schaltet
man ihn gentechnich aus –, tun sie Jungen nichts. Ist das VNO aktiv,
führt es zu Aggression gegen Junge. Sind es eigene, wird sofort ein Teil
des Gehirns umgebaut.
Und so bleibt es exakt 90 Tage. Dann sind die Jungen von den Müttern unabhängig, und die Mütter bekommen neue.
„Primary caregiving mothers“
Denen begegnen die Männchen zunächst wieder aggressiv, bei eigenen
Jungen stellen sie gleich wieder um. So ist das bei den Mäusen. Bei den
Menschen ist alles natürlich ganz anders, sie haben kein VNO, und sie
leben meist in Zweierpaaren – Mäuse leben in größeren Gruppen –, in
denen von Natur her zunächst die Mütter enge Bindungen zu den Kindern
entwickeln, sie tragen sie aus, gebären und säugen sie, sind „primary
caregiving mothers“ (PC-Mothers).
Beim Aufbau des emotionalen
Bezugs werden sie unterstützt von einem mächtigen Hormon, Oxytocin, es
leitet die Wehen ein und die Milchproduktion, es sorgt nach der Geburt
für soziale Nähe. Es wird auch im Gehirn der Väter aktiv – der
„secondary caregiving fathers“ (SC-Fathers) –, aber dort sorgt es für
einen anderen Umbau: Bei PC-Mothers stärkt es in der Amygdala die
Emotion, bei den SC-Fathers – die kümmern sich schon auch liebevoll,
sind aber eben nicht die ersten Bezugspersonen – wird eine andere
Hirnregion aktiviert, der Superior temporal sulcus (STS). Der geht mehr
auf Kognition, schätzt Bedürfnisse der Kinder ab, plant künftige
Versorgung.
Diese Differenz zeigte sich Ruth Feldman (Bar-Illan
University, Israel) in bildgebenden Verfahren (fMRI): Die Forscherin
besuchte Paare mit Neugeborenen in deren Wohnung, sie drehte Videos, in
denen die Eltern mit dem Kind zu sehen waren, in anderen gab es nur das
Kind oder die Eltern. Sie spielte sie den Eltern später im Labor vor,
dabei zeigte sich in den Gehirnen, dass die Szenen entschieden, auf
denen Eltern und Kind zu sehen waren. Zudem zeigten sich
geschlechtsspezifische Aktivitäten. Die Mütter hatten ihre gleich, die
Väter erlernten ihre erst. Das Ergebnis ist dasselbe: Väter und Mütter
synchronisieren ihr Verhalten mit dem ihrer Kinder.
„Primary caregiving fathers“
Und wenn die Väter gar keine Väter sind? Und wenn es in den Familien
gar keine Mütter gibt, sondern zwei Väter, beide „primary caregiving
fathers“. Feldmann nutzte die Gunst der geschichtlichen Stunde: In
manchen Gesellschaften können homosexuelle Paare Kinder adoptieren. Und
in den Gehirnen dieser Männer wird nicht nur STS aktiviert, auch die
Amygdala wird es, und das nicht etwa, weil diese Männer irgendwie
„weiblicher“ sind als andere Männer, das zeigten Zusatztests: „Es gibt
ein globales Eltern-Fürsorge-Netzwerk im Gehirn, das unter verschiedenen
Eltern konsistent ist“, schließt Feldman, und sie vermutet, dass das
aus alten Zeiten stammt, in denen Gruppen-Mitglieder bei Bedarf auch
fremde Kinder versorgten, als „Allo-Eltern“ einsprangen (Pnas, 26. 5.).
Ob
die beobachteten Veränderungen in den Gehirnen der Menschen mit denen
in den Gehirnen der Mäuse zu tun haben, ist nicht geklärt, Dulac
vermutet es.
Die beiden Arbeiten haben jedoch keinen Bezug
zueinander, sie erschienen fast gleichzeitig. Sicher hingegen ist, dass
Mütter in heterosexuellen Paaren drohende Aggression der Väter gegen die
Kinder anders abzuwehren versuchen als Mäusemütter: Letztere verpaaren
sich mit möglichst vielen Männchen, sie wiegen sie alle in dem Glauben,
sie könnten die Väter der Jungen sein. Bei den Menschen hingegen hat
sich gezeigt, dass Frauen ihren Männern gerne wieder und wieder
versichern, das Kind sehe ihnen, den Vätern, sehr viel ähnlicher als
ihnen, den Müttern.
Nota.
Genausogut ist uns nicht genug, wir wollen besser sein - ? Gemach. Ich meine ja auch, dass (im großen Durchschnitt) Männer bessere Erzieher sind als Frauen. Aber das muss man behutsam vortragen. Denn wenn ich mir die pädagogischen Berufe ansehe, sind sie erst einmal... so gut wie abwesend. Und die paar, die sich nicht haben abschrecken lassen, sind eine milde belächelte Minderheit. Minderheit nämlich auch an den paar Stellen, wo sie zahlenmäßig - ja, das kommt vor! - in der Mehrheit sind. Denn sie fallen pädagogisch gar nicht richtig ins Gewicht. Ihnen fehlt die mütterliche Drüse, über Kinder reden sie wie über Autos, davon verstehen sie was.
Dass sie besser spielen können als Frauen - nämlich besser mitspielen -, ist zwar unbestritten, kommt aber nicht zur Sprache. Spielen ist, allen Lippenbekenntnissen zum Trotz, nämlich auch nicht wirklich pädagogisch; Einüben sozialer Fertigkeiten - na schön, aber echt pädagogisch ist nur Beziehungsarbeit, das kann der Mann nicht wirklich, dafür ist er viel zu kopfig. "Besser als ein Mann versteht das Weib die Kinder", steht bei Nietzsche, und da ist was dran, denn - es hat mehr Distanz zum Kind: "aber der
Mann ist kindlicher als das Weib", schob Nietzsche nach. "Im echten Manne ist ein Kind versteckt: das will spielen." Mitspielen. Der Mann - nicht der übliche lila Pudel im Pädagogen- stand - neigt dazu, wenn er mit Kindern zu tun bekommt, ein bisschen selber wieder zum Kind zu werden, er begegnet ihnen - nur für einen Augenblick, Gott ja - ein bisschen als ihresgleichen; "verstehen" muss er bei diesen Gelegen- heiten nicht, das wäre zu wenig.
Und bevatern kann er außerdem. Er taugt besser zum Erzieher.
JE
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