Mittwoch, 2. April 2014

Das Lügen-Hormon.

Oxytocin
aus Die Presse, Wien, 2. 4. 2014

Hormon des Vertrauens? Hormon der Lüge!
Oxytocin, das beim Gebären hilft und dann generell beim Aufbau sozialer Bezüge, kann sich auch gegen das Soziale und die Moral stellen: Es verleitet zur Lüge, wenn es um das Wohl von Gruppenmitgliedern geht.
 
 
Im Januar 2011 wurde Kelley Williams-Bohrer, eine 40-jährige alleinerziehende Mutter von zwei Töchtern im US-Bundesstaat Ohio zu zweimal fünf Jahren Haft verurteilt. Sie lebte in der Stadt Akron, dort ist die Kriminalitätsrate hoch, und sie wollte, dass ihre Kinder in einer sicheren Gegend zur Schule gehen, deshalb gab sie bei der Anmeldung an der Schule einen falschen Wohnort an, den ihres Vaters. Aber die Schulverwaltung war misstrauisch und setzte einen Privatdetektiv an, der kam der Lüge auf die Spur. 

In den USA ist eine solche falsche Wohnortsangabe ein Verbrechen, deshalb die zweimal fünf Jahre – fünf pro Kind –, die Richterin ermäßigte anschließend auf zehn Tage und Sozialdienst, aber Williams-Bohrer war ruiniert, sie musste ihre Ausbildung zur Kindergärtnerin abbrechen, Verbrecher dürfen diesen Beruf nicht ausüben. Der Fall schlug hohe Wellen, er lädt zu Moraldebatten ein, es geht natürlich auch um Mutterliebe und darum, was chemisch hinter ihr steht: Oxytocin, das Hormon, das die Wehen einleitet – der Name kommt vom griechischen „okys“ und „tokos“: „leicht gebärend“ –, dann bei der Milchproduktion hilft und schließlich auch – im Gehirn als Neurotransmitter – für enge soziale Bindungen sorgt, zwischen Mutter und Kind, aber auch zwischen andere


Seit man in den 1990er-Jahren an Wühlmäusen bemerkte, dass Oxytocin auch für lebenslange Treue sorgt, erlebte das Hormon eine beispiellose Karriere: Es galt bald als „Hormon der Treue“, „Hormon der Liebe“, „Kuschelhormon“, und das, obwohl überhaupt nicht klar ist, ob es diese Wirkung auch bei Menschen hat. Immerhin, es schafft Vertrauen, das zeigte der in Zürich forschende Vorarlberger Ernst Fehr in einem spukhaften Experiment: Er verabreichte Testpersonen via Nasenspray Oxytocin, daraufhin zeigten sie Vertrauen in wildfremde Menschen, und sie behielten es auch, wenn es enttäuscht wurde, wieder und wieder. Nun war Oxytocin generell auch noch das „Hormon des Sozialen“ und wurde Kandidat für Therapien bei gestörtem Sozialverhalten, etwa Autismus.

Nicht alle Menschen werden Brüder!
 
Aber dann zeigten sich Schattenseiten: Oxytocin lässt nicht alle Menschen Brüder werden, sondern verstärkt nur den Halt in der eigenen Gruppe, die Abgrenzung gegenüber Fremden wird stärker. Und Oxytocin lässt Skrupel gegenüber Moral und gesellschaftlichen Normen schwinden, wenn es um das Wohl von Menschen geht, die einem nahestehen. Das zeigte Shaul Savi (Ben-Gurion Universität, Beer Sheva) nun an Testpersonen, die er in Dreiergruppen gemeinsam um Geld spielen ließ, das entweder den jeweiligen Individuen oder der Gruppe zugutekam: Auf einem PC-Schirm war das Werfen einer Münze zu sehen, die Probanden sollten abschätzen, ob es Kopf oder Zahl wird – niemand sah ihnen zu, aber die Experimentatoren kannten natürlich das Computerprogramm –, am Ende sollten sie berichten, wie oft sie richtig geraten hatten. Für jedes „richtig“ gab es Geld, echtes.

Alle betrogen nach oben. Aber wenn sie Oxytocin in der Nase hatten, betrogen sie mehr, und zwar dann und nur dann, wenn der Gewinn an die ganze Gruppe ging, nicht dann, wenn die Individuen selbst ihn einstrichen: Für die Gruppe wird gelogen, auch wenn die anderen es nicht tun, das gaben die Probanden auf Befragen an (Pnas, 31.3.).

Shalvi nennt das eine „funktionalistische Einstellung zur Moral“, und die liegt ja nahe, sein Experiment hinterlässt allerdings auch ein Rätsel: In einer Variante gab es kein Geld zu gewinnen, sondern eingangs erhaltenes zu verlieren. Da verleitete Oxytocin nicht zum vermehrten Lügen, obgleich es Menschen generell viel wichtiger ist, etwas nicht einzubüßen als etwas dazuzubekommen.


Nota.

Frauen gehen ganz anders miteinander um - o ja, das kann man weiß Gott sagen. Jeder Mann, der einmal in einem ansonsten rein weiblichen Betrieb gearbeitet hat, kann sich von so mancher - ehrlichen - Frau bestätigen lassen: Dort gibt es weniger Krach, das stimmt, aber dafür geht alles viel verschlagener, hinterhältiger und verlogener zu. Klebrig - das ist es, was sie als "kommuninativ" ausgeben, und ich bete darum, dass ihnen die Männer nicht länger auf ihren süßen Leim gehen.
JE

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