Rollentausch: Weibchen mit Penis entdeckt
Bei Neotrogla-Höhleninsekten trägt die Frau eine Art Penis, der Mann hat eine Vagina
Ungewöhnliche Anhängsel
Diese nur zwei bis vier Millimeter kleinen Insekten wurden erst kürzlich in Höhlen in Brasilien entdeckt. Bisher sind vier Arten dieser Gattung bekannt. Schon den Erstentdeckern der Neotrogla war aufgefallen, dass die Weibchen ungewöhnliche Anhängsel zu tragen schienen. Doch die genaue Funktion dieser sogenannten Gynosomen war unklar. Yoshizawa und seine Kollegen haben dies nun in Laborversuchen untersucht – dabei schauten sie den Insekten beim Paarungsakt ganz genau zu.
Wie sich zeigte, tragen bei Neotrogla die Weibchen nicht nur penisartige Anhängsel, sie setzen sie auch ein, wie sonst ihre männlichen Gegenparts: Bei der Paarung sitzen sie huckepack auf den Männchen und führen ihnen dabei ihre Gynosomen in deren vaginaartige Körperöffnung ein. Einmal drin, schwillt eine Membran des Gynosoms an und verankert das penisartige Geschlechtsorgan in der Körperöffnung des Männchens. "Zwar ist ein Rollentausch der Geschlechter schon bei einigen Tieren bekannt, Neotrogla ist aber das einzige Beispiel, bei dem auch das Organ dafür vertauscht ist", sagt Yoshizawa.
Einzigartige Verankerung
Bei Versuchen, die beiden Tiere zu trennen, rissen die Forscher eher der Unterleib der Männchen ab, als dass das Gynosom aus seiner Verankerung rutschte. Kein Wunder, dass die Paarung bei den Höhleninsekten bis zu 70 Stunden dauert – sie können sich im wahrsten Sinne des Wortes nicht trennen. "Dieser Verankerungsmechanismus der Neotrogla-Weibchen ist einzigartig", erklären die Forscher.
Interessanterweise bleibt aber beim Austausch der Keimzellen alles beim Alten: Das Weibchen nimmt die Spermien des Männchen mit seinem Gynosom auf – es saugt sie mit ihrem penisartigen Anhängsel auf. Aber nicht nur das: Die Forscher haben Hinweise darauf gefunden, dass auch nährstoffhaltige Substanzen an das Weibchen abgegeben werden. Im kargen Lebensraum dieser Insekten könnte das Männchen seine Nachkommen auf diese Weise mit Startkapital versorgen.
Warum sich aber ausgerechnet bei diesen Höhleninsekten dieser skurrile Rollentausch entwickelt hat und bei kaum einem Tier sonst, ist bisher unklar. "Es wird daher wichtig sein herauszufinden, warum nur Neotrogla diesen ausgeprägten weiblichen Penis entwickelte", sagt Koautor Yoshitaka Kamimura von der Keio Universität. Die Forscher wollen dafür nun auch die Physiologie dieser Insekten genauer studieren und eine Population dieser Tiere im Labor züchten. Current Biology, 2014; doi: 10.1016/j.cub.2014.03.022)
(Cell Press, 22.04.2014 - NPO/MVI)
aus FAZ, 23. 4. 2014
... Einmal eingeführt, blähen sich demnach Teile des Gynosoms auf, aus dem zudem etliche Stacheln ausfahren - das Insektenmännchen wird unentrinnbar festgehalten. So fest, dass die Forscher bei einem Trennungsversuch das Männchen am Unterleib auseinanderrissen - die Geschlechtsorgane blieben intakt ineinandergehakt.
...Die Forscher vermuten, dass sich das penisartige Organ bei den Neotrogla-Weibchen auch deshalb entwickelt hat, weil das Samenpaket sehr nährreich ist. Es sei von Vorteil für die Weibchen, sich oft zu paaren. Die Insekten leben in sehr nährstoffarmen Höhlen und nehmen hauptsächlich Fledermausexkremente und -überreste zu sich.
Es habe den Anschein, als dienten die Pakete sowohl zur Befruchtung als auch zur Ernährung, berichten die Forscher. Das könnte auch erklären, warum der Geschlechtsakt so lange dauert: Möglicherweise versuche das Weibchen so, mehrere Samenpakete zu erhalten.
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