Dienstag, 26. Oktober 2021

Verdienen Frauen, was sie verdienen?

Bartholomeus Spranger

aus nzz.ch, 25. 10. 2021

Verdienen Frauen, was sie verdienen?
Werden Frauen beim Lohn systematisch diskriminiert, wie dies die Gewerkschaften behaupten? Die Antwort auf diese Frage liegt in der Art der Betrachtung und ist deshalb hochgradig manipulierbar.
 
von Claudia Wirz

Der Anthropologe Carel van Schaik hat zusammen mit dem Historiker Kai Michel letztes Jahr ein Buch veröffentlicht. Es heisst «Die Wahrheit über Eva». Wahrheit ist ein grosses Wort – zumal in der Wissenschaft, wo letztgültige Gewissheiten eher selten vorkommen. Im konkreten Fall ist die Wahrheit mitunter die Geschichte einer Unterdrückung.

Alles nur wegen der Landwirtschaft

Die beiden Autoren erklären nämlich, wie es nach Jahrtausenden des egalitären Zusammenlebens der Geschlechter dazu kommen konnte, dass die Frauen den Männern auf einmal untertan wurden, wodurch ein auf Ungleichheit basierendes Gesellschaftsschema entstanden sei, das bis heute weiterwirke und Männer mit unverdienten Privilegien ausstatte.

Schuld an der ganzen Misere ist laut den Autoren die Erfindung der Landwirtschaft oder, genauer gesagt, das daraus resultierende Konzept des Eigentums. Erst der Privatbesitz machte den Mann, den einstigen Jäger, zum Herrscher über Haus und Hof und zum Verteidiger seiner Ansprüche.

 

 

Diese menschheitsgeschichtlichen Erkenntnisse über das Schicksal von Eva und ihren Schwestern dürften all jenen prima ins Konzept passen, die in der Politik das Narrativ von der diskriminierten Frau auch nach vollendeter Gleichberechtigung und trotz systematischer Frauenförderung mit Hingabe bewirtschaften. Denn das Diskriminierungsthema ist politisch schlicht zu lukrativ, um fallengelassen zu werden.

Und so wird uns seit Jahrzehnten beinah mantramässig eingetrichtert, dass Frauen für die gleiche Arbeit schlechter bezahlt seien als Männer. Ein guter Teil dieses Lohnunterschieds, sagen Gewerkschaften und die Gleichstellungslobby, sei Ausdruck wahrhafter Diskriminierung. Daraus lässt sich trefflich politischer «Handlungsbedarf» ableiten.

Überschätzte Unterschiede

Doch an dieser vermeintlichen Wahrheit über Eva gibt es schon lange Zweifel. In einer komplexen Arbeitswelt lassen sich Löhne nicht so einfach vergleichen wie Hotelzimmerpreise auf einem Buchungsportal. Was heisst schon gleiche Arbeit? Was ist gleiche Qualifikation? Welche Rolle spielen die Erfahrung oder die Flexibilität? Ist ein akademischer Titel unabhängig vom Fachgebiet immer gleich viel wert?

Schon vor Jahren beanstandete der Arbeitsmarktökonom George Sheldon, dass die «objektiven Faktoren» bei den Lohnvergleichen nicht abschliessend geklärt und definiert seien. Dadurch seien die Ergebnisse von Lohnvergleichen hochgradig steuerbar. Man kann sich, zugespitzt formuliert, eine Lohndiskriminierung auch herbeirechnen.

Eine neue Untersuchung von Anthony Strittmatter vom Institut Polytechnique de Paris und Conny Wunsch von der Universität Basel bestätigt diese Problematik. Strittmatter und Wunsch kommen zum Schluss, dass die unerklärten Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen durch die Standardanalysen oft überschätzt werden. «Wendet man modernere Methoden an», schreiben sie, «kommt man zu deutlich geringeren Differenzen.»

Es lohnt sich also, gewisse liebgewonnene Wahrheiten über Eva zu hinterfragen, vor allem dann, wenn sie darauf angelegt sind, staatliche Regulierungen auszulösen.

Claudia Wirz ist freie Journalistin und Redaktorin beim «Nebelspalter».

 

Nota. - Ein halbes Jahrhundert feministisches Trommelfeuer und eine self-fulfilling prophecy: Ich war mal ein gutwilliger und lernfreudiger Mann, der sich im Kleinen wie im Großen alle-zeit selber ein Bild machte, grundsätzlich immer bereit, überkommene Gewissheiten in Zwei-fel zu ziehen und neue Gedanken auszuprobieren. Inzwischen bin ich so, wie man mir seit damals auf den Kopf zusagt: Wann und wo immer FRauen über ihr ungerechtes Los lamentie-ren, wisch ich's mit Links beiseite und sage: Lasst mich in Ruh.

Dies ist eine gute Gelegenheit, zwischendurch zu bemerken: Die Sache mit dem Pay Gap ist in der Tat "hochgradig manipulierbar"! Mathematik gilt den meisten Zeitgenossen zu Unrecht als eine Geheimwissenschaft  - aber Statistische Mathematik ist eine! Es ist ja vorstellbar, dass da eine zahlenmäßige Differenz vorliegt, die aus bekannten Faktoren nicht erklärbar ist. Das be-deutet noch lange nicht, dass es feministisch erklärt werden muss. Aber vielleicht doch? Da müssen die Statistischen Mathematiker erst noch ein bisschen nach unbekannten Faktoren suchen.

JE

 

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