Sonntag, 13. Juni 2021

Zu Kopf gestiegen.

aus welt.de,14. 6. 2021

Diese Gemeinsamkeiten haben Hoden und Gehirn
Männer denken mit ihrem besten Stück – diese Redewendung ist gar nicht mal so weit hergeholt. Zumindest weisen die Hodensäcke von Männern und das menschliche Gehirn verblüffende Ähnlichkeiten auf.
 

 
Manchmal hat die Natur ziemlich wundersame Einfälle. Diesen Eindruck bestätigen die Ergebnisse einer portugiesischen Studie eines Forscherteams der Universität von Aveiro, die im Fachmagazin Royal Society Open Biology veröffentlicht wurde. Demnach haben ausgerechnet die Hoden, die für die Produktion von Spermien bei Männern zuständig sind, und das Gehirn auffällig viel gemeinsam.
 
Wie kann das sein?

Das Team aus Biologen und Medizinern unter Leitung von Bárbara Matos verglich den Aufbau sowie die Struktur von 33 Gewebearten, die im Herz, Darm, Gebärmutterhals, den Eierstöcken, der Plazenta, den Hoden und im Hirn vorkommen. 

Gehirn und Hoden haben im Vergleich zu anderen menschlichen Körpergeweben die höchste Anzahl gemeinsamer Proteine.
Bárbara Matos, Biologin Universität von Aveiro 

Nach einer Genanalyse zeigte sich: Das Gewebe von Gehirn und Testikel weist eine Übereinstimmung von 13.442 Proteinen auf – obwohl sie an zwei ziemlich unterschiedlichen Körperregionen existieren, wie die Forscher in ihrer Studie schreiben.

Welche Auswirkung haben die Gemeinsamkeiten von Hoden und Gehirn?
Hoden und Gehirn haben diese verblüffenden Gemeinsamkeiten  Neuronen im Gehirn

Der Befund scheint verblüffend, denn die Funktion beider Organe im Körper unterscheidet sich auf den ersten Blick gewaltig. Während das Gehirn eine komplexe Vielzahl an Aufgaben übernimmt und als Schaltzentrale des Körpers gilt, kümmern sich die pflaumenartigen Geschlechtsorgane beim Mann um genau zwei Dinge: Sie produzieren Spermien sowie androgene Geschlechtshormone, vor allem Testosteron.

Jedoch sind die Aufgabengebiete beider Organe enger miteinander verknüpft als gemeinhin angenommen. Eine frühere Studie aus dem Jahr 2012 hat gezeigt, dass es einen Zusammenhang zwischen sexueller Dysfunktion, vor allem von Erektionsstörungen beim Mann, und Erkrankungen des Gehirns gibt. Eine weitere Forschungsarbeit von 2009 legt nahe, dass sich Intelligenz und Samenqualität gegenseitig beeinflussen. Die nun nachgewiesenen Ähnlichkeiten im Hinblick auf die Genexpression von Proteinen könnten ein Hinweis darauf sein, wieso sich diese Faktoren gegenseitig beeinflussen.

Hoden und Gehirn haben diese verblüffenden Gemeinsamkeiten
Ein Querschnitt von Spermien im Hodensack in 50-facher Vergrößerung

Das Forscherteam stellte fest, dass die gemeinsamen Eiweiße von Hirn und Hoden vor allem an der Bildung von neuem Gewebe und Zellkommunikation beteiligt sind. Das sei eigentlich nicht weiter ungewöhnlich, wie die Wissenschaftler erklären. Beide Organe haben einen sehr hohen Energiebedarf und verfügen über extrem spezialisierte Zellen – beim Gehirn sind es die Neuronen, beim Hoden die Keimzellen. Hinzu komme, dass sowohl Nervenzellen als auch Spermien ähnlich funktionieren. Beide Zelltypen erfüllen ihre Aufgaben, indem sie Stoffe aus der Zellmembran heraustransportieren – das nennt man Exozytose. Auf diese Weise geben Gehirnzellen Neurotransmitter untereinander weiter. Bei Spermien wird der gleiche Prozess verwendet, um wichtige Informationen zur Befruchtung freizusetzen und um sich mit einer weiblichen Eizelle zu verschmelzen.

Beeinflussen die Proteine in Hoden und Gehirn also auch zum Teil die Intelligenz?
 
Warum ausgerechnet diese beiden Organe so viele Gemeinsamkeiten aufweisen, darüber können die Experten bisher nur Vermutungen anstellen. Ein evolutionärer Ursprung liege nahe, da Hoden und Gehirn während der Artbildung unter ähnlichen Einflüssen entstanden seien.

Die Forscher gehen davon aus, dass auf beide Organe derselbe Selektionsdruck ausgeübt wurde, was dazu führte, dass sie sich konvergent entwickelt haben. Darauf würden vor allem die 60 Protein-codierenden Gene hinweisen, die für den Menschen einzigartig sind – und von denen besonders viele sowohl im Gehirn als auch in den Hoden zu finden sind.

Diese Gene können zu phänotypischen Merkmalen beitragen, die für den Menschen exklusiv sind, wie zum Beispiel die verbesserte kognitive Fähigkeit.
Auszug aus der Studie

Bisher sei die Verbindung beider Organe noch wenig erforscht, betonen die Wissenschaftler. In weiteren Studien soll mithilfe der bisherigen Ergebnisse näher untersucht werden, wie zum Beispiel Funktionsstörungen von Gehirn und Hoden entstehen – und auch, was dagegen helfen könnte.

Eine Ausrede für triebgesteuertes Denken werden wohl aber auch Folgestudien nicht liefern können.

 

Nota. -Ist das menschliche Gehirn aus den männlichen Keimdrüsen hervorgegangen, oder umgekehrt die männlichen Keimdrüsen aus unserm Gehirn?

Aufschlussreich wäre auch die Frage, mit wessen Organen das Gehirngewebe so gar keine Verwandtschaft erkennen lässt.

JE




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