Freitag, 16. April 2021

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aus scinexx

Spermidin hält das Gehirn im Alter fit
Naturstoff wirkt dem geistigen Abbau im Alter entgegen – bei Mensch und Maus

Turbo fürs Gedächtnis: Das in vielen Nahrungsmitteln enthaltene Spermidin stärkt das alternde Gehirn und kann dem geistigen Abbau entgegenwirken, wie nun Versuche mit Mäusen und Menschen nahelegen. Bei Ernährung mit spermidinreicher Kost besserten sich Gedächtnis und Lernen und die kognitiven Leistungen nahmen weniger stark ab. Erreicht wird diese Wirkung offenbar durch eine positive Wirkung des Spermidins auf die Mitochondrien und zelluläre Entsorgungsprozesse.

Der Naturstoff Spermidin ist in Weizenkeimen, Nüssen, Pilzen und vielen anderen Lebens-mitteln enthalten und wird schon länger wegen seiner gesundheitsfördernden Wirkung erforscht. Schon vor einigen Jahren legten Tierversuche nahe, dass eine spermidinreiche Kost das Leben von Fadenwürmern und Fliegen verlängern kann und die Hirnleistung positiv beeinflusst. Eine erste Pilotstudie im Jahr 2017 lieferte auch beim Menschen erste Hinweise aufpositive Effekte auf die Gedächtnisleistungen.

Gedächtnis von Mäusen gestärkt

Ob das Spermidin auch dem geistigen Abbau im Alter entgegenwirken kann, haben nun Sabrina Schroeder von der Universität Graz und ihre Kollegen bei Mäuse und Menschen untersucht. Im ersten Experiment reicherten sie das Futter von älteren Mäusen ein halbes Jahr lang mit Spermidin an. Vorher und nachher untersuchten sie Lernverhalten und Gedächtnis der Tiere in mehreren standardisierten Tests.

Das Ergebnis: „Es konnte gezeigt werden, dass oral verabreichtes Spermidin das Gehirn von Mäusen erreicht und dass diese im Alter in verschiedenen Gedächtnistests besser abschneiden als Mäuse, die keine Extraportion Spermidin bekamen“, berichtet Schroeders Kollege Andreas Zimmermann. Der Naturstoff wirkt bei den Tieren offenbar dem sonst typischen geistigen Abbau entgegen.

Positive Wirkung auch beim Menschen

Aber zeigen sich diese positiven Effekte des Spermidins auch beim Menschen? Um das herauszufinden, haben Schroeder und ihr Team die Daten von 800 älteren Teilnehmenden einer Langzeitstudie aus Südtirol ausgewertet. Diese wurden von 1995 bis 200 intensiv medizinisch und psychologische begleitet und regelmäßig auf ihre kognitiven Leistungen hin mit einer Batterie standardisierter Tests untersucht. Zudem wurde erfasst, wie viel Spermidin die Testpersonen mit ihrer Nahrung oder Nahrungsergänzungsmitteln aufnahmen.

Das Ergebnis: Teilnehmende, die während der Studiendauer mehr Spermidin aufgenommen hatten, zeigten über die folgenden fünf Jahre hinweg deutlich weniger kognitive Einbußen als Menschen mit gleichen Alters und aus vergleichbaren Umständen, deren Nahrung weniger Spermidin enthalten hatte. „Dieser Zusammenhang war bei Frauen und Männern feststellbar und blieb auch innerhalb verschiedener Altersgruppen und Kategorien konsistent“, schreiben die Forschenden. Der positive Effekt des Spermidins auf die geistigen Leistungen wurde zudem mit der aufgenommen Dosis deutlicher.

Turbo für die Mitochondrien

Doch worauf beruht die positive Wirkung des Spermidins auf unser Gehirn? In näheren Analysen bei Mäusen und Fliegen stellte das Team fest, dass eine vermehrte Zufuhr von Spermidin die Mitochondrien-Funktion im Hippocampus erhöht – einem für Lernen und Gedächtnis entscheidenden Hirnareal. Schon länger vermuten Wissenschaftler, dass die „Kraftwerke der Zelle“ im Alter weniger effektiv arbeiten und dass dadurch vor allem die Gehirnzellen unter Energiemangel leiden.

Den aktuellen Daten zufolge fördert das Spermidin eine biochemische Reaktionskette, durch die die Produktion bestimmter Mitochondrien-Proteine angeregt wird. Das könnte die Leistung der Zellkraftwerke stärken und erklären, warum sie bei Spermidingabe besser arbeiten. Zudem ergaben die Analysen, dass das Spermidin auch die Autophagie – das Reinigungssystem der Zellen – positiv beeinflusst.

Ansatz für Vorbeugung und Therapie

„Die Kombination von epidemiologischen und experimentellen Daten eröffnet damit die spannende Möglichkeit, dass Spermidin Menschen gegen den geistigen Abbau schützen könnte“, sagen Schroeder und ihre Kollegen. Das könnte neue Chancen der Therapie und Prävention schaffen.

„Die Beobachtungen belegen einen Zusammenhang, der in naher Zukunft auch mit einer Interventionsstudie bestätigt werden sollte, zumal es im kognitiven Bereich bisher sehr wenige Möglichkeiten einer positiven Beeinflussung gibt“, sagt Koautor Stefan Kiechl von der Medizinischen Universität Innsbruck. (Cell Reports, 2021; doi: 10.1016/j.celrep.2021.108985555)

Quelle: Medizinische Universität Innsbruck

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