Geprägt
wurde der polemische Begriff „toxische Männlichkeit“ von der
mythopoetischen Männerbewegung der Achtzigerjahre, die diese giftige von
einer „tiefen“ Männlichkeit unter-schied. Doch weite Verbreitung fand er
erst in den letzten Jahren. Naturwissenschaftlich fun-diert ist er
nicht, doch man kann mit der Frage tändeln, was denn das Gift sei. Das
Testoste-ron, sagen einige, die Biologin Alison Nguyen (Berkeley)
fokussiert auf ein größeres Molekül: Sie spricht vom „Toxic Y
Chromosome“, soeben im Titel einer Publikation in „PlOs Gene-tics“ (22.
4.), gemeinsam mit Doris Bachtrog. Sie meinen das wörtlich: Die Struktur
der Y-Chromosomen sei dafür verantwortlich, dass Männer kürzer leben.
Beziehungsweise Männchen: Die Arbeit behandelt Fruchtfliegen der Art
Drosophila miranda.
*
Toxic
Y chromosome: increased repeat expression and age-associated
heterochromatin loss in male Drosophila with a young Y chromosome
Sex‐specific
differences in lifespan are prevalent across the tree of life and
influenced by heteromorphic sex chromosomes. In species with XY sex
chromosomes, females often outlive males. Males and females can differ
in their overall repeat content due to the repetitive Y chromosome, and
repeats on the Y might lower survival of the heterogametic sex (toxic Y
effect). Here, we take advantage of the well‐assembled young Y
chromosome of Drosophila miranda to study the sex‐specific dynamics of chromatin structure and repeat expression during aging in male and female flies. Male D. miranda
have about twice as much repetitive DNA compared to females, and live
shorter than females. Heterochromatin is crucial for silencing of
repetitive elements, yet old D. miranda flies lose H3K9me3
modifications in their pericentromere, with heterochromatin loss being
more severe during aging in males than females. Satellite DNA becomes
de‐repressed more rapidly in old vs. young male flies relative to
females. In contrast to what is observed in D. melanogaster, we find that transposable elements (TEs) are expressed at higher levels in male D. miranda
throughout their life. We show that epigenetic silencing via
heterochromatin formation is ineffective on the large TE‐ rich neo‐Y
chromosome, resulting in up‐regulation of Y‐linked TEs already in young
males. This is consistent with an interaction between the age of the Y
chromosome and the genomic effects of aging. Our data support growing
evidence that “toxic Y chromosomes” can diminish male fitness and a
reduction in heterochromatin can contribute to sex‐specific aging.
Nota. - Das Rätselraten darüber, wieso Männer früher sterben als Frauen, ist nun um eine Eventualität reicher: Es könnte am Y-Chromosom selber liegen. Courte et bonne war die männliche Lebensphilosophie des 17. Jahrhunderts bei den Franzosen...
Über das Gute daran, denSegen, habe ich mich bereits hier verbreitet.
In der Debatte um die Gendersprache hat der CDU-Politiker Friedrich Merz
ein Verbot nach französischem Vorbild ins Spiel gebracht. Den
wachsenden Zwang zum Gebrauch von ge-schlechtergerechter Sprache halte er
für „rechtlich angreifbar“, sagte Merz laut einer Vorab-meldung vom
Donnerstag dem „Spiegel“. „Es gibt nach meiner Wahrnehmung einen
kultu-rellen Konsens in der Republik – die überwiegende Mehrheit der
Menschen lehnt die Gender-sprache ab.“
Merz erinnerte
daran, dass Frankreich allen staatlichen Institutionen untersagt habe,
geschlech-tergerechte Sprache zu verwenden. „Die Franzosen haben offenbar
ein besseres Feingefühl für den kulturellen Wert ihrer sehr schönen
Sprache“, sagte Merz. Gerade in gesellschaftlich ver-antwortungsvollen
Positionen „kann das nicht jeder so machen, wie er das vielleicht gerne
hätte“.
Nota. - Ich bin wirklich kein Anhänger von Herrn Merz, aber wo er Recht hat, werde ich auch ihm meinen Beifall nicht versagen.
Und dies an die Reaktion: Das Gendern ist nicht geschlechtergerecht, sondern geschlechter-ungerecht. JE
"Dass Frauen Täterinnen sein können, können sich nur wenige vorstellen"
In der Gesellschaft dominiert das Bild der Frau als Opfer. Die
forensische Psychiaterin Sigrun Roßmanith will das ändern - mit einem
Buch über Täterinnen. Ein Gespräch über die dunkle Seite der weiblichen
Seele.
Frauen verstümmeln, quälen, töten. Sie misshandeln ihre Kinder,
missbrauchen sie sexuell. Doch in der Gesellschaft sind Täterinnen ein
Tabu, sagt die österreichische Psychiaterin Sigrun Roßmanith, die seit
mehr als 20 Jahren als Gerichtsgutachterin arbeitet und gerade ihr Buch
"Täterin – Gewalt- und Sexualstraftaten von Frauen" veröffentlicht hat.
Claudia Füßler hat mit ihr gesprochen.
BZ: Frau Roßmanith, warum braucht es ein Buch über Frauen als Täterinnen? Roßmanith: Weil es zwar stimmt, dass Frauen
in sehr geringer Anzahl Gewalttaten und in noch geringerer Zahl
Sexualstraftaten begehen, diese aber dennoch in der Betrachtung des
Ganzen meist fehlen. Die Rolle der Frau als Opfer ist im
gesellschaftlichen Blickwinkel nahezu einzementiert. Man traut Frauen
Gewalttaten kaum zu und hört selten etwas von häuslicher Gewalt, die von
Frauen verübt wird. Männer hingegen haben keinen Opferstatus, und wenn
ein Mann wirklich mal anzeigt, dass eine Frau ihm gegenüber gewalttätig
geworden ist, dann wird er als Loser wahrgenommen. Es stimmt, die
Mehrheit der Frauen ist Opfer. Aber die Gesellschaft macht daraus ein
immer. Das entspricht nicht der Realität. BZ:Wie sieht die denn aus? Roßmanith: Etwa zwölf bis 15 Prozent der
Gewalttaten werden von Frauen verübt, weltweit sind weniger als fünf
Prozent der Amoktäter weiblich. Häufig wird davon ausgegangen, dass
Gewalt von Frauen nur reaktiv ist. Das ist allerdings nicht meine
Erfahrung. Frauen sind nicht bessere Menschen als Männer, bei ihnen
greifen nur andere Mechanismen. Wir sind Meisterinnen der destruktiven
verbalen und emotionalen Gewalt. Doch dass Frauen Täterinnen sein
können, können sich nur wenige vorstellen, da überwiegt das
Gute-Mutter-Stereotyp. Diese Schattenecke wollte ich ausleuchten.
Sachlich, wertfrei, ohne zu verurteilen. Ich sage einfach: Das gibt es
auch. Das kann ich nur als Frau machen, und nur als eine, die schon
Jahrzehnte an Erfahrung hat und nichts mehr werden möchte.
Sigrun Roßmanith ist Psychiaterin und Psychotherapeutin und seit fast 25
Jahren als Strafgerichtsgutachterin mit Schwerpunkt Gewalt- und
Sexualdelikte in Österreich tätig.
BZ:Weil das Thema angreifbar macht? Roßmanith:Mir ist schon vieles unterstellt
worden, ich bin quasi die Verräterin, die Frauen an den Pranger stellt.
Der Anteil von Frauen als Täterinnen sei doch vernichtend klein, wird
mir oft entgegengehalten. Ja. Aber es gehört hingeschaut. Ich habe ja
bei mir selbst gemerkt, wie stark das Tabu in diesem Bereich wirkt BZ:Können Sie das näher erläutern? Roßmanith: Ich habe eine Mutter begutachtet,
die ihr Kind gewalttätig misshandelt hat. Sie war gleichzeitig aber
auch eine Sexualstraftäterin, die ihre kleine Tochter nicht nur vom
Partner missbrauchen ließ, sondern sie selbst, zu Strafzwecken, mit dem
Finger vaginal penetriert hat. Als erfahrene Psychiaterin habe ich beim
ersten Begutachtungstermin vergessen, nach dem Sexualdelikt zu fragen.
Das hat mich im Nachhinein erschreckt. Offenbar habe ich selbst das
Tabuthema ausgeklammert. Das wollte ich ändern, indem ich bewusst den
Blick darauf lenke. Auch um andere wachzurütteln. BZ: Es wird ja oft angenommen, die Hemmschwelle zur Gewalt liege bei Frauen höher als bei Männern. Ist dem so? Roßmanith: Die Schwelle, die überschritten
werden muss, um jemanden zu töten, ist üblicherweise enorm hoch – bei
Männern und Frauen. Bei beiden entfaltet das Gefühl, gekränkt worden zu
sein, eine enorme Sprengkraft, die zu Gewalttaten führen kann. In der
gesellschaftlichen Wahrnehmung hingegen fällt das Töten Männern
leichter, Frauen töten immer nur aus gravierenden Gründen. Und es gibt
noch etwas Eigentümliches: Der Begriff der traumatisierten Frau ist gang
und gäbe. Es kommt vor, dass ein Täter oder eine Täterin etwas
Traumatisches erlebt hat, was vielleicht dazu beigetragen hat, dass er
oder sie die Tat begangen hat. Männer haben kein Opfergefühl, sie führen
so etwas nie an, während Frauen oft von sich aus sagen: Ich bin
traumatisiert, sonst wäre das nicht passiert. BZ: Das kann ja durchaus stimmen. Roßmanith: Natürlich. Es gibt sicher einen
gewissen Anteil von Frauen, die ihr halbes Leben lang geprügelt werden.
Die prügeln dann einmal zurück und es wird daraus irgendwann ein
Tötungsdelikt. Auf die Diskussion "Aber Frauen wehren sich ja nur, weil
sie unterdrückt werden" lasse ich mich aber nicht ein. Es kommt vor,
aber generell genommen ist es zu kurz gedacht. Es wird dem Spektrum an
Taten und Täterinnen nicht gerecht. BZ: Inwieweit spiegelt sich diese Wahrnehmung von Frauen als Täterinnen in Gerichtsurteilen wider? Roßmanith: Gerichten wurde früher gern
vorgeworfen, dass sie gegen Frauen niedrigere Freiheitsstrafen
verhängen. Das stimmt zumindest bei Gewalttaten von Frauen in Österreich
– und nur hier kann ich das bestimmt sagen – nicht mehr. Jüngst hat
eine Mutter, die ihre drei Kinder getötet hat, lebenslänglich bekommen.
Das wäre vermutlich vor 25 Jahren nicht so gewesen. Da wurden Frauen oft
einfach als Mittäterin oder ihre Tat als einmalige Entgleisung in einer
Lebenskrise gesehen. Bei Sexualstraftäterinnen ist das bis heute oft
noch so. Nehmen Sie Ghislaine Maxwell, die Mittäterin des verurteilten
Sexualstraftäters Jeffrey Epstein. Sie deklariert sich nur als
Mittelsfrau, die selbst abhängig war von Epstein, während die Opfer sie
als Täterin bezeichnen. Es fällt uns schwer, uns vorzustellen, dass eine
Frau sich sexuell an Minderjährigen vergeht, weil sie das Zuschauen und
Mitmachen genießt. Aber das gibt es. BZ: Sie arbeiten jetzt seit 25 Jahren als forensische Psychiaterin – hat sich Ihr Blick auf die Frauen verändert? Roßmanith:Ich blicke kritischer als anfangs
auf das, was man mir erzählt. Die forensische Psychiatrie ist ein
schwieriges Fach, da war ich zunächst sehr damit befasst, wie ich
vorgehen muss. Inzwischen kann ich mich mehr auf die Frauen – und
natürlich die Männer, die begutachte ich ebenfalls – einschwingen. Ich
achte darauf, wie sie mir emotional begegnen und was sie mir vielleicht
zwischen den Zeilen sagen. Anfangs war ich auch in dem Duktus "eine
Mutter tut so etwas nicht" gefangen. Jetzt bin ich offen, neugierig und
fühle mich vorurteilsfrei. Ich möchte den ganzen Menschen erfassen. Mein
Staunen über die Destruktivität von Menschen und meine Neugierde halten
mich in Schwung. Wie kommt es zu dieser Tat? Das interessiert mich noch
immer.
Nota. -Und wenn Wegschauen nicht reicht: canceln. JE
Nota. Das
obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie
der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht
wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE
"Jetzt sollten weitere Männer freiwillig auf Macht verzichten", schreibt der Berliner Tages-spiegel anlässlich der Kandidatur seiner Frau ohne Eigenschaften. Was würde er erst schreiben, würde sie wirklich gewählt?
Mutmaßlich und gottseidank werden wir es wohl nicht mehr erfahren.
Turbo fürs Gedächtnis: Das in
vielen Nahrungsmitteln enthaltene Spermidin stärkt das alternde Gehirn
und kann dem geistigen Abbau entgegenwirken, wie nun Versuche mit Mäusen
und Menschen nahelegen. Bei Ernährung mit spermidinreicher Kost
besserten sich Gedächtnis und Lernen und die kognitiven Leistungen
nahmen weniger stark ab. Erreicht wird diese Wirkung offenbar durch eine
positive Wirkung des Spermidins auf die Mitochondrien und zelluläre
Entsorgungsprozesse.
Der Naturstoff Spermidin ist in Weizenkeimen, Nüssen, Pilzen und
vielen anderen Lebens-mitteln enthalten und wird schon länger wegen
seiner gesundheitsfördernden Wirkung erforscht. Schon vor einigen Jahren
legten Tierversuche nahe, dass eine spermidinreiche Kost das Leben von
Fadenwürmern und Fliegen verlängern kann und die Hirnleistung positiv
beeinflusst. Eine erste Pilotstudie im Jahr 2017 lieferte auch beim
Menschen erste Hinweise aufpositive Effekte auf die Gedächtnisleistungen.
Gedächtnis von Mäusen gestärkt
Ob das Spermidin auch dem geistigen Abbau im Alter entgegenwirken
kann, haben nun Sabrina Schroeder von der Universität Graz und ihre
Kollegen bei Mäuse und Menschen untersucht. Im ersten Experiment
reicherten sie das Futter von älteren Mäusen ein halbes Jahr lang mit
Spermidin an. Vorher und nachher untersuchten sie Lernverhalten und
Gedächtnis der Tiere in mehreren standardisierten Tests.
Das Ergebnis: „Es konnte gezeigt werden, dass oral verabreichtes
Spermidin das Gehirn von Mäusen erreicht und dass diese im Alter in
verschiedenen Gedächtnistests besser abschneiden als Mäuse, die keine
Extraportion Spermidin bekamen“, berichtet Schroeders Kollege Andreas
Zimmermann. Der Naturstoff wirkt bei den Tieren offenbar dem sonst
typischen geistigen Abbau entgegen.
Positive Wirkung auch beim Menschen
Aber zeigen sich diese positiven Effekte des Spermidins auch beim
Menschen? Um das herauszufinden, haben Schroeder und ihr Team die Daten
von 800 älteren Teilnehmenden einer Langzeitstudie aus Südtirol
ausgewertet. Diese wurden von 1995 bis 200 intensiv medizinisch und
psychologische begleitet und regelmäßig auf ihre kognitiven Leistungen
hin mit einer Batterie standardisierter Tests untersucht. Zudem wurde
erfasst, wie viel Spermidin die Testpersonen mit ihrer Nahrung oder
Nahrungsergänzungsmitteln aufnahmen.
Das Ergebnis: Teilnehmende, die während der Studiendauer mehr
Spermidin aufgenommen hatten, zeigten über die folgenden fünf Jahre
hinweg deutlich weniger kognitive Einbußen als Menschen mit gleichen
Alters und aus vergleichbaren Umständen, deren Nahrung weniger Spermidin
enthalten hatte. „Dieser Zusammenhang war bei Frauen und Männern
feststellbar und blieb auch innerhalb verschiedener Altersgruppen und
Kategorien konsistent“, schreiben die Forschenden. Der positive Effekt
des Spermidins auf die geistigen Leistungen wurde zudem mit der
aufgenommen Dosis deutlicher.
Turbo für die Mitochondrien
Doch worauf beruht die positive Wirkung des Spermidins auf unser
Gehirn? In näheren Analysen bei Mäusen und Fliegen stellte das Team
fest, dass eine vermehrte Zufuhr von Spermidin die
Mitochondrien-Funktion im Hippocampus erhöht – einem für Lernen und
Gedächtnis entscheidenden Hirnareal. Schon länger vermuten
Wissenschaftler, dass die „Kraftwerke der Zelle“ im Alter weniger
effektiv arbeiten und dass dadurch vor allem die Gehirnzellen unter
Energiemangel leiden.
Den aktuellen Daten zufolge fördert das Spermidin eine biochemische
Reaktionskette, durch die die Produktion bestimmter
Mitochondrien-Proteine angeregt wird. Das könnte die Leistung der
Zellkraftwerke stärken und erklären, warum sie bei Spermidingabe besser
arbeiten. Zudem ergaben die Analysen, dass das Spermidin auch die Autophagie – das Reinigungssystem der Zellen – positiv beeinflusst.
Ansatz für Vorbeugung und Therapie
„Die Kombination von epidemiologischen und experimentellen Daten
eröffnet damit die spannende Möglichkeit, dass Spermidin Menschen gegen
den geistigen Abbau schützen könnte“, sagen Schroeder und ihre Kollegen.
Das könnte neue Chancen der Therapie und Prävention schaffen.
„Die Beobachtungen belegen einen Zusammenhang, der in naher Zukunft
auch mit einer Interventionsstudie bestätigt werden sollte, zumal es im
kognitiven Bereich bisher sehr wenige Möglichkeiten einer positiven
Beeinflussung gibt“, sagt Koautor Stefan Kiechl von der Medizinischen
Universität Innsbruck. (Cell Reports, 2021; doi:
10.1016/j.celrep.2021.108985555)
Weil er Frauen in einem wissenschaftlichen Text nur mitgemeint, aber
nicht direkt angesprochen hatte, bekam ein Student der Uni Kassel
Punktabzug. Ein Interview über das Gendern und die Debattenkultur an
Unis.
Die
Uni Kassel spricht sich auf ihrer Website für die Verwendung
gendergerechter Sprache aus und bezeichnet das generische Maskulinum als
ungeeignet, Geschlechtergerechtigkeit auszu-drücken. Dozenten könnten, so heißt es,
selbst entscheiden, ob sie das Gendern zum Bewer-tungskriterium bei
Prüfungsleistungen machen, dies müsse jedoch transparent angekündigt
werden. Von solch einem Fall hat jetzt die Hessische/Niedersächsische Allgemeine berichtet: Bereits im Wintersemester 2018/19 waren einem Studenten Punkte abgezogen worden, weil er in einer Studienleistung keine gendergerechte Sprache verwendet hatte. Die Hochschule hat in einer Stellungnahme
reagiert und darauf hingewiesen, dass solche Punktabzüge nur unter
spe-zifischen Voraussetzungen gestattet sind. Bisher habe es über diese
Praxis keine Beschwerden gegeben; der Universitätsleitung sei der Fall
nur aus den Medien bekannt.
Wir haben mit dem betroffenen Studenten gesprochen.
***
Ihnen
sollen in einer Studienleistung Punkte abgezogen worden sein, weil Sie
das generische Maskulinum verwendet haben. Stimmt das?
Lukas Honemann:
Ich musste im Wintersemester 2018/19 im ersten Modul des bildungs- und
gesellschaftswissenschaftlichen Kernstudiums ein Portfolio abgeben, das
drei Aufgaben umfasste, die wissenschaftlichen Charakter hatten. Ich
habe meine erste Aufgabe eingereicht und Punktabzug dafür erhalten, dass
ich das generische Maskulinum verwendet habe. Bei den folgenden
Aufgaben habe ich mich dem Ganzen gebeugt und gegendert, um diesem
Punktabzug zu entgehen.
Wie entscheidend war der Punktabzug?
Wir haben ein
Notensystem von null bis fünfzehn Punkten wie in der Oberstufe und ich
habe einen Punkt verloren, weil ich nicht gegendert habe. Ich bin
dadurch dem Durchfallen aber nicht nahegekommen.
Gab es eine Begründung für den Punktabzug bei der ersten Abgabe?
Der Modulkurs
liegt schon etwas zurück, aber ich meine, dass mir begründet wurde, das
sei an der Universität Kassel Konsens und der akademische Stand,
deswegen solle gegendert werden.
Auf der
Website der Uni Kassel heißt es, Lehrbeauftragten stehe es frei, die
Verwendung gendergerechter Sprache als Bewertungskriterium anzuführen.
Das solle aber frühzeitig angekündigt und transparent gemacht werden.
War das bei Ihnen der Fall?
Es kann sein,
dass das bei mir selber etwas untergegangen ist und ich das damals nicht
mitbekommen habe. Ich weiß aber, dass das mittlerweile in der gleichen
Vorlesung groß angekündigt wird. Hier wird gedroht, dass der Verzicht
auf genderneutrale Sprache ein Grund sein kann durchzufallen. Bei vielen
Dozenten, die selbst gendern, wird das aber auch einfach vorausgesetzt
und gilt als Konsens.
Nachdem Sie von Ihrem Punktabzug erfahren haben, haben Sie sich dem Gendern also gefügt?
Richtig.
Nachdem ich beim ersten Teil des Portfolios Punktabzug bekommen hatte,
habe ich mit der Tutorin gesprochen und seitdem gegendert, weil ich
keine andere Wahl gesehen habe. Ich war damals achtzehn Jahre alt und
wusste nicht, was ich gegen eine solche Vorgabe von „der Autorität“ tun
soll. Das soll kein persönlicher Feldzug gegen die Tutorin sein, ganz im
Gegenteil. Die Thematik ist wieder hochgekommen, weil das eben auch
Thema bei den Hochschulwahlen ist und politisch angegangen wird. Die
Verpflichtung zum Gendern stößt mehreren Leuten auf.
Werden Sie in Zukunft weiterhin gendern?
Ich
bin mir selber noch nicht ganz sicher. Ich würde am liebsten einfach so
schreiben, wie es das deutsche Sprachsystem vorsieht. Ich bin mir aber
sicher, dass das zu Punktabzug führen kann. Um Diskussionen, Ärger und
schlechteren Noten aus dem Weg zu gehen, werde ich mich dem Gendern
fügen. An dieser Stelle würde ich das Gendern gerne mit Fußnoten
vergleichen. Zitieren in Fußnoten ist schon seit vielen Jahren der
akademische Konsens. Seitdem das ausdiskutiert wurde, zitiert man,
zumindest im Fach Geschichte, in Fußnoten, so wie man im Fach Politik
eben mit der Harvard-Zitierweise arbeitet. Im Gegensatz zu Fußnoten ist
das Gendern aber noch kein breiter akademischer und gesellschaftlicher
Konsens. Dementsprechend kann man aus meiner Sicht die Zitation in
Fußnoten bewerten, gendergerechte Sprache aber nicht.
An der
Uni Kassel gibt es ja auch keine einheitliche Regelung zur Verwendung
gendergerechter Sprache. Die Dozenten können selbst entscheiden, ob das
für sie ein Bewertungskriterium ist.
Das ist
richtig, zum Beispiel wird in der Alten Geschichte gar nicht gegendert,
so wie ich das aufgefasst habe. Aber in den Politikwissenschaften wird
das Gendern in den meisten Fällen vorausgesetzt.
Der
Verein Deutsche Sprache, der den Punktabzug kritisiert, wird in einem
Medienbericht damit zitiert, einen Prozess bis zum
Bundesverfassungsgericht finanzieren zu wollen, sollte gegen den
Punktabzug geklagt werden. Haben Sie das vor?
Auch da bin ich
mir nicht sicher, aber ich gehe eher von „Nein“ aus, weil die Leistung
schon länger zurückliegt und nicht in meine Staatsexamen eingeht.
Dementsprechend habe ich keinen schwerwiegenden Nachteil erfahren. Ich
weiß nicht, wie sich das in der Zukunft weiterentwickelt, aber ich gehe
momentan eher von „Nein“ aus als von „Ja“.
In
einem Zeitungsartikel, in dem Sie zitiert wurden, sagten Sie, das
Gendern dürfe kein politischer Akt sein. Was meinen Sie damit?
Je nachdem,
welchen Politikbegriff man verwendet, kann nahezu alles als politischer
Akt gewertet werden. Weil das Gendern politisch umstritten ist und es
eine Diskussion darum gibt, ist es noch nicht allgemeiner Konsens. So
lange verhandelt wird, ist es, würde ich sagen, ein politischer Akt,
sich bei der Bewertung auf die eine oder die andere Seite zu stellen.
Das Interessante ist, dass gerade an der Uni Kassel, die ja eher dem
linken Spektrum zuzurechnen ist, viel über Enthierarchisierung und die
Demontage von Autorität gesprochen wird. Interessant ist hierbei, dass
das von „linken Kräften“ propagierte Gendersternchen eben über Autorität
an die Studenten herangetragen wird. Das finde ich problematisch.
Sollten Universitäten bei der Verwendung geschlechtergerechter Sprache nicht mit gutem Beispiel vorangehen?
Das ist ja
gerade die Frage, ob es ein gutes Beispiel ist. In England ist es so,
wenn ich mich nicht irre, dass viele Frauen nicht gesondert angesprochen
werden wollen, weil sie sich dann in eine Sonderrolle gedrängt fühlen.
Außerdem macht es das Gendern mit Sternchen oder Unterstrich Menschen
mit Lese-Rechtschreib-Schwäche schwieriger, Texte zu lesen. Deswegen
weiß ich nicht, ob das Gendern der richtige Weg ist. Ich möchte hier
betonen, dass es keine Debatte über Gleichberechtigung ist. Was die
Gleichberechtigung angeht, muss noch einiges getan werden und da sind
wir auch, würde ich sagen, zum Beispiel im Vergleich mit den
Achtzigerjahren auf Rückschritten, soweit ich mich da auf empirische
Daten stützen kann. Hier geht es aber um Schreibweisen. Da ist die
Frage, ob es wirklich Diskriminierung abbaut, wenn ich einen Stern oder
ein -In benutze. Natürlich steht dahinter die Theorie, dass
über Sprache das Denken verändert wird, aber ob das hier zum Tragen
kommt, da bin ich mir nicht sicher. Ob es ein gutes Beispiel ist, bleibt
zu diskutieren, aber Universitäten sollten natürlich mit einem Beispiel
vorangehen und durchaus Ideen entwickeln, die dann für die
Gesamtgesellschaft nützlich sein können. Besonders die Nützlichkeit der
Notenvergabe auf das Gendern stelle ich in Frage.
Und wie kommt das Gendern als Bewertungskriterium bei den Studierenden an?
Die Universität
ist ja ein Stückweit ein Querschnitt der Bevölkerung. Da ist es zum
Beispiel so, dass das Gendern in manchen Kreisen abgelehnt wird. Aber
aufgrund der Notenvergabe, die dahintersteht, wird sich natürlich
niemand dazu durchringen, das nicht zu tun. Gleichzeitig gibt es auf der
anderen Seite eher links ausgerichtete Studenten, die das Ganze
umsetzen, begrüßen und auch einfordern. Die Studentenschaft ist bei
diesem Thema, wie auch die Gesamtgesellschaft, zerstritten. Hier möchte
ich noch anführen, dass derzeit ein offener Brief an der Uni Kassel
herumgeht, in dem sich Leute gegen das Gendern und die Benotung des
Genderns aussprechen. Ich selber habe diesen Brief nicht unterzeichnet,
weil ich nicht möchte, dass der Anschein entsteht, ich hätte ihn ins
Leben gerufen. Aber ich begrüße es, dass sich in der Studentenschaft
etwas regt.
Inwieweit wird das Thema „Gendern“ im Studierendenparlament thematisiert?
Es wird nicht thematisiert. Es ist da gar kein Thema.
In
einer Stellungnahme der Uni Kassel heißt es, der Punktabzug wegen
Genderverzichts müsse voll transparent und von wissenschaftlicher
Relevanz für das Thema sein. Was sagen Sie dazu?
Die
wissenschaftliche Relevanz dürfte nur in wenigen Fällen gegeben sein.
Ich vermute, die wissenschaftliche Relevanz des Genderns geht davon aus,
dass das Gendern als Konsens betrachtet wird. Zur Transparenz würde ich
sagen, es ist meistens so, dass unterstellt wird, etwas sei bekannt.
Dazu kommt, dass man es in Seminaren auch oft mit einer linken Hegemonie
zu tun hat. Das heißt, dass man da in einer Diskussion auch wenig
erreichen wird. Am Ende ist es so, das ist wieder die Sache mit der
Hierarchie, dass die Dozenten die Noten geben. Man möchte natürlich
nicht negativ auffallen oder gar als verstaubt gelten und eine
schlechtere Beziehung mit einem Dozenten riskieren. Man merkt es ja
auch, wenn Dozenten beim Sprechen gendern und beispielsweise bewusst
Pausen setzen. Da weiß man, wie die Leute eingestellt sind.
Schränkt die Angst, schlechtere Noten zu bekommen, also die Debattenkultur zum Thema Gendern ein?
Ja. Diese
Genderdebatte ist relativ symptomatisch für die linke Diskussionskultur.
Ich würde hier von einer moralischen Problematik sprechen. Im Namen des
Progressivseins wird relativ schnell jede pragmatische Position
verdrängt. Es wird eben gesagt das Gendern sei im Sinne der
Antidiskriminierung. Ich glaube, das ist das Kernproblem, das
dahintersteht, dass davon ausgegangen wird, man liege moralisch richtig,
weil es im Sinne der Gleichberechtigung und im Sinne der
Antidiskriminierung ist. Deswegen gibt es da eigentlich auch kaum
Diskussion. Ich habe jetzt schon Furcht, dass Interviews, die ich gebe
innerhalb der Universität negativ auf mich zurückfallen können.
Die Fragen stellte Gina Arzdorf
Lukas Honemann
ist 20 Jahre alt und studiert im sechsten Semester Germanistik,
Geschichte, Politik und Wirtschaft auf Gymnasiallehramt. Er ist Mitglied
der Jungen Union und seit 2020 Geschäftsführer der
CDU-Kreistagsfraktion Kassel-Land.