Montag, 15. Juli 2019

Kindsmord auch durch Weibchen.


aus scinexx                                                 Grausamer als ihr Ruf: Erdmännchen-Weibchen werden mitunter zu Kindsmörderinnen.

Kindsmord auch durch Weibchen
Weibliche Säugetiere töten Nachwuchs von Konkurrentinnen 

Nicht nur Männersache: Infantizide sind bisher vor allem von männlichen Säugetieren bekannt – doch auch Weibchen werden mitunter zu Kindsmörderinnen. Wie eine Studie zeigt, töten zum Beispiel weibliche Erdmännchen oder Paviane fremde Jungtiere. Dabei machen sie selbst vor Verwandten nicht halt. Durch dieses Verhalten schalten die Weibchen offenbar Konkurrenten aus, die dem eigenen Nachwuchs lebenswichtige Ressourcen streitig machen könnten.

Kindsmord ist im Tierreich gang und gäbe: Vor allem von männlichen Säugetieren ist bekannt, dass sie immer wieder fremde Jungtiere töten. Löwen, Braunbären und Männchen vieler anderer Arten sichern sich auf diese Weise den Zugang zu paarungsbereiten Weibchen und die Weitergabe ihrer eigenen Gene. „Bei manchen Säugetierarten ist Kindstötung sogar die häufigste Todesursache bei Jungtieren“, berichten Dieter Lukas vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und Elise Huchard von der Universität Montpellier.

Doch verüben wirklich nur männliche Tiere diese grausam wirkenden Taten? Mitnichten, wie nun eine Untersuchung der beiden Wissenschaftler zeigt. Sie haben Beobachtungen zusammengetragen, die belegen: Bei vielen Säugetierspezies töten auch Weibchen den Nachwuchs von Konkurrentinnen. So kommt diese Form des Infantizids zum Beispiel bei Erdmännchen, Pavianen und Schimpansen vor.

 Werden die Ressourcen knapp, töten auch weibliche Paviane fremde Jungtiere. 

Vorteile für die eigenen Zöglinge

Welcher Sinn aber steckt hinter diesen Kindsmorden? „Bei Weibchen findet man Kindstötungen häufiger bei Arten, die unter schwierigen Bedingungen leben und bei denen das Austragen und die Aufzucht der Nachkommen mit besonders hohen Kosten verbunden sind“, erklärt Huchard. In Situationen, in denen der Wettbewerb um Nahrung und andere Ressourcen hart ist, könnten Infantizide einzelnen Weibchen demnach Vorteile verschaffen.

Lebt eine Spezies zum Beispiel territorial und sind die Weibchen auf einen bestimmten Brutort oder Bau angewiesen, können sie durch Kindstötungen benachbarte Familien aus der Gegend vertreiben und ihr eigenes Revier vergrößern. Wenn Weibchen Aufzuchtsorte gemeinsam nutzen und sich auch die Erziehung des Nachwuchses teilen, haben Infantizide dagegen andere Vorteile: Sie verhindern dann, dass fremde Nachkommen den eigenen Kindern die Milch stehlen und tragen dazu bei, dass diese mehr Zuwendung durch fremde Mütter erhalten. In sozialen Gruppen können Infantizide zudem der Beseitigung potenzieller Rivalen im Kampf um einen besseren Sozialstatus dienen.

Großmutter tötet Enkel

„All diesen Umständen ist eines gemein: Eine Kindstötung erfolgt häufig dann, wenn die Anwesenheit fremder Nachkommen den Fortpflanzungserfolg eines Weibchens direkt gefährdet. Dies kann der Fall sein, wenn fremde Jungtiere den Zugang zu Ressourcen einschränken, die für den eigenen Nachwuchs lebenswichtig sind – zum Beispiel den Zugang zu Brutorten, Milch, Zuwendung und sozialem Status“, fasst Huchard zusammen.

Überraschenderweise machen die Weibchen in solchen Situationen selbst vor Verwandten nicht halt: „Weibchen begehen etwa genauso häufig Infantizid, unabhängig davon, ob sie mit eng verwandten oder mit nicht verwandten Artgenossen zusammenleben“, berichtet Lukas. So wurde wiederholt beobachtet, dass Großmütter ihre Enkel oder Tanten ihre Nichten töten – unter anderem bei Erdmännchen.

„Dass Weibchen sogar bereit sind, die Nachkommen naher Verwandter zu töten, zeigt, dass der Nutzen für sie selbst und die eigenen Nachkommen den Schaden ausgleicht, den sie einem Familienmitglied zufügen“, sagt Lukas. (Philosophical Transactions of the Royal Society B, 2019; doi: 10.1098/rstb.2018.0075)

Quelle: Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie

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