Dienstag, 25. Juni 2019

Kühlen Kopf bewahren.

aus nzz.ch, 24.6.2019, 05:30 Uhr

Wird’s warm, denken Frauen und Männer unterschiedlich schnell 
Es ist bekannt, dass Frauen im Allgemeinen schneller frösteln als Männer. Das könnte erklären, weshalb die Geschlechter andere Umgebungstemperaturen mögen. Was aber bedeutet das für die Temperatur im Gemeinschaftsbüro?

von Stephanie Lahrtz

Endlich warm! Der Sommer, das ist meine Saison. Denn ich benötige nicht nur viel Licht zum Glücklichsein. Ich komme auch erst ab 25 Grad Umgebungstemperatur auf die optimale Betriebstemperatur. Mein Arbeitszimmer ist unter dem Dach, ausgerichtet nach Südwest – kein Problem. Aber diese tiefgekühlten Büros, die bremsen mich aus. Zum Glück kann ich ab jetzt allen Zweiflern an meiner Normalität wissenschaftliche Fakten entgegenhalten. Und mit mir all jene schnell frierenden Frauen in den weltweit geführten Diskussionen um die optimale Einstellung der Klimaanlage am Arbeitsplatz. 


Frauen sind nämlich bei höheren Temperaturen leistungsfähiger als bei kühlerer Umgebung. Das haben Tom Chang von der Universität in Los Angeles und Agne Kajackaite vom Social Science Center in Berlin kürzlich herausgefunden. Knapp 500 Berliner Studentinnen und Studenten mussten dafür bei Temperaturen von 16 bis 33 Grad Rechenaufgaben, Wortbildungstests sowie diverse Denkaufgaben durchackern.

Die Frauen schnitten sowohl bei den Rechenaufgaben als auch dann, wenn sie aus einem Buchstabensalat sinnvolle Wörter bilden mussten, umso besser ab, je wärmer es war. Die Leistungssteigerung beruhte vor allem auf einem gesteigerten Arbeitstempo.

Persönlich bin ich überzeugt: Untersuchte man weitere kognitive Fähigkeiten, würden Frauen auch in anderen Bereichen ab 25 Grad besser abschneiden. Meine Lebenserfahrung sagt mir nämlich, dass viele Frauen bei Temperaturen unter 20 Grad öfter mal frösteln, was der kognitiven Leistungsfähigkeit nicht förderlich ist.

Bevor frau jetzt aber im nächsten Herbst die Heizung fürs Büro auf 25 Grad hochjustiert, sollte sie bedenken: Die Performance der Männer nahm in der besagten Studie bei steigenden Raumtemperaturen ab. Zwar fiel die Abnahme weniger stark aus als die Zunahme bei den Frauen, aber sie war statistisch signifikant. Die Arbeit bietet also Stoff für neue, endlose und hitzige Debatten: Wessen Hirnleistung, wessen Arbeitstempo ist wichtiger und muss daher klimaanlagentechnisch unterstützt werden?

Zu Sorgen um immer weniger leistungsfähige Männer bei steigenden Temperaturen angesichts des Klimawandels besteht vorerst kein Grund. Denn es gab auch Tests, bei denen die Männer auch bei schön warmer Umgebung gut klarkamen. So gaben sie wie die Frauen ungefähr gleich viele richtige Antworten auf Logikfragen, egal ob es 16 oder 33 Grad warm war.

Dass man Mitarbeiter eher kühl halten sollte, dafür plädieren allerdings andere Studien. So hat unter anderem das Team um Jari Tiihonen aus Finnland gezeigt, dass mit dem Quecksilber auch die Gewaltbereitschaft ansteigt, bei beiden Geschlechtern. Auch das ist eine Bestätigung meiner Alltagserfahrungen. Also doch in den kommenden Wochen die Klimaanlage volle Pulle laufen lassen – oder geschlechtergetrennte Büros, schön kühl für die Herren und angenehm warm für die Damen? 

Welch ein Glück, dass ich allein in meinem Arbeitszimmer bin.


Nota. - Ich rate Ihnen: Machen Sie's wie ich; denken Sie sich ihr' Teil; z. B. dass es auch bei der Leistung nicht auf die Menge ankommt.
JE
 

Dienstag, 18. Juni 2019

Der Männerbund hat eine lange Tradition.

Delfine suchen sich Freunde mit den gleichen Interessen
aus welt.de, 17.06.2019 

Delfine schließen wie wir Freundschaften mit Gleichgesinnten
Männerfreundschaften gibt es nicht nur bei uns Menschen, sondern auch unter Delfinen. Dabei umgeben sie sich ebenfalls am liebsten mit ihresgleichen. Die Meeressäuger bilden Cliquen mit Artgenossen, die die gleichen Interessen haben
 


Schon lange wissen wir: Delfine sind ziemlich schlau und leben in äußerst komplexen Gemeinschaften. Forscher kommen diesen immer mehr auf die Spur und stellten sogar fest, dass das soziale Leben der Meeressäuger unserem ähnelt. So wie wir Menschen sind die Tiere auf das Wohl der Gemeinschaft bedacht. Sie ziehen ihren Nachwuchs gemeinsam groß. Die Älteren geben ihr Wissen, wie beispielsweise bestimmte Jagdtechniken, an die Jungen weiter. Die Meeressäuger kommunizieren ebenfalls in einer ausgeklügelten Sprache und bilden Dialekte aus.
 
 
Mother and calf, Atlantic bottlenose dolphins are socially very tactile and will constantly touch and rub each other to affirm relations
 
Außerdem gehen die männlichen Delfine ähnlich wie wir Menschen Freundschaften mit ihren Geschlechtsgenossen ein. Diese halten sogar häufig ein Leben lang. Um ihre Bromance zu pflegen und zu stärken, synchronisieren die Kumpels ihre Bewegungsabläufe und berühren sich mit den Brust-und Schwanzflossen, was an streicheln erinnert. Zudem kennen sich die Männchen beim Namen. Sie rufen sich mit individuellen Laut- und Pfeifsignalen und halten somit im Getümmel Kontakt. Bei der Wahl ihrer Kumpels setzen die Meeressäuger auf das altbewährte Motto „Gleich und gleich gesellt sich gern“:

Delfine schließen Freundschaften mit Artgenossen, die die gleichen Interessen wie sie selbst haben. Genauer: das Jagen mit Schwämmen.
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Ein Delfin mit Schwammschutz
Ein internationales Forscherteam der Universitäten von Bristol, Zürich und Western Australia hat diese Verhaltensweise bei Großen Tümmlern in der Shark Bay vor der Westküste Australiens untersucht und damit eine Studie aus dem Jahr 2012 bestätigt. Manche Delfine schützen sich mit den Schwämmen die Schnauze, um sich bei der Futtersuche am Meeresboden nicht zu verletzen. Mütter geben diese Jagdtechnik an ihren Nachwuchs weiter – hauptsächlich an ihre Töchter.

Für ihre Studie haben die Wissenschaftler aber ausschließlich Männchen untersucht. Dazu haben sie Fotos sowie Daten zur Genetik und Verhalten von insgesamt 37 Tümmlern ausgewertet. Sie stellten fest, dass die 13 Schwammjäger untereinander viel mehr Zeit miteinander verbrachten und engeren Kontakt pflegten als mit den Artgenossen, die nicht mit dieser Technik jagten.
Delfine suchen sich Freunde mit den gleichen Interessen 
Delfine suchen sich Freunde mit den gleichen Interessen
Praktisch und von Vorteil für die Delfine, wie der Biologe und Ko-Autor der Studie, Simon Allen, in einer Pressemitteilung erklärt: „Die Futtersuche mit einem Schwamm ist eine zeitaufwändige und größtenteils einsame Tätigkeit, die lange Zeit mit den Bedürfnissen der Männchen in der Shark Bay als unvereinbar galt: Zeit in die Bildung enger Allianzen mit anderen Männchen zu investieren.“

Die engen Bindungen sind überlebenswichtig für die Männchen.

In Gruppen können sie Rivalen einfacher abwehren und paarungswillige Weibchen besser umwerben. Übrigens eine weitere Parallele zu uns Menschen: Bekanntermaßen hängen Männer ja gerne zusammen ab, um Frauen aufzureißen.


Nota. - Der als Mitbegründer der Psychonanalyse und als Propagandist der Konservatoiven Revolution berüchtigte und auch sonst höchst umstrittene Hans Blüher vertrat die Auffassung, der - von ihm höchstverehrte - Staat habe seinen Ursprung in den urtümlichen Männerbünden der Jäger und Sammler. Nein, Sie täuschen sich nicht: Das war ein früher Agitator gegen den Feminismus.
JE

Samstag, 15. Juni 2019

Samenverknappung?

aus spektrum.de, 14. 6. 2019

Im Westen kein Sperma
Seit den 1970er Jahren hat die Spermienanzahl von Männern aus westlichen Industrienationen um mehr als die Hälfte abgenommen. Was ist die Ursache dafür? Und stimmen die Zahlen überhaupt? Es ist kompliziert.

von Janosch Deeg

Sperma-Krise wurde im Sommer 2017 ausgerufen: Wissenschaftler von der Hebräischen Universität Jerusalem hatten in der bis dahin umfangreichsten Analyse zu diesem Thema bestätigt, wofür es bereits einige Zeit Indizien gab: Die Männer der Industrienationen produzieren immer weniger Spermien – im Vergleich zu vor 40 Jahren nur noch halb so viele. ­Und der Rückgang sei über die Jahre relativ konstant gewesen, berichtete das Forscherteam in seiner Publikation, die im Juli 2017 in der Fachzeitschrift »Human Reproduction Update« erschien. Ergebnisse, die Besorgnis erregend klingen und wohl für Aufsehen sorgten – mutmaßlich nicht wegen der angeblich traditionell nachrichtenarmen Sommermonate.

Bereits vorher hatten etliche andere wissenschaftliche Untersuchungen diesen Trend erkannt, aber entweder waren die dabei analysierten Datenmengen zu gering oder die Methoden wiesen gravierende Mängel auf. Bezüglich der Studie aus Israel ließ sich diese Kritik nicht mehr aufrechterhalten: Akribisch hatten die beteiligten Wissenschaftler nach allen bis zu diesem Zeitpunkt durchgeführten wissenschaftlichen Sperma-Studien gefahndet. Insgesamt rund 7500 hatten sie gefunden.

Der Großteil der Arbeiten war jedoch nicht geeignet, um sie in die Metaanalyse einzuschließen. Bei ihnen hatte nämlich eine Vorauswahl der Teilnehmer stattgefunden: Sie litten zum Beispiel an bestimmten Krankheiten oder nahmen Medikamente ein, waren Raucher oder klagten ohnehin über Fruchtbarkeitsprobleme. Solche Selektionen verfälschen das Ergebnis. Daher hatten die Forscher nur diejenigen Studien herausgepickt, bei denen die Probanden nicht auf Grund bestimmter Kriterien teilgenommen hatten. Dazu zählen etwa Spermauntersuchungen von Militärdienstleistenden oder College-Studenten.

Im Westen kein Sperma

Am Ende waren 185 Arbeiten übrig geblieben. Das reicht aus, um statistisch signifikante Ergebnisse zu erhalten – und die haben es in sich: In den westlichen Industrienationen ist die Spermienkonzentration im untersuchten Zeitraum von 1973 bis 2011 um 52 Prozent zurückgegangen und die Spermienanzahl pro Samenerguss sogar um nahezu 60 Prozent, so die alarmierenden Befunde der Studie. Ein weiteres überraschendes Detail: In der restlichen Welt, etwa Südamerika, Asien oder Afrika, gibt es diesen Trend nicht.

Über die Ursachen des Spermienrückgangs machten die beteiligten Wissenschaftler in der Publikation keine Aussage. Sie plädieren lediglich dafür, die Gründe und Auswirkungen dieses Rückgangs dringend zu erforschen.

Als Reaktion auf die Studienergebnisse meldeten sich etliche Experten zu Wort und mahnten zur Besonnenheit. Sabine Kliesch, Chefärztin für Klinische und Operative Andrologie am Centrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie des Universitätsklinikums Münster, äußerte in einem Statement gegenüber dem Science Media Center etwa, man solle die Daten nicht überbewerten: »Es besteht meines Erachtens kein Grund, beunruhigt zu sein! Die gezeigten Veränderungen befinden sich alle in einem hoch-normalen Bereich (…).«

Unfruchtbarkeit lässt sich daraus nicht ableiten

Der Zellbiologe Artur Mayerhofer, Professor am Biomedizinischem Centrum der Ludwig-Maximilians-Universität München, gab gegenüber dem Science Media Center zu bedenken, dass weder die Spermienfunktionalität wie Beweglichkeit noch morphologische Veränderungen in der Analyse berücksichtigt worden seien. Bezüglich der Fruchtbarkeit sind das aber entscheidende Parameter. Daher lasse sich aus den Daten nicht ableiten, ob Männer tatsächlich unfruchtbarer geworden sind, meint Mayerhofer.

Auch für Stefan Schlatt, Direktor des Zentrums für Reproduktionsmedizin und Andrologie am Universitätsklinikum Münster, bestand auf Grund der Ergebnisse kein Grund zur Panik. »Der Mann stirbt nicht aus.« Die Männer in den westlichen Industrienationen hätten im Schnitt immer noch rund 47 Millionen Spermien je Milliliter Ejakulat. »Das ist eine stolze Zahl; damit ist der Mann sehr fertil«, äußerte sich der Biologe damals. Die Weltgesundheitsorganisation WHO gibt als Grenze 15 Millionen Spermien pro Milliliter an. Alles darunter gilt als niedrig und kann mit Problemen bei der Fortpflanzung einhergehen.

Erneute Nachfrage bei Schlatt, zwei Jahre später. Ist der Rückgang denn wirklich nicht bedenklich? Auch weiterhin sieht der Reproduktionsmediziner die Fruchtbarkeit des Mannes nicht in Gefahr. Die Abnahme der Spermienanzahl hält er jedoch für eine Tatsache – auch wenn nicht alle systematischen Fehler beseitigt wurden: »Die heute angewendeten standardisierten Verfahren haben sich erst über die Jahrzehnte entwickelt – und selbst heute hat man teilweise noch Schwierigkeiten, Messungen aus unterschiedlichen Laboren miteinander zu vergleichen.«

Besonders die Referenzdaten aus den 1970er Jahren stünden auf sehr wackligen Füßen. Gleichwohl könnten diese Mängel in den Messungen nicht den beobachteten Rückgang erklären. »Die Anzahl der Spermien bei Männern in den westlichen Ländern sinkt tatsächlich – und dafür muss es Ursachen geben«, sagt Schlatt. Aber welche, das wisse man noch nicht.

Der Reproduktionsexperte vermutet, dass etliche Faktoren eine Rolle spielen könnten. In diesem Zusammenhang verweist er auf die Funktionsweise des Hodens. Der Mensch habe die Fähigkeit, die Spermienanzahl zu modulieren – und zwar mittels zweier Hirnareale, des Hypothalamus und der Hypophyse. »Hier wird gewissermaßen abgefragt, wie viele Spermien produziert werden sollen.« Die Antwort hängt von verschiedenen Parametern ab. Bei Krankheit, Stress oder Übergewicht produzieren die Hoden zum Beispiel deutlich weniger oder sogar fast keine Spermien. Etliche Faktoren können also die Menge der Spermien verringern.

Ein Konglomerat aus Einflüssen

Zudem hänge die Spermienanzahl stark davon ab, wie oft ein Mann ejakuliere, so Schlatt. Etwa sieben Tage dauert es, bis der Nebenhoden, das Speicherorgan, in dem die Spermien auf ihren Einsatz warten, komplett gefüllt ist. Männer, die diesen Speicher aber täglich entleeren, haben viel weniger Spermien im Ejakulat als solche, die dies nur einmal pro eine Woche tun. »Jetzt nehmen wir mal an, dass wir in den westlichen Industrienationen häufiger ejakulieren als noch vor 40 Jahren.«

Gründe dafür ließen sich wohl finden, etwa: geringerer Einfluss der Kirche, mehr Pornografie, größere sexuelle Freiheit. Das Resultat: »Die Portionen werden kleiner – aber nicht so klein, dass sie in einen abnormalen Bereich rutschen«, so Schlatt. Unsere heutige Spermienanzahl entspreche einfach derjenigen eines regelmäßig ejakulierenden Mannes, spekuliert der Forscher. Das wäre eine ziemlich banale Erklärung für die »Spermakrise«.

Beunruhigender wäre es hingegen, wenn die zunehmenden Fälle von Hodenkrebs beim Rückgang der Spermien eine Rolle spielen würden. Bislang gibt es zwar noch keine Hinweise darauf – denkbar wäre aber auch das, so Schlatt. Den Ursprung für steigende Zahlen an Hodenkrebs vermuten Experten in der Entwicklungsphase des Hodens im Embryo. »Offenbar passiert irgendetwas in der Frühschwangerschaft, was die Hodenaktivität und die so genannte Keimzelldifferenzierung beeinflusst.« Das kann dann zu Krebs im Erwachsenenalter führen – und vielleicht auch zu einer verringerten Spermienproduktion.

Hodengröße beeinflusst Spermienanzahl

Wie schwierig es allerdings ist, den Rückgang der Spermien richtig einzuordnen, wird deutlich, wenn man die Variabilität der Spermienanzahl bei unterschiedlichen Gruppen von Männern analysiert: Je größer die Hoden, desto mehr Sperma produzieren diese. Und die Größe variiert offenbar signifikant zwischen verschiedenen Völkern: Schweden hätten beispielsweise ziemlich große Hoden, Finnen und Dänen eher kleine, erzählt Schlatt.

In den USA gibt es je nach Region signifikante Unterschiede, was daran liegt, dass dort jeweils andere Völker eingewandert sind. Das bedeutet: Die durchschnittliche Anzahl an Spermien hängt auschlaggebend davon ab, wo man die Daten erhebt. Gut konzipierte Studien können diesen Einfluss eliminieren, jedoch sind derartige Untersuchungen bislang Mangelware. Erschwerend kommt hinzu, dass diese Variable nur eine unter vielen ist, die es zu kontrollieren gilt. Schlatt glaubt daher: »Es ist fast unmöglich, Studien zu entwerfen, die alle Faktoren berücksichtigen.«

Über eine weitere mögliche Ursache der abnehmenden Spermienmenge spekulierte die an der israelischen Studie beteiligte Wissenschaftlerin Shanna H. Swan in einer Pressemitteilung aus dem Jahr 2017: Die Tatsache, dass man den Rückgang nur in der westlichen Welt beobachte, deute stark darauf hin, dass kommerziell eingesetzte Chemikalien eine kausale Rolle spielen könnten. 

Weichmacher schaden den Spermien*

Eine Kausalität zwischen dem Einsatz bestimmter Chemikalien und dem Rückgang sei sehr schwierig nachzuweisen und erfordere weitere, breit angelegte Forschungsanstrengungen, erklärte Sabine Kliesch gegenüber dem Science Media Center. Und auch Schlatt vertritt eine ähnliche Meinung: »Es gibt keine Evidenz dafür, dass es irgendwelche bestimmten Chemikalien sind.« Unbestritten sei jedoch, dass bestimmte Stoffe, so genannte endokrine Disruptoren, negative Auswirkungen auf die Spermienqualität haben. Wenn solche Stoffe in den Körper gelangen, können sie bereits in geringsten Mengen durch Veränderung des Hormonsystems die Gesundheit schädigen. Sie werden daher auch als Umwelthormone bezeichnet.

Dass solche Stoffe einen negativen Einfluss auf die Fruchtbarkeit haben, ist bereits in etlichen Untersuchungen gezeigt worden. Relativ aktuelle Beweise lieferte etwa das Forscherteam um Richard G. Lea, Professor für Reproduktionsbiologie an der University of Nottingham: Es hatte herausgefunden, dass die Spermienqualität auch bei Hunden, die als Haustiere gehalten wurden, über die letzten drei Jahrzehnte hinweg deutlich nachgelassen hat. Die Forscher schließen daraus, dass Stoffe in der direkten Umgebung der Tiere und deren Herrchen die Spermien schädigen. In einer Publikation, die im Frühjahr 2019 im Fachblatt »Nature« erschien, stellten die Wissenschaftler dann den Einfluss zweier Chemikalien, DEHP und PCB153, auf die Spermienqualität von Hunden und Menschen vor. 

DEHP ist einer der prominentesten Weichmacher in Plastikprodukten, der in die Nahrung übergehen kann. PCB153 ist in bestimmten fettigen Lebensmitteln enthalten. Bereits in niedrigen Konzentrationen, so die Wissenschaftler, beeinflussen die Stoffe die Spermienqualität von Mensch und Hund negativ. Dass DEHP die Fruchtbarkeit verringert, ist allerdings schon lange klar. Daher ist in vielen Ländern die Verwendung dieses Weichmachers bereits massiv eingeschränkt worden. Innerhalb der EU darf die Industrie DEHP beispielsweise bereits seit Anfang 2015 nicht mehr ohne spezielle Zulassung verwenden.

Nur der Westen betroffen?

Schlatt glaubt jedoch nicht daran, dass lediglich einzelne Stoffe den Spermienrückgang zu verantworten haben. Dann müsste auch in vielen nichtwestlichen Ländern ein ähnlicher Rückgang zu verzeichnen sein. Denn er ist der Meinung, dass in manchen Teilen der Erde die Menschen solchen Schadstoffen noch mehr ausgesetzt sind als in der westlichen Welt.

Allerdings gibt es begründete Zweifel daran, dass der Rückgang tatsächlich nur in den westlichen Industrienationen zu beobachten ist: »In Asien und Afrika finden kaum Studien statt. Die allermeisten Daten haben wir aus Europa und den USA.« Sinnvolle Vergleiche gelingen jedoch nur, wenn in allen Teilen der Erde über mehrere Jahre standardisierte Daten erhoben werden. Gleichwohl gibt es solche Arbeiten nicht. Die Weltgesundheitsorganisation WHO plant, dies in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zu ändern. Erst dann wird sich zeigen, ob die Spermienanzahl tatsächlich nur in der westlichen Welt rückläufig ist.

Die Frage, was mit unserem Sperma los ist, kann also bislang nicht zufrieden stellend beantwortet werden. Dazu sind erst umfangreichere und global erhobene standardisierte Daten nötig. Auf dieser Basis kann dann eine gezielte Suche nach Ursachen stattfinden. Bevor es so weit ist, rät Schlatt den Männern – ganz unabhängig von einer angeblichen »Spermakrise«–, ihre Lebensgewohnheiten zu überdenken: Mäßig Sport treiben, nicht rauchen und wenig Alkohol trinken wirke sich zum Beispiel sehr positiv auf die Spermienqualität und somit die Fruchtbarkeit des Mannes aus.


*)Nota. -  Weichmacher schaden der Mämmlichkeit in jeder Hinsicht.
JE

Sonntag, 9. Juni 2019

Der Beitrag des Mannes zur Menschwerdung des Affen.


aus higgs,

Väter sind bei der Erziehung doch nicht ganz nutzlos
Lange dachte man, es spiele bei Säugetieren keine Rolle, wer der Mutter bei der Aufzucht von Jungen hilft. Das stimmt nicht, fanden Forscher der Uni Zürich jetzt heraus.
  • Wenn Väter bei der Aufzucht helfen, entwickeln die Nachkommen grössere Gehirne und werden klüger.
  • Wie Forschende der Uni Zürich herausfanden, erfüllen andere Gruppenmitglieder diese Aufgabe nicht so gut.
  • Eine Ausnahme ist der Mensch: Weil hier Verwandte auch zuverlässig helfen, konnten wir die grössten Hirne entwickeln.
von

Sowohl bei den Menschen als auch im Tierreich gilt: Die Kinder, die die beste Fürsorge erhalten, haben die besten Überlebenschancen. So überrascht es nicht, dass Mütter bei der Aufzucht ihrer Kinder Hilfe erhalten, wenn diese benötigt wird.

Was überrascht, ist die Rolle des Vaters. Bisher ging man davon aus, dass es mehr oder weniger egal ist, von wem die Unterstützung kommt – Hauptsache, der Mutter wird geholfen.

Ein Forscherteam der Universität Zürich konnte nun beweisen, dass die Sache anders aussieht. Väter sind zuverlässigere Helfer als andere Gruppenmitglieder. Zu diesem Schluss kamen Sandra Heldstab und ihre Kollegen Karin Isler, Judith Burkart und Carel van Schalk, nachdem sie sich 480 Säugetierarten genauer angesehen haben.

Sie haben festgestellt, dass jene Tierarten, bei denen der Vater mit anpackt, grössere Gehirne und somit einen Evolutionsvorteil entwickeln. Denn je grösser ein Gehirn im Verhältnis zur Körpergrösse ist, desto intelligenter ist ein Lebewesen.

Das grosse Gehirn hat jedoch einen Preis: Ein Säugling verbraucht rund zwei Drittel seiner Energie ausschliesslich zur Versorgung des Hirns. Damit die Mütter ihrem Nachwuchs diese Energie in Form von Milch und Nahrung geben können, sind sie auf Hilfe angewiesen. Und da kommen die Väter ins Spiel.

«Väter helfen bei der Jungenaufzucht konstant und zuverlässig, während die Unterstützung von anderen Gruppenmitgliedern wie etwa älteren Geschwistern viel weniger verlässlich ist», erklärt Evolutionsbiologin Heldstab laut einer Mitteilung.

Bei anderen Arten wie etwa Erdmännchen und Präriewühlmäusen wandern die älteren Geschwister oft in eine andere Gruppe ab, sobald sie geschlechtsreif werden, und stehen – im Gegensatz zum Vater – der Mutter als Helfer nicht mehr zur Verfügung.

Eine Ausnahme bildet der Mensch: Hier ist nicht nur die väterliche Unterstützung, sondern auch die von anderen Personen sehr zuverlässig. Unter anderem deswegen konnte der Mensch das verhältnismässig grösste Gehirn entwickeln und sich vom Rest des Tierreiches absetzen. So sagt Heldstab in der Mitteilung: «Bei Säugetieren ist nur auf die Hilfe der Väter Verlass. Wir Menschen können uns glücklicherweise auch auf die Hilfe anderer verlassen.»

Link zur Studie

 
Nota. - Dass sich die männlichen Individuen an der Aufzucht der Nachkommen beteiligen, ist nicht selbstverständlich - sonst gäbe es keine Vergleichsmöglichkeit mit Tieren mit kleineren Hirnen. Bei einer großen Anzahl von Säugetieren, aber auch Vögeln, beteiligen sich jedoch die männlichen Individuen an der Aufzucht, indem sie einen Teil der Arbeiten übernehmen, die bei andern Tierarten die Muttertiere allein erledigten.

Unter diesem Gesichtspunkt ist das einzig Besondere bei uns Menschen, dass erstens der Beitrag der Väter verlässlicher ist als bei andern Tieren, dass aber auch andere Verwandte teilnehmen - was nur möglich ist, weil wir Menschen in stabilen Gesellschaften leben (und aus diesem Grund kommte es z. B. auch bei großen Affen und Elefanten vor). 

Jedoch:
zu  Der evolutionäre Sinn der geschlechtlichen Arbeitsteilung

Von allen Lebewesen sind wir Menschen die einzige Gattung, in der der männliche Teil der Population als solcher einen eigenen Anteil hat an der Aufzucht und Versorgung der Nachkommenschaft - und daher an der Erhaltung der ganzen Art über den bloßen Zeugungsakt hinaus.

Am meisten verbreitet ist es im Tierreich, dass die männlichen Individuen nach dem Zeugungsakt ihrer Wege gehen. Ernährung und Behütung der Jungen ist Sache der Mütter und anderen weiblich Verwandten. Wo die männlichen Tiere immerhin mit ihrem Harem und den Jungtieren zusammenleben, da beteiligen sie sich, wie die Löwen, nicht einmal am Erwerb der gemeinsamen Nahrung: Auch das besorgen die Löwinnen, sie jagen in Gemeinschaft, während der Pascha restlos damit ausgelastet ist, die Gruppe gegen Feinde zu verteidigen und... andere Löwenmänner von seinem Harem fernzuhalten. Das lastet ihn nicht nur aus, sondern nimmt ihn so in Anspruch, dass er schon nach wenigen Jahren das Rudel einem Stärkeren und Jüngeren überlassen muss (dem es dann ebenso ergehen wird). Mehr als die Abgabe seines Samenpakets hat er bis dahin zur Erhaltung seiner Art nicht beigetragen. 

Bei anderen Rudeltieren mit einer komplexeren sozialen Organisation, nämlich bei Beutegreifern, die wie Wölfe und Hyänen im Verband jagen, beteiligen sich regelmäßig männliche wie weibliche Tiere an der Beschaffung der gemein- samen Nahrung; aber nur gelegentlich beteiligen sich die männlichen Tiere auch an der Aufzucht der Jungen, indem sie sich nachsichtig auch mal auf der Nase rumtanzen lassen. (Eine Kuriosität ist der Polarfuchs: Der lebt nicht mit der Fähe und ihren Kindern im selben Bau, versorgt sie auch nicht mit Nahrung. Aber morgens holt er die Jungen zuhause ab und zieht mit ihnen aus, um sie das Jagen zu lehren.) Bei manchen Vögeln kommt es schließlich vor, dass Mutter- und Vatertier sich nicht nur beim Füttern, sondern schon bei der Brut ablösen. Aber immer sind es die Väter, die sich an dem beteiligen, was die Mütter angefangen haben - individuell.

Dass das männliche Geschlecht als Ganzes eine Tätigkeit entwickelt, die zur Erhaltung der Art einen eigenen Beitrag leistet, kommt aber nur bei uns Menschen vor. Die Männer jagen. Das tat die Familie Homo "von Hause aus" nicht. Unsere Vorfahren werden - wie unsere nächsten Verwandten, die Schimpansen und Bonobos - in größeren Gruppen gesammelt haben: um sich gegen Nahrungskonkurrenten durchsetzen zu können. Und wenn sie dabei auch gelegentlich kleinere Affen getötet und gefressen haben, so tat es doch jedes Individuum für sich - wie eben noch heute Schimpansen und Bonobos. Gesammelt und erst nachher geteilt wird dort nicht, und sowenig wie das reguläre Sammeln wird gelegent-liches Jagen organisiert. Doch erst Organisation macht Arbeitsteilung möglich.

*

Vorstehende Zeilen sind bald zwanzig Jahre alt. Heute kann ich hinzufügen: Der Eigenbeitrag, den das Männliche zur Ausbildung unserer Gattung geleistet hat, betrifft an allererster Stelle das Gehirn; erstens überhaupt und allgemein, zweitens im Besondern, indem sie beim Jagen das Eiweiß anschaffen, das für die Ausbildung des großen Gehirns not- wendig ist. Das merke ich ihm noch heute an: Am männlichsten komme ich mir immer beim Nachdenken vor. Ich wünschte, es wäre weiter verbreitet. 
JE