Montag, 29. Mai 2017

Väter erziehen Söhne und Töchter.

Typisch Junge, typisch Mädchen? Rollenklischees beeinflussen offenbar, wie Väter mit ihren Kindern umgehen.
aus scinexx

Väter gehen mit Töchtern anders um 
Rollenklischees beeinflussen Verhalten gegenüber Kleinkindern 

Das Geschlecht macht den Unterschied: Väter gehen im Alltag mit Töchtern anders um als mit Söhnen – und zwar selbst, wenn diese noch Kleinkinder sind. Das offenbart nun ein Experiment. Demnach wenden Väter ihrem Nachwuchs je nach Geschlecht nicht nur ein unterschiedliches Maß an elterlicher Aufmerksamkeit in emotionalen Situationen zu. Sie spielen auch andere Spiele und nutzen eine andere Sprache. Diese subtilen Unterschiede spiegeln sich sogar im Gehirn der Männer wider, wie die Forscher berichten.
Mädchen spielen mit Puppen, lieben Rosa und sind sensibel. Jungen toben am liebsten den ganzen Tag, stehen auf Bagger und sind hart im Nehmen: Geschlechterklischees wie diese gelten in unserer Gesellschaft inzwischen weitestgehend als veraltet. Völlig aus den Köpfen zu verbannen sind die Vorstellungen über angeblich typisch männliche und typisch weibliche Verhaltensweisen aber doch nicht so ganz. Selbst im Erwachsenenalter werden Männer und Frauen immer wieder mit Stereotypen konfrontiert – mit teils erstaunlich negativen Folgen.

Doch was bestimmt, wer als Erwachsener solche Rollenklischees verinnerlicht hat und sich womöglich selbst stereotypengerecht verhält? Neben kleinen Unterschieden, die durch die Gene oder die Hormone zu erklären sind, spielen vor allem diverse Umwelteinflüsse eine Rolle dabei - allen voran die Erziehung. Wie sehr aber beeinflussen Geschlechterklischees das Verhalten von Eltern gegenüber ihren Kindern heutzutage noch?
 
Lauschangriff im Kinderzimmer
 
Wissenschaftler um Jennifer Mascaro von der Emory University in Druid Hills haben das nun am Beispiel der Väter untersucht. Für ihre Studie beobachteten sie 52 Männer mit ihren Kleinkindern im Alter zwischen eins und drei Jahren – jeweils 24 Stunden lang an einem Wochentag sowie am Wochenende. Das Besondere: Die Studienteilnehmer trugen während dieser Zeit ein kleines mobiles Gerät am Körper, das sich alle neun Minuten einschaltete und 50 Sekunden lang sämtliche Umgebungsgeräusche aufnahm. 
 
Anders als in einer künstlichen Versuchsumgebung konnten die Forscher Vater und Kind auf diese Weise während ihres normalen Alltags begleiten. Eine Methode, von der sie sich besonders aussagekräftige Ergebnisse erhofften: "Der Vorteil ist, dass sich die Probanden mit diesem Gerät völlig normal verhalten und fast vergessen, dass sie es tragen" erklärt Mascaro.
 
Singen mit Töchtern, toben mit Söhnen
 
Die Auswertung offenbarte einen deutlichen Geschlechterunterschied. Väter scheinen demnach mit Töchtern anders umzugehen als mit Söhnen. Konkret zeigten die Ergebnisse, dass das insbesondere die elterliche Aufmerksamkeit betrifft: "Weinten die Kinder oder riefen nach ihrem Papa, reagierten Väter von Töchtern darauf schneller und stärker als Väter von Söhnen", sagt Mascaro. 
 
Weitere Unterschiede offenbarten sich beim Spielen und Sprechen mit den Kleinkindern. So sangen Väter mit Töchtern häufiger. Außerdem nutzten sie vermehrt Wörter, die negative Emotionen ausdrücken, zum Beispiel "weinen", "Tränen" oder "einsam". Zusätzlich verwendeten sie auch mit dem Körper assoziierte Begriffe wie "Bauch", "Gesicht" oder "Füße" öfter. 
 
Mit Söhnen verbrachten die Probanden dagegen mehr Zeit mit Kampf- und Tobespielen. Zudem war ihr Vokabular vermehrt von Wörtern geprägt, die mit Erfolg und Leistung in Verbindung stehen – etwa "der Beste", "gewinnen" oder "super". Auch analytische Sprache verwendeten sie vergleichsweise häufiger, wie das Team berichtet.
 
Unterschiede auch im Gehirn
 
Der geschlechtsabhängige Umgang mit dem Kind spiegelte sich interessanterweise auch im Gehirn der Eltern wider. So untersuchten die Wissenschaftler mithilfe der Magnetresonzantomografie (MRT), wie die Väter auf Fotos unbekannter Erwachsener, unbekannter Kinder oder Bilder ihres eigenen Kindes reagierten, auf denen diese unterschiedliche Emotionen ausdrückten. 
 
Das Ergebnis: Während bestimmte Hirnregionen der Väter von Töchtern eine erhöhte Aktivität bei den Bildern des eigenen Kindes mit einem fröhlichen Gesichtsausdruck zeigten, reagierten Väter von Söhnen vor allem auf den neutralen Ausdruck ihres Kindes verstärkt.
 
Langfristige Folgen?
 
"Die Resultate bestätigen, dass Rollenvorstellungen einen Einfluss darauf haben, wie wir selbst mit ganz kleinen Kindern umgehen", fasst Mascaro zusammen. Doch wo liegen die Ursachen für dieses Verhalten? "Der Geschlechter-Bias bei der Erziehung könnte zum einen völlig unbewusst passieren", sagt Mascaros Kollege James Rilling. "Zum anderen könnten Eltern aber auch gezielt versuchen, ihr Kind so zu erziehen, dass es den sozialen Erwartungen entspricht – in dem Glauben, dass ihnen das im späteren Leben nützen wird." 
 
Unklar ist, wie die sich die subtilen Unterschiede im elterlichen Verhalten langfristig auf die Entwicklung der Kinder auswirken. "Kommende Studien sollten untersuchen, ob diese Differenzen zum Beispiel einen Einfluss auf Faktoren wie Empathie, emotionale Stabilität oder soziale Kompetenz haben", sagt Mascaro. 
 
So könnte der vermehrte Gebrauch emotionaler Sprache Mädchen tatsächlich empathischer machen – und Jungen könnten unter einer verminderten emotionalen Zuwendung psychisch leiden. Womöglich mache auch die im Test festgestellte auf den Körper fixierte Sprache Mädchen anfälliger für Essstörungen, spekulieren die Wissenschaftler. "Wir brauchen dringend mehr Forschung, um solche Zusammenhänge zu untersuchen", fordert Mascaro. (Behavioral Neuroscience, 2017; doi: 10.1037/bne0000199)
 
(Emory Health Sciences/ American Psychological Association, 29.05.2017 - DAL)
  
 
Nota. - Wie ist das eigentlich: Spricht das für die geschlechtsspezifischen Rollenbilder, dass sie uralt sind, oder spricht es gegen sie?
 
Oder anders gefragt: Vielleicht geben kleine Jungen unmessbare nonverbale Signale, dass sie gerne raufen wollen, und kleine Mädchen geben Signale, dass sie lieber ein Lied hören wollen? Ach, das habt ihr gar nicht untersucht, ihr Schlaumeier! Hättet ihr aber sollen. Danach hättet ihr dann beobachten können, was Väter und Mütter je daraus machen - und was in ihren Gehirnen dabei passiert. Das wär nicht bloß "gerecht", sondern auch wissenschaftlich gewesen. 
JE 
 
 
 
 

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