Väter gehen mit Töchtern anders um
Rollenklischees beeinflussen Verhalten gegenüber Kleinkindern
Das Geschlecht macht den Unterschied: Väter gehen im Alltag mit Töchtern anders um als mit Söhnen – und zwar selbst, wenn diese noch Kleinkinder sind. Das offenbart nun ein Experiment. Demnach wenden Väter ihrem Nachwuchs je nach Geschlecht nicht nur ein unterschiedliches Maß an elterlicher Aufmerksamkeit in emotionalen Situationen zu. Sie spielen auch andere Spiele und nutzen eine andere Sprache. Diese subtilen Unterschiede spiegeln sich sogar im Gehirn der Männer wider, wie die Forscher berichten.
Mädchen spielen mit Puppen, lieben Rosa und sind sensibel. Jungen
toben am liebsten den ganzen Tag, stehen auf Bagger und sind hart im
Nehmen: Geschlechterklischees
wie diese gelten in unserer Gesellschaft inzwischen weitestgehend als
veraltet. Völlig aus den Köpfen zu verbannen sind die Vorstellungen über
angeblich typisch männliche und typisch weibliche Verhaltensweisen aber
doch nicht so ganz. Selbst im Erwachsenenalter werden Männer und Frauen
immer wieder mit Stereotypen konfrontiert – mit teils erstaunlich
negativen Folgen.
Doch was bestimmt, wer als Erwachsener solche Rollenklischees verinnerlicht hat und sich womöglich selbst stereotypengerecht verhält? Neben kleinen Unterschieden, die durch die Gene oder die Hormone zu erklären sind, spielen vor allem diverse Umwelteinflüsse eine Rolle dabei - allen voran die Erziehung. Wie sehr aber beeinflussen Geschlechterklischees das Verhalten von Eltern gegenüber ihren Kindern heutzutage noch?
Das Geschlecht macht den Unterschied: Väter gehen im Alltag mit Töchtern anders um als mit Söhnen – und zwar selbst, wenn diese noch Kleinkinder sind. Das offenbart nun ein Experiment. Demnach wenden Väter ihrem Nachwuchs je nach Geschlecht nicht nur ein unterschiedliches Maß an elterlicher Aufmerksamkeit in emotionalen Situationen zu. Sie spielen auch andere Spiele und nutzen eine andere Sprache. Diese subtilen Unterschiede spiegeln sich sogar im Gehirn der Männer wider, wie die Forscher berichten.
Doch was bestimmt, wer als Erwachsener solche Rollenklischees verinnerlicht hat und sich womöglich selbst stereotypengerecht verhält? Neben kleinen Unterschieden, die durch die Gene oder die Hormone zu erklären sind, spielen vor allem diverse Umwelteinflüsse eine Rolle dabei - allen voran die Erziehung. Wie sehr aber beeinflussen Geschlechterklischees das Verhalten von Eltern gegenüber ihren Kindern heutzutage noch?
Lauschangriff im Kinderzimmer
Wissenschaftler um Jennifer Mascaro von der Emory University in Druid
Hills haben das nun am Beispiel der Väter untersucht. Für ihre Studie
beobachteten sie 52 Männer mit ihren Kleinkindern im Alter zwischen eins
und drei Jahren – jeweils 24 Stunden lang an einem Wochentag sowie am
Wochenende. Das Besondere: Die Studienteilnehmer trugen während dieser
Zeit ein kleines mobiles Gerät am Körper, das sich alle neun Minuten
einschaltete und 50 Sekunden lang sämtliche Umgebungsgeräusche aufnahm.
Anders als in einer künstlichen Versuchsumgebung konnten die Forscher
Vater und Kind auf diese Weise während ihres normalen Alltags begleiten.
Eine Methode, von der sie sich besonders aussagekräftige Ergebnisse
erhofften: "Der Vorteil ist, dass sich die Probanden mit diesem Gerät
völlig normal verhalten und fast vergessen, dass sie es tragen" erklärt
Mascaro.
Singen mit Töchtern, toben mit Söhnen
Die Auswertung offenbarte einen deutlichen Geschlechterunterschied.
Väter scheinen demnach mit Töchtern anders umzugehen als mit Söhnen.
Konkret zeigten die Ergebnisse, dass das insbesondere die elterliche
Aufmerksamkeit betrifft: "Weinten die Kinder oder riefen nach ihrem
Papa, reagierten Väter von Töchtern darauf schneller und stärker als
Väter von Söhnen", sagt Mascaro.
Weitere Unterschiede offenbarten sich beim Spielen und Sprechen mit den
Kleinkindern. So sangen Väter mit Töchtern häufiger. Außerdem nutzten
sie vermehrt Wörter, die negative Emotionen ausdrücken, zum Beispiel
"weinen", "Tränen" oder "einsam". Zusätzlich verwendeten sie auch mit
dem Körper assoziierte Begriffe wie "Bauch", "Gesicht" oder "Füße"
öfter.
Mit Söhnen verbrachten die Probanden dagegen mehr Zeit mit Kampf- und
Tobespielen. Zudem war ihr Vokabular vermehrt von Wörtern geprägt, die
mit Erfolg und Leistung in Verbindung stehen – etwa "der Beste",
"gewinnen" oder "super". Auch analytische Sprache verwendeten sie
vergleichsweise häufiger, wie das Team berichtet.
Unterschiede auch im Gehirn
Der geschlechtsabhängige Umgang mit dem Kind spiegelte sich
interessanterweise auch im Gehirn der Eltern wider. So untersuchten die
Wissenschaftler mithilfe der Magnetresonzantomografie (MRT), wie die
Väter auf Fotos unbekannter Erwachsener, unbekannter Kinder oder Bilder
ihres eigenen Kindes reagierten, auf denen diese unterschiedliche
Emotionen ausdrückten.
Das Ergebnis: Während bestimmte Hirnregionen der Väter von Töchtern eine
erhöhte Aktivität bei den Bildern des eigenen Kindes mit einem
fröhlichen Gesichtsausdruck zeigten, reagierten Väter von Söhnen vor
allem auf den neutralen Ausdruck ihres Kindes verstärkt.
Langfristige Folgen?
"Die Resultate bestätigen, dass Rollenvorstellungen einen Einfluss
darauf haben, wie wir selbst mit ganz kleinen Kindern umgehen", fasst
Mascaro zusammen. Doch wo liegen die Ursachen für dieses Verhalten? "Der
Geschlechter-Bias bei der Erziehung könnte zum einen völlig unbewusst
passieren", sagt Mascaros Kollege James Rilling. "Zum anderen könnten
Eltern aber auch gezielt versuchen, ihr Kind so zu erziehen, dass es den
sozialen Erwartungen entspricht – in dem Glauben, dass ihnen das im
späteren Leben nützen wird."
Unklar ist, wie die sich die subtilen Unterschiede im elterlichen
Verhalten langfristig auf die Entwicklung der Kinder auswirken.
"Kommende Studien sollten untersuchen, ob diese Differenzen zum Beispiel
einen Einfluss auf Faktoren wie Empathie, emotionale Stabilität oder
soziale Kompetenz haben", sagt Mascaro.
So könnte der vermehrte Gebrauch emotionaler Sprache Mädchen tatsächlich
empathischer machen – und Jungen könnten unter einer verminderten
emotionalen Zuwendung psychisch leiden. Womöglich mache auch die im Test
festgestellte auf den Körper fixierte Sprache Mädchen anfälliger für
Essstörungen, spekulieren die Wissenschaftler. "Wir brauchen dringend
mehr Forschung, um solche Zusammenhänge zu untersuchen", fordert
Mascaro. (Behavioral Neuroscience, 2017; doi: 10.1037/bne0000199)
(Emory Health Sciences/ American Psychological Association, 29.05.2017 - DAL)
Nota. - Wie ist das eigentlich: Spricht das für die geschlechtsspezifischen Rollenbilder, dass sie uralt sind, oder spricht es gegen sie?
Oder anders gefragt: Vielleicht geben kleine Jungen unmessbare nonverbale Signale, dass sie gerne raufen wollen, und kleine Mädchen geben Signale, dass sie lieber ein Lied hören wollen? Ach, das habt ihr gar nicht untersucht, ihr Schlaumeier! Hättet ihr aber sollen. Danach hättet ihr dann beobachten können, was Väter und Mütter je daraus machen - und was in ihren Gehirnen dabei passiert. Das wär nicht bloß "gerecht", sondern auch wissenschaftlich gewesen.
JE
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