Lothar Sauer
aus scinexx
Teenager: Testosteronschub macht ungeduldig
Mit steigendem Hormonspiegel wächst die jugendliche Ungeduld
Geduld ist nicht ihre Stärke: Wenn Teenager
etwas wollen, kann es ihnen meist nicht schnell genug gehen. Doch woran
liegt das? Forscher machen nun den sprunghaften Anstieg des
Testosteronspiegels in der Pubertät für die berühmt-berüchtigte
jugendliche Ungeduld verantwortlich. Denn ihre Experimente zeigen: Je
höher der Hormonspiegel, desto stärker sind männliche Heranwachsende auf
schnelle Belohnungen fixiert.
Teenager ticken anders: Kommen Kinder in die Pubertät, verändert
sich ihr Verhalten oft radikal. Sie werden nicht nur reizbarer und
unberechenbarer – auch Geduld ist für sie plötzlich ein Fremdwort.
Selbst wenn sich Warten auszahlen würde, muss es für die Jugendlichen
dann häufig sofort sein. Nicht zu Unrecht wird ihnen daher nachgesagt,
nur auf die akute Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse fixiert zu
sein.
Studien legen nahe, dass der Drang nach schneller Belohnung das
Verhalten von Heranwachsenden tatsächlich ungewöhnlich stark
beeinflusst. Demnach scheinen bestimmte Hirnregionen bei ihnen viel
stärker belohnungsorientiert
zu sein als bei Erwachsenen. Wissenschaftler um Corinna Laube vom
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin haben nun erstmals
untersucht, welche Rolle die Hormone für die jugendliche Ungeduld spielen.
Die Qual der Wahl
Für ihre Studie untersuchten die Forscher, wie impulsiv Teenager im
Alter zwischen elf und 14 Jahren Entscheidungen treffen. Weil Jungen
gemeinhin als ungeduldiger gelten als Mädchen, konzentrierten sie sich
dabei auf männliche Heranwachsende. Für das Experiment gaben die 72
Probanden zunächst zwei morgendliche Speichelproben zur Bestimmung ihres
Testosteronspiegels ab.
Anschließend absolvierten sie einen Entscheidungstest. Insgesamt 80-mal
hatten die Jugendlichen dabei die Wahl zwischen unterschiedlichen,
hypothetischen Geldbeträgen. Konkret konnten sie zwischen einem
baldigen, kleineren Geldbetrag oder einem höheren Geldbetrag in der
ferneren Zukunft wählen.
Entscheidung für das schnelle Glück
Wie erwartet zeigte sich ein Großteil der Teenager empfänglicher für
unmittelbare Belohnungen. Demnach entschieden sich im Schnitt zwei
Drittel der Studienteilnehmer für den kleineren Geldbetrag, der
schneller zu haben war. Das eigentlich Interessante daran: Die
Sensibilität für das "schnelle Glück" stand deutlich mit dem
Testosteronlevel in Verbindung, wie das Team berichtet. Demnach scheint
es der sprunghafte Anstieg dieses Hormons zu sein, der
belohnungsbezogene Hirnregionen wie das Stratium gewissermaßen in einen
Ausnahmezustand versetzt.
Das rein chronologische Alter könne die Empfänglichkeit für unmittelbare
Belohnungen hingegen nicht erklären, sagt Laube: "Unsere Untersuchung
macht deutlich, dass in entwicklungspsychologisch orientierten Studien
gerade das pubertäre Alter – gemessen an der körperlichen und
hormonellen Reife – berücksichtigt werden sollte."
Testosteron schuld an Ungleichgewicht?
In einer Vorgänger-Studie hatten die Wissenschaftler bereits gezeigt,
dass die erhöhte Impulsivität von Jugendlichen auf ein Ungleichgewicht
in der Reifung des affektiven Netzwerkes und des kognitiven
Kontrollnetzwerks im Gehirn sowie ihrer Verbindungen zurückzuführen ist.
Künftig gelte es nun zu untersuchen, inwieweit das Testosteron dieses
Ungleichgewicht beeinflusst und somit die Anfälligkeit für impulsive
Entscheidungen erklärt, schreibt das Team.
"Impulsivität gehört zum Erwachsenwerden und ist Teil einer gesunden
Entwicklung", betont Laubes Kollege Wouter van den Bos. "Jugendliche
eignen sich damit neue Fähigkeiten an, die sie als eigenständiges
Individuum brauchen. Doch Jugendliche können sich mit ihrem impulsiven
Verhalten auch schaden."
Eltern und Lehrer müssen sich mit dieser mitunter nervenaufreibenden
Charaktereigenschaft ihrer Zöglinge wohl oder übel für eine gewisse Zeit
abfinden. Eine gute Strategie scheint jedoch zu sein, sich diese
zumindest zunutze zu machen: "Aus erzieherischer Perspektive kann es vor
dem Hintergrund der vorliegenden Studienergebnisse ratsam sein, gutes
Verhalten von Jugendlichen kurzfristiger zu belohnen, anstatt auf
Belohnungen in der Zukunft zu verweisen", lautet die Empfehlung der
Forscher. (Psychoneuroendocrinology, 2017; doi: 10.1016/j.psyneuen.2017.03.012)
(Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, 16.05.2017 - DAL)
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