Freitag, 5. Februar 2016

Testosteron macht Männer froh.


aus Die Presse, 06.02.2016  

Macht zu wenig Testosteron traurig?
Geschlechtshormone wirken sich nicht nur auf die Fortpflanzung und unser Lustgefühl aus, sondern auch auf unsere Stimmung und die Netzwerke im Gehirn.

von Petra Paumkirchner 

Welche Frau kennt den Satz nicht: „Ist die heute wieder zickig, wahrscheinlich hat sie ihre Tage.“ In diesem leicht gehässigen, der Küchenpsychologie entsprungenen Vorurteil steckt jedoch ein wahrer Kern. Geschlechtshormone beeinflussen unsere Stimmung, sie sind verantwortlich dafür, wie wir aufgelegt sind, denken, handeln und fühlen. Wissenschaftler der Medi-Uni Wien haben ein Rädchen in diesem hochkomplexen biologischen Zusammenhang aufgeklärt und in der Fachzeitschrift „Biological Psychiatry“ veröffentlicht.

Eines ihrer Ergebnisse: Zu wenig Testosteron bei Männern und zu wenig Östrogen bei Frauen fördert die Ausbildung einer Depression. Um die Geschlechtshormone und die psychische Erkrankung in einen Zusammenhang zu bringen, untersuchten die Wiener Forscher den Überträgerstoff Serotonin. Serotonin ist als Glückshormon bekannt, es hebt die Stimmung. Depressive Menschen haben weniger Serotonin im Körper. Wenn die Hypothese der Wissenschaftler nun stimmt, dass Sexualhormone einen Einfluss auf depressive Verstimmungen haben, dann müsste sich das durch die Serotoninmenge im Körper widerspiegeln. Genau das wurde in dieser Studie rund um den Psychiater Rupert Lanzenberger untersucht.

Serotonin in die Zellen bringen
„Wir haben uns die Anzahl der Serotonintransporter im menschlichen Gehirn angesehen“, so Georg Kranz, Erstautor der Studie. Diese sind dafür zuständig, dass das Serotonin in die Zellen aufgenommen wird. Genau dort setzen Antidepressiva an. Sie blockieren die Transportermoleküle. „Wir wollten deshalb wissen, ob die Geschlechtshormone die Anzahl der Serotonintransporter verändern.“

Dazu wählten die Forscher die geschlechtsangleichende Hormontherapie von Transsexuellen als Forschungsmodell aus. Transsexuelle sind Menschen, die sich im falschen Körper fühlen. Obwohl sie beispielsweise genetisch gesehen Männer sind, fühlen sie sich als Frauen und umgekehrt. Damit sich ihr Körper dem geschlechtlichen Empfinden anpasst, nehmen diese Menschen Sexualhormone, um ihr Äußeres dem gefühlten Geschlecht anzupassen, sie machen eine gegengeschlechtliche Hormontherapie. Genetische Frauen nehmen Testosteron, genetische Männer Östradiol und Antiandrogene.

Die Patienten wurden sowohl vor der Hormontherapie als auch vier Wochen und vier Monate nach Beginn der Behandlung untersucht. Die Ergebnisse waren eindeutig. Mithilfe bildgebender Verfahren konnte nachgewiesen werden, dass bei Transmännern, also genetischen Frauen mit männlicher Geschlechtsidentität, die Anzahl der Transportermoleküle gestiegen ist.

Dafür dürfte Testosteron verantwortlich sein. Bei Transfrauen, also genetischen Männern mit weiblicher Geschlechtsidentität, zeigte sich genau das Gegenteil. Die Östradiol- und Antiandrogentherapie reduzierte die Transporter, wodurch ein erhöhtes Risiko besteht, an einer Depression zu erkranken. Rupert Lanzenberger und seinem Team gelang es erstmals weltweit, den Zusammenhang zwischen Sexualhormonen und den Serotonintransportern im menschlichen Gehirn aufzuzeigen. Eine mögliche Schlussfolgerung könnte sein, depressiven Männern Testosteron zu verabreichen.

Die Forscher machten jedoch noch eine zweite wichtige Entdeckung. Testosteron wirkt sich auch auf die Größe einzelner Hirnregionen aus. Bereits nach einer vierwöchigen Testosteroneinnahme zeigten die beiden für die Sprachverarbeitung zentralen Hirnregionen, das Wernicke- und das Broca-Areal, eine interessante Entwicklung: Ihr Volumen nahm ab.

Zwischen Mann und Frau

In einer dritten Studie konnten die Forscher zudem zeigen, dass bereits vor Beginn der geschlechtsangleichenden Hormontherapie signifikante Unterschiede zwischen Transsexuellen und Kontrollpersonen beiderlei Geschlechts bestehen. „Wir konnten nachweisen, dass es Unterschiede in der regionalen Verschaltung von Hirnregionen zwischen Männern und Frauen gibt“, so Georg Kranz. „Transsexuelle liegen genau dazwischen.“

Das deutet auf eine strukturelle Basis der Geschlechtsidentität hin. Aufgrund der neuronalen Verschaltungen liegt es nahe, dass sich die Sexualhormone auch auf Impulsivität, Risikoverhalten, Empathieempfinden und das räumliche Vorstellungsvermögen auswirken.


Nota.- Achtung, das ist eine Tatarenmeldung! Es werden seit Jahr und Tag viel zu viele Forschungsergebnisse viel zu rasch und viel zu weit in der Öffentlichkeit verbreitet - die enge Konkurrenz um Aufmerksamkeit und Fördermittel macht es wohl nötig. Und manches davon muss dann später kleinlaut und möglichst ohne Aufheben wieder zurückgezogen werden. Das liegt nachweislich nicht an den Wissenschaftsjournalisten in den Redaktionen, sondern an den marktschreierischen Instituten selbst.

In diesem Fall: Depressionen sind nicht durch einen absoluten Mangel an Serotonin im Gehirn (nicht im Körper!) ge-kennzeichnet, sondern durch eine zu geringe Aufnahme von Serotonin seitens der Empfängerzellen. Das ist ganz was andres; es kann an zu geringer Produktion in den Senderzellen liegen oder an gestörten Transportwegen oder an unkoope-rativen Empfängerzellen. Wenn der Bericht der Autorin sachlich richtig ist, wirken sich die Geschlechtshormone ledig-lich auf den Transport von Serotonin von der Sender- zur Empfängerzelle aus. Das betrifft nur einen kleinen Teil der depressiven Erkrankungen.

Wobei wohlbemerkt über 'Ursachen' und 'Wirkungen' noch überhaupt nichts gesagt ist.
JE

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