Freitag, 12. Februar 2021

Hormone verändern die Denkarbeit.


aus Die Presse, Wien, 6.02.2021

Hormone verändern die Denkarbeit

Monat für Monat steuern Hormone den Zyklus der Frau. Dass dabei bei manchen Frauen emotionale Schwankungen auftreten können, ist bekannt. Die Salzburger Neurobiologin Belinda Pletzer geht einen Schritt weiter. Sie untersucht, ob sich die Hormonveränderungen nicht nur auf Gefühle und Stimmung, sondern generell auf die Arbeit und Funktion des Gehirns auswirken. Ein Gebiet, zu dem es bisher noch vergleichsweise wenig Forschung gibt.

„Wir haben herausgefunden, dass einige Gehirnregionen in bestimmten Zyklusphasen in ihrer Struktur und Aktivität verändert sind“, erklärt Pletzer. Kurz vor dem Eisprung sei im Hippocampus mehr graue Masse und damit mehr Aktivität feststellbar. In ihren Studien hat Pletzer Frauen während der verschiedenen Zyklusphasen kognitive Aufgaben gestellt und dabei die Gehirnströme gemessen. Die Frauen – alle hatten einen natürlichen Zyklus und nahmen keine Pille – mussten etwa auf einem Plan von A nach B navigieren oder die Form von rotierenden Körpern beurteilen. Zudem ging es um verbale Aufgabenstellungen wie das Wiederholen von Begriffen.

Keine Leistungsunterschiede

Das Ergebnis: Die Frauen schnitten bei den Lösungen der gestellten Aufgaben in der Zyklusphase mit hohem Östrogenspiegel nicht besser oder schlechter ab als in einer mit niedrigerem Östrogenspiegel. Aber: Es gibt deutliche Unterschiede, welche Gehirnregionen in der jeweiligen Zyklusphase gerade besonders aktiv waren. „Eigentlich wird oft vermutet, dass Frauen in der Phase mit hohen weiblichen Hormonen besonders in jenen Aufgabenbereichen, die normalerweise als ,weiblich‘ gelten, gut sind. Das war aber nicht so, es gab keine Leistungsunterschiede über den Zyklus hinweg“, erläutert die Neurobiologin. 

Die gleichbleibenden Ergebnisse könnten auf Lerneffekte zurückzuführen sein, weil die Frauen bei ähnlichen Aufgaben durch die Wiederholungen trainieren, sagt Pletzer. Ruheaufnahmen des Gehirns deuten aber auf eine andere Erklärung hin. „Wir vermuten, dass das Gehirn sich sehr flexibel an die hormonellen Unterschiede anpasst.“ Es habe sich gezeigt, dass die Gehirnregionen in den einzelnen Zyklusphasen anders kommunizieren, die Information andere Wege nimmt und anders verarbeitet wird – auch wenn das Ergebnis schließlich gleichbleibt.

Wieso das so ist, kann Pletzer noch nicht sagen. Die Neurobiologin vermutet aber, dass auch die zyklusbedingten Stimmungsschwankungen auf unterschiedliche Verarbeitungswege im Gehirn zurückzuführen sein könnten.

Parallel arbeitet Pletzer, die Biologie, Psychologie, Philosophie und Mathematik abgeschlossen und ein Forschungsjahr in Kalifornien verbracht hat, an einem Projekt, das mit einem Starting Grant des Europäischen Forschungsrats dotiert wurde: Sie untersucht die Wirkung der künstlichen Hormone der Antibabypille auf das Gehirn. Dabei sollen Frauen vor, während und nach der Einnahme der Pille kognitive Aufgaben lösen, um erkennen zu lassen, ob es Gehirnregionen gibt, die auf die Einnahme ansprechen und ob dieser Einfluss nach dem Absetzen des Medikaments wieder verschwindet. Corona verzögert die Untersuchung: Schließlich muss Pletzer für die Studie 300 Probandinnen gewinnen. Wer teilnehmen will, kann sich auf Facebook (Arbeitsgruppe Hormon und Gehirn) oder Instagram (Hormon.und.gehirnlab) melden.

 

Nota. Das obige Bild gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE

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