aus swr.de, 8. 4. 2019
Uralte Schulden
Stadt Trier zahlt seit 430 Jahren Hexengeld
Vor 430 Jahren verbrannte die Kirche in Trier den Uni-Rektor und Bürgermeister Dietrich Flade als "Hexenmeister". Wegen eines uralten Vertrags profitiert die katholische Kirche noch heute von der Hinrichtung.
Bis heute kassiert die Pfarrei Liebfrauen in Trier für die grausame Hinrichtung von Dietrich Flade. Jedes Jahr wandern 362,50 Euro aus der Stadtkasse in den Kirchensäckel. Ausgewiesen ist die Zahlung im Stadthaushalt als "Verpflichtungen aus dem Fladeschen Nachlass“.
Die Geschichte beginnt im Jahr 1589: Am 18. September wird Dietrich Flade auf dem Hinrichtungsplatz im heutigen Trierer Stadtteil Euren stranguliert und anschließend verbrannt. Der Vorwurf: Flade sei ein "Hexenmeister" gewesen.
Flade war wohl selbst auch Täter
Der damals 55-jährige Flade war eine angesehene Persönlichkeit der Stadt und sehr wohlhabend. Gleich mehrere wichtige Ämter hatte er inne: Er war Doktor beider Rechte am Reichskammergericht, Rektor der Universität und kurfürstlicher Rat. Als Stadtschultheiß trieb er außerdem die Abgaben der Bürger ein. Vermutlich machte er sich dadurch nicht nur Freunde.
In seiner Funktion als Richter hatte Flade wohl selbst Hexenprozesse geleitet und soll dabei zahlreiche Todesurteile gefällt haben. Solche Urteile beruhten meist auf Geständnissen, die die Beschuldigten unter Folter abgaben.
Stadt hatte sich bei Flade 4.000 Goldgulden geliehen
Flade wird eines Tages selber als Hexer verleumdet: Weihbischof Peter Binsfeld sorgt dafür, dass er verhaftet wird. Auch Flade hält der Folter nicht stand und gesteht, was die Anklage hören will. Das Vermögen des Angeklagten wandert anschließend in die Hände des Erzbischofs Johann VII. von Schönenberg (1525-1599), der zugleich als Kurfürst fungierte.
Damit sicherte sich der Kirchenmann auch einen Schuldschein über 4.000 Goldgulden, die Flade der Stadt Trier geliehen hatte. Sie wollte mit dem Geld einen Prozess für die Unabhängigkeit vom Kurfürsten führen. Doch die Stadt verlor und Johann VII. verpflichtete Trier, Zinsen für das geliehene Geld an die fünf Innenstadtpfarreien zu bezahlen. Es sollte "zur Aufbesserung des Pfarrersgehalts" dienen.
Nota. - Die Mythen um den Hexenwahn stammen aus der Zeit dedr Aufklärung. Sie waren ein Mittel politischer Propaganda. Drei Fehldarstellungen prägen bis heute das öffentlicher Brewusstsein.
Erstens war die Hexenverfolgung keine mittelalterliche Erscheinung. Zum epidemischen Massenphänomen wurde ise erst in der frühen Neuzeit.
Zweitens hat die Hexenverfolgung nichts mit der Inquisition zu tun. Die katholische wie die evangelische Kirsche waren stattdessen Gegner des heidnischen Volksglaubens. Hexenprozesse fanden vor weltlichen Gerichten statt, nicht vor geistlichen. Richtig ist allerdings, dass viele Kleriker entgegen der öffentlichen Stellung der Amtskirchen sich an der Hetze beteiligten - z. B. wie am Besipiel Flade aus pekuniärem Interesse.
Die hartnäckigste Entstellung ist aber, dass es sich um eiine frauenfeindliche Bewegung mit sexuellen Untertönen handelte. Wie am Beispiel Flade ersichtlich, konnten ebensogut Männer der Hexerei bezichtigt werden - es reichte aus, dass irgendwer ein Motiv dafür hatte. Tatsächlich waren wohl in Deutschland nur ein Drittel der Opfer Männer, die große Mehrheit waren Frauen. Aber auch Kinder und sogar Tiere. In Russland dagegen waren wohl vier von fünf Verbrannten Männer und nur ein Fünftel Frauen.
JE
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