Samstag, 17. Februar 2018

Sex und Gender - wie es euch gefällt.


Herkules bei Omphale
 
Die Neue Zürcher bringt heute einen Beitrag von Joanna Williams, der die widersprüchlichen Stand- punkte in der Sex-Gender-Diskussion zusammenfasst. Dass sich zum Schluss doch nur eine Bin- senweisheit ergibt, ist nicht ihre Schuld - es liegt in der Natur der Sache. Denn das wissen wir längst: Was uns die Naur mitgegeben hat, ist eines; was wir daraus machen, ist ein anderes. Mitgegeben hat sie uns nämlich auch den Fluch des Bewusstseins und des freien Willens. Mit dem Ergebnis: Berufen können wir uns auf nichts und niemanden, wir müssen für alles selber gradestehen. 

So weit war die Philosophie etwa seit Kant. Sachlich hat die Gender-Debatte nichts Neues hinzuge- fügt.


... Diesem Denken stellt sich ein anderes entgegen, das die biologisch bedingte Geschlechterdifferenz wieder auf den Plan bringen will. Die Evolutionspsychologie vertritt den Standpunkt, dass die biologische Geschlechterdif- ferenz sich durchaus auf die Natur des Menschen auswirkt. Das Verhalten von Tieren weist geschlechtsbedingte Unterschiede auf, und solche zeigen sich auch beim Menschen – und zwar in verschiedensten Kulturen und Epochen.

Der evolutionäre Druck auf männliche und weibliche Geschöpfe und die Hormone, mit denen der Fötus im Mutterleib in Kontakt kommt, haben laut einer – freilich umstrittenen – Studie des britischen Psychologen Simon Baron-Cohen zur Ausprägung zweier unterschiedlicher, in unserer Neurophysiologie verankerter Natu- relle geführt, wobei Frauen stärker auf Empathie, Männer stärker auf systematisches Denken ausgerichtet sind. Allerdings konzediert Cohen, dass nicht alle Männer männlich und alle Frauen weiblich geprägte Gehirne haben.

Was taugen die Analysen?

Cordelia Fine, Verfasserin von «Delusions of Gender» und «Testosterone Rex», hinterfragt die wissenschaft- liche Glaubwürdigkeit solcher Behauptungen. Sie zeigt auf, dass in Empathie-Tests mit nach Zufallsprinzip ausgewählten Teilnehmerinnen und Teilnehmern Frauen sich in 40 Prozent der Fälle weniger empathisch zeig- ten als Männer. Zudem seien die Resultate solcher psychologischer Tests nie wirklich neutral: Die Befragten handelten gemäss dem, was die Forscher ihrer Meinung nach von ihnen erwarteten, und versuchten ein bestimmtes Bild von sich zu vermitteln.

Fine negiert nicht, dass es im Gehirn unterschiedliche Prägungen geben könne; aber sie mahnt: «Die schiere Komplexität des Gehirns macht es sehr schwierig, die Bedeutung geschlechtlicher Differenzen, die wir dort vorfinden, genau zu analysieren.» Besonders heikel sei es, so Fine, die Auswirkung geschlechtlicher Unter- schiede im Gehirn auf das menschliche Denken zu beurteilen.

Diese Unterscheidung zwischen Gehirn und Denken ist ein Kernpunkt. Menschen lassen sich ebenso wenig auf ihr Gehirn wie auf ihre Genitalien reduzieren. Unser Bewusstsein, unsere Fähigkeit, im Einklang mit unserer biologischen Prägung oder auch gegen sie zu handeln, statt uns einfach von ihr regieren zu lassen – das ist es, was den Menschen vom Tier unterscheidet. ...

Gewiss: Es gibt durch das Geschlecht bedingte Unterschiede. Männer sind in der Regel grösser, schwerer und stärker als Frauen. Wenn wir aus breit abgestützten Studien ermittelte Durchschnittswerte betrachten, zeigen sich Differenzen im emotionalen Bereich oder bei den kognitiven Fähigkeiten. Aber die Ursache dieser Diffe- renzen zu bestimmen, das genaue Verhältnis zwischen natürlicher Veranlagung und sozialer Prägung – das ist beinahe unmöglich. Menschen existieren nicht als biologische, vom gesellschaftlichen Umfeld unbeleckte Wesen. Kinder werden in eine Welt hineingeboren, in der ihr biologisches Geschlecht von Anfang an in ihre Interaktionen mit anderen Menschen hineinspielt. Wir können der Sozialisierung nicht ausweichen; aber wir können, zu einem gewissen Grad wenigstens, selbst entscheiden, in welchem Mass wir sie akzeptieren oder zurückweisen wollen.

Joanna Williams ist Redaktorin für Bildungswesen beim britischen Online-Magazin «spiked», wo die Erstfassung dieses in der Übersetzung leicht gekürzten Beitrags erschien. 2017 erschien ihr Buch «Women vs. Feminism. Why We All Need Liberating from the Gender Wars». Aus dem Englischen von as.


 

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