Wann Mäusemütter ihre Söhne heißmachen
Hält man Labormäuse unter naturnahen Bedingungen – so, dass sie sich mit vielen paaren können –, sorgen Mütter dafür, dass die Söhne sexuell hoch aktiv sind. Den Preis zahlen die Söhne: Sie leben nicht lange.
Wenn man wilde Mäuse fängt und sie in ein Labor übersiedelt, haben sie sich nach zehn Generationen eingewöhnt, nicht unbedingt zu ihrem Vorteil und dem der Forschung. Immer häufiger zeigt sich, dass Befunde von Labormäusen nicht einmal auf wilde Mäuse übertragbar sind, geschweige denn auf Menschen. Denn die Haltungsbedingungen sind zu künstlich und bringen die Tiere durcheinander, Elizabeth Reparsky (Buffalo) hat es gerade an der Tumorforschung gezeigt: In der werden die Abwehrkräfte der Tiere schlicht dadurch geschwächt, dass man sie bei zu tiefen Temperaturen hält: Mäuse lieben 30, 31 Grad, aber man hält sie bei 20 bis 26 Grad, dann fressen sie weniger und produzieren weniger Fäkalien, und die Tierpfleger in ihren oft dicken Schutzkleidungen kommen nicht so rasch ins Schwitzen.
Die Mäuse kommen in der Kühle schon zurecht, aber sie müssen sich zusätzlich heizen, mit den Muskeln, und die dabei verbrauchte Energie fehlt bei der Tumorabwehr (Pnas, 18.11.). So ist es mit vielem in der Physiologie, und im Verhalten ist es nicht anders: Labormäuse werden oft in Paaren gehalten, sie müssen sich nicht um Futter kümmern, nicht um Raubtiere, nicht um Konkurrenten und Reviergrenzen. Aber wenn sie Letzteres wieder dürfen und müssen, gehen einem die Augen über: Wayne Potts (Utah) hat Mäusen im Labor eine halbwegs naturnahe Umgebung eingerichtet, mit kleinen „Ställen“, die lagen direkt nebeneinander, jeder war mit Drahtgeflecht umsäumt, oben offen, die Mäuse konnten herausklettern. Und nach acht Generationen waren die Mäuse wieder Natur: Sie lebten promisk. Und die Mäusemütter sorgten dafür, dass ihre Söhne ein rasches kurzes Leben hatten: sich häufig paarten.
Männchen dämpfen den Sex der Söhne
Auf ihre Töchter nahmen die Weibchen keinen Einfluss, auch promiske Männchen taten das nicht, aber ihre Söhne beeinflussten auch sie, in umgekehrter Richtung, so, dass sie sich schwächer reproduzierten (immer im Vergleich mit Mäusen unter „normalen“ Laborbedingungen). Wie das, wozu das? Bei den Weibchen ist das Wozu klar, sexuell aktive Söhne bringen viele Enkel, also viele Gene in die übernächste Generation; und bei den Männchen ist es nach der ersten Überraschung auch klar: Unter naturnahen Bedingungen sind Söhne auch Konkurrenten.
Aber wie geht das? Dass Väter und Mütter unterschiedliche Interessen haben und die im Nachwuchs auskämpfen, weiß man schon aus der Genetik. Es gibt Gene, die unterschiedlich „geprägt“ sind, „imprinted“: Väter wollen großen, starken Nachwuchs, Mütter wollen kleinen, sie wollen nicht mit einem Wurf ihre Kräfte erschöpfen. Deshalb kämpfen die geprägten Gene der Eltern über das Wachstum des Embryos im Uterus.
Aber beim jetzigen Phänomen ändert sich nichts an den Genen, diesmal geht es um Epigenetik, das ist die Steuerung der Gene bzw. ihrer Aktivitäten etwa durch das Anhängen einer Methylgruppe. Auslöser ist oft die Umwelt, und die Methylierung kann dann von einer Generation zur nächsten gereicht werden (so kommt Lamarck wieder in die Genetik). Im konkreten Fall geht es um Gene, die für die Sexualpheromone zuständig sind, mit denen Mäusemännchen Weibchen anlocken („major urinary proteins“, MUPs). Die Söhne promisker Weibchen stellen davon 31 Prozent mehr her – und setzen es oben auf den Drahtwänden der „Ställe“ ab –, aber die Herstellung ist extrem aufwendig, nur 48Prozent dieser Söhne lebten am Ende des Experiments noch, bei Söhnen monogamer Mütter waren es 80Prozent (Pnas, 18.11.).
„Domestizierung macht über Epigenetik Tiere weniger fit für die Natur“, erklärt Potts und zieht einen unmittelbaren Schluss: Bei Aufzucht- und Auswilderungsprogrammen bedrohter Arten sind die Erfolge extrem gering, es liegt wohl an zu naturfernen Haltungsbedingungen in der Zucht.
Nota.
Und dann höhnen sie: "schwanzgesteuert!" Die Väter aber raten weise: Lass dich wegen dem Bisschen doch nicht verrücktmachen.
JE
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