Montag, 27. Dezember 2021

Männliche Selbsterziehung.

A. Kurbanov

Als Kind war ich spindeldürr und schwach wie ein Flaum. Gefürchtet habe ich mich vor allem Möglichen, und am meisten davor, mich für einen Feigling halten zu müssen. Dahin habe ich es gottlob nie kommen lassen.

Ich war erst vier, als mein Vater starb, aber ich kannte ihn gut. Die Frauen, unter denen ich aufwuchs, hatten für männliche Tugenden nur Hohn und Spott. Mickrig wie ich war, war ich nicht gemeint. Umso mehr habe ich es gewollt.




Freitag, 24. Dezember 2021

Die Gegenwart älterer Männchen wirkt beruhigend.

 aus derStandard.at, 22. 12. 2021

Aggressionsbewältigung
Männliche Elefanten sind sanfter, wenn ältere Männchen in der Nähe sind
Isolierte Männchen neigen einer Studie zufolge zu Gewalt gegenüber Objekten und Tieren. Die Auswirkungen der Trophäenjagd sorgen auch hier für Probleme
 
Die besänftigende Wirkung von älteren Artgenossen bekommen Elefanten zu spüren: Im Rahmen einer Studie der Universität Exeter und der Wohltätigkeitsorganisation "Elephants for Africa" stellte sich heraus, dass zumindest männliche Elefanten aggressiver sind, wenn sich nur wenige ältere Art- und Geschlechtsgenossen in der Nähe befinden. Das schreibt die Forschungsgruppe im Fachjournal "Proceedings of the Royal Society B".

Um mehr über das Sozialverhalten der Tiere herauszufinden, dokumentierte sie das Gebaren von 281 Elefanten über drei Jahre hinweg. Da sich im Untersuchungsgebiet, dem Makgadikgadi Pans Nationalpark in Botswana, nur Elefantenbullen aufhalten, lassen sich keine Aussagen über die Lage bei Weibchen ableiten. Die beobachteten Tiere fielen in vier Altersgruppen: Als jugendlich galten sie bis zum Alter von 20 Jahren (10-15 und 16-20 Jahre), darüber zählten sie als Erwachsene (21-25 oder 26 und älter).

Aggression und Vandalismus

Bei der Erhebung zeigte sich: Wenn wenige alte Bullen in der Nähe waren, legten die Elefanten aggressiveres Verhalten an den Tag – zumindest gegenüber allem, was kein Elefant ist. Dazu zählte das Forschungsteam unter anderem Fahrzeuge und andere Tierarten.

Sind nur wenige ältere Bullen in der Nähe, können die Jüngeren auch für andere Spezies zur Gefahr werden.

Besonders deutlich zeigte sich dies bei Jugendlichen. Heranwachsende Elefanten verhalten sich offenbar vor allem dann aggressiv, aber auch ängstlich gegenüber den "nicht-elefantischen Zielen", wenn sie alleine sind. Daraus lässt sich unter anderem folgern, dass jugendliche Individuen, die sozial isoliert sind, auch Menschen gegenüber eine größere Gefahr darstellen.

Mit dem Projekt wollte die Forschungsgruppe einem eher selten analysierten Bereich der Verhaltensforschung Aufmerksamkeit schenken, nämlich den Beziehungen in rein männlichen Elefantengruppen. "Anscheinend spielt die Anwesenheit erfahrener, älterer Elefanten in den Gruppen eine Schlüsselrolle dabei, die jüngeren, weniger erfahrenen Männchen ruhig zu halten", sagt die Biologin Connie Allen, Hauptautorin der Studie.

Management und Jagd

Die älteren Tiere seien in der Lage, bei Jüngeren die Wahrnehmung von Bedrohungen zu reduzieren. Dadurch werden diese ruhiger und stellen ein geringeres Risiko für Menschen und andere Tierarten dar.

Ältere Tiere werden oft zur Beute von Wilderern.

Das Wissen um diese ausgleichende Wirkung müsste besonders von Wildtiermanagern und Wilderern beachtet werden, sagt der Verhaltensforscher Darren Croft, der ebenfalls an der Studie mitwirkte: "Alte Elefantenbullen gelten oft als überflüssig und werden bei der Trophäenjagd zum Ziel." Wenn es weniger von diesen älteren Tieren gibt, die eine ausgleichende Wirkung auf junge Männchen haben, hat das auch für die Jäger Konsequenzen – etwa, wenn Elefanten häufiger Fahrzeuge attackieren. (red,)

Studie

Proceedings of the Royal Society B: "Reduced older male presence linked to increased rates of aggression to non-conspecific targets in male elephants"


 

Nota. - Rückschlüsse auf menschliche Erziehungssysteme bieten sich an, sind aber wissen-schaftlich ganz wertlos. Doch für Gedankenspiele eignen sie sich gut.

JE

Sonntag, 19. Dezember 2021

Genauso klug als wie zuvor.

Die Feuerstelle zum Grillieren überwacht natürlich der Mann: «Höhlenleben zur älteren Steinzeit», undatiertes Schulwandbild. 

aus nzz.ch, 2. 12. 2021                                                            Schulbilderverlag F.E.Wachsmuth

Raus aus der Höhle! 
Wie Frauen die Urgeschichte prägten
Der Mann als Jäger und Erfinder, die Frau als Mutter beim Sammeln: In den Vorstellungen, die wir von der Steinzeit haben, sind die Rollen klar verteilt. Aber womöglich war alles ganz anders – das legt die Urhistorikerin Marylène Patou-Mathis nahe.

von Claudia Mäder

Die Geschichte war so gut, dass sie 2018 durch alle Newsportale ging: Facebook hat eine prähistorische Statue zensiert! Die üppigen Brüste der Venus von Willendorf sind den Algorithmen der sozialen Plattform als Pornografie erschienen – die Bilder der Figur, die eine Nutzerin hochgeladen hatte, wurden gesperrt. Natürlich haben die Newsmeldungen zur Causa Venus auch die wichtigsten Informationen über die Skulptur geliefert. Diese, so war zu lesen, zähle zu den berühmtesten urgeschichtlichen Frauendarstellungen und sei vor rund 30 000 Jahren von einem unbekannten Künstler geschaffen worden.

Wirklich? Das jüngste Buch von Marylène Patou-Mathis stellt den letzten Teilsatz infrage. Nicht, dass die französische Urhistorikerin Näheres über den Schöpfer der Venusfigur herausgefunden hätte. Aber mit ihrem Werk legt die Forscherin den Gedanken nahe, dass der unbekannte Künstler auch eine unbekannte Künstlerin gewesen sein könnte.

Bei prähistorischen Kunstwerken von weiblichen Urhebern auszugehen, ist lange Zeit keine Option gewesen. Venusstatuen wie jene aus Willendorf gibt es viele, bis heute liegen an die 250 Figuren vor. Als man 1864 die erste fand, war selbstverständlich klar, dass ein Mann sie angefertigt hatte. Und genauso fraglos nahm man seinerzeit auch an, dass prähistorische Männer Werkzeuge erfunden und Tiere gejagt hatten, derweil sich die Frauen in der Nähe der heimischen Höhle um den Nachwuchs kümmerten.

Diese Klischeebilder wirken heute nicht sonderlich irritierend. Zeugt nicht jeden Sommer die männliche Freude am Grillieren von den guten alten Steinzeitstrukturen, in denen die Herren der Schöpfung für Fleisch und Feuer sorgten? Auch Filme und Romane, die in der Urzeit spielen, transportieren solche Rollenbilder, in der Wissenschaft aber stossen sie seit einiger Zeit auf Widerstand. Spätestens in den 2000er Jahren ist die Geschlechterarchäologie mit Gegenthesen hervorgetreten.

Wer beim Namen dieser Disziplin an «Genderwahn» denkt, an das ideologische «Geschlechtergaga», das inzwischen alle Wissenschaften durchsetzt, dem oder der sei die Lektüre von Patou-Mathis’ Buch besonders empfohlen. Die Französin dreht den Spiess nämlich einfach um. Die Erforschung der Frühgeschichte ist in ihren Augen tatsächlich von einer Ideologie geprägt. Allerdings von einer, die man selten als solche bezeichnet: vom Standpunkt der Männer, der in der Regel als Norm durchgeht.

Von Natur aus häuslich

Als wissenschaftliche Disziplin ist die Urgeschichte ab der Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden, und vor dem Hintergrund dieser Zeit, so Patou-Mathis, müsse man ihre Thesen verstehen. Den ersten Teil ihres Buches «Weibliche Unsichtbarkeit. Wie alles begann» widmet die Autorin deswegen nicht der Altsteinzeit, sondern den Geschlechterkonzepten der bürgerlichen Epoche.

Schon lange zuvor sind Frauen von Theologen, Juristen oder Staatstheoretikern den Männern untergeordnet worden, doch ab dem 18. Jahrhundert änderte sich die Begründung, die für die angebliche weibliche Minderwertigkeit vorgebracht wurde. Immer stärker dienten jetzt Medizin und Physiologie zur Degradierung der Frauen. Diese seien durch ihre körperliche Konstitution und ihre kleinen Gehirne «von Natur aus» dazu bestimmt, passiv zu leben und im Haus den Nachwuchs zu betreuen. Die Männer dagegen sollte von Nervenbahnen bis Knochengefüge alles zum tätigen Leben als Schaffer und Ernährer prädestinieren.

 

 

Just diese patriarchalen Vorstellungen, meint Patou-Mathis, hätten die Männer, die sich im 19. Jahrhundert für die Urgeschichte interessierten, auf den Gegenstand ihrer Forschung übertragen. Auch manche dieser ersten Archäologen wollten zeigen, wie die Dinge von Natur aus lagen – jedoch suchten sie die Essenz nicht in biologischen Gegebenheiten, sondern in den Anfängen der Menschheit.

Dass jeder geschichtliche Rekurs auf einen Anfang problematisch ist, war einigen Zeitgenossen wohlbewusst: «Unsere Bilder der Anfänge sind meist doch bloss Constructionen, ja blosse Reflexe von uns selbst», schrieb etwa Jacob Burckhardt warnend. Solche Projektionen gelingen umso leichter, je leerer der Raum ist, in den man sie wirft, und folglich hat die Urgeschichte, für die wir keinerlei schriftliche Zeugnisse haben, eine perfekte Folie für «Reflexe» des zeitgenössischen Denkens geboten.

Handnegative in einer spanischen Höhle.
Handnegative in einer spanischen Höhle.
Nichts ist eindeutig

Das Buch von Marylène Patou-Mathis ist nicht sehr elegant geschrieben – oder übersetzt – und in der Anordnung des Stoffes eher konfus. Doch seine grosse Stärke macht das alles vergessen: Die Autorin hält sich akribisch an die wenigen konkreten Belege, über die wir aus der Altsteinzeit verfügen. Wenn sie also im zweiten Teil des Buches die «prähistorische Frau im Licht neuer Erkenntnisse der Geschlechterarchäologie» diskutiert, geschieht das ausschliesslich anhand archäologischer Quellen, nämlich von Malereien, Statuetten, Grabbeigaben und Skeletten.

Eindeutige Interpretationen dieser Materialien sind selten möglich. Wofür zum Beispiel standen die vielen Frauenfiguren, die wir heute als Venus bezeichnen? Sind sie als Symbole eines Fruchtbarkeitskults zu deuten? Sollten sie die Männer erfreuen? Wurden sie als Amulette von Schwangeren getragen? Und wäre es dann nicht auch denkbar, dass diese sie selber hergestellt hatten?

Die Antwort ist laut Patou-Mathis offen – und zwar in alle Richtungen. Es gibt keinen Beweis dafür, dass bei den Statuetten Künstlerinnen am Werk waren. Doch genauso fehlen Belege, die auf eine männliche Urheberschaft der Figuren oder irgendeiner prähistorischen Wandmalerei hinweisen. Das Einzige, was diese Annahme nahelegt, ist der ideologische Raster, der dem Mann in einem dualistischen Geschlechtermodell den aktiven Part zuspricht.

In bemalten Höhlen haben die frühen Menschen zuweilen Handabdrücke hinterlassen – viele dieser rund 25 000 Jahre alten «Signaturen» haben sich in Untersuchungen als weiblich erwiesen. Die Zuordnung zu den Geschlechtern basiert auf dem Längenverhältnis zwischen Ring- und Zeigefinger, wobei, wie Patou-Mathis betont, wegen der geringen Anzahl der untersuchten Hände Vorsicht geboten sei vor allzu forschen Schlüssen. Doch grundsätzlich sei es ausgehend von der Quellenlage möglich, dass «einige der grössten Malereien und Skulpturen der paläolithischen Kunst von Frauen geschaffen» worden seien.

Weder Matriarchat noch Patriarchat

Die altsteinzeitliche Kunst zeigt nur wenige «narrative Szenen» mit Menschen, oft verweisen sie auf Jagdvorgänge. Einige der daran beteiligten Personen sind klar als Männer zu identifizieren, andere lassen sich keinem Geschlecht zuteilen. Bei den Statuetten dagegen besteht kein Zweifel: Die erdrückende Mehrheit von ihnen ist weiblich. Zuweilen wird deswegen behauptet, dass unsere Vorfahren eine Frauengottheit verehrt oder im Matriarchat gelebt hätten. Für beides fehlen die Beweise, aber wiederum gilt das auch umgekehrt: Eine patriarchale Struktur ist im Paläolithikum ebenso wenig nachzuweisen.

Und mehr noch: Der Vorstellung, dass die Frauen den Männern «immer schon» untergeordnet gewesen seien, widersprechen gewisse Funde deutlich. In den – sehr spärlich erhaltenen – Grabstätten sind sowohl männliche wie weibliche Skelette entdeckt worden. Schmuck und Kleinkunst, die den Toten beigegeben wurden und vermutlich ihren Status anzeigten, variieren kaum zwischen Männern und Frauen.

Fragen des Status wurden in der Forschung oft auch mit der Jagd in Verbindung gebracht. Als Beschaffer der energiereichen Nahrung, so die verbreitete These, hätten die Männer in den altsteinzeitlichen Gruppen eine überlegene Position eingenommen. Aber wer sagt denn, dass nur die Männer jagten?

Die Quellen jedenfalls nicht. Weibliche Neandertaler-Skelette weisen laut Patou-Mathis Läsionen und Abnutzungen auf, die auf das regelmässige Werfen von Speeren hindeuten. In der Jungsteinzeit zeigten sich Spuren von starken Armaktivitäten dann nur noch bei männlichen Skeletten.

In dieser Phase, in der die Menschen zunehmend sesshaft wurden, scheint also eine Aufgaben-teilung zwischen den Geschlechtern fassbar zu werden. Für die vorangegangenen paläolithischen Gesellschaften aber zeugt laut Patou-Mathis kein archäologischer Überrest von einer «klassischen» Rollenverteilung, und auf der Grundlage aller Daten sei «nicht auszuschliessen, dass die Frauen an allen Etappen der Jagd beteiligt waren – vom Spurenlesen über die Erarbeitung der Jagdstrategien bis zum Schiessen».

Die Urgeschichte boomt

«Es ist nicht auszuschliessen» und «Nichts weist darauf hin» zählen in diesem Buch zu den häufigsten Formulierungen. Das sind nicht die Zutaten, aus denen schmissige Geschichten entstehen. Aber das kann man leicht verkraften, denn flotte Erzählungen über die Urzeit gibt es wahrlich schon mehr als genug.

In den letzten Jahren haben Autoren wie Yuval Noah Harari oder James Suzman die Frühzeit als Eldorado beschrieben, in dem die Menschen noch frei von der späteren Arbeitsfron lebten. Andere schwärmen von der tiefen Naturverbundenheit, die unsere altsteinzeitlichen Vorfahren angeblich kannten, während Dritte lieber betonen, dass die Menschen ihre Umwelt «immer schon» umgestaltet hätten.

Bis heute ist die Urgeschichte demnach der perfekte Raum für Rückprojektionen, die sich aus Gegenwartsfragen nähren. Marylène Patou-Mathis hingegen lässt die fernen Zeiten unbegreiflich bleiben. Die riesigen Lücken, die sich zwischen den wenigen Überresten auftun, füllt sie nicht mit Identifikationsangeboten. Dafür zeigt sie, wie offen Geschichte und Gegenwart sein können, wenn sich ihre Betrachterinnen und Betrachter nicht auf eine Ideologie versteifen.

Marylène Patou-Mathis: Weibliche Unsichtbarkeit. Wie alles begann. Aus dem Französischen von Stephanie Singh. Verlag Carl Hanser, München 2021. 286 S., Fr. 37.90.   

 

Nota. - Dem Dr. Freud in Wien haben seine Patienten seinerzeit praktischer Weise nur solche Sachen erzählt, mit denen ihr Doktor etwas anfangen konnte. Freuds erster Mitstreiter war Alfred Adler, dem stieß das auf, und er wurde zum ersten Häretiker der Psychaonalyse. Seinen Schülern gab er als therapeutische Richtlinie mit auf den Weg den Satz Es kann alles auch ganz anders sein. Woran mein heutiges Ich sich erinnern kann-will-muss, ist nicht unbedingt das-selbe wie das, was es damals wirklich erlebt hat - weil ich ein anderer geworden bin.

So ist es mit der Geschichte der Individuen. Die Geschichte der Gattung hat den Vorzug, dass sie einige - wenn auch nicht viele - Denkmäler hinterlassen hat, in Stein gemeißelte oder in versteinerte Knochen gegossene, über deren Alter und wahre Herkunft gestritten werden kann, aber doch nicht endlos. Irgendwann werden sie einstweilen definitiv festgestellt. Dann fängt das Problem aber erst an: Was bedeuten sie? Was sie bedeuten, ist ein schlechterdings nicht objektiver Sachverhalt. Sie bedeuten nicht 'überhaupt', sondern immer nur für einen, der sich einen Reim drauf machen will oder muss.

An dem Punkt schließt der obige Beitrag, und wenn ichs recht verstehe, auch das Buch von Mme. Patou-Maris. Doch hat die Rezensentin keine Kontrolle über das, was der* Leser*in aus dem Beitrag in der Neuen Zürcher macht: Er* könnte auch lesen: 'Die herkömmliche Inter-pretation ist nicht erwiesen? Dann trifft das Gegenteil zu.' 

Das hat Frau Patou-Maris nicht geschrieben? Aber die Rezensentin hat ihm auch nicht wirk-lich widersprochen. 

Es könnte alles ganz anders sein. Die archäologischen Befunde stellen Fragen und geben keine Antworten. Aber die Fragen grenzen den Umkreis der möglichen Antworten ein. Nicht so, dass sie vorgäben, was überhaupt nicht möglich wäre; aber doch, was mehr oder weniger wahr-scheinlich ist. Was man freilich dafür hält, ist vom Geist der Zeit - positiv oder negativ - mit bestimmt, ach, da hat sie leider Recht. Dass eine durchgehende Differenzierung der Menschen nach ihrem Geschlecht in der Jungsteinzeit - als sich der Übergang zum Ackerbau anbahnte - begonnen hat, erscheint nach dem, was wir unter Vorbehalt wissen, als plausibel. Doch für wie lange?

JE 

 

Dienstag, 7. Dezember 2021

Die Menschwerdung begann mit der Befriedung der männlichen Seite.

Ardipithecus ramidus 

aus spektrum.de, 7. 12. 2021 

Was Eckzähne über die Menschwerdung verraten
Am Anfang der Menschwerdung stand womöglich eine Wende im Geschlechter-verhältnis. Aggression zwischen Männchen verschwand demnach schon früh in der Evolution des Menschen.
 
von Lars Fischer

Schon früh in der menschlichen Abstammungslinie wurden die Männchen weniger aggressiv. Das schließt eine Arbeitsgruppe um den Paläoanthropologen Gen Suwa von der University of Tokyo aus Analysen der Eckzähne von Vor- und Frühmenschen. Wie das Team in der Fach-zeitschrift »PNAS« berichtet, waren schon bei Ardipithecus ramidus, einer der ältesten be-kannten Arten der menschlichen Linie, die Eckzähne von Männchen und Weibchen ähnlich lang. Da lange obere Eckzähne bei Primaten als Waffe in Kämpfen zwischen Männchen dienen, gilt der Unterschied zwischen Männchen und Weibchen bei diesen Zähnen als Indikator für Aggression zwischen Männchen im Zusammenhang mit Revier und Paarung. Das wiederum gibt Aufschluss über soziale Struktur und Fortpflanzungsverhalten dieser Arten.

Bei modernen Menschenaffen sind die Eckzähne der Männchen bis zu 50 Prozent größer als bei den Weibchen. Dieser als sexuelle Dimorphismus bezeichnete Unterschied hängt mit der Sozialstruktur zusammen – bei Schimpansen und Gorillas, bei denen die männlichen oberen Eckzähne deutlich länger sind, führt je ein dominantes Männchen die Gruppe an. Bonobos dagegen sind weniger aggressiv, sie leben oft in gemischtgeschlechtlichen Gruppen und bei ihnen haben die Männchen nur um etwa 20 Prozent längere Eckzähne. Dagegen zeigen die Analysen der Gruppe um Suwa, dass die Vorfahren der Menschen schon vor mehr als vier Millionen Jahren einen sehr viel geringeren sexuellen Dimorphismus bei den Eckzähnen aufwiesen. 

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Die Unterschiede, die das Team mit mehreren unabhängigen statistischen Verfahren ermittelte, liegen zwischen 0 und 15 Prozent, wie bei modernen Menschen, und sind damit durchweg geringer als bei Bonobos. Zusätzlich ist bei manchen Arten der sexuelle Dimorphismus bei den oberen Eckzähnen sogar geringer als bei den unteren. Das deutet nach Ansicht des Teams darauf hin, dass in der menschlichen Linie von Anfang an ein starker Selektionsdruck gegen Aggression zwischen Männchen wirkte.

Suwa und seine Arbeitsgruppe sehen das als klares Zeichen, dass bereits am Beginn der Menschwerdung eine fundamentale Verschiebung des Verhaltens stattfand mit dem zentralen Aspekt einer geringeren Aggression zwischen den Männchen. Diese könne man als wichtige evolutionäre Voraussetzung für spätere, für Menschen charakteristische Entwicklungen hin zu extremer Kooperation und komplexem sozialen Verhalten betrachten, schreiben sie in der Veröffentlichung.

 

Nota. - Was könnten die Gründe für die Zähmung der männlichen Seite sein? Wenn die Rück-bildung der oberen Eckzähne erst nach dem Verlassen des Urwalds einsetzte, könnte man an-nehmen, dass die vagante Lebensweise in Gruppen von ca. zwei Dutzend Individuen in der offenen Savanne, die keine Deckung bietet, dauernde innere Spannungen nicht zuließen und einen engeren Zusammenschluss gegen äußere Fährnisse verlangten. 

Es geht hier nicht um Ursachen, die Entwicklungen determinieren, sondern um Bedingungen, unter denen sich die einen behaupten konnten und die andern nicht.

JE

Das Denken und die Denke.

aus spektrum.de, 7. 12. 2021

Wann Frauen ebenso wettbewerbsfreudig sind wie Männer
Frauen sind nicht grundsätzlich weniger auf Wettkampf geeicht. Für sie spielt der soziale Anreiz aber eine wichtigere Rolle.

von Anton Benz

Frauen bekleiden deutlich seltener Führungspositionen als Männer. Häufig wird als Grund angeführt, dass sie Konkurrenzsituationen eher mieden. Die Wirtschaftswissenschaftlerinnen Alessandra Cassar von der University of San Francisco und und Mary L. Ridgon von der University of Arizona überprüften diese Annahme. In ihrem Experiment zeigten sie, dass Frauen nicht grundsätzlich weniger kompetitiv sind als Männer – es kommt bloß ganz darauf an, was auf dem Spiel steht.

Die 238 Versuchspersonen (die Hälfte davon Frauen) mussten in Vierergruppen einfache Zahlenaufgaben lösen und konnten dabei Geld gewinnen. Die Siegesprämien wurden unterschiedlich verteilt. In der ersten Runde bekamen alle Teilnehmenden etwas Geld pro richtige Antwort (nicht kompetitiv). Danach erzeugten die Forscherinnen einen Wettbewerb unter den Probanden.

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Während bei der »egoistischen« Variante ausschließlich die besten zwei eines Viererteams etwas gewannen, konnten die beiden Bestplatzierten bei der »sozialen« Version den Betrag mit den Verlierern teilen. Im letzten Teil des Experiments konnten sich die Versuchspersonen zwischen einer nicht kompetitiven und einer kompetitiven Gewinnausschüttung entscheiden. Letzteres war bei der einen Hälfte der Gruppe die »egoistische« Variante, bei der anderen Hälfte die »soziale«.

Im ersten Fall entschieden sich nur 35 Prozent der Frauen für die kompetitive Variante. Dagegen traten 60 Prozent der Frauen in den Wettbewerb, wenn sie den Gewinn aufteilen durften. Das Verhalten der Männer änderte sich nicht: In beiden Fällen wählten ungefähr 50 Prozent die kompetitive Option. Cassar und Rigdon schließen aus den Ergebnissen, dass Frauen nicht grundsätzlich weniger wettbewerbsfreudig als Männer sind. Wenn es gemein-nützige Anreize gibt, entschieden sie sich mindestens genauso häufig für den Wettbewerb.

 

Nota. - Reiben Sie sich die Augen und lesen Sie's nochmal: Wenn der Gewinn aufgeteilt wird und jede Einzelne ein keines Bissel abbekommt, bezeichnet Anton Benz das in vollem Ernst als gemein nützig! Die Frauen waren nicht wettbewerbsfreudiger, sondern risikoscheuer, und gingen auf Nummer sicher. Der deutsche Berichterstatter hat kein genderneutrales Denken bemüht, sondern herkömmliche weibliche Denke.

Das ist wohl einer vorübergehenden Mode geschuldet. Historisch grundständiger waren dage-gen die amerikanischen Forscherinnen: Dass mensch - man und frau - um Geld wetteifert, ist ihnen so selbstverständlich, dass sie es als keiner Erklärung wert erachten. Hätten sie einen rei-nen Wettbewerb veranstaltet, wo gar nichts gewonnen wird als das Gewinnen selbst, hätten sich... die Männer kaum anders verhalten; und die Frauen - lassen Sie mich raten: -  zu zwei Dritteln auf die Teilnahme verzichtet.

JE

Donnerstag, 2. Dezember 2021

Geruch von Babys beschwichtigt Männer und macht Frauen aggressiver.


aus spektrum.de, 2. 12. 2021


Geruch von Babys beschwichtigt Männer und macht Frauen aggressiver
Ein Duftmolekül auf der Kopfhaut von Neugeborenen beeinflusst beide Geschlechter unterschiedlich. Dies bot womöglich einen evolutionären Überlebensvorteil.


von Anna Lorenzen

Von Tieren weiß man, dass Körpersignale in Form flüchtiger Stoffe eine wichtige Rolle in der Kommunikation spielen. Über so genannte Pheromone beeinflussen viele Arten, darunter Insekten, das Verhalten ihrer Artgenossen. Mittlerweile ist bekannt, dass unser Riechhirn ebenfalls empfänglich ist für unterschwellige Botschaften von Mitmenschen. Doch das Wissen darum ist noch immer begrenzt. Ein Team um den Geruchsforscher Noam Sobel vom Weizmann Institute of Science in Israel hat nun nachgewiesen, dass ein flüchtiges Molekül, das von menschlicher Haut, der Atemluft und Fäkalien abgesondert wird, einen direkten Einfluss auf unser Hirn sowie unser Aggressionslevel hat. Es ist besonders auf der Kopfhaut von Neugeborenen zu finden und bot evolutionär womöglich einen Überlebensvorteil.

Gehirn&Geist 1/2022Das könnte Sie auch interessieren: Gehirn&Geist 1/2022

Zuerst luden die Forscherinnen und Forscher 127 Probanden (davon 67 Frauen) zu einem Verhaltensexperiment ein: Sie sollten am Computer vermeintlich mit einem anderen Probanden spielen. Der erste Teil zielte darauf ab, bei den Teilnehmenden Frust zu erzeugen (der »Mitspieler« streicht sich den Großteil des Gewinns selbst ein); der zweite Teil darauf, Aggressionen zu triggern. Hierbei durften sich die Freiwilligen rächen, indem sie den »Mitspieler« per Knopfdruck mit einem ätzenden Ton traktierten. Während des Experiments war eine Geruchsprobe unter ihrer Nase befestigt: Die eine Hälfte der Gruppe bekam die reine Trägersubstanz zu riechen, die andere zusätzlich Hexadecanal. Beides erzeugte jedoch keinen wahrnehmbaren Geruchseindruck.

Überraschenderweise zeigte sich ein deutlicher Geschlechtereffekt: Die Frauen reagierten unter dem Einfluss von Hexadecanal aggressiver (drehten den Ton lauter), die Männer hingegen schien es zu besänftigen. Um die zu Grunde liegenden Vorgänge im Gehirn zu untersuchen, führte das Team ein fMRT-Experiment mit weiteren 49 Teilnehmern durch (davon 24 Frauen). Während diese in der Scanner-Röhre lagen, absolvierten sie ein ähnliches Aggressionsparadigma wie bereits die Gruppe zuvor. Es wurde ihnen entweder mit Hexadecanal oder nur mit einer Trägersubstanz angereicherte Luft über eine Atemmaske zugeführt.

Die Auswertung ergab, dass Hexadecanal bei Männern sowie Frauen eine für die soziale Kognition zentrale Region aktivierte, nämlich den Gyrus angularis. Aber die Verbindungen zu Arealen, die mit sozialer Bewertung und der Regulation von Aggressionen zusammenhängen, waren bei den Männern unter dem Einfluss des Signalmoleküls verstärkt, bei den Frauen hingegen vermindert.

Laut Eva Mishor, Erstautorin der Studie, stellt die flüchtige Substanz womöglich ein Cool-down-Signal für Männer dar, gleichzeitig schüre es aggressives Verhalten bei Frauen. »Im Tierreich übersetzt sich männliche Aggression häufig in Aggression gegenüber Neugeborenen. Weibliche Aggression hingegen richtet sich für gewöhnlich auf die Verteidigung des Nachwuchses«, so die Neurowissenschaftlerin. Evolutionär gesehen hat das Schnuppern am Hinterkopf eines Babys also Sinn.

 

Mein Kommentar: Denken Sie sich was dabei.

JE