aus spektrum.de, 9. 2. 2019
Der Männerstoff
Testosteron
galt lange Zeit als der böse Bube unter den Hormonen. Zuviel davon im
Blut und der Mann wird zum Tier – trieb- und aggressionsgesteuert.
Anders als in der Tierwelt jedoch lässt sich die pauschale Aussage
"Testosteron macht aggressiv" beim Menschen nicht bestätigen. In der
Doku erklären international renommierte Forscher, wie subtil das Hormon
tatsächlich wirkt.
Der öffentlich-rechtliche Sender ARTE ist eine deutsch-französische Kooperation mit Schwerpunkt Kultur und Gesellschaft.
Ein Video von
Testosteron
– das wichtigste männliche Sexualhormon. Es steht für die Gesundheit
des Mannes, sexuelle Lust und das Lebenselixier im Alter. Zugleich wird
dem Hormon nachgesagt, es fördere die Aggressivität beim Kampf und
Gerangel um den ersten Platz. Der testosterongesteuerte Mann sei
risikobereit und egoistisch. Eigenschaften, die heute ein eher
schlechtes Image haben. Doch was ist dran am Mythos vom
testosterongesteuerten Mann?
Die Dokumentation geht der Entstehung
und den Wirkungsweisen des Androgens auf den Grund. International
renommierte Forscher erklären, wie subtil das Hormon im Menschen
tatsächlich wirkt. Anders als bei Tieren lässt sich die pauschale
Aussage »Testosteron macht aggressiv« beim Menschen nicht bestätigen.
Neueste wissenschaftliche Studien legen etwa nahe, dass der Botenstoff
tatsächlich soziales, selbstloses Verhalten, fördert.
Einer der
führenden Experten auf diesem Gebiet ist der Franzose Jean-Claude Dreher
aus Lyon. Er beweist in seinen Laborversuchen, dass Testosteron nicht
aggressiv macht, sondern Männer strategisch handeln lässt. Wer mehr
Testosteron im Körper trägt, behandelt andere freundlicher, um seinen
eigenen Status zu stärken.
Der britische Verhaltenspsychologe
Simon Baron-Cohen hat darüber hinaus untersucht, ob und inwiefern
bereits der Testosterongehalt im Mutterleib unterschiedliche
Verhaltensmerkmale bei Jungen und Mädchen zutage fördert. Den
Forschungen zufolge wirkt sich die Hormonkonzentration auf die
Gehirnentwicklung und somit auf Ausprägung von Empathie,
Sprachentwicklung und Abstraktionsvermögen aus.
aus scinexx
Frauengehirne sind jünger
Weibliche Denkorgane scheinen von Anfang an "jugendlicher" zu sein als männliche
Geschlechtsspezifischer Unterschied: Frauen haben offenbar
jüngere Gehirne als Männer – zumindest was die Stoffwechselaktivität
betrifft. Gemessen an diesem Parameter sind die Denkorgane von Frauen
tendenziell jugendlicher als die Gehirne gleichaltriger Männer, wie eine
Studie zeigt. Dieser Unterschied manifestiert sich erstaunlicherweise
bereits in jungen Jahren. Er könnte erklären, warum Frauen im Alter
weniger anfällig für kognitive Verfallserscheinungen sind.
Die Gehirne von Männern „ticken“ anders als die von Frauen: Für
dieses altbekannte Klischee haben Wissenschaftler in jüngster Zeit
tatsächlich immer wieder Belege gefunden. So empfinden Frauen
beispielsweise Stress stärker und neigen eher zu Depressionen. Männer sind dafür vergesslicher und leiden im Alter häufiger unter leichten kognitiven Störungen, wie Statistiken zeigen.
Energiestoffwechsel
Genau diesem Unterschied in Sachen Gedächtnis haben sich nun Manu
Goyal von der Washington University School of Medicine in St. Louis und
seine Kollegen gewidmet. „Einer Theorie nach haben Frauen jugendlichere
Gehirne als Männer“, schreiben die Forscher. Doch was ist an dieser
These dran? Um möglichen geschlechtsspezifischen Differenzen in Bezug
auf das Hirnalter auf die Spur zu kommen, haben sie sich auf einen
wichtigen Aspekt unseres Denkorgans konzentriert: den Stoffwechsel.
Denn bekannt war bereits: Im Laufe des Lebens verändert sich im
Gehirn die Verwertung des Energielieferanten Glucose. Babys und Kinder
nutzen einen großen Teil dieser Zucker-Verbindung für die sogenannte
aerobe Glycolyse – einen Stoffwechselweg, der für die Entwicklung und
Reifung des Gehirns essenziell ist. Mit zunehmendem Alter wird der für
diesen Prozess verwendete Zuckeranteil jedoch immer geringer. Ab einem
Alter von 60 Jahren fließt dann kaum noch Zucker in die Glycolyse.
Unterschiede zwischen Mann und Frau
Anhand dieses Parameters lässt sich demnach auf das Alter einer
Person schließen. Diese Tatsache nutzten die Forscher für ihre Studie an
121 Frauen und 84 Männern im Alter zwischen 20 und 82 Jahren. Konkret
untersuchten sie die Denkorgane der Probanden mithilfe der
Positronen-Emissions-Tomographie (PET). Dies ermöglichte ihnen, den
Anteil des Zuckers zu erfassen, der der aeroben Glycolyse zugeführt
wird.
Mit den Ergebnissen der Männer fütterten Goyal und seine Kollegen
schließlich einen lernfähigen Algorithmus, der auf diese Weise
Zusammenhänge zwischen Hirnmetabolismus und Alter erkannte. Was würde
passieren, wenn das so trainierte Programm nun die Stoffwechseldaten der
Frauen auswertete?
Deutlich jünger – von Anfang an
Es zeigte sich: Der mit Männerdaten geschulte Algorithmus schätzte
das Alter der weiblichen Probanden durchweg zu jung ein. Dabei lag das
errechnete Alter im Schnitt 3,8 Jahre unter dem tatsächlichen Alter der
Frauen. Ein ähnlicher Effekt offenbarte sich auch bei der umgekehrten
Herangehensweise. Wurde das Programm mithilfe der Frauendaten trainiert,
kam es für die Männer auf ein im Schnitt 2,4 Jahre zu hohes Alter.
„Der kalkulierte Altersunterschied zwischen Männern und Frauen ist
signifikant“, sagt Goyal. Allerdings lässt sich dieser Unterschied ihm
zufolge nicht damit erklären, dass Männergehirne schneller altern.
Frappierender Weise zeigte sich der metabolische Altersunterschied
nämlich bereits bei den jüngsten Studienteilnehmern, die erst in ihren
20ern waren. Es scheint sich demnach um eine von Anfang an bestehende
Diskrepanz zu handeln.
Weniger anfällig für geistigen Verfall?
Was bedeutet das? „Das wissen wir noch nicht genau. Jedoch liegt die
Vermutung nahe, dass Frauen im Alter weniger stark von kognitiven
Verfallserscheinungen betroffen sind, weil ihre Gehirne effektiv jünger
sind“, sagt Goyal. Wie genau Hirnstoffwechsel, Altern und
Gedächtnisstörungen zusammenhängen und welche Rolle das Geschlecht dabei
spielt, werden die Wissenschaftler in Zukunft näher untersuchen.
„Wir fangen gerade erst an zu verstehen, wie geschlechtsbezogene
Faktoren den Verlauf der Gehirnalterung beeinflussen“, sagt Goyal.
Gleichzeitig betont er aber auch: Obwohl der nun beobachtete Unterschied
zwischen Männern und Frauen deutlich ist, sollte er nicht überbewertet
werden. „Dieser Faktor ist nur für einen kleinen Teil der kognitiven
Unterschiede zwischen zwei beliebigen Individuen verantwortlich“,
schließt der Forscher. (PNAS, 2019; doi: 10.1073/pnas.1815917116)
Quelle: Washington University School of Medicine/ PNAS
5. Februar 2019
- Daniela Albat