aus scinexx
Männer erinnern sich stärker an Schmerzen
Schmerzgedächtnis scheint auch vom Geschlecht abhängig zu sein
Überraschender Effekt: Frauen erinnern sich offenbar anders
an Schmerzen als Männer. Wie eine Studie zeigt, reagieren männliche
Probanden überempfindlich auf eigentlich harmlose Schmerzreize, wenn sie
in derselben Umgebung zuvor ein starkes Schmerzerlebnis hatten. Bei
Frauen zeigt sich dieser Effekt dagegen nicht. Dies könnte auch
bedeuten, dass Männer anfälliger für chronische Schmerzen sind.
Ob im Rücken, in den Gelenken oder im Kopf: Viele Menschen plagen sich mit chronischen Schmerzen herum. Mediziner sind sich inzwischen einig, dass das sogenannte Schmerzgedächtnis
wesentlich mitverantwortlich für solche andauernden Beschwerden ist.
Demnach scheint sich unser Körper starke Schmerzen regelrecht merken zu
können.
So können die anfänglichen Schmerzreize nachweislich Spuren in den
peripheren Nervenzellen, aber auch in den Zellen in Rückenmark und
Gehirn hinterlassen und sie überempfindlich machen. Als Folge tut es
selbst dann noch weh, wenn der ursprüngliche Grund für die Schmerzen
längst nicht mehr vorhanden ist.
Von Maus zu Mensch
Welche Faktoren dieses „Einbrennen“ von Schmerzen begünstigen, ist
bisher erst in Teilen verstanden. Wissenschaftler um Loren Martin von
der McGill University in Montreal haben nun herausgefunden, dass es in
diesem Zusammenhang offenbar eine geschlechtsspezifische Komponente
gibt.
Für seine Studie hatte das Forscherteam zunächst untersucht,
inwiefern sich Mäuse an vergangene Schmerzen erinnern. Das überraschende
Ergebnis: Während starke Schmerzerlebnisse männliche Nager
überempfindlich für selbst harmlose Reize machten, schien dies bei ihren
weiblichen Artgenossen nicht der Fall zu sein. „Wir wollten dann sehen,
ob es ähnliche Unterschiede auch beim Menschen gibt“, berichtet Martins
Kollege Jeffrey Mogil.
Schmerzhaftes Erlebnis
Zu diesem Zweck führten die Wissenschaftler mit 41 Männern und 38
Frauen im Alter zwischen 18 und 40 Jahren einen Schmerztest durch. Im
Experiment mussten die Probanden zunächst leichte Hitzereize auf ihrem
Arm ertragen und den dabei empfundenen Schmerz auf einer
100-Punkte-Skala bewerten.
Direkt im Anschluss wurden sie mit einem wesentlich stärkeren
Schmerzreiz konfrontiert: 20 Minuten lang sollten sie Fitnessübungen mit
ihrem Arm ausführen, während sie eine enge Blutdruckmanschette trugen –
ein schmerzhaftes Erlebnis, dem nur sieben der Teilnehmer weniger als
50 Punkte auf der Skala vergaben. Wie würde sich diese Erfahrung auf die
Wahrnehmung späterer Reize auswirken?
Veränderte Wahrnehmung
Dies testeten die Forscher am darauffolgenden Tag. Wieder wurden die
Probanden in einen Raum geführt und wieder wurden sie demselben leichten
Hitzereiz wie im ersten Durchgang ausgesetzt. Dabei zeigte sich: Wurden
Männer für das Experiment in denselben Raum geführt wie beim vorherigen
Experiment, bewerteten sie den Schmerz deutlich höher als am Tag zuvor.
Offenbar hatte die Erinnerung an das starke Schmerzerlebnis in dieser
Umgebung sie überempfindlich gemacht. Dieser Effekt war bei weiblichen
Teilnehmern dagegen nicht zu beobachten, wie Martins Team berichtet.
Eine Frage der Erinnerung
Damit scheint nun klar: Das Schmerzempfinden von Frauen und Männern
reagiert offenbar unterschiedlich auf vergangene Erfahrungen. Doch liegt
das beobachtete Phänomen wirklich in den Erinnerungen an frühere
Schmerzen begründet? Um dies zu überprüfen, verabreichten die
Wissenschaftler Mäusen einen Wirkstoff, der bestimmte Erinnerungen
gezielt auslöschen kann. Und tatsächlich: So behandelte Mäusemännchen
reagierten nicht mehr überempfindlich.
Wie aber lässt sich erklären, dass das Schmerzgedächtnis offenbar nur
bei Männern, nicht aber bei Frauen zum Tragen kommt? Die Forscher
spekulieren, dass unter anderem geschlechtsspezifische Stressreaktionen,
aber auch das Hormon Testosteron in Zusammenhang mit diesem Phänomen
stehen könnten.
Welche Rolle spielt Testosteron?
Denn zum einen berichteten Männer, dass sie sich stark gestresst
fühlten, wenn sie in einen Raum geführt wurden, indem sie zuvor ihre
schmerzhaften Armübungen ausgeführt hatten. Frauen fühlten sich nach
eigenen Angaben in einer solchen Situation dagegen nicht sonderlich
gestresst. Zum anderen zeigte sich die kontextabhängige
Schmerzüberempfindlichkeit nicht bei männlichen Mäusen, die kastriert
waren.
Wie genau Schmerz, Erinnerung, Stress und Geschlecht zusammenhängen,
wollen die Wissenschaftler in Zukunft weiter untersuchen: „Dies könnte
uns Einblicke geben, die für die Behandlung chronischer Schmerzen
nützlich sein könnten“, schließt Mogil. (Current Biology, 2019; doi: 10.1016/j.cub.2018.11.030)
Quelle: McGill University
Montag, 14. Januar 2019
Mittwoch, 9. Januar 2019
In hochentwickelten Ländern sind Männer benachteiligt.
aus süddeutsche.de,Die Gesundheit der Männer ist meist schlechter als die der Frauen
Wo Männer leiden
Von Sebastian Herrmann
Ungleichheit, das klingt nach einer klaren Sache: Da sind auf der einen Seite diejenigen, die Privilegien genießen. Und auf der anderen Seite stehen jene, die systematisch ausgebremst werden. Doch so klar verhält es sich in der Praxis kaum - das fängt schon damit an, wie Ungleichheit definiert und gemessen wird. Die Psychologen Gijsbert Stoet von der britischen University of Essex und David Geary von der University of Missiouri, USA, sagen im Fall der Gleichberechtigung von Frauen und Männern: Der für Ländervergleiche gängige Index liefere ein unscharfes Bild, das weder Frauen noch Männern gerecht werde.
Dieses Ergebnis widerspricht der Diskussion, die gerade in
Industriestaaten so hitzig geführt wird. Das weckt natürlich Argwohn und
wirft die Frage auf: Warum liefert die neue Auswertung ein anderes Bild
als der seit 2006 geläufige Global Gender Gap Index (GGGI)?
"Bisher berücksichtigt kein Messinstrument zur Bestimmung von Geschlechtergerechtigkeit Widrigkeiten, die vor allem Männer treffen", sagt Stoet von der Universität Essex. Der GGGI ist so ausgelegt, dass er per Definition gar keine Bereiche identifizieren kann, in denen Frauen Männer überflügelt haben. Für jeden Unterindex - zum Beispiel Bildungsabschlüsse oder wirtschaftliche Partizipation - werden Werte von null bis eins gebildet. Eins bedeutet, dass Frauen Parität zu Männern erreicht haben. Der Wert eins wird jedoch auch vergeben, wenn Frauen Männer in einem Bereich weit hinter sich gelassen haben. Der GGGI kann also trotz aller erzielten Fortschritte niemals ein anderes Ergebnis liefern, als dass Frauen es insgesamt noch immer schwerer haben als Männer.
Das soll der neue Index ändern. "Der GIGI berücksichtigt Lebensaspekte, die für alle Menschen relevant sind", sagt Stoet. In den unterentwickelten Ländern fallen Frauen in den Auswertungen vor allem deshalb hinter Männern zurück, weil ihnen dort sehr häufig der Zugang zu Bildung verwehrt wird. Dass Männern in hoch entwickelten Ländern in der Auswertung teils hinter Frauen zurückbleiben, liege an der durchschnittlich geringeren Lebenserwartung von Männern und dem Umstand, dass sie weniger Jahre in guter Gesundheit bleiben. Das liege unter anderem daran, dass Männer wesentlich häufiger bei Arbeitsunfällen ums Leben kommen, deutlich mehr Alkohol trinken und zum Beispiel die Präventionsmedizin auf weibliche Bedürfnisse zugeschnitten sei.
Der neue Index, so die Forscher, solle etablierte Messinstrumente nicht ersetzen, aber ergänzen. Es könnte ja schon hilfreich sein, wenn ein Gedanke in die so polarisierende Geschlechterdebatte einsickert: Männer leben keinesfalls überall im Schlaraffenland, wo sie täglich Wunschkonzerten lauschen.
Wo Männer leiden
- Der für Ländervergleiche gängige Index zur Geschlechtergerechtigkeit liefere ein unscharfes Bild, kritisieren britische Psychologen.
- Sie schlagen ein neues Messinstrument vor, das sich an nur drei Faktoren orientiert.
Von Sebastian Herrmann
Ungleichheit, das klingt nach einer klaren Sache: Da sind auf der einen Seite diejenigen, die Privilegien genießen. Und auf der anderen Seite stehen jene, die systematisch ausgebremst werden. Doch so klar verhält es sich in der Praxis kaum - das fängt schon damit an, wie Ungleichheit definiert und gemessen wird. Die Psychologen Gijsbert Stoet von der britischen University of Essex und David Geary von der University of Missiouri, USA, sagen im Fall der Gleichberechtigung von Frauen und Männern: Der für Ländervergleiche gängige Index liefere ein unscharfes Bild, das weder Frauen noch Männern gerecht werde.
Die Wissenschaftler schlagen nun im Fachmagazin Plos One
ein vereinfachtes Instrument vor, den Basic Index of Gender Inequality
(GIGI), der sich aus drei Faktoren errechnet: Bildungschancen, die in
guter Gesundheit verbrachten Lebensjahre sowie die
generelle Lebenszufriedenheit.
Legten die Wissenschaftler diesen Bewertungsmaßstab an 134 Nationen mit insgesamt 6,8 Milliarden Bewohnern an, ergab sich ein Bild, das mit dem aktuellen Konsens nicht ganz vereinbar ist. Demnach haben Männer in 91 Ländern Nachteile zu ertragen und Frauen in 43
Nationen. In unterentwickelten Ländern litten vor allem Frauen unter
Ungleichheit, die meisten dieser Nationen liegen in Afrika und Südasien.
In den hoch entwickelten Industriestaaten hingegen sei gemäß der Daten
ihres GIGI weitgehend Geschlechtergerechtigkeit erzielt - mit leichten
Vorteilen für Frauen, so die beiden Forscher.
Bisher ignorieren Analysen, dass auch Männer in manchen Bereichen benachteiligt sind
"Bisher berücksichtigt kein Messinstrument zur Bestimmung von Geschlechtergerechtigkeit Widrigkeiten, die vor allem Männer treffen", sagt Stoet von der Universität Essex. Der GGGI ist so ausgelegt, dass er per Definition gar keine Bereiche identifizieren kann, in denen Frauen Männer überflügelt haben. Für jeden Unterindex - zum Beispiel Bildungsabschlüsse oder wirtschaftliche Partizipation - werden Werte von null bis eins gebildet. Eins bedeutet, dass Frauen Parität zu Männern erreicht haben. Der Wert eins wird jedoch auch vergeben, wenn Frauen Männer in einem Bereich weit hinter sich gelassen haben. Der GGGI kann also trotz aller erzielten Fortschritte niemals ein anderes Ergebnis liefern, als dass Frauen es insgesamt noch immer schwerer haben als Männer.
Das soll der neue Index ändern. "Der GIGI berücksichtigt Lebensaspekte, die für alle Menschen relevant sind", sagt Stoet. In den unterentwickelten Ländern fallen Frauen in den Auswertungen vor allem deshalb hinter Männern zurück, weil ihnen dort sehr häufig der Zugang zu Bildung verwehrt wird. Dass Männern in hoch entwickelten Ländern in der Auswertung teils hinter Frauen zurückbleiben, liege an der durchschnittlich geringeren Lebenserwartung von Männern und dem Umstand, dass sie weniger Jahre in guter Gesundheit bleiben. Das liege unter anderem daran, dass Männer wesentlich häufiger bei Arbeitsunfällen ums Leben kommen, deutlich mehr Alkohol trinken und zum Beispiel die Präventionsmedizin auf weibliche Bedürfnisse zugeschnitten sei.
Der neue Index, so die Forscher, solle etablierte Messinstrumente nicht ersetzen, aber ergänzen. Es könnte ja schon hilfreich sein, wenn ein Gedanke in die so polarisierende Geschlechterdebatte einsickert: Männer leben keinesfalls überall im Schlaraffenland, wo sie täglich Wunschkonzerten lauschen.
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