Montag, 14. Januar 2019

Warum Männer wirklich wehleidiger sind.

Schmerz
aus scinexx

Männer erinnern sich stärker an Schmerzen 
Schmerzgedächtnis scheint auch vom Geschlecht abhängig zu sein

Überraschender Effekt: Frauen erinnern sich offenbar anders an Schmerzen als Männer. Wie eine Studie zeigt, reagieren männliche Probanden überempfindlich auf eigentlich harmlose Schmerzreize, wenn sie in derselben Umgebung zuvor ein starkes Schmerzerlebnis hatten. Bei Frauen zeigt sich dieser Effekt dagegen nicht. Dies könnte auch bedeuten, dass Männer anfälliger für chronische Schmerzen sind. 

Ob im Rücken, in den Gelenken oder im Kopf: Viele Menschen plagen sich mit chronischen Schmerzen herum. Mediziner sind sich inzwischen einig, dass das sogenannte Schmerzgedächtnis wesentlich mitverantwortlich für solche andauernden Beschwerden ist. Demnach scheint sich unser Körper starke Schmerzen regelrecht merken zu können.

So können die anfänglichen Schmerzreize nachweislich Spuren in den peripheren Nervenzellen, aber auch in den Zellen in Rückenmark und Gehirn hinterlassen und sie überempfindlich machen. Als Folge tut es selbst dann noch weh, wenn der ursprüngliche Grund für die Schmerzen längst nicht mehr vorhanden ist.

Von Maus zu Mensch

Welche Faktoren dieses „Einbrennen“ von Schmerzen begünstigen, ist bisher erst in Teilen verstanden. Wissenschaftler um Loren Martin von der McGill University in Montreal haben nun herausgefunden, dass es in diesem Zusammenhang offenbar eine geschlechtsspezifische Komponente gibt.

Für seine Studie hatte das Forscherteam zunächst untersucht, inwiefern sich Mäuse an vergangene Schmerzen erinnern. Das überraschende Ergebnis: Während starke Schmerzerlebnisse männliche Nager überempfindlich für selbst harmlose Reize machten, schien dies bei ihren weiblichen Artgenossen nicht der Fall zu sein. „Wir wollten dann sehen, ob es ähnliche Unterschiede auch beim Menschen gibt“, berichtet Martins Kollege Jeffrey Mogil.

Schmerzhaftes Erlebnis

Zu diesem Zweck führten die Wissenschaftler mit 41 Männern und 38 Frauen im Alter zwischen 18 und 40 Jahren einen Schmerztest durch. Im Experiment mussten die Probanden zunächst leichte Hitzereize auf ihrem Arm ertragen und den dabei empfundenen Schmerz auf einer 100-Punkte-Skala bewerten.

Direkt im Anschluss wurden sie mit einem wesentlich stärkeren Schmerzreiz konfrontiert: 20 Minuten lang sollten sie Fitnessübungen mit ihrem Arm ausführen, während sie eine enge Blutdruckmanschette trugen – ein schmerzhaftes Erlebnis, dem nur sieben der Teilnehmer weniger als 50 Punkte auf der Skala vergaben. Wie würde sich diese Erfahrung auf die Wahrnehmung späterer Reize auswirken?

Veränderte Wahrnehmung

Dies testeten die Forscher am darauffolgenden Tag. Wieder wurden die Probanden in einen Raum geführt und wieder wurden sie demselben leichten Hitzereiz wie im ersten Durchgang ausgesetzt. Dabei zeigte sich: Wurden Männer für das Experiment in denselben Raum geführt wie beim vorherigen Experiment, bewerteten sie den Schmerz deutlich höher als am Tag zuvor.

Offenbar hatte die Erinnerung an das starke Schmerzerlebnis in dieser Umgebung sie überempfindlich gemacht. Dieser Effekt war bei weiblichen Teilnehmern dagegen nicht zu beobachten, wie Martins Team berichtet.

Eine Frage der Erinnerung

Damit scheint nun klar: Das Schmerzempfinden von Frauen und Männern reagiert offenbar unterschiedlich auf vergangene Erfahrungen. Doch liegt das beobachtete Phänomen wirklich in den Erinnerungen an frühere Schmerzen begründet? Um dies zu überprüfen, verabreichten die Wissenschaftler Mäusen einen Wirkstoff, der bestimmte Erinnerungen gezielt auslöschen kann. Und tatsächlich: So behandelte Mäusemännchen reagierten nicht mehr überempfindlich.

Wie aber lässt sich erklären, dass das Schmerzgedächtnis offenbar nur bei Männern, nicht aber bei Frauen zum Tragen kommt? Die Forscher spekulieren, dass unter anderem geschlechtsspezifische Stressreaktionen, aber auch das Hormon Testosteron in Zusammenhang mit diesem Phänomen stehen könnten.

Welche Rolle spielt Testosteron?

Denn zum einen berichteten Männer, dass sie sich stark gestresst fühlten, wenn sie in einen Raum geführt wurden, indem sie zuvor ihre schmerzhaften Armübungen ausgeführt hatten. Frauen fühlten sich nach eigenen Angaben in einer solchen Situation dagegen nicht sonderlich gestresst. Zum anderen zeigte sich die kontextabhängige Schmerzüberempfindlichkeit nicht bei männlichen Mäusen, die kastriert waren.

Wie genau Schmerz, Erinnerung, Stress und Geschlecht zusammenhängen, wollen die Wissenschaftler in Zukunft weiter untersuchen: „Dies könnte uns Einblicke geben, die für die Behandlung chronischer Schmerzen nützlich sein könnten“, schließt Mogil. (Current Biology, 2019; doi: 10.1016/j.cub.2018.11.030)

Quelle: McGill University


Mittwoch, 9. Januar 2019

In hochentwickelten Ländern sind Männer benachteiligt.

Generation 65+
aus süddeutsche.de,Die Gesundheit der Männer ist meist schlechter als die der Frauen
 
Wo Männer leiden
  • Der für Ländervergleiche gängige Index zur Geschlechtergerechtigkeit liefere ein unscharfes Bild, kritisieren britische Psychologen.
  • Sie schlagen ein neues Messinstrument vor, das sich an nur drei Faktoren orientiert.
 
Von Sebastian Herrmann

Ungleichheit, das klingt nach einer klaren Sache: Da sind auf der einen Seite diejenigen, die Privilegien genießen. Und auf der anderen Seite stehen jene, die systematisch ausgebremst werden. Doch so klar verhält es sich in der Praxis kaum - das fängt schon damit an, wie Ungleichheit definiert und gemessen wird. Die Psychologen Gijsbert Stoet von der britischen University of Essex und David Geary von der University of Missiouri, USA, sagen im Fall der Gleichberechtigung von Frauen und Männern: Der für Ländervergleiche gängige Index liefere ein unscharfes Bild, das weder Frauen noch Männern gerecht werde.

Die Wissenschaftler schlagen nun im Fachmagazin Plos One ein vereinfachtes Instrument vor, den Basic Index of Gender Inequality (GIGI), der sich aus drei Faktoren errechnet: Bildungschancen, die in guter Gesundheit verbrachten Lebensjahre sowie die generelle Lebenszufriedenheit.

Legten die Wissenschaftler diesen Bewertungsmaßstab an 134 Nationen mit insgesamt 6,8 Milliarden Bewohnern an, ergab sich ein Bild, das mit dem aktuellen Konsens nicht ganz vereinbar ist. Demnach haben Männer in 91 Ländern Nachteile zu ertragen und Frauen in 43 Nationen. In unterentwickelten Ländern litten vor allem Frauen unter Ungleichheit, die meisten dieser Nationen liegen in Afrika und Südasien. In den hoch entwickelten Industriestaaten hingegen sei gemäß der Daten ihres GIGI weitgehend Geschlechtergerechtigkeit erzielt - mit leichten Vorteilen für Frauen, so die beiden Forscher.

Bisher ignorieren Analysen, dass auch Männer in manchen Bereichen benachteiligt sind
 
Dieses Ergebnis widerspricht der Diskussion, die gerade in Industriestaaten so hitzig geführt wird. Das weckt natürlich Argwohn und wirft die Frage auf: Warum liefert die neue Auswertung ein anderes Bild als der seit 2006 geläufige Global Gender Gap Index (GGGI)?

"Bisher berücksichtigt kein Messinstrument zur Bestimmung von Geschlechtergerechtigkeit Widrigkeiten, die vor allem Männer treffen", sagt Stoet von der Universität Essex. Der GGGI ist so ausgelegt, dass er per Definition gar keine Bereiche identifizieren kann, in denen Frauen Männer überflügelt haben. Für jeden Unterindex - zum Beispiel Bildungsabschlüsse oder wirtschaftliche Partizipation - werden Werte von null bis eins gebildet. Eins bedeutet, dass Frauen Parität zu Männern erreicht haben. Der Wert eins wird jedoch auch vergeben, wenn Frauen Männer in einem Bereich weit hinter sich gelassen haben. Der GGGI kann also trotz aller erzielten Fortschritte niemals ein anderes Ergebnis liefern, als dass Frauen es insgesamt noch immer schwerer haben als Männer.

Das soll der neue Index ändern. "Der GIGI berücksichtigt Lebensaspekte, die für alle Menschen relevant sind", sagt Stoet. In den unterentwickelten Ländern fallen Frauen in den Auswertungen vor allem deshalb hinter Männern zurück, weil ihnen dort sehr häufig der Zugang zu Bildung verwehrt wird. Dass Männern in hoch entwickelten Ländern in der Auswertung teils hinter Frauen zurückbleiben, liege an der durchschnittlich geringeren Lebenserwartung von Männern und dem Umstand, dass sie weniger Jahre in guter Gesundheit bleiben. Das liege unter anderem daran, dass Männer wesentlich häufiger bei Arbeitsunfällen ums Leben kommen, deutlich mehr Alkohol trinken und zum Beispiel die Präventionsmedizin auf weibliche Bedürfnisse zugeschnitten sei.

Der neue Index, so die Forscher, solle etablierte Messinstrumente nicht ersetzen, aber ergänzen. Es könnte ja schon hilfreich sein, wenn ein Gedanke in die so polarisierende Geschlechterdebatte einsickert: Männer leben keinesfalls überall im Schlaraffenland, wo sie täglich Wunschkonzerten lauschen.