aus derStandard.at, 11. Oktober 2017, 11:28
Kooperation ist vor allem unter Männern ausgeprägt.Forscher testeten Hilfsbereitschaft in verschiedenen Geschlechter-Konstellationen
Wien – Wenn Zank und Hader das Nachrichtengeschehen prägen, liest man so etwas doch gerne: Insgesamt betrachtet ist die Spezies Homo sapiens als ausgesprochen kooperativ und hilfsbereit zu betrachten. Selbst in einem von Konkurrenz geprägten Umfeld sei die Bereitschaft zur Zusammenarbeit hoch, berichten Wiener Forscher mit internationalen Kollegen im Fachmagazin "Scientific Reports". Deutlich über dem Schnitt liegt laut der Studie die Kooperationsbereitschaft unter Männern.
Die Studie
"Es gab schon viele Experimente, bei denen Menschen sich sehr prosozial und kooperativ zeigten, aber bis jetzt wurde dies immer unter artifiziellen Konditionen getestet", sagt Jorg Massen vom Department für Kognitionsbiologie der Uni Wien – nämlich in gestellten Situationen meist mit Psychologiestudenten. Er habe deshalb eine aus dem Leben gegriffene Aufgabe in einem sehr kompetitiven Milieu ausgesucht: der Wissenschaft.
Wenn die Menschen hier Bereitschaft zur Zusammenarbeit zeigten, wären sie tatsächlich eine kooperative Spezies, meint Massen. Ob diese Grundannahme berechtigt ist, bleibt freilich dahingestellt – in anderen gesellschaftlichen Bereichen könnte der Wille zur Kooperation durchaus weniger ausgeprägt sein als in der Wissenschaft.
Die Forscher haben jedenfalls rund 300 Fachkollegen aus der ganzen Welt frech um ihre wissenschaftlichen Rohdaten gebeten, unter dem Vorwand, dass sie diese für eine Metastudie brauchen würden, also um die Daten verschiedener Forscher kollektiv auszuwerten. Sie boten ihnen dafür nichts an – weder eine Mit-Autorenschaft an damit entstehenden Publikationen noch anderes. Im Schnitt war mehr als die Hälfte der Wissenschafter (59 Prozent) dazu bereit.
Unterschiede zwischen den Geschlechtern
Es war aber alles andere als irrelevant, von welchem Geschlecht der Bittsteller und der Gönner waren. Männer kooperierten mit Männern weitaus häufiger (72 Prozent) als bei allen anderen Konstellationen, also Frauen untereinander (56 Prozent), wenn ein Mann bei einer Frau angefragt hat (53 Prozent) oder eine Frau einen Mann um seine Daten bat (54 Prozent), erklärte Massen.
"Solche Unterschiede bei den Geschlechtern reflektieren vielleicht den höheren Wettbewerbsdruck, den Frauen wahrnehmen, traditionell männliche Netzwerke in den akademischen Kreisen sowie unsere evolutionäre Vergangenheit, in der vor allem Allianzen zwischen Männern vorteilhaft waren", meint der Forscher. Er selbst hätte übrigens nicht auf das Geschlecht der anfragenden Person geachtet, sondern nachgefragt, was denn genau mit seinen Daten passieren soll. (APA, red,)
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Scientific Reports: "Sharing of science is most likely among male scientists"
Nota. - Nur sozial konstruiert? Uns reicht das.
JE
Stephan Brodicky
10.10.2017 14:50
Auch wenn sich internationale Forschung immer mehr zu einem stark kompetitiven Feld entwickelt, sind WissenschafterInnen meist sehr gewillt ihr Wissen und ihre Arbeit mit anderen zu teilen. Dies gilt vor allem für den Austausch unter männlichen Kollegen, weniger allerdings für Frauen untereinander, deren Kooperation mit ihren männlichen Kollegen sowie für Männer, die ihr Arbeit mit Frauen teilen sollten. Ein internationales Forschungsteam um den Kognitionsbiologen Jorg Massen hat diese Verhaltensmuster unter ForscherInnen aufgedeckt und in der Fachzeitschrift "Scientific Reports" veröffentlicht.
Der Austausch von Wissen gilt in der Scientific Community als essentiell zur Gewinnung neuer Forschungserkenntnisse. Dabei spielt die, oftmals auch uneigennützige, Kooperation unter WissenschafterInnen eine beträchtliche Rolle. Eine Reihe an Experimenten hat die weitläufige Annahme bestätigt, dass Menschen – im Vergleich zu Tieren – sehr prosozial handeln. Viele dieser Experimente wurden jedoch unter realitätsfernen Rahmenbedingungen, meist an PsychologiestudentInnen, durchgeführt. Um dies in einem realistischen Umfeld zu testen, hat ein Team um den Kognitionsbiologen Jorg Massen von der Universität Wien den Versuch gestartet, die Bereitschaft zu teilen im höchst kompetitiven Rahmen der Wissenschaft zu erforschen.
Dazu haben die ForscherInnen 300 internationale, fachverwandte WissenschafterInnen aufgefordert, ihre wissenschaftlichen Publikationen sowie gewonnenen Daten mit Massen und seinem Team ohne jegliche Gegenleistung zu teilen. Die KognitionsbiologInnen der Universität Wien und der niederländischen Universität Leiden waren dabei aber nicht an den Arbeiten der ExpertInnen per se interessiert, sondern allein an der Tatsache, ob sie eine positive, negative oder gar keine Antwort auf die Anfrage erhalten würden.
Die Mehrheit der WissenschafterInnen reagierte positiv und signalisierte somit Bereitschaft entsprechende Daten zu teilen. Nichtdestowenigeer zeigten Männer, die von einem Mann kontaktiert wurden, eine 15 Prozent höhere Antwortrate als Männer, die von Frauen gebeten wurden, ihre Arbeiten mit ihnen zu teilen. Ein ähnliches Verhalten zeigten auch Frauen, die wiederum von Frauen oder Männern kontaktiert wurden – hier war die Rücklaufquote um etwa 15 Prozent geringer als bei Männern, die untereinander ihre Arbeiten austauschten.
"Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern repräsentieren möglicherweise den immer stärker ausgeprägten Konkurrenzkampf unter weiblichen Wissenschafterinnen, die traditionellen Männergesellschaften in wissenschaftlichen Kreisen und/oder resultieren aus evolutionären Gegebenheiten, in denen Mann-Mann-Bündnisse von Vorteil waren", so Jorg Massen, der Erstautor der Studie und ergänzt: "Es werden weitere Studien notwendig sein, um zu untersuchen, ob dieses Verhalten exklusiv unter WissenschafterInnen auftritt oder ein allgemeines, gesellschaftliches Muster zu erkennen ist."
Publikation in "Scientific Reports"
Massen, J.J.M., Bauer, L., Spurny, B., Bugnyar, T. & Kret. M. E. (2017). Sharing of science is most likely among male scientists. Scientific Reports.
DOI: 10.1038/s41598-017-13491-0
Wissenschaftlicher Kontakt
Jorg J.M. Massen, PhD
Department für Kognitionsbiologie
Universität Wien
1090 Wien, Althanstraße 14
T +43-699-1131 01 82
jorg.massen@univie.ac.at
Rückfragehinweis
Stephan Brodicky
Pressebüro der Universität Wien
Forschung und Lehre
1010 Wien, Universitätsring 1
T +43-1-4277-175 41
stephan.brodicky@univie.ac.at
Nota. - Vermutlich ist es gar nicht nötig, aber man kann in Zeiten Gerechter Sprache nicht pingelig genug sein: Meine Überschrift ist natürlich ein Scherz. Es geht nicht um den liebenswerten Charakterzug der Hilfsbereit- schaft, sondern um die Fähigkeit zur Zusammenarbeit, Ko-Operation. Die ursprünglichen menschlichen Gemeinschaften dürften rund zwei Dutzend Köpfe umfasst haben, Kinder und Alte inbegriffen. Innerhalb der Gruppe waren die Aufgaben wohl ziemlich fest, nämlich "naturwüchsig" verteilt. Die Bildung neuer, spontaner Arbeitsgruppen wurde regelmäßig und typischerweise außerhalb des Gruppenrahmens notwendig: bei der Jagd. Es geht nicht um Gemütsbewegung, sondern um den gemeinsamen Vorteil. Dass die Leute sich außerdem gut leiden können, ist nützlich, aber nicht notwendig; und ergibt sich womöglich auf die Dauer von selbst.
JE
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