Dienstag, 14. Februar 2017

Hohe Minne.


 aus Die Presse, Wien, 11.02.2017                                                       Codex Manesse, Sängerkrieg auf der Wartburg

Heimliches Sehnen, Werben um Liebe In der mittelalterlichen Dichtung steht die Frau auf einem Podest, unerreichbar für den Mann. Die Handschriften des 13. und 14. Jahrhunderts geben Einblick in die höfische Kultur.

von Erich Witzmann 

Zumeist handelt es sich um eine wehmütige Klage über unerfüllte Liebe. Warum steht die Frau höher als der Mann, ist für diesen unerreichbar, warum ist die Liebe unerfüllbar, wie dies die Minnesänger des Mittelalters vortrugen? „Die Frau steht auf einem Podest, das sind die Spielregeln der hohen Liebe“, sagt die Altgermanistin Christine Glaßner und fügt gleich einen Bezug zu unserer Zeit an: Der Charakter der damals besungenen Liebe sei ähnlich wie in den Texten des 2011 verstorbenen Ludwig Hirsch, dessen heute noch gespielte Lieder auch von Melancholie und einer Todesaffinität geprägt seien.

Werner von Teuffen

Christine Glaßner hat im Institut für Mittelalterforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) die großen mittelhochdeutschen Liedersammlungen durchforstet. An erster Stelle steht der „Codex Manesse“, auch als Große Heidelberger Liederhandschrift bezeichnet. Die um das Jahr 1300 in Zürich von der Patrizierfamilie Manesse initiierte Anthologie von 140 Dichtersammlungen und versehen mit 138 Miniaturen (mit Nachträgen bis circa 1340) befindet sich nach einer wechselvollen Geschichte ihrer Besitzer heute in der Bibliothek der Universität Heidelberg. Für ÖAW-Forscherin Glaßner bietet der „Codex Manesse“ Einblick in die Anfänge weltlicher Liedkunst um die Mitte des 12. Jahrhunderts.

Herr Wachsmut von Mühlhausen

Die Sänger waren selbst Adelige


Der umfassende Überblick über die mittelhochdeutsche Minnelyrik wird noch durch drei weitere Liedersammlungen möglich: Schon im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts wurde die Kleine Heidelberger Liederhandschrift (ebenfalls in der Uni-Bibliothek Heidelberg) angelegt, im ersten Drittel des 14. Jahrhunderts folgten die Weingartner oder Stuttgartner Handschrift (heute in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart) und die Jenaer Handschrift (heute in der Uni-Bibliothek Jena).

Kraft von Toggenburg

Die Dichter kommen aus den unterschiedlichen Gegenden – so wird die Herkunft von Walther von der Vogelweide in Südtirol verortet (wenn auch andere Regionen den Geburtsort beanspruchen), Wolfram von Eschenbach stammt aus Mittelfranken, Der von Kürenberg (so die Namensbezeichnung) wahrscheinlich aus Oberösterreich. Die Herkunft wird von den Altgermanisten meist aus den Liedtexten erschlossen. Allen gemeinsam ist, dass sie von Hof zu Hof zogen und ihre Dichtungen einer höfischen Gesellschaft gesungen vortrugen. Die Sänger selbst gehörten dem niederen, manchmal auch dem höheren Adel an. Erst ab dem Spätmittelalter (14. Jh.) habe es eigene Spielmänner gegeben, sagt Glaßner.

 Herr Konrad von Altstetten

Minnesang ist Liebesdichtung. Christine Glaßner: „Es ist adelige Gesellschaftskunst, in der in einer festgelegten Form öffentlich über das Thema geredet und gesungen wurde.“ Wobei man im Mittelhochdeutschen auch dem Wort Liebe begegnet. Minne bedeutet damals „das liebende Gedenken“, während Liebe „Wohlgefallen, Freude, Freundlichkeit“ ausdrückt. Die Themen des Minnesangs, so die Altgermanistin, sind heimliches Sehnen und Begehren, Werbung, Hoffnung auf Erhörung, erfülltes Liebesglück oder – weit häufiger – wehmütige Klage über unerfüllte Liebe oder Trennung. In sogenannten Frauenstrophen kommen auch Frauen zu Wort, allerdings wurden diese von Männern gedichtet und vorgetragen.

Otto von Brandenburg

Deftige Szenen waren seltener


Nicht oft, aber manchmal konnte es auch deftiger werden. Von Walther von der Vogelweide, dem bedeutendsten Lyriker des Mittelalters – seine Lieder sind in der Großen Heidelberger, der Kleinen Heidelberger und der Weingartner Liederhandschrift enthalten – ist beispielsweise das Lied „Unter der Linden“ überliefert. „Dass er bei mir lag, / wüsste das jemand / das verhüte Gott!, so würde ich mich schämen. / Was er mit mir machte, / niemals finde einer das heraus, außer ihm und mir / und einem kleinen Vöglein, / tandaradei / Das aber kann schweigen“, so die letzte Strophe des „Linden“-Liedes (aus dem Mittelhochdeutschen von Horst Brunner, Uni Würzburg).

Herr Alram von Gersten

Durch die Handschriften blieb die Minnelyrik erhalten und wurde weiter gesungen und vorgetragen. Das „Linden“-Lied von Walther von der Vogelweide hat etwa der im Ersten Weltkrieg gefallene und seinerzeit überaus populäre Hermann Löns gleich in zwei seiner Lieder („Rose weiß, Rose rot“ und „Grün ist die Heide“) wiedergegeben.

Herr Gottfried von Neiffen

Sämtliche Abbildungen aus dem Codex Manesse; sie zeigen die Sänger mit ihren Damen.


Nota. - Minne- und Troubadourslyrik zeugen in ihrer Tonlange von einer fast heidnischen Vergötzung von dere vrouwe, ebenso wie der Marienkult der römischen Kirche. Das hindert gesinnungsstarke Feministinnen nicht daran, in ihnen ein Zeugnis der jahrtausendealten Unterdrückung der Frau zu erkennen.
JE

 

Sonntag, 12. Februar 2017

Biochemie des Verliebens.

aus Die Presse, Wien,

Warum macht uns das Verlieben glücklich?
Das Verliebtheitshormon ist ein Glücklichmacher, weil es das Belohnungssystem im Gehirn anspricht. Danach übernimmt das Bindungshormon.



Positive Grundstimmung plus Aufgeregtheit. Das ist das Rezept für Vorfreude und das herzflatternde Glücksgefühl, wenn es zwischen zwei Menschen funkt. „Es ist eine freudige Erregung. Im Hormonhaushalt passiert alles Mögliche“, sagt die Verhaltensbiologin Elisabeth Oberzaucher über die sprichwörtlichen Schmetterlinge im Bauch. Unsere Herzrate beschleunigt sich, die Hautleitfähigkeit steigt an. An diese physiologischen Reaktionen sind Emotionen gekoppelt.

Das verdanken wir dem Verliebtheitshormon Phenylethylamin (PEA) – „ein Glücklichmacher und körpereigenes Opiat, das unser Belohnungssystem im Gehirn anspricht“, erklärt Oberzaucher. Das PEA bewegt uns dazu, dass wir diesen besonderen Menschen aufsuchen und mit ihm Zeit verbringen wollen. Wenn sich Frischverliebte treffen – in verringertem Maß funkt es auch telefonisch – fördert das die Ausschüttung der PEA.

Hormon als Initialzünder

Verliebtheit tritt nur am Anfang einer Beziehung auf. Dank der Hormone setzen wir uns – natürlich mit einer rosa Brille auf der Nase – mit dem Gegenüber auseinander. Wir sammeln Information und arbeiten an einer gemeinsamen Basis, die dann möglicherweise die Grundlage für Liebe darstellt. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Beziehung schiefgeht, ist in dieser Phase naturgemäß hoch. Wenn wir im Hormonrausch nichts entdecken, woraus sich ein solides Fundament entwickeln kann, entsteht keine dauerhafte Bindung.

Denn das Verliebtheitshormon PEA ist nur Initialzünder. Es versichert nicht, dass wir den Nachwuchs gut versorgen. Es wird nämlich nur am Beziehungsbeginn produziert. Nach circa eineinhalb Jahren fällt der hormonelle Belohnungsmecha- nismus, der mit dem Verliebtsein verbunden ist, weg. Dafür kommt ein anderes Hormon ins Spiel: das Oxytocin, der Kitt für die langfristige Bindung, egal, ob es um Paare oder Mutter-Kind-Beziehungen geht. „Es ist ein Wundermittel, das bei der Geburt und beim Stillen, beim Orgasmus und überhaupt bei jeglicher Form von sexueller Stimulation eine Rolle spielt“, sagt Oberzaucher.

Die Verliebtheit ist der erste Schritt für Paarbindung. Das macht das Thema für Verhaltensbiologen interessant.

„Vermutlich stammt das Phenylethylamin aus einer Zeit, als die Paarbindung für die Versorgung der Nachkommen noch keine so große Rolle gespielt hat“, meint Oberzaucher. Eine Spekulation, die Ausgangspunkt für weitere Studien zur evolutionären Entwicklung sein könnte. „Das Verlieben hat natürlich ursprünglich die Funktion, dass wir uns fortpflan- zen“, sagt sie. Dass wir darüber nicht bewusst nachdenken, sei aber genauso ein Faktum. „Wir suchen eigentlich einen Partner, weil uns das glücklich macht und wir nicht allein sein wollen“, meint sie und fügt hinzu: „Schließlich haben wir auch nicht Sex, um Nachwuchs zu zeugen, sondern weil es uns Spaß macht.“

Oberzaucher forscht rund um das Miteinander der Geschlechter, von der Kommunikation über kognitive Strategien bis hin zur Partnerwahl oder Fortpflanzungsbedingungen. In einem ihrer aktuellen Projekte fand sie etwa heraus, dass Männer dazu neigen, den Verliebtheitsgrad ihres Gegenübers zu überschätzen, während Frauen die Verliebtheit des anderen eher unterschätzen.


Nota. - Wir verlieben uns also wegen Phenylethylamin. Aber wo bekomm ich das her? Aus der Apotheke? Oder wider- fährt es mir wie eine Bananenschale? Vielleicht wie bei einem Schnupfen, durch Tröpfchenübertragung. Rätsel über Rätsel.
JE  


Dienstag, 7. Februar 2017

Anpassen oder widerstehen.


aus Die Presse, Wien, 07.02.2017 um 10:09

Frauen und Männer reagieren bei Stress unterschiedlich
Woher die Unterschiede kommen? Vielleicht, daher, dass Männer eher zwischen Kampf oder Flucht entscheiden, während Frauen sich mit den Umständen arrangieren. 

Obwohl sich Frauen und Männer durch eine Aufgabe gleichermaßen gestresst fühlen, kann ihre Reaktion darauf sehr unterschiedlich auszufallen. Ein Forschungsteam um die an der Uni Tübingen tätige österreichische Psychologin Birgit Derntl hat einige Erkenntnisse dazu zusammengetragen, die den Einfluss des Selbstwerts, der Hormone und vor allem des Umgangs mit Stress zeigen.

So setzte das Forschungsteam beispielsweise jeweils 40 Frauen und Männer verschiedenen stressreichen Situationen aus. Einmal wurde durch eine fordernde Rechenaufgabe Leistungsstress erzeugt. Ein andermal wurde sozialer Stress durch Ausgrenzung ausgelöst. Entgegen der Erwartung, dass vor allem sozialer Ausschluss Frauen stärker stressen sollte als Männer, gaben beide Geschlechter unter beiden Bedingungen im Schnitt gleichermaßen an, dass sie durch die Aufgaben gestresst wurden. 

Einfluss des Stressbewusstseins

Sehr unterschiedlich sah das Bild bei der Hormonausschüttung aus: Das oft als ultimativer Indikator von Stressreaktionen angesehene Hormon Kortisol war nämlich nur bei den untersuchten Männern angestiegen. Die Studie lege also nahe, dass subjektiv empfundener Stress nicht immer in eine Erhöhung des Kortisolspiegels münden muss, wie Derntl erklärte.

Im Rahmen einer weiteren Studie ging es um den Einfluss des Selbstbewusstseins auf das Stressempfinden. Bei wenig selbstbewussten Frauen waren Kontrollareale des Gehirns stärker aktiv. Für sie stand demnach das Ziel im Vordergrund, die Aufgabe gut zu erfüllen. Bei Männern waren wiederum Teile des Gehirns aktiviert, die in Verbindung mit Selbstbezug und Emotionen stehen.

Kampf oder Flucht versus Arrangieren mit den Umständen

Ein durchgehend stimmiges Theoriegebilde, in das all diese Unterschiede passen, gebe es noch nicht, wie Derntl erklärte. Eine mögliche Begründung für diese auch für die Forscherin teilweise überraschenden unterschiedlichen Reaktionen von Frau und Mann könnte sein, dass Männer in Stresssituationen eher nach dem Prinzip "Fight-or-flight" (Kampf oder Flucht) handeln. Frauen könnten wiederum stärker eine "Tend-and-befriend"-Strategie fahren, bei der eher versucht wird, sich mit den Umständen zu arrangieren und anzufreunden - eine Theorie, die die US-Psychologin Shelley Taylor im Jahr 2000 aufstellte.

Beim Empfinden kein Geschlechterunterschied

Mit der Teilung in Leistungs- und sozialen Stress wollten die Forscher um Derntl auch genau diesen Geschlechter-Stereotypen nachgehen. Ganz so klar zeigte sich die Unterscheidung allerdings nicht, "weil wir oftmals auch gar keinen Geschlechterunterschied gefunden haben, etwa in den Angaben zum subjektiven Stressempfinden".

Angesichts der Ergebnisse sollte die Auseinandersetzung mit Stress jedenfalls differenzierter geführt werden, so Derntl. Das gelte auch für die generelle Bewertung des Phänomens. In der landläufigen Betrachtung würden nämlich vor allem von kurzfristigem Stress ausgelöste positive Effekte kaum Beachtung finden. Die Aussage "Ich bin gestresst" könne viele unterschiedliche Bedeutungen haben: "Das kann heißen, dass einem gerade alles über den Kopf wächst oder man im positiven Sinne gerade sehr begehrt ist", gab die Forscherin zu bedenken. (APA) 

Nota. - Zu bedenken: Auch Flucht ist eine aktive Antwort auf eine Situtation, keine passive.
JE 


aus scinexx

Stress: Das Geschlecht macht den Unterschied
Männer und Frauen reagieren auf stressige Situationen anders

Männer und Frauen ticken anders – auch in Sachen Stress. Forscher haben nachgewiesen, dass der Körper auf stressige Situationen je nach Geschlecht unterschiedlich reagiert: Beispielsweise schüttet er andere Hormone aus. Auch bei der Stressbewältigung stellten die Wissenschaftler deutliche Unterschiede fest. Im Experiment konnten männliche Probanden ihre negativen Gefühle besser kontrollieren als ihre weiblichen Mitstreiter.

Stehen wir häufig unter Stress, hat dies Folgen für Körper und Geist: Die Belastung macht vergesslicher, schwächt unsere Selbstkontrolle und kann im Alter sogar die Anfälligkeit für Demenz erhöhen. Zu viel Stress schadet uns demnach – das gilt für Männer wie Frauen gleichermaßen. Doch es gibt auch Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Denn wie Menschen diesen Stress empfinden und darauf reagieren, das hängt wesentlich davon ab, ob sie männlich oder weiblich sind.
 

Aus wissenschaftlichen Untersuchungen ist beispielsweise bekannt, dass das Stresshormon Cortisol bei Frauen und Männern unterschiedlich aktiviert wird. Das ist aber nur eine Komponente in einem großen Gefüge: "Stress wird von vielen Faktoren beeinflusst", sagt Birgit Derntl von der Eberhard Karls Universität in Tübingen.
 
Gleiches Empfinden, andere Körperreaktion

Die Wissenschaftlerin wollte deshalb wissen: Lassen sich gängige Geschlechterstereotype bei einem Stresstest mit männlichen und weiblichen Probanden bestätigen? Und welche Faktoren beeinflussen das subjektive Stressempfinden konkret? Um dies zu überprüfen ließen die Psychologin und ihre Kollegen Männer und Frauen zwei stressige Aufgaben bewältigen: Die Probanden sollten zunächst unter Zeitdruck Rechenaufgaben lösen. Anschließend mussten sie ein virtuelles Ballspiel spielen, bei dem sie permanent ausgegrenzt wurden, also sozialen Stress erlebten.

 

Das Ergebnis: "Beide Geschlechter haben die Aufgaben als aufreibend erlebt, egal wie gut die Leistung war", berichtet Derntl. Doch obwohl das Empfinden bei Männern und Frauen ähnlich war, offenbarten sich im Körper deutliche Unterschiede. So stieg das Cortisol bei den männlichen Testpersonen an, nicht aber bei den weiblichen. Auch ein Blick ins Gehirn der Teilnehmer zeigte eine andere Reaktion: Bestimmte Areale waren nur bei den Männern stärker aktiviert.
 
Stress auch ohne Cortisolanstieg

"Das spricht dafür, dass wir mit solchen Aufgaben unterschiedlich umgehen – und es zeigt, dass Stress nicht unbedingt einen Cortisolanstieg zur Folge haben muss. Doch warum das so ist, dazu gibt es noch viel Klärungsbedarf", sagt Derntl.

 

Womöglich könnten zusätzlich andere Hormone beim Stressempfinden mitmischen, glaubt die Expertin. Im sozialen Stresstest zeigte sich zum Beispiel, dass bei den Probanden auch die Konzentration von Geschlechtshormonen im Blut zunahm: Bei den Männern stieg das Testosteron, bei den Frauen Progesteron. Progesteron gilt als Botenstoff, der für die Zugehörigkeit zu einer Gruppe wichtig ist. "Der Anstieg könnte die Verunsicherung bei Frauen ausdrücken", sagt Derntl.
 
Männer können Emotionen besser kontrollieren

Auch beim bewussten Umgang mit einer stressigen Situation verhalten sich Frauen anders als Männer, wie eine weitere Untersuchung des Teams offenbarte. Dafür mussten die Probanden wieder bestimmte Leistungsaufgaben bewältigen – sie wurden zuvor jedoch aufgefordert, sich durch negative Gefühle während der Bewältigung der Aufgabe nicht zu belasten.

 

Bei Frauen klappte das offenbar schlechter als bei Männern. Bei ihnen kam es im Vergleich zu einer erhöhten subjektiven Stressreaktion. Diese spiegelte sich auch in den Gehirnarealen wider, die für Aufmerksamkeit, Emotionen und Belohnung relevant sind. "Entgegen unserer Erwartung sind die Frauen mit der Aufgabe, Emotionen zu kontrollieren, nicht so gut zurechtgekommen", so Derntl.
 
Faktor Selbstwertgefühl

Doch nicht immer macht das Geschlecht den Unterschied: Ein weiterer Faktor, den sich das Forscherteam näher angesehen hat, war das Selbstwertgefühl. Dieses wurde zunächst mithilfe eines Fragebogens erhoben. Das Ergebnis: Selbstbewusstsein spielt im Umgang mit Stress eine wichtige Rolle – und zwar sowohl bei Männern als auch bei Frauen.

 

Bei beiden Geschlechtern beeinflusste der Selbstwert die Stressreaktion. Allerdings offenbarten sich dabei dann doch wieder geschlechtsspezifische Unterschiede: Wenig selbstbewusste Frauen zeigten Aktivität in kognitiven Kontrollarealen des Gehirns. Es stand also das Ziel im Vordergrund, die Aufgabe gut zu erfüllen. Bei Männern waren Areale aktiviert, die in Verbindung mit Selbstbezug und Emotionen stehen.
 
"Stress kann auch positiv sein"

Insgesamt weisen die Untersuchungen darauf hin, dass es geschlechtsspezifische Effekte gibt, die für die Stressreaktion und den Umgang mit Stress entscheidend sein können, wie Derntl und ihre Kollegen erklären. Nicht immer sei Stress für Männer oder Frauen jedoch negativ. "Solange er nicht chronisch wird, kann er etwas sehr Positives und Motivierendes sein." (Neuroimage, 2017; doi: f3s4w4)

(Wissenschaftsfonds FWF/ PR&D, 07.02.2017 - DAL)

 

Freitag, 3. Februar 2017

Sie meinen's ja nur gut mit uns.

aus Der Standard, Wien, 31. Jänner 2017

Das geschwächte Geschlecht:
Wann ist ein Mann ein Mann?
Ungesund, gewalttätig, anfällig für Rechtspopulismus: Männer leiden zunehmend unter einem Ideal, das Stärke und Härte voraussetzt. Zeit für eine Befreiung vom Klischee des starken Mannes

von Sebastian Fellner, Katharina Mittelstaedt  

Lukas und Johannes wickeln einen Waffendeal ab. Für eine stillschweigend vereinbarte Summe wechselt ein Maschinengewehr den Besitzer. Johannes bekommt das Gewehr und einen Cent Wechselgeld, dann steckt er die Waffe in die Hand einer kleinen Plastikfigur und platziert diese auf seiner Legoburg.

Die beiden Buben (sie heißen in Wirklichkeit anders) gehören zu den älteren Kindern in einem Wiener Kindergarten. Sie sind Teil einer Gruppe von fünf kleinen Baumeistern, die an diesem Vormittag gemeinsam an einer Plastikfestung arbeiten, die Mauern höher ziehen und mit ihren kleinen Händen fest auf die Legoplatten schlagen, um sie mit anderen zusammenzustecken.

Ein harter Mann.

Rebekka und Magdalena beschäftigen sich derweil mit Echsenpflege. Ihre beiden Spielzeugdinosaurier unterhalten sich miteinander – Magdalenas hat Probleme beim Feuerspeien, Rebekkas empfiehlt ihm dafür einen Zauberspruch.

Wer das Spiel der Kinder durch die Genderbrille betrachtet, sieht Klischees von Buben und Mädchen – die werden aber immer wieder auch aufgebrochen: Bis vor kurzem haben Rebekkas und Magdalenas Dinosaurier noch miteinander gekämpft, auch Buben sitzen leise am Tisch und basteln. Die Auswirkungen der Geschlechterrollen

Aber vorrangig sind es die Buben, die miteinander rangeln, lachend übereinander herfallen, etwas bauen und ihre Figuren in Zweikämpfe schicken; und es sind die Mädchen, die sich öfter still beschäftigen, malen oder sich in die Rolle ihrer Spielzeuge versetzen und sie sprechen lassen.

Diese Geschlechterunterschiede haben Auswirkungen. Statistisch betrachtet werden Lukas und Johannes früher sterben als Rebekka und Magdalena. Sie werden eher rauchen, ungesünder essen und seltener zu Vorsorgeuntersuchungen gehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie im Straßenverkehr umkommen oder sich selbst töten, ist deutlich höher als bei Mädchen. Lukas und Johannes werden auch eher von einem Strafgericht verurteilt oder wegen häuslicher Gewalt von ihrer Wohnung weggewiesen. Und es ist wahrscheinlicher, dass sie später Rechtspopulisten wählen.

Krankheit, Gewalt, Populismus: Sind also Männer das Problem?

Die Weichen für die Entwicklung zum echten Mann werden jedenfalls schon früh gestellt. Meist bereits in jenem Moment, in dem am Ultraschallbild ein kleiner Penis zu sehen ist. Dann werden oft blaue Bodys, Söckchen und Mützchen für das Ungeborene besorgt. "Kleinen Buben wird von Beginn an beigebracht, was sie tun sollen", sagt die polnische Soziologin Katarzyna Wojnicka, die an der Universität Göteborg Männlichkeitsforschung betreibt.

Mannwerden "ein zutiefst sozialer Prozess"

Es gebe aber nicht den einen Ort, wo Buben lernen, wie sie zum Mann werden, sagt Paul Scheibelhofer, Geschlechterforscher an der Universität Innsbruck. Vielmehr vermitteln Eltern, Gleichaltrige und Medien den kleinen Männern "ein bestimmtes Bild davon, was später von ihnen erwartet wird". Studien hätten gezeigt, "dass Buben und Mädchen schon als Babys unterschiedlich behandelt werden", sagt der Genderwissenschafter. So werden Buben etwa später getröstet, wenn sie weinen.

Später werden die Ideale auch durch Spielzeug vermittelt: "Spielzeuge für Buben sind oft auf Welterfoschung, Auseinandernehmen und Zusammenbauen fokussiert", sagt der Forscher. Unterbelichtet blieben dabei soziale Fähigkeiten, wie sie Mädchen etwa durch das Spielen mit Puppen lernen. Aber sind Männer nicht von Natur aus einfach anders? Scheibelhofer: "Zum Mann zu werden ist ein zutiefst sozialer Prozess." Das merke man schon daran, dass es "vor 200 Jahren etwas anderes bedeutet hat, ein Mann zu sein".

Toxische Männlichkeit

Doch wie sieht er heute aus, der ideale Mann? "Die Frage ist unmöglich zu beantworten", sagt Männerforscherin Wojnicka. Was als männlich gilt, definiere die Gruppe, in der man sich befinde. "Wenn dort traditionelle Männlichkeit relevant ist, geht es um Stärke, das Erhalten der Familie und Heterosexualität. Für andere Personen drückt sich Männlichkeit durch Verantwortungsbewusstsein aus oder dadurch, dass man ein liebevoller Vater ist", analysiert Wojnicka. Die "traditionelle Männlichkeit" – stark, berufstätig, heterosexuell – herrsche allerdings vor. Die Gruppe feministischer Männer wachse zwar, sei aber nach wie vor klein, schätzt Wojnicka.

Die Kombination der klassisch männlichen Eigenschaften trägt in feministischen Kreisen den Titel "Toxic Masculinity" (etwa: schädliche Männlichkeit). "Toxic Masculinity ist eine Spielart der vorherrschenden Männlichkeit, die mit ungesundem Verhalten traditioneller Männer einhergeht", sagt Wojnicka: Gewalt, aber auch hoher Alkoholkonsum und riskantes, angeberisches Verhalten wie die Teilnahme an Faustkämpfen oder Autorennen. "Es ist eine Art, Männlichkeit zu beweisen, die auch für die Männer selbst gefährlich ist."

Müssen Männer ihre Männlichkeit beweisen, ist das mitunter schmutzig, anstrengend – und gefährlich.

Allerdings sei die Mehrheit der Männer nicht gewalttätig, erinnert Wojnicka, sondern würde sogar eher Opfer von Gewalt – Gewalt, die von Geschlechtsgenossen ausgeht. "Die Mehrheit der Männer erfüllt die Ansprüche der vorherrschenden Männlichkeit nicht. Für viele ist das ein emotionales und soziales Problem."

Der gedrehte Gendergap in der Politik

Hinzu kommt: Frauen holen kontinuierlich auf. Sie machen inzwischen deutlich häufiger Matura – im Abschlussjahrgang 2015 betrug der Frauenanteil fast 58 Prozent. Frauen bilden die Mehrheit an Österreichs Universitäten, es gibt – auch wenn diese Entwicklung deutlich langsamer voranschreitet – immer mehr Professorinnen, Chefinnen, weibliche Vorstandsvorsitzende.

Die Angst vor der urbanen Frau mit hohem Bildungsgrad ist nur eine von mehreren Erklärungen dafür, warum Männer in der Wahlkabine ihr Kreuzerl deutlich häufiger bei rechten, ein traditionelles Familienbild propagierenden Parteien machen. Einen sogenannten "Gendergap" gab es zwischen dem Wahlverhalten der Österreicherinnen und Österreicher schon immer. Allerdings: Bis in die 1970er-Jahre waren es die Frauen, die konservativer wählten. Die damalige (etwas dürftige) Begründung, dass Frauen stärker unter dem Einfluss der Pfarrer stehen, lässt sich mangels Wahlmotivforschung heute weder belegen noch ausschließen.

Stadt und Land, Mann und Frau

Bei der Nationalratswahl 1975 schlug das Pendel erstmals um. Die SPÖ hatte Frauenpolitik gerade für sich entdeckt und war für die Fristenlösung bei Schwangerschaftsabbrüchen eingetreten. Rund 55 Prozent der Stimmen von Frauen entfielen damals auf die Sozialdemokraten. Ziemlich genau, seit Jörg Haider im Jahr 1986 die Macht in der FPÖ übernahm, gilt in Österreich: Frauen fühlen sich eher von urbanen Linksparteien angesprochen, wesentlich mehr Wähler als Wählerinnen folgen einem rechtspopulistischen und konservativen Kurs.

Christoph Hofinger vom Sozialforschungsinstitut Sora kennt die Gründe: "Viele Männer haben bis heute das höchste Haushaltseinkommen, sind damit eher in der Erhalterrolle und an niedrigen Steuern interessiert – während Frauen eher vom Sozialstaat abhängig sind", sagt er. Hinzu kommt: Je höher der formale Bildungsgrad, desto eher wird eine Wahlentscheidung links der Mitte getroffen. Außerdem ziehen Frauen verstärkt vom Land in Städte. "Während in einigen Wiener Innenstadtbezirken bereits wesentlich mehr junge Frauen als Männer leben, gibt es Gemeinden mit deutlichem Männerüberhang. Und in ländlichen Gebieten haben SPÖ und Grüne oft kaum Strukturen", erklärt Hofinger.

Der Sozialforscher ist zwar davon überzeugt, dass sich bei sozioökonomischer Gleichstellung von Mann und Frau auch die Unterschiede im Wahlverhalten "einebnen" würden. Doch: "Ich erwarte nicht, dass das in den nächsten 20 bis 30 Jahren passieren wird", sagt er. Außerdem seien Frauen für "radikale Rhetorik" grundsätzlich eher erst dann empfänglich, wenn sie "sehr verzweifelt sind". Das zeige sich auch historisch gesehen daran, dass sowohl NSDAP wie auch KPÖ zwischen den Weltkriegen eindeutig "männerdominiert" waren. Erst bei den letzten freien Wahlen in Österreich vor 1945, den Innsbrucker Gemeinderatswahlen im April 1933, stimmten beide Geschlechter zu mehr als 40 Prozent für die NSDAP.

Die erste Frauenministerin war ab 1991 die Sozialdemokratin Johanna Dohnal, heute eine Ikone der heimischen Frauenbewegung. Genau zehn Jahre später etablierte ein FPÖ-Politiker erstmals eine ministerielle Männerabteilung: Der damalige Sozialminister Herbert Haupt schuf 2001 in seinem Haus die Abteilung VI/6 für Männerangelegenheiten aller Art. "Das Sozialministerium wäre nicht vollständig, wenn es nach Abteilungen wie Gender-Mainstreaming, Jugend und Senioren nicht auch eine für Männer gibt", sagte Haupt damals. Die Opposition empörte sich, Haupt kümmere sich nicht um Ungleichbehandlung von Frauen, widme den "diskriminierten Männern" aber eine eigene Abteilung.

Friseurin und Automechaniker

16 Jahre später ist das Sozialministerium zwar wieder rot eingefärbt, die Männerabteilung gibt es aber immer noch. "Wir betreiben heute eine gleichstellungsorientierte Männerpolitik, und daran wird kaum Kritik geäußert", sagt Marc Pointecker, der als Leiter der Gruppe "Sozialpolitische Grundsatzfragen" auch der Männerabteilung vorsteht. Immerhin ziehe die Arbeit der Abteilung "am gleichen Strang wie die Frauenpolitik. Wenn wir Gleichstellung erreichen wollen, müssen wir bei beiden Geschlechtern ansetzen", sagt Pointecker.

Nach wie vor erlernten in Österreich etwa hauptsächlich Frauen den Beruf der Friseurin und hauptsächlich Männer den des Automechanikers. Das sei ein Problem, "weil die Talente nicht voll zur Entfaltung gebracht werden können – auf beiden Seiten". Gegensteuern soll hier das größte Projekt der Männerabteilung, der "Boys' Day" – einer Veranstaltung für Burschen, die ihnen den Einstieg in vermeintliche Frauenberufe schmackhaft machen soll, etwa Jobs in Pflege und Kindergartenpädagogik: "Das sind Berufe, die stark wachsen und die entgegen der allgemeinen Annahme großteils gar nicht so schlecht bezahlt sind", sagt Pointecker. Es ginge insgesamt darum, "das enge Korsett von Geschlechterrollen zu überwinden".

Harte Kerle mit weichem Kern

Wobei Mann nicht gleich Mann ist. Zwar profitieren Männer von Gender-Pay-Gap und der "gläsernen Decke", durch die sie leichter in Führungspositionen kommen. "Es gibt aber viele Männer am Rande der Gesellschaft – ohne Arbeit, Ausbildung und Zukunftsperspektiven, die von diesen Privilegien gar nichts haben – und die fühlen sich abgehängt", ist Pointecker überzeugt.

Außerdem: Selbst brutalste Kerle hätten eigentlich einen weichen Kern, ist Götz Eisenberg überzeugt. "Viele Gewalttäter sind sehr unsichere Menschen, auch in ihrer Männlichkeit stark verunsichert", sagt er. Der deutsche Sozialwissenschafter und Publizist arbeitete über Jahrzehnte als Psychologe in einem deutschen Hochsicherheitsgefängnis. Viele Männer glaubten, "dass sie diese Unsicherheit durch eine Rambo-artige Virilität überbauen können".

Angst vor zu viel Weiblichkeit

Das sei im Gefängnis besonders bei Beleidigungen zu beobachten, sagt Eisenberg. "Wenn da jemand zu einem anderen sagt: 'Du bist 'ne Muschi', ist das die ultimative Beleidigung. Das weibliche Geschlechtsmerkmal, einem Mann entgegengeschleudert, das ist natürlich krass." Wenn diese Beleidigung noch dazu vor Publikum passiert – also in der Dusche oder auf dem Sportplatz -, "dann gibt es im Grunde eine Verpflichtung des Beleidigten, darauf mit Gewalt zu reagieren." In seinen Gesprächen versuche Eisenberg den Insassen zu erklären: "Wenn ihr euch eurer Männlichkeit sicher wärt, dann würde euch das nicht jucken!"

Doch wovor haben Männer eigentlich Angst? "Viele fürchten insgeheim, dass zu viel Weibliches an ihnen ist", glaubt Eisenberg. Das rühre daher, dass Burschen sich als Kind bald von der Mutter als "erstes Liebesobjekt" distanzieren müssen. Gelingt das mangels männlichem Identifikationsmodell nicht, "versuchen sie diesen insgeheimen Zweifel an der eigenen Männlichkeit durch übertriebene Maskulinität zu vertreiben – durch Härte, rüdes Auftreten und Muskelpanzer".

Besonders in Einzelgesprächen mit Häftlingen artikuliere sich hinter der männlichen Fassade oft verborgene Schwäche. "Dann fließen häufig Tränen, und letztlich kommt ein kleines Kind zum Vorschein, das in der Regel ja selbst Opfer von Gewalt gewesen ist." In sich ruhende Männer Einen Schutz vor dieser Gewalt aus männlicher Unsicherheit gibt es laut Eisenberg: "Eine in sich ruhende, gelassene Form von männlicher Identität, die sich nicht ständig beweisen und auf der Lauer liegen muss, ob sie von irgendjemandem infrage gestellt wird".

Eine "in sich ruhende, gelassene Form von männlicher Identität" würde laut Gefängnispsychologe Götz Eisenberg vor Gewalt schützen.

Doch wo können sich Buben eine "in sich ruhende" Männlichkeit abschauen? Im Bildungsbereich sind Männer ja meist eine Ausnahmeerscheinung – je kleiner die Kinder, desto weniger männliche Pädagogen bekommen sie zu Gesicht. Auf neun Volksschullehrerinnen kommt in Österreich ein männlicher Pädagoge. In Gymnasien beträgt die Frauenquote im Lehrerzimmer immerhin noch rund 64 Prozent.

In der Schule würden Geschlechterklischees deshalb unterschwellig vermittelt, sagt die deutsche Pädagogin Edith Wölfl, die ihre Dissertation über "gewaltbereite Jungen" verfasste. Das fange schon in der Personalhierarchie an: "Obwohl so viel mehr Frauen in der Schule arbeiten, sitzen an der Spitze Männer."

Besser eine engagierte Frau als ein unreflektierter Mann

In Lehrplänen finde man zwar inzwischen viel guten Willen, Stereotype aufzubrechen – in der Praxis bleibe es aber "mühsam", sagt Wölfl. "Denn diese Klischees haben eine stabilisierende Wirkung, die gibt es ja nicht umsonst".

"Männliche Pädagogen sind dann ganz besonders wichtig, wenn sie in ihrem Rollenbild jemand sind, auf den man sich verlassen kann und der für einen kämpft." Das gelte aber auch für Frauen. "Mir ist eine engagierte, selbstbewusste Lehrerin lieber als ein Lehrer, der sein Rollenbild nicht reflektiert", sagt Wölfl.

Eine egalitäre Gesellschaft hilft auch den Männern

Werden die Rollenbilder abgelegt, würden schlussendlich alle profitieren, ist auch Schriftstellerin und Feministin Eva Rossmann sicher. "Es gibt nun einmal Frauen, die lieber mehr arbeiten, und Männer, die glücklicher sind, wenn sie möglichst viel Zeit für das soziale oder familiäre Zusammenleben haben." Das Problem sei, dass man sich bis heute dafür rechtfertigen müsse, wenn man nicht den Stereotypen entspreche.

Dabei wäre in einer egalitären Gesellschaft auch den Männern so viel mehr geholfen, sagt Rossmann: Sie könnten einen Teil ihrer Last auf den Schultern der Frauen abladen und dabei auch noch Zeit für die Familie gewinnen. "Gleichberechti- gung bedeutet für den Mann weniger Stress – und nicht ständig alleine liefern zu müssen. Geld beschaffen, Einfluss haben, sozialen Status sichern – das ist doch alles auch furchtbar anstrengend."  


Nota. - Es greift mir ans Herz: Wir Männer sind ja auch nur arme Opfer, dass unsere Vorväter vor hunderttausend Jahren das traditionelle Männerbild - alias die Unterdrückung der Frau - erfunden haben, ist ja gar nicht unsere Schuld! Seit hun- derten von Generationen ächzen wir unter dieser Bürde, immer schmerzhafter wird es, den Dauerstress auszuhalten, hinter der krampfhaft aufrechterhaltenen Fassade wimmert mitleiderregende Schwäche. Der Feminismus und seine lila Pudel meinen es ja nur gut mit uns, wenn sie kleine Jungen das Heulen lehren und das Pinkeln im Sitzen. Statt trotzig mit dem Fuß zu stampfen, sollten wir unsere Verletzlichkeit eingestehen, uns fügsam bei der Hand nehmen und vütterlich den Bauch streicheln lassen.
JE



 

Mittwoch, 1. Februar 2017

Jungens sind klüger, Mädchen sind braver. (In gerechter Sprache)

Fleißige Mädchen, schlaue Jungs? Im Schulalter beginnen auch Mädchen, das zu glauben.
aus Tagesspiegel.de, 1. 2. 2017

Früh gelernte Stereotypen
Schon sechsjährige Mädchen denken bei einer „schlauen Person“ eher an einen Mann. 

von  

Stereotype sind starre Vorstellungen darüber, was auf einem bestimmten Gebiet „typisch“ ist. Sie helfen uns, die Welt grob zu ordnen, können uns aber zugleich daran hindern, ihre Reichhaltigkeit genau und unvoreingenommen anzuschauen. Feste Vorstellungen über Eigenarten von Männern und Frauen sind ein Paradebeispiel. 

Sie entwickeln sich früh, wie eine Studie belegt, deren Ergebnisse gerade im Wissenschaftsmagazin „Science“ veröffentlicht wurden. Ungefähr mit sechs Jahren beginnen Kinder demnach, ein besonders bedeutsames Geschlechter-Stereotyp zu entwickeln: Die Kinder trauen ab diesem Alter intellektuelle Überflieger-Qualitäten eher den Männern zu.

Die Psychologin Lin Bian und ihre Mitstreiter von den Universitäten in Illinois, New York und Princeton haben zum Thema vier Einzeluntersuchungen mit Mädchen und Jungen im Alter von fünf, sechs und sieben Jahren unternommen. Zunächst wurde 96 Kindern die Geschichte von einer Person erzählt, die sich „sehr, sehr schlau“ verhalten habe. Anschließend wurden ihnen Bilder von Männern und Frauen gezeigt, die alle gleich gut gekleidet und gleich attraktiv waren. Auf die Frage, welche dieser Personen die besonders schlaue Figur der Geschichte sei, tippten die kleineren Jungen und Mädchen allesamt eher auf eine Person ihres eigenen Geschlechts.

Kleine Kinder sehen das eigene Geschlecht in besonders positivem Licht - auch Mädchen

Das passt gut zur bekannten Tendenz von Kindern, das eigene Geschlecht in einem besonders positiven Licht zu sehen. Und es setzte sich bei den Jungen später fort: Auch die Sechs- bis Siebenjährigen hielten durchweg einen der abgebildeten Männer für den genialen Typen. Die älteren Mädchen allerdings hielten mehrheitlich dafür, dass die „smarte“ Person aus der Erzählung ein Mann sein müsse. Diese Befunde bestätigten sich in einer zweiten Studie mit 144 Kindern.

Mit einer dritten Teiluntersuchung wollten die Forscher herausfinden, ob sich die kindliche Hypothese, eine besonders schlaue Person müsse mit großer Wahrscheinlichkeit ein Mann sein, auch auf ihre Interessen auswirkt. Sie stellten den größeren Kindern deshalb zwei neue Spiele vor. Das eine mit der Bemerkung, es sei für „sehr, sehr schlaue Kinder“ gedacht. Das andere mit der Vorrede, es eigne sich besonders für „Kinder, die sich wirklich sehr anstrengen“. Während das zweite Spiel alle Kinder interessierte, ließen auffallend viele Mädchen von dem ersten lieber die Finger. Hier ließen sich klare Zusammenhänge zu den geäußerten Geschlechter-Stereotypen erkennen. Mit einer vierten Untersuchung ließ sich anschließend belegen, dass fünfjährige Jungen und Mädchen weder solche Überzeugungen noch unterschiedliche Grade von Neugier gegenüber unbekannten Spielen hegen.

Mädchen treten oft bescheidener auf

Die Forscher folgern: „Viele Kinder machen sich die Idee, dass intellektuelle Brillanz eine männliche Qualität ist, schon in jungen Jahren zu eigen.“ Weitere Studien müssten aber zeigen, ob das auch für Heranwachsende aus anderen Ländern stimmt. Zur Frage, was dahintersteckt, wenn Kinder eine solche Vorstellung schon in so zartem Alter entwickeln, macht die empirische Studie zudem keine Aussagen.

Liegt es womöglich am größeren Selbstbewusstsein der Jungen, an größerer Bescheidenheit bei den Mädchen? Beide Unterschiede wurden schon in etlichen Studien gefunden, wobei jedoch unklar ist, welche Rolle dafür die Erziehung und welche die Biologie spielt. Da die Idee von der intellektuellen Überlegenheit der Männer sich mit sechs Jahren zu entwickeln scheint, liegt es nahe, sie mit dem Schulbeginn in Verbindung zu bringen. Aber ausgerechnet in der Schule machen die Mädchen bekanntlich meist gute Erfahrungen, tun sich leichter, den Anforderungen im Hinblick auf Sprache, Feinmotorik und Sozialverhalten zu genügen. In der „Science“-Studie stellte sich nebenbei zudem heraus, dass die sechs-bis siebenjährigen Mädchen sich und anderen Schülerinnen schulische Top-Leistungen durchaus zutrauen – sogar eher als die gleichaltrigen Jungen ihren Geschlechtsgenossen. Gute Noten bringen sie allerdings nicht mit herausragender Schlauheit in Verbindung.

Womöglich verlangen Eltern mehr von Mädchen

Ein erstaunlicher Befund. Eine mögliche Erklärung lässt sich aus Überlegungen der Entwicklungspsychologin Doris Bischof-Köhler zu Geschlechterunterschieden ableiten. Weil weibliche Babys und Kleinkinder – im Schnitt! – schon bei der Geburt biologisch reifer sind und sich später mit weniger Mühe in ihre Lebenswelt einfügen, verlangten Eltern – und später auch Lehrerinnen und Lehrer – mehr von ihnen, nähmen erbrachte Leistungen aber anschließend ganz selbstverständlich hin. Mädchen haben es demnach schwerer, mit ihrem Intellekt zu glänzen. Und haben deshalb womöglich auch weniger Zutrauen in die diesbezügliche Brillanz von Geschlechtsgenossinnen.


Nota. - Also Jungen gelten als schlauer, Mädchen als fleißiger. Vorteile haben davon Madchen: Sie erhalten bessere Zensuren, gelten als die besseren Schüler und verbinden auch selber den schulischen Erfolg nicht mit Klugheit, sondern mit Fleiß. Welchen Denkauftrag erkennt darin Frau Adelheid Müller-Lissner? Sie will ergründen, ob diese Benachteili- gung biologisch oder sozialisatorisch zu erklären sei, aber bei der biologischen Variante hält sie sich gar nicht erst auf, sondern wendet sich gleich der sozialisatorischen zu und wird dort auch fündig: Weil Mädchen früher reifen, wird 'mehr von ihnen verlangt'.

Wie wär's mit folgenden Denkversuchen: Weil Jungen ungestümer und weniger angepasst sind, traut man ihnen größeren Einfallsreichtum zu - ?

Jungens haben mehr Einfälle, darum sind sie ungestümer und weniger angepasst.

Jungen sind klüger, aber das nützt ihnen nichts; belohnt werden Fleiß und Anpassung, damals wie heute.

Weil Jungen ungestümer und unangepasster sind, ließ man ihrer Erziehung Jahrtausende lang mehr Sorgfalt angedeihen: mit Stock und Riemen; mann hat eben weniger von ihnen verlangt. Daher sind sie selbstbewusster, Mädchen wurden vernachlässigt und sind bescheidener. 

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Frau Müller-Lissner, lesen Sie Ihre gegenderte Seiche eigentlich nochmal durch, bevor Sie sie bei Ihrer RedaktionIn abgeben? Und - wichtiger - liest Ihre RedaktionIn sie durch, bevor sie sie in den Druck gibt?!
JE