Sonntag, 30. Oktober 2016

Wenn lügen zur Gewohnheit wird.


 
aus scinexx

Warum Lügen auf die "schiefe Bahn" führen 
Wiederholte Unehrlichkeit führt zu einer Art Abstumpfungs-Effekt 

Abstumpfungs-Effekt: Flunkern und Lügen kann tatsächlich auf die sprichwörtlich schiefe Bahn führen, wie ein Experiment enthüllt. Denn bei wiederholtem eigennützigem Lügen schwächt sich die Reaktion unseres Gefühlszentrums ab – wir stumpfen sozusagen ab. Bei den Probanden führte dies dazu, dass sie im Laufe des Versuchs immer stärker schummelten, wie die Forscher im Fachmagazin "Nature Neuroscience" berichten.

Lügen gilt als unmoralisch – eigentlich. Trotzdem hat fast jeder von uns in bestimmten Situationen schon einmal gelogen. Interessanterweise gibt es dabei durchaus Unterschiede zwischen den Geschlechtern, und auch bestimmte Berufe und Tageszeiten scheinen die Unehrlichkeit zu fördern. 

Die Sache mit der "schiefen Bahn"

Und noch ein Phänomen zeigt sich: Wer Finanzbetrug und andere schwerwiegende Unehrlichkeiten begeht, der hat oft klein angefangen. "Die Täter beschreiben hinterher oft, wie sich kleinere Unehrlichkeiten mit der Zeit lawinenartig zu beträchtlich schwerwiegenderen Lügen aufschaukeln", berichten Neil Garrett vom University College London und seine Kollegen.
 

Aber warum? Das haben die Forscher nun in einem Experiment untersucht. Ihre Vermutung: Häufiges Lügen führt dazu, dass eine gefühlsmäßige Hemmschwelle abgebaut wird. "Wenn wir zum eigenen Vorteil lügen, erzeugt unsere Amygdala ein negatives Gefühl", erklären die Wissenschaftler. "Dieses Unwohlsein schränkt ein, wie weit wir mit unserer Unehrlichkeit gehen." Wiederholt sich das Lügen aber sehr oft, dann könnte diese Reaktion abstumpfen.
 
Schummeln im Hirnscanner

Um diese Hypothese zu testen, verführten Garrett und seine Kollegen ihre 80 Probanden zu ungestraftem Schummeln, während diese in einem Hirnscanner lagen. Die Testpersonen wurden gebeten, die Mengen an Münzen in einem Gefäß möglichst genau zu schätzen und diese Zahl per Computer an einen ihnen unbekannten Spielpartner zu senden.



Die Amygdala ist ein Zentrum für die Gefühlsverarbeitung im Gehirn
In der Basisvariante des Versuchs profitierten beide Partner, wenn die Schätzung möglichst genau ausfiel. Bei einer weiteren Variante jedoch erhielt der erste Teilnehmer mehr Belohnung, wenn er seinem Partner einen zu hohen Schätzwert übermittelte – er also die Menge der Münzen überschätzte. Was sich dabei jeweils in der Amygdala abspielte, dem Emotionszentrum des Gehirns, beobachteten die Wissenschaftler mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT).
 
Die Lügen werden größer 

Dabei zeigte sich: Immer dann, wenn die Probanden zum eigenen Vorteil logen, wurde ihre Amygdala besonders aktiv. Diese unwillkürliche Reaktion fiel am Anfang des Experiments besonders stark aus – und schlug sich im Verhalten der Teilnehmer nieder. Sie schummelten bei ihren ersten Durchgängen nur wenig, indem sie ihre Schätzwerte leicht höher ansetzten.

 Im Laufe des Experiments jedoch änderte sich dies, wie die Forscher feststellten: Die Unehrlichkeit der Testpersonen nahm im Laufe der Zeit zu. Sie schummelten bei den Schätzwerten immer stärker, wenn ihnen dies Vorteile bei der Belohnung brachte. Gleichzeitig veränderte sich die Reaktion ihres Gefühlszentrums: Die Amygdala reagierte zunehmend schwächer auf eine eigennützige Lüge.

Eskalation durch Abstumpfung 

Nach Ansicht der Forscher spricht dies dafür, dass fortgesetztes Lügen unser Gefühlszentrum sozusagen abstumpfen lässt. Das instinktive Unwohlsein, das wir bei einer eigennützigen Lüge empfinden, nimmt im Laufe der Zeit ab. Das wiederum führt dazu, dass die Hemmungen selbst gegenüber größeren Schummeleien immer weiter schwinden.

"Je sich mehr diese Reaktion abschwächt, desto größer werden dann unsere Lügen", erklärt Seniorautor Tari Sharot vom University College London. "Das führt dann zur schiefen Bahn, wo anfangs kleine Akte der Unehrlichkeit zu immer schwerwiegenderen Lügen eskalieren." Allerdings: Dieser Effekt scheint nur dann zu greifen, wenn Eigennutz im Spiel ist. Hatten die Probanden keinen Vorteil vom Lügen, eskalierten ihre Schummeleien auch nicht. 

Diese Ergebnisse werfen die spannende Frage auf, ob diese moralisch-emotionale Abstumpfung auch in anderen Bereichen auftritt. "Wir haben in unserem Experiment nur die Unehrlichkeit getestet", sagt Garrett. "Aber das gleiche Prinzip könnte auch bei anderen Handlungen wie gewalttätigem oder riskantem Verhalten zu Eskalationen führen." (Nature Neuroscience, 2016; doi: 10.1038/nn.4426)

(University College London, 25.10.2016 - NPO) 



Nota. - Mein voriger Eintrag könnte zu der Frage verleiten, ob es beim Lügen vielleicht geschlechtsspezifische Unterschiede gibt. Aber vielleicht hätte es Ärger mit den Drittmittelgebern gegeben, wenn sie das untersucht hätten...
JE

Freitag, 28. Oktober 2016

Frauen haben kurze, aber dicke Beine.


i.huffpost

In der NZZ am Sonntag vom 11. 12. 2015 veröffentlichte Martin Helg unter der Überschrift «Frauen Lügen raffinierter» ein Gespräch mit Ex-Kommissar Josef Wilfling, dem langjährigen Leiter der Münchner Mordkommission, über seine Erfahrungen mit Verhören.

Freundlich bleiben, nicht drohen, nicht täuschen: Wer an die Wahrheit kommen will, braucht Einfühlung und Geduld. Ein Meister des polizeilichen Verhörs gibt ausnahmsweise sein Wissen preis:

Josef Wilfling (*1947) war Chef der Münchner Mordkommission. Über seine Erlebnisse als Ermittler schreibt er erfolgreiche Bücher: «Abgründe», «Unheil» und zuletzt «Verderben. Die Macht der Mörder» (Heyne-Verlag, 2015). (Bild: Imago).... 

Helfen polizeiliche Ermittlungsprinzipien auch der Gattin, die herausfinden will, ob ihr Mann sie betrügt?

Freilich. Sie kann ihn beschatten.

Ein Verhör wäre kontraproduktiv?

Stellt sie ihn zur Rede, wird er lügen. Richtig wäre, ihm keine Szenen zu machen, sondern in Ruhe seine Klamotten und das Handy zu checken. Am nächsten Tag haut sie ihm Sachbeweise um die Ohren. Mit Fakten konfrontiert, sagen 95 Prozent der Männer die Wahrheit. Bei Frauen hat man dagegen Pech.

Warum?

Frauen lassen sich von Fakten nicht beeindrucken, damit muss man bei ihnen gar nicht erst anfangen. Bei einer hatten wir ein Video, das zeigte, wie sie in der U-Bahn auf jemanden einstach. Sie sagte: Das bin ich nicht. Da beisst man sich die Zähne aus.

Wie kommt man bei Frauen zum Ziel?

Man muss ihre Gefühle ansprechen und zu verändern versuchen, etwa, wenn eine Frau ihrem Liebhaber ein Alibi gibt. Da war mal eine, bei der war gar nichts zu machen, dabei gab es eine Wasserlache unter ihrem Stuhl, so sehr schwitzte sie. Erst als wir ihr sagten, ihr Liebhaber habe noch viele andere Frauen, ist etwas in ihr umgeschlagen in abgrundtiefen Hass.

Lügen Frauen öfter als Männer?

Sie sind beim Lügen hartnäckiger und raffinierter. In meinen Lesungen sitzen zwei Drittel Frauen. Sie interessieren sich für das, was in der Seele von Tätern vor sich geht, das Abgründige. Männer fragen typischerweise: Wenn einer mit einer 357er-Magnum einen Kopfschuss kriegt, wie sieht dann das Loch im Schädel aus?

Gibt es noch andere kriminologisch relevante Geschlechtsunterschiede?

Männer töten, weil sie klammern, Frauen, um jemanden loszuwerden. Männer sagen, wenn ich dich nicht haben kann, dann soll dich ein anderer auch nicht haben. Sie verkraften es nicht, verlassen zu werden. Wenn sich Frauen zu so etwas hinreissen lassen, ziehen sie oft einen Schlussstrich, weil sie einen Neuanfang wollen.


Mittwoch, 26. Oktober 2016

Meine Leber gehört mir.

aus Süddeutsche.de, 26. Oktober 2016, 09:29 Uhr

Frauen trinken fast so viel Alkohol wie Männer
Der Suff, ein männliches Phänomen? Das ist eine veraltete Sicht. Dabei sind Frauen das empfindlichere Geschlecht, wenn es um übermäßigen Alkoholkonsum geht.
 
Von Werner Bartens

Vielleicht übertreiben es die Frauen manchmal mit dem Streben nach Gleichstellung. Dabei sollte sich herumgesprochen haben, dass Männer nicht immer als Vorbild taugen. Trotzdem steigt in vielen Teilen der Welt der Anteil der Frauen, die rauchen, während jener der Männer stagniert oder zurückgeht. Ein ähnlicher Trend ist beim Alkoholkonsum zu beobachten. Frauen holen auf und verringern damit den Abstand zwischen den Geschlechtern, wie Forscher aus Australien im Fachmagazin BMJ Open berichten.

Vor 100 Jahren kamen Alkoholgenuss und damit verbundene Gesundheitsschäden mehr als doppelt so häufig bei Männern vor wie bei Frauen. In manchen Regionen der Welt waren Männer sogar bis zu zwölfmal so oft davon betroffen. Inzwischen haben die Frauen jedoch nachgezogen, wie Suchtforscher um Tim Slade von der University of New South Wales zeigen. Sie haben 68 Studien zum Alkoholkonsum mit mehr als 4,4 Millionen Teilnehmern rund um den Globus ausgewertet. Die Analyse umfasste Jahrgänge von 1891 bis 2001 und damit mehr als 100 Jahre. Mit jedem Jahrzehnt wurde der Unterschied im Alkoholkonsum zwischen den Geschlechtern geringer.

"Alkoholkonsum und die daraus folgenden Störungen wurden historisch immer als männliches Phänomen aufgefasst"

"Alkoholkonsum und die daraus folgenden Störungen wurden historisch immer als männliches Phänomen aufgefasst", sagt Tim Slade. "Das ist eine veraltete Sicht. Mittlerweile sollten besonders die jungen Frauen als Zielgruppe gesehen werden." Gerade in den Jahrgängen ab 1980 und besonders ab 1990 zeigte sich, dass Frauen fast so oft zum Rausch neigen wie Männer und - da sie weniger vertragen - fast ebenso häufig von alkoholbedingten Schäden betroffen sind. Was "problematisches Trinkverhalten" angeht, liegt das Verhältnis zwischen Männern und Frauen für die Jahrgänge 1991 bis 2000 bei 1,2 zu 1. "Unsere Analyse zeigt, dass Frauen die Männer in einigen Bereichen schon überholt haben", sagt Slade.

In Deutschland warnen Institutionen wie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) immer wieder vor den Risiken des Alkoholkonsums. "Zwar hat sich der Anteil junger Erwachsener, die regelmäßig - das heißt mindestens einmal pro Woche - Alkohol trinken, seit 1970 ungefähr halbiert, was eine erfreuliche Entwicklung im Sinne der Prävention ist", sagt Michaela Goecke, die das Suchtreferat der BZgA leitet. "Aber der gleiche Alkoholkonsum ist für Frauen auf Dauer gesundheitlich riskanter als für Männer." Vor diesem Hintergrund ist es bedenklich, dass im Vergleich zu vor zehn Jahren zwar deutlich weniger junge Männer gesundheitlich riskante Mengen Alkohol zu sich nehmen, der Rückgang bei jungen Frauen hingegen nur minimal ausgefallen ist. "Hier ist die Quote von jungen Männern und Frauen inzwischen fast gleich", sagt Goecke.

Dabei sind Frauen eindeutig das empfindlichere Geschlecht, was Alkohol angeht. Trotz niedrigerer Grenzwerte werden Leber, Hirn, Herz und Kreislauf früher und stärker geschädigt und auch die Krebsgefahr steigt schneller an, wenn Frauen über dem Limit trinken. "Es geht nicht darum, jedes Glas zu verbieten", sagt Michaela Goecke. "Aber Frauen müssen noch stärker aufpassen als Männer, wie viele Suchtstoffe sie zu sich nehmen."

Dienstag, 18. Oktober 2016

Papa ist ein Mauerblümchen.

chwecgn
aus Südddeutsche.de,

Wenn 150-Prozent-Mamis die Väter verdrängen 
Einige Mütter mutieren nach der Geburt zu hysterischen Glucken und blocken jedes Engagement des Mannes ab. Um die Kinder geht es dabei selten - sondern um Macht, Ohnmacht und Gleichberechtigung. 


Von Jenny Hoch

Am Anfang dachte Jonathan Heilmann*, es sei nur eine Phase, dass seine Freundin ihm das gemeinsame Baby so gut wie nie anvertraute. Sie sei eben so glücklich, mit 41 doch noch ein Kind bekommen zu haben, dass sie es keine Sekunde aus den Augen lasse. "Löwenmutter" nannte der Hamburger seine Freundin damals zärtlich. Er war auch ein wenig stolz, sie waren nun eine richtige Familie, noch dazu eine moderne, die sich Betreuungszeiten und -aufgaben teilen würde. So hatten sie das jedenfalls vorher besprochen.

Nach vier Monaten war Jonathan Heilmann verwirrt. "Ich fühlte mich komplett überflüssig", erzählt er, "und ich erkannte meine Freundin kaum wieder." Aus der attraktiven, unbekümmerten Schauspielerin, die für ihren Beruf brannte, war, so empfand es ihr Partner, eine "150-Prozent-Mami" geworden, die sich nur noch für Stillmahlzeiten, Verdauungsprobleme und Einschlafrituale zu interessieren schien.

Nach einem Jahr gab es Jonathan Heilmann dann auf, ein gleichberechtigter Vater sein zu wollen: "Ich erinnere mich an eine Szene auf einer Gartenparty, da riss meine Freundin mir das Kind förmlich aus den Armen", sagt er. "Nicht einmal wickeln durfte ich es mehr. Wenn ich sie darauf ansprach, blockte sie ab. Ich hatte das Gefühl, nur noch zu stören."

Mütter, die nach der Geburt zu hysterischen Glucken mutieren und nicht mal mehr die Väter an die gemeinsame Brut ranlassen, das klingt im Zeitalter der Gleichberechtigung wie ein Klischee aus der "Mutti ist die Beste"-Mottenkiste. Oder wie eine Ausflucht nur scheinbar moderner Väter, die so tun, als könnten sie sich nicht gegen die dominanten Mütter ihrer Kinder durchsetzen, obwohl es ihnen in Wahrheit ganz recht ist, nicht derjenige sein zu müssen, der nachts das schreiende Baby beruhigt.

Andererseits: Jeder, der selbst Kinder oder zumindest öfter Kontakt mit Müttern hat, kennt solche Fälle. Die Freundin, die "so gerne" endlich mal wieder einen Abend für sich hätte, aber angeblich schafft es der Papa nicht alleine, den Nachwuchs ins Bett zu bringen. Oder der Spielplatz-Bekannte, der geduldig die viertelstündlichen Kontrollanrufe seiner Frau entgegennimmt, während die Tochter vor seiner Nase friedlich Sandkuchen backt. Der Mutter-Satz, der jedes väterliche Engagement im Keim erstickt: "Lass, ich mach das schon".

Jede fünfte Mutter blockiert das väterliche Engagement

Die Wissenschaft erforscht das Phänomen des mütterlichen Kontrollbedürfnisses seit beinahe zwanzig Jahren und hat dafür den Begriff des "maternal gatekeeping" geprägt. So belegte eine amerikanische Untersuchung aus dem Jahr 1999, dass 20 bis 25 Prozent aller verheirateten Mütter in die Gatekeeping-Kategorie fallen. Eine Langzeitstudie des deutschen Familien- und Sozialforschers Wassilios Fthenakis kam zu einem ähnlichen Ergebnis: Etwa jede fünfte Frau blockiert das väterliche Engagement im Familienleben.

Die gängige These, warum sie das machen, lautet: Gatekeeper-Mütter sehen im Vater keinen gleichberechtigten und kompetenten Elternteil. Sie verteidigen ihre Herrschaftsdomäne mit allen Mitteln, auch, weil sie daraus einen nicht unbeträchtlichen Teil ihres Selbstbewusstseins ziehen. Schließlich haben in den meisten Fällen ja sie und nicht die Väter beruflich zurückgesteckt, da wollen sie wenigstens zu Hause Chefinnen sein.

Da mag was dran sein, allerdings - und das wird bei den vielen hitzigen Diskussionen zum Thema oft missverstanden - ging es den Soziologen nicht darum, mal wieder den Müttern die Schuld zuzuschieben. Dieser Reflex ist häufig zu beobachten: Kümmern sich Mütter nicht rund um die Uhr oder fordern gar, in Vollzeit zu arbeiten, sind sie "Rabenmütter"; sind sie besonders fürsorglich und schießen dabei auch mal übers Ziel hinaus, werden sie als "Glucke" oder "Helikopter-Mum" abgestempelt. Wie man es dreht und wendet, als Frau mit Kind kann man es heutzutage nur falsch machen.

Um die Kinder geht es hier gar nicht

Beim "maternal gatekeeping" geht es aber gar nicht um die Kinder, sondern um die Beziehung der Mutter zu ihrem Partner. "Wir haben es hier mit einer Bindungsstörung zu tun", sagt die Münchner Paar- und Familientherapeutin Gabriele Leipold. Gatekeeperinnen seien - meist aufgrund eigener frühkindlicher Erfahrungen - unfähig, sich auf eine Beziehung mit mehr als einer Person einzulassen. Wenn in so eine Zweierbeziehung ein Kind geboren wird, kommt eine Gatekeeper-Mutter damit nicht zurecht und versucht, eine der Personen aus der neuen Dreierkonstellation hinauszudrängen - in den allermeisten Fällen den Vater. Gabriele Leipold: "Die betroffenen Frauen versuchen verzweifelt, für das Kind der wichtigste Mensch zu sein und darin den Vater, den sie als Bedrohung empfinden, zu übertreffen." Dabei setzten sie derart hohe Betreuungsstandards, dass der Vater, wenn er doch mal übernehmen darf, zwangsläufig scheitert.

Das Zustandekommen dieser Störung erklärt die Therapeutin tiefenpsychologisch: Nach der an sich gesunden Mutter-Kind-Symbiose finde gegen Ende des ersten Lebensjahres die sogenannte "frühe Triangulierung" statt. "Das Kind nimmt wahr, dass da noch eine zweite Person ist, nämlich der Vater, der mit der Mutter eine innige Beziehung führt, die das Kind partiell ausschließt." Diese Erfahrung sei unter anderem deshalb wichtig, damit das Kind keine narzisstischen Größenfantasien entwickelt und sich als Mittelpunkt des Universums begreift: "Hat die Mutter das in ihrer frühen Kindheit selbst nicht erlebt, kann sie es später auch nicht leben."

Traditionelle Rollenbilder machen Frauen zu Gatekeeperinnen

Solche "schweren" Fälle seien aber selten, betont sie, viel typischer - und leichter therapierbar - seien Probleme rund um die ungleiche Aufgabenverteilung in der Kinderbetreuung und im Haushalt. Und diese resultiert wiederum oft aus den traditionellen Rollenbildern, die sich offenbar so tief ins Bewusstsein eingegraben haben, dass sie nicht so einfach abzuschütteln sind: Die Frau hält zu Hause die Stellung, während der Mann das Geld verdient und die Familie ernährt.

Für eine Liebesbeziehung haben alle Formen von "maternal gatekeeping" Folgen. Der Mann fühlt sich aus der Partnerschaft ausgeschlossen, weil er seine Frau nur noch als Mutter, nicht mehr als Partnerin sieht. Er fühlt sich von ihr nicht mehr geliebt und erlebt die Vereinnahmung der Kinder als Misstrauen oder sogar als Aggression ihm gegenüber. "In diesem Klima haben positive Gefühle füreinander keinen Platz", erklärt Gabriele Leipold. Es komme nicht selten vor, dass Paare sich dann trennen.

So wie Julia und Clemens Schall*. Die Erzieherin und der Marketing-Manager aus München waren Berufsanfänger, als sie vor sieben Jahren ihre erste und drei Jahre später ihre zweite Tochter bekamen. Trotzdem entschieden sie sich gegen eine Krippe und für das traditionelle Modell: Sie war den ganzen Tag mit den Kindern zu Hause, er arbeitete von früh bis spät, oft auch am Wochenende. "Ich wollte das so, weil ich ein großes Verantwortungsgefühl als Mutter habe und weil es sich für mich als Erzieherin absurd anfühlte, meine eigenen Kinder für viel Geld betreuen zu lassen und mich stattdessen um fremde Kinder zu kümmern", sagt Julia Schall.

Frauen glauben, es besser zu wissen

Clemens Schall dagegen hatte das Gefühl, dass ihm die Zügel aus der Hand genommen wurden, dass er nicht der Vater sein durfte, der er gerne sein wollte: "Ich wäre nicht jedes Mal sofort hingerannt, wenn eines der Kinder weinte. Aber egal, was ich tat, ob ich wickelte, fütterte oder die Mädchen ins Bett brachte, Julia stand die ganze Zeit daneben und korrigierte mich." Seine Frau kontert: "Ich hatte das alles ja schon Hunderte Male gemacht und wusste deswegen genau, wie es am besten funktioniert."

Das war nicht der einzige Streitpunkt: Sie wollte die Kinder abends Punkt sieben im Bett haben, er hatte nach der Arbeit das Bedürfnis, noch ein bisschen mit ihnen zu toben. Sie fand es wichtig, die Kinder gesund zu ernähren, er kaufte ihnen zwei Kugeln Eis statt einer. Sie hätte sich gewünscht, dass er sich auch mal um Kinderarzttermine und Geburtstagsgeschenke kümmert, er hatte längst den Überblick verloren. Die Liste ließe sich unendlich fortsetzen. Irgendwann stritten sie so viel, dass sie vor eineinhalb Jahren beschlossen, sich zu trennen.

Sie erlebe in ihrer Praxis häufig eine gewisse Unflexibilität von Seiten der Frauen, sagt Gabriele Leipold, aber auch große Frustration. Von außen betrachtet, gibt sie zu bedenken, wirke deren besserwisserisches Verhalten vielleicht wie eine Machtdemonstration, doch tatsächlich verberge sich Ohnmacht dahinter: "Viele Frauen haben nach einer längeren Babypause Minderwertigkeitskomplexe und die durchaus berechtigte Sorge, beim Wiedereinstieg in den Job auf dem Abstellgleis zu landen. Zu Hause dagegen sind sie so perfekt eingearbeitet, dass der Mann beinahe überflüssig ist. Aus diesem Grund halten sie oft so lange an ihrem Hausfrauenstatus fest."

Die Expertin rät zur To-do-Liste

Ihren Klienten rät sie, exakt festzulegen, wer welche Aufgaben übernimmt, und To-do-Listen zu führen - und zwar schon, bevor sich Nachwuchs ankündigt. "Man muss die Männer fordern, aber ihnen dann auch die Chance geben, sich in diese neuen Aufgabengebiete einzuarbeiten", fasst Gabriele Leipold ihre Erfahrungen aus der Praxis zusammen. Wer jetzt findet, dass im Jahr 2016 Hausarbeit für Männer kein Neuland mehr sein sollte, dem kann man nur zustimmen. Doch die Zahlen belegen das Gegenteil: Der Anteil, den Männer an der Haus- und Erziehungsarbeit übernehmen, hat sich seit den Siebzigerjahren kaum verändert, er beträgt im Schnitt gerade mal 30 Prozent. Das fand die Darmstädter Soziologieprofessorin Cornelia Koppetsch in einer viel beachteten Studie heraus. Ihr Fazit: Die Gleichheit der Geschlechter ist eine Illusion.

Es ist also höchste Zeit umzudenken, und zwar für Frauen und Männer. Julia Schall etwa sieht ihre Entscheidung, wegen der Kinder insgesamt sechs Jahre lang zu Hause geblieben zu sein, inzwischen kritisch: "Ich frage mich oft, ob wir noch zusammen wären, wenn ich wieder gearbeitet hätte. Weil wir so unterschiedliche Leben führten, hatten wir zu wenig Verständnis füreinander." Und ihr Ex-Mann sagt: "Es tut mir bis heute weh, dass ich vom Alltag meiner Familie so wenig mitbekommen habe."

*Namen geändert 

Nota. - Ja,das ist alles trivial; aber falsch wird es daduch nicht; nicht einmal die Notwendigkeit, es auszusprechen, wird dadurch gemindert. Und warum nicht dieses? Weil am Ende doch wieder die ExpertIn das letzte Wort hat!

Es ist keine Sache der gescheiten Technik, sondern eine Angelegenheit von Mentalitäten. Es wird langsam Zeit, dass sich Männer ihr "Rollenbild", sei's das Mordsmannsbild, sei's der sensible Frauenversteher, nicht von den Frauen anhexen lassen. Die wissen schon, wobei sie sich am wohlsten fühlen, aber gerade darum geht es nicht - nicht den Männern, nicht den Kindern.
JE  



 

Mittwoch, 12. Oktober 2016

Frauen können nicht alleine sein.


printerstudio
aus scinexx

Stresst Einsamkeit Frauen mehr?
Versuche mit Mäusen sprechen für eine höhere Sensibilität gegenüber sozialer Isolation 

Stressverursacher Einsamkeit: Für junge Frauen könnte Einsamkeit mehr Stress bedeuten als für Männer. Das legen Versuche an Mäusen nahe. Denn während junge Weibchen auf soziale Isolation mit Stress reagierten, zeigten ihre männlichen Artgenossen keine Auffälligkeiten. Bei physischem Stress, wie dem Schwimmen, reagierten dagegen beide Geschlechter gleich.

Stress ist ungesund, beeinträchtigt das Gedächtnis und kann sogar zu Unfruchtbarkeit bei Frauen führen. Es sprechen also einige Gründe dafür, unser Stresslevel zu reduzieren. Eine Möglichkeit des Stressabbaus ist dabei die soziale Interaktion mit anderen Menschen. Das genaue Gegenteil passiert dagegen, wenn uns dieses soziale Netzwerk fehlt. Denn auch soziale Isolation kann eine Quelle von Stress sein.

Aber nicht jeder reagiert auf Einsamkeit gleich stark: "Jüngste Forschung deutet darauf hin, dass junge Mädchen sensibler auf sozialen Stress reagieren als Jungen", erklärt Jaideep Bains von der University of Calgary. "Das könnte bedeuten, dass soziale Netzwerke für Frauen allgemein wichtiger sind". Wie sich Isolation und Einsamkeit auf beide Geschlechter und deren Stressmerkmale auswirken, haben er und seine Kollegen nun untersucht. 

Einsame Mäuse 

Für ihre Tests untersuchten die Forscher junge Mäuse, die seit ihrer Geburt in Gruppen mit Artgenossen des jeweils gleichen Geschlechts lebten. Einige dieser Mäuse durften weiterhin in ihrer Gruppe bleiben, andere wurden paarweise, jeweils ein Männchen und ein Weibchen, zusammengesetzt. Mäuse einer dritten Gruppe wurden jedoch für 16 bis 18 Stunden komplett von ihren Wurfgeschwistern isoliert.

Um herauszufinden, wie sich diese veränderten sozialen Umstände auf das Stressniveau der Mäuse auswirkten, untersuchten die Forscher das Gehirn der Tiere. Sie analysierten die Aktivität jener Gehirnzellen, die die Freisetzung von Stresshormonen steuern und maßen zusätzlich die Menge der Stresshormone im Blut der Mäuse. 

Weibchen reagieren gestresster

Dabei entdeckten die Forscher deutliche Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Mäusen: Wurden die Mäuseweibchen von ihren Gechlechtsgenossinnen isoliert, reagierten sie gestresst. Die Freisetzung der Stresshormone stieg bei ihnen an und auch die Aktivität der dafür verantwortlichen Gehirnzellen, wie die Forscher berichten.
 

Anders dagegen bei den Männchen: Sie zeigten selbst nach stundenlanger Einsamkeit keine stressbedingten Veränderungen. Offenbar empfinden nur junge Mäuseweibchen, nicht aber die Männchen, soziale Isolation als Stress. Auf den Menschen übertragen könnte das bestätigen, dass junge Mädchen tatsächlich sensibler auf Ausgrenzung und Einsamkeit reagieren. 

Keine Unterschiede bei körperlichem Stress

Um zu überprüfen, ob wirklich nur der soziale Stress diese geschlechtsspezifische Wirkung hat, führten die Forscher ein weiteres Experiment durch: Sie setzten die Tiere körperlichem Stress aus. Dafür mussten die Mäuse zwanzig Minuten in einem Wasserbecken schwimmen, ohne auf festen Boden gelangen zu können.

Dabei zeigte sich: Den physischen Stress des erzwungenen Dauerschwimmens schienen beide Geschlechter gleich zu empfinden. Nach dem Schwimmen zeigten die Männchen dieselbe Stressreaktion wie die sozial isolierten Weibchen. 

Stressbewältigung ist geschlechterabhängig

Diese Ergebnisse zeigen: Die Reaktion auf sozialen Stress ist geschlechterabhängig. Während die Geschlechter scheinbar gleich empfindlich gegenüber körperlicher Anstrengung sind, zeigen sich bei sozialer Isolation deutliche Unterschiede. Demnach scheinen nur weibliche Mäuse sich auch durch Einsamkeit gestresst zu fühlen.

"Unsere Ergebnisse werfen die spannende Frage auf, ob soziale Veränderungen oder Umweltveränderungen während der Pubertät langfristige Folgen haben und dadurch beeinflussen, wie Männer und Frauen auf stressige Situationen im späteren Leben reagieren", sagt Baimoukhametova. Zudem zeige die Studie, wie wichtig die geschlechterspezifische Auswahl der Versuchstiere sei - besonders wenn es um die Wirkung von Stress auf das Gehirn geht. (eLife2016;10.7554/eLife.18726) 

(University of Calgari, 12.10.2016 - HDI) 


Nota. - Dem steht eine tiefe philosophische Einsicht diametral entgegen: Eine Frau ist nie allein; sie hat mindestens ihren Spiegel dabei, und sei's nur in Gedanken. (Kurt Tucholsky) 

Ach, Spaß beiseite: Darum schnattern sie auch unaufhörlich, um sich zu vergewissern, dass sie nicht alleine sind. Sie gehen sogar zusammen auf die Toilette.
JE