Sonntag, 6. März 2016

Der evolutionäre Sinn der geschlechtlichen Arbeitsteilung.

aus Süddeutsche.de, 11. 5. 2015

Evolution des Menschen
Die Urzeit-Kita
Teamarbeit bei der Kinderbetreuung verschaffte den Menschen einen evolutionären Vorteil. Daraus könnten sich auch Empathie und Gerechtigkeitssinn entwickelt haben.

Der Mensch hat im Lauf seiner Evolution verschiedene Formen von kooperativem Verhalten entwickelt, die seine biologische Fitness verbesserten. Dazu zählte auch, dass Mütter ihre Kinder nicht mehr allein aufzogen, sondern dabei von Verwandten und anderen Mitgliedern ihrer Gruppe unterstützt wurden. Über die Antriebskräfte, die für diese Veränderung der Lebensweise verantwortlich gewesen sein könnten, berichten amerikanische Anthropologen im Journal of Human Evolution.

Mütter, die mehrere Kinder gleichzeitig großziehen mussten, gab es nicht

In einer Simulation gingen sie davon aus, dass bei den Vorfahren des Menschen - ähnlich wie bei heutigen Menschenaffen - Mütter in der Regel nur jeweils ein einzelnes Kind versorgten. Dieses wurde spät entwöhnt, lernte danach aber schnell, sich selbst zu ernähren. Mütter, die mehrere Kinder gleichzeitig großziehen mussten, gab es praktisch nicht. Dann verkürzte sich die Zeit zwischen den Geburten und gleichzeitig blieben die Kinder länger von der mütterlichen Fürsorge abhängig.

Kosten-Nutzen-Berechnungen der Forscher ergaben, dass diese Entwicklung nur deshalb erfolgreich sein konnte, weil zunächst ältere Geschwister und später auch erwachsene Gruppenmitglieder bei der Versorgung des Nachwuchses mithalfen. "In unserem Modell simulierten wir ein ökonomisches Problem, das während der menschlichen Evolution zu entstehen drohte: Die Frauen bekamen in kurzer Zeit so viele Kinder, dass sich die Mütter nicht mehr allein um sie kümmern konnten", sagt Karen Kramer von der University of Utah in Salt Lake City.

Auch Väter kümmerten sich um ihren Nachwuchs

Daher erwies es sich als vorteilhaft, wenn die Mütter innerhalb einer Gruppe bei der Kinderaufzucht Unterstützung erhielten. Als erster Schritt sei nach Ansicht der Forscher ein kooperatives Verhalten älterer Geschwister anzunehmen, wobei sich Empathie und Gerechtigkeitssinn entwickelt hätten. Diese Eigenschaften könnten dazu geführt haben, dass sich auch Väter um ihren Nachwuchs kümmerten und andere erwachsene Gruppenmitglieder auch Kinder unterstützten, die nicht ihre eigenen waren.


Nota. -  Von allen Lebewesen sind wir Menschen die einzige Gattung, in der der männliche Teil der Population als solcher einen eigenen Anteil hat an der Aufzucht und Versorgung der Nachkommenschaft - und daher an der Erhaltung der ganzen Art über den bloßen Zeugungsakt hinaus.

Am meisten verbreitet ist es im Tierreich, dass die männlichen Individuen nach dem Zeugungsakt ihrer Wege gehen. Ernährung und Behütung der Jungen ist Sache der Mütter und anderen weiblich Verwandten. Wo die männlichen Tiere immerhin mit ihrem Harem und den Jungtieren zusammenleben, da beteiligen sie sich, wie die Löwen, nicht einmal am Erwerb der gemeinsamen Nahrung: Auch das besorgen die Löwinnen, sie jagen in Gemeinschaft, während der Pascha restlos damit ausgelastet ist, die Gruppe gegen Feinde zu verteidigen und... andere Löwenmänner von seinem Harem fernzuhalten. Das lastet ihn nicht nur aus, sondern nimmt ihn so in Anspruch, dass er schon nach wenigen Jahren das Rudel einem Stärkeren und Jüngeren überlassen muss (dem es dann ebenso ergehen wird). Mehr als die Abgabe seines Samenpakets hat er bis dahin zur Erhaltung seiner Art nicht beigetragen. 

Bei anderen Rudeltieren mit einer komplexeren sozialen Organisation, nämlich bei Beutegreifern, die wie Wölfe und Hyänen im Verband jagen, beteiligen sich regelmäßig männliche wie weibliche Tiere an der Beschaffung der gemeinsamen Nahrung; aber nur gelegentlich beteiligen sich die männlichen Tiere auch an der Aufzucht der Jungen, indem sie sich nachsichtig auch mal auf der Nase rumtanzen lassen. (Eine Kuriosität ist der Polarfuchs: Der lebt nicht mit der Fähe und ihren Kindern im selben Bau, versorgt sie auch nicht mit Nahrung. Aber morgens holt er die Jungen zuhause ab und zieht mit ihnen aus, um sie das Jagen zu lehren.) Bei manchen Vögeln kommt es schließlich vor, dass Mutter- und Vatertier nicht nur beim Füttern, sondern schon bei der Brut ablösen. Aber immer sind es die Väter, die sich an dem beteiligen, was die Mütter angefangen haben - individuell.

Dass das männliche Geschlecht als Ganzes eine Tätigkeit entwickelt, die zur Erhaltung der Art einen eigenen Beitrag leistet, kommt aber nur bei uns Menschen vor. Die Männer jagen. Das tat die Familie Homo "von Hause aus" nicht. Unsere Vorfahren werden - wie unsere nächsten Verwandten, die Schimpansen und Bonobos - in größeren Gruppen gesammelt haben: um sich gegen Nahrungskonkurrenten durchsetzen zu können. Und wenn sie dabei auch gelegentlich kleinere Affen getötet und gefressen haben, so tat es doch jedes Individuum für sich - wie eben noch heute Schimpansen und Bonobos. Gesammelt und erst nachher geteilt wird dort nicht, und sowenig wie das reguläre Sammeln wird gelegent-liches Jagen organisiert. Doch erst Organisation macht Arbeitsteilung möglich.
JE

Freitag, 4. März 2016

Endlich: Quote auch beim Nobelpreis?



Nach der Entrüstung über die diesjährigen Oscars wird nun endlich auch der Ruf nach einer Frauenquote bei den Nobelpreisen laut. Gerechtigkeit bei der Hautfarbe ist vorläufig nicht zu erwarten; die fifty shades of black exakt zu messen sei noch zu umständlich.




Donnerstag, 3. März 2016

Ein Unterschied von Jahrmillionen.

aus Süddeutsche.de, 3. März 2016, 14:08 Uhr

Evolutionsbiologie
Der Gorilla im Mann

Von Christoph Behrens 

Auf dem Y-Chromosom im Erbgut von Mensch und Gorilla gibt es laut einer neuen Studie höhere Ähnlichkeiten als zwischen Mensch und Schimpanse. Dieser Teil der DNA steuert die Ausprägung der männlichen Geschlechtsmerkmale. Die Ergebnisse sind überraschend, da der Schimpanse deutlich enger mit dem Menschen verwandt ist als der Gorilla. 

Die männlichen Erbanlagen von Gorillas und Menschen ähneln sich stärker als bislang bekannt. Zu diesem Ergebnis kommen Biologen der Penn State University im Fachblatt Genome Research. Die Wissenschaftler untersuchten bei Gorillas, Menschen und Schimpansen die Y-Chromosomen, also den Teil der DNA, der die Ausprägung männlicher Geschlechtsmerkmale steuert.

Überraschenderweise zeigte das Y-Chromosom des Menschen eine größere Ähnlichkeit zum Gorilla als zum Schimpansen. Evolutionär ist der Schimpanse der nächste Verwandte des Menschen, beide Spezies trennten sich vor etwa fünf bis sieben Millionen Jahren voneinander. Der Gorilla spaltete sich bereits früher von einem gemeinsamen Vorfahren ab.

Kaum Daten zur männlichen Abstammungslinie

Die Ergebnisse der Forscher deuten darauf hin, dass die Entwicklung des Y-Chromosoms einen Sonderweg genommen hat. "Das Y-Chromosom des Schimpansen scheint sich im Vergleich zu Mensch und Gorilla stärker verändert zu haben", sagt Kateryna Makova von der Penn State University. Die Veränderungen beträfen etwa die Anzahl der Gene.

"An der engen Verwandtschaft zwischen Mensch und Schimpanse ändert sich damit nichts", sagt der Evolutionsbiologe Christian Roos vom Deutschen Primatenzentrum in Göttingen. Allerdings war gerade das Y-Chromosom bislang ein dunkler Fleck im Stammbaum von Menschen und Affen. Dieser DNA-Abschnitt ist sehr kurz und daher schwierig zu entschlüsseln, zur männlichen Abstammungslinie gibt es deshalb kaum Daten. Ob die raschere Evolution den Schimpansen-Männchen genützt hat, ist bislang unklar. "Es könnte Vorteile, aber auch Nachteile gehabt haben", sagt Roos. So könne eine rasche Veränderung im Erbgut auch Erbkrankheiten begünstigen.


Nota. - Na schön, vorläufig ist das noch ein Witz: Unsere Väter stammen vom gutmütigen und geselligen Gorilla ab, unsere Mütter dagegen von den zänkischen und hinterlistigen Schimpansen; und so unsere Söhne und unsere Töchter! Aber die Forschungen haben ja eben erst angefangen...
JE