Freitag, 31. Juli 2015

Gender maindripping.

aus Der Standard, Wien, 29. Juli 2015, 05:30

151 Zahnarzt-Assistentinnen, aber keine Dachdeckerin

Lehrlingsabschlüsse zeigen: Die Berufswahl junger Menschen verläuft entlang traditioneller Rollenbilder

von Michael Bauer, Lisa Kogelnik

Wien – Junge Frauen mit gelben Sicherheitshelmen am Kopf und einer Bohrmaschine in der Hand, ein Bursch mit einem Kleinkind im Arm. So wirbt das Bildungsministerium für den "Girls Day" und den "Boys Day" im Jahr 2015. Das Ziel dieser Aktionstage: Die jungen Leute sollen sich bei ihrer Berufswahl weniger stark an bestehenden Geschlechterrollen orientieren. Funktionieren tut das, wie neue Zahlen zur Lehrlingsprüfung zeigen, nicht.
Auch im Jahr 2014 haben Frauen ihre Lehrabschlussprüfung in jenen Berufen gemacht, die traditionell als weiblich gelten, Männer dominieren in den technischen Berufen (siehe Grafik). Wie die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage des SPÖ-Abgeordneten Rainer Wimmer durch das Wirtschaftsministerium zeigt, hat etwa keine einzige junge Frau eine Prüfung als Dachdeckerin oder Schalungsbauerin abgelegt, während dies 245 beziehungsweise 224 Männer getan haben. Dafür haben 151 Frauen ihre Ausbildung zur zahnärztlichen Fachassistentin abgeschlossen, aber kein einziger Mann.
Auch bei den Lehrberufen, die junge Österreicher am häufigsten wählen, gibt es "typische" Mädchen- und Burschenjobs. Neben elf Jobs – wie jenem der Zahnarztassistentin –, wo nur Frauen eine Lehre abgeschlossen haben, ist der Anteil der Frauen bei der Ausbildung zur Friseurin mit 93 Prozent am höchsten. Bei Mädchen am beliebtesten ist nach wie vor der Job als Einzelhandelskauffrau. Insgesamt haben knapp 6.000 Lehrlinge ihre Prüfung abgelegt, davon waren 4.200 Frauen.
Neben 51 Berufen, wo nur Burschen eine Prüfung abgelegt haben, darunter etwa in Metalltechnik, Straßenerhaltung und als Hufschmied, ist der Männeranteil bei den Maurern mit 99,3 Prozent am höchsten. Von 1.292 Maurer-Lehrlingen waren österreichweit nur neun Mädchen. Der häufigste Beruf, in dem Lehrlinge ihre Prüfung absolviert haben, war Elektrotechnik.

Nota. - Ein Dachdecker kann von seinem Arbeitsplatz runterfallen, das kann die Zahnarztassistentin nicht. Es wird sich nicht ändern lassen, dass ein östrogengesättigter Organismus das weniger gern riskiert, als ein testosterongetränkter. Beim Verhältnis der Einzelhandelskauffrau zum Elektrotechniker wird der Unterschied weniger krass ausfallen, aber verschwinden wird er nie. Und kann mir einer verraten, warum er das soll? Dass frau sich eine Quote bei den Lehrstühlen wünscht und bei den Nobelpreisen, kann ich ja noch verstehen, aber wozu denn eine Frauenquote bei den Hufschmieden? Das werden die Mädels nie mitmachen.
JE

Sonntag, 26. Juli 2015

Frauen werden älter als Männer, und das sieht mann ihnen an.

aus NZZ am Sonntag, 26.7.2015, 01:00 Uhr

Frauen und das Alter
Das Madonna-Syndrom
Das Alter steht den Männern besser als den Frauen – so will es das hartnäckige Vorurteil, an dem auch der Feminismus bisher nichts zu ändern vermochte. Schuld daran ist aber nicht das Patriarchat, sondern dass der Sex-Appeal in unserer Gesellschaft überbewertet wird.

von Barbara Höfler

Im Traum und im Kino ist alles möglich. Im Kino vor allem für Männer. Alte Haudegen küssen dort regelmässig sehr viel jüngere Partnerinnen. Ein Age-Gap von über 30 Jahren ist üblich. Bruce Willis mit 55 Jahren und Jessica Alba, 24 («Sin City»). Bill Murray mit 53 Jahren auf Scarlett Johansson, 18 («Lost in Translation»). Jeff Bridges, damals 60, mit Maggie Gyllenhaal, damals 31 («Crazy Heart»). Mittlerweile ist Gyllenhaal 37 Jahre alt, und wie die Schauspielerin nun preisgab, wurde sie vor kurzem für die Rolle der Geliebten eines 55-Jährigen abgelehnt. Zu alt. Also – sie.

In Bezug auf eine Branche, deren Substanz die Oberfläche ist, wundert einen das im ersten Moment nicht. Dann aber schon, bedeutet es doch, dass man den Zuschauern Nahaufnahmen einer 37-Jährigen erspart, die Konfrontation mit einem 55-jährigen Mann ästhetisch aber für unbedenklich, wenn nicht für erstrebenswert hält. Und hier weist das Anekdötchen über Hollywood hinaus. Denn Altern, das scheint auch im realen Leben für ziemlich viele Männer ein Upgrade. Für die allermeisten Frauen dagegen eine Reise in die tiefste Nacht.

«Das Alter ist das schlimmste Unglück, das einem Menschen widerfahren kann», wusste 2500 v. Chr. schon der ägyptische Philosoph Ptahhotep. Altern ist der Highway zum Tod. Gepflastert von Verlust, dem Nachlassen von allem: Ausdauer, Muskelkraft, Augenlicht, Hörvermögen, Gehirnleistung, Schlafqualität, Schönheit, Freundeskreis. Erfahrungsberichte über das Altern liegen uns seit Ptahhotep von allen grossen Denkern vor, doch die erschütterndsten stammen von Denkerinnen. Der Verlust der sexuellen Attraktivität scheint für Frauen seit Jahrhunderten derart existenziell, dass Susan Sontag 1978 die These aufstellte, das Altern selbst sei weiblich.

Alter als Krankheit

Im Essay «The Double Standard of Aging» erklärt Sontag, dass es für Frauen eben schlicht nur ein sanktioniertes Schönheitsideal gebe: das des Mädchens kurz nach der Geschlechtsreife. Schon der Übertritt vom Mädchen zur Frau werde als ästhetischer Absturz gewertet. Eine Frau altere deshalb nicht erst biologisch, sondern sozial dazu verurteilt bereits ab dem Zeitpunkt, an dem sie nicht mehr jung ist. Das Altern der Frauen, so Sontag, sei eine «gedachte Krankheit».

Ein millionenschwerer Industriezweig melkt heute die Ängste 20-Jähriger vor ersten Augenfältchen. Ein Alter, in dem die Ehrgeizigsten sich bereits seit Jahren auf Diät befinden, um ihren Kinderkörper wiederherzustellen. Die Falten kommen trotzdem. Und dann das Klimakterium: mit Schweissattacken und Herzrasen auf dem Weg in die Unfruchtbarkeit.


Trunkene Alte, Rom (Kopie)

Über ihre Wechseljahre notierte Simone de Beauvoir, die Menschen, die ihr begegneten, sähen nur eine Fünfzigjährige. «Ich aber sehe meinen früheren Kopf, den eine Seuche befallen hat, von der ich nicht mehr genesen werde.» Ob Bruce Willis, Bill Murray und Jeff Bridges sich so je fühlten?

Es ist Fakt: Männer altern anders als Frauen. Biologisch welken Männer ohne nennenswerte Tiefpunkte vor sich hin, sie «können» theoretisch bis ins hohe Alter. Sie altern aber auch sozial anders – vor allem sehr viel später. Für sie gibt es laut Sontag zwei Ideale, und biografisch gleiten sie von einem ins andere: vom androgynen Knaben zum männlichen Mann. Und während alle weiblichen Qualitäten im Alter verschwinden, nehmen die männlichen auf dieser Achse noch zu: Souveränität, Autorität, Weisheit, Macht.

Selbst mit Glatze, Falten und Übergewicht ist das Ende der männlichen Verführungskraft nicht erreicht. Den körperlichen Verfall können viele mit Erfolg, Prestige und Geld ausgleichen. Das Schicksal, für eine Jüngere verlassen zu werden, ist Topos einer Frauenbiografie. Geschieht es doch einmal umgekehrt, gilt der Spott ihr. Siehe Vera Dillier.

In der sogenannten Jetsetterin Vera Dillier verdichtet sich vielleicht ohnehin das ganze Drama des weiblichen Alterns. Sie verschweigt ihr Alter seit Jahrzehnten, wie viele Frauen, nur vulgärer («Ich bin für immer 21, ihr Tubel!»). Und sie versinnbildlicht wie Cher oder Donatella Versace die Aussichtslosigkeit im Kampf um den Erhalt der Jugend, sprich: der sexuellen Attraktion.

Ein Kampf, der in solariumsbraunen Gesichtern aushärtet, unter aufgespritzten Falten viskos nachgibt und auf Mikroebene mit Co-Enzym Q10, Retinol, Kollagen und Botox gegen den Tod kleiner, unablässig sterbender Zellen antritt. Über die Nacktbilder, die Dillier diesen Frühling von sich und ihrem Freund Josef, 29, aus Tschechien veröffentlichen liess, lässt sich gesellschaftlich abgesichert lachen. Der Toyboy und die Alte. Das ist die Härte. Doch allen Härten zum Trotz: So leicht wie heute war Altern für Frauen noch nie.

Alte Frauen galten generell als «einfältig und dumm». «Alt» und «hässlich» waren ein und dasselbe Wort.

Das aussagekräftigste Kapitel der Geschichte von Frau und Alter ist gleich einmal eines, das nicht existiert: Es hat niemand geschrieben, denn in historischen Altersdiskursen kommen Frauen so gut wie nicht vor. Ein Trost: Auch jenen, die vorkommen, den alten Männern, kam lange keine positive Rolle zu. Bei den Eskimos sollen die Alten überredet worden sein, sich in den Schnee zu legen und auf den Tod zu warten. Manchmal «vergass» man sie bei der Fischjagd auf Eisschollen oder mauerte sie in Iglus ein. Herodot berichtet von Stämmen im Kaukasus, die ihre kranken Senioren töteten – und die Gesunden unter ihnen assen.

Ehrung der Alten und Fürsorge leisteten sich erst Gesellschaften mit funktionierendem Ackerbau und Viehzucht, in denen es auf die Weitergabe der gesammelten Erfahrungen ankam. Das lebensrettende Senioritätsprinzip sicherten Traditionen und Rituale des Ahnenkultes – von dem aber nur Männer profitierten. Ihnen schrieb man Alterswerte wie Weisheit, Autorität und Erfahrung zu, Eigenschaften, die noch in der Antike mit Frauen ebenso wenig wie mit Sklaven verknüpft wurden. Alte Frauen galten laut dem Althistoriker Jens-Uwe Krause generell als «einfältig und dumm». «Alt» und «hässlich» waren ein und dasselbe Wort. In Stein gemeisselt in Gestalt der «Trunkenen Alten», einer der wenigen weiblichen griechischen Statuen: enthemmt, entstellt, entsetzlich.

Angespuckt und gequält

Ein weiteres seltenes Kunstwerk mit alter Frau als Motiv zeichnete 1514 Albrecht Dürer: seine Mutter Barbara. Eine Horrorgestalt. Im Gesicht 18 Kinder, «Pestilenz (. . .) Verspottung, Verachtung, höhnische Wort’, Schrecken und grosse Widerwärtigkeit», so Dürer in der Unterzeile. Alte wurden gehänselt, angespuckt, gequält. Selbst wenn das Christentum forderte, Vater und Mutter zu ehren. Im 16. Jahrhundert wurden Gesetze notwendig, die Kindern mit Haft und Todesstrafe drohten, wenn sie die Eltern nicht weiter unterstützten. So viel zur Realität des trauten Mehrgenerationenhauses.

Die Mutter Albrecht Dürers.

In Notwehr übergaben viele Altvordere ihre Höfe erst so spät wie möglich. In seiner «Geschichte des Alters» legt Peter Borscheid dar, dass der Hass auf die Alten und der Ekel vor ihren entstellten Körpern gerade in Hungersnöten und Pestzeiten alle Hemmungen verlor. Besonders traf es dann wieder die alten Frauen, von denen Erasmus von Rotterdam als von «wandelnden Leichnamen» mit «schlaffen und widerlichen Brüsten» sprach. Von «stinkenden Gerippen, die überall einen Grabesgeruch verbreiten».

Im 17. Jahrhundert kamen Scherze über die «Altweibermühle» in Mode, in die man Frauen steckt, die «alssdann ihren Männern wider gantz anmuttig vnd erfrewlich zugestellt» werden, so die Erläuterung eines zeitgenössischen Kupferstiches. In dieselbe Kerbe schlägt der «Jungbrunnen» von Lucas Cranach dem Älteren: Auf dem Gemälde aus dem Jahr 1546 schleppen gutaussehende Männer hässliche alte Frauen zum Bassin, die dann am gegenüberliegenden Beckenrand als Mädchen wieder auftauchen und zum Festbankett abgeholt werden. Ein Schenkelklopfer. Und erster Artefakt des Traumes der künstlich verlängerten Jugend – der Frau.


Jungbrunnen von Lucas Cranach dem Älteren.

Woher aber rührte die gnadenlose Ablehnung des weiblichen Alters? Licht ins Dunkel bringt für Genderforscher insbesondere der Umgang früherer Gesellschaften mit Witwen. Zum einen zeigt sich dabei: «Alt» war schon immer relativ. Denn eine Witwe, auch wenn sie erst fünfundzwanzig Jahre alt war, galt als Gebrauchsware in jedem Fall als alt. Zum anderen wird an Witwen deutlich, dass der Hauptdaseinszweck der Frau jahrhundertelang eben ausschliesslich in der Nachwuchsproduktion lag.

In «Growing Old in American History» beschreibt der Pulitzerpreisträger David Hackett Fischer, wie Witwen in frühen amerikanischen Kolonien von ihren Nachbarn in entlegene Gegenden gefahren und dort ihrem Schicksal überlassen wurden. Denn ihres Brötchengebers – und Sexualpartners – beraubt, waren diese Frauen für das Normgefüge eine wirtschaftliche und moralische Gefahr. Jenseits der Gebärtätigkeit gab es für sie keine sozial adäquate Rolle. Eine Wiederverheiratung war in solchen Kleinstdörfern aber kaum möglich. Wenn eine Frau ihre Daseinsberechtigung schon verlor, sobald nur der Ehemann temporär fehlt, wird klar, warum sie restlos als Ballast galt, sobald ihre Reproduktionstätigkeit biologisch stoppte. Unfruchtbarkeit war Metapher für das Leere, Sinnlose, Vergänglichkeit und Tod. Bekämpft mit maximaler Abwertung.

Grossmutter-These

Dass eine alte Frau auch gut sein kann, ist eine frappierend junge Idee. Sie stammt aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Als Folge der Durchsetzung der bürgerlichen Familien-Ideologie entstand die Figur der Grossmutter. Ein gnädiges, der Kinderliebe verpflichtetes Wesen, das seine Mutterpflicht im Alter in Bemutterungslust umwandelt und der Arbeitsentlastung der wahren Mutter andient.

Im Nachhinein entwickelte sich daraus die «Grossmutter-These» des Evolutionsbiologen Eckart Voland. Voland fragte in diesem Jahrhundert ernsthaft, welche Lebensberechtigung Frauen jenseits der Wechseljahre hätten – und fand sie ursächlich in der speziesbefördernden Kinderbetreuung als Grosi angelegt. Wie viel Spass diese neue Rolle vielen Frauen tatsächlich gemacht haben dürfte, zeigt Volands Studie auch noch auf. Nach Sichtung der Daten aus sieben Ländern und Tausenden Kirchbucheinträgen des 18. und 19. Jahrhunderts fand sein Team zwar bestätigt, dass die Überlebenschancen eines Säuglings signifikant stiegen, wenn die Grossmutter zugegen war – aber nur die mütterlicherseits. Befand sich die Grossmutter väterlicherseits auch bloss im Nachbardorf, erhöhte sich die Kindssterblichkeit im ersten Lebensmonat um sechzig Prozent. Lebte diese Frau im selben Ort, sogar um 150 Prozent.

Offenbar bekam es nicht jeder Frau gut, als Babysitter des Balges einer Jüngeren abgestellt zu werden, die einem obendrein den Hof, den Sohn und die bitter erkämpfte gesellschaftliche Stellung wegnahm. Ein alternativer Lebensentwurf war für Frauen damals aber wieder nicht in Sicht. Denn die gesammelte Ablehnung konzentrierte sich nun auf die kinderlos alternde Frau – die Xanthippe, die Tante. Die alte Jungfer, die den Jungen die Jugend neidet, hässlich, hasszerfressen – der Inbegriff des sozialen Versagens. Der Segen des Alters scheint in der Vita contemplativa zu liegen, die Welt ohne den Schleier der Hormone zu sehen.

«Doing aging» lautet das Stichwort, unter dem die amerikanische Genderforschung die Konstruiertheit des weiblichen Alters schon länger untersucht. Im deutschsprachigen Raum hat sich 2014 mit als Erste Bascha Mika an einem Schlüsselwerk versucht. In ihrem Buch «Mutprobe. Frauen und das höllische Spiel mit dem Älterwerden» klagt die ehemalige Chefredaktorin der «Tageszeitung» über «patriarchale Herrschaftsstrukturen», die Frauen ab fünfzig gesellschaftlich «unsichtbar» machten. Der sexuelle Verfall einer Frau führe unweigerlich in die sexuelle Diskriminierung. Beruflich und privat nur noch Nachteile und Ausgrenzung. «Politik und Institutionen, Medien und Märkte» müssten zur Verantwortung gezogen werden, um auf dem Feld des Älterwerdens für Gleichberechtigung zu sorgen.

Fast wartet man noch auf den Aufruf, Männer gesetzlich dazu zu verpflichten, ältere Frauen sexuell attraktiv zu finden. Das Problem ist nur: Das wird so nicht klappen. Und das Problem ist vielleicht auch ein anderes: der extrem hohe Stellenwert von Sex und Sex-Appeal als gesellschaftliche Macht.

Wie schade! Denn fassen wir die Lebenssituation von Frauen unseres Kulturkreises am Anfang des 21. Jahrhunderts zusammen, sehen wir eigentlich: Es ist für die Frauen unwahrscheinlich gut vorangegangen, gerade in den letzten Jahrzehnten seit de Beauvoirs herzerschütternder Klage. Keine Frau ist heute mehr gezwungen, Ehefrau und Mutter zu werden. Wer Enkelkinder hat, muss sie nicht zwangsläufig versorgen, es gibt Krippen und Kindergärten dafür. Frauen dürfen single bleiben, lesbisch werden, polyamourös. Sie können sich einen Toyboy holen, ohne in ein Iglu eingemauert zu werden, und tun das auch immer mehr.

Frauen wie Männer altern heute obendrein wesentlich später, auch optisch. Erstklassige Ernährung, dauerhafter Frieden, medizinische und kosmetische Fortschritte machen es möglich. Ein eigenständiges, selbstbestimmtes Seniorenleben ausserhalb familiärer Zwangsstrukturen ist heute dank Rentensystem und Sozialfürsorge ebenfalls möglich. Und wenn eine will und genügend Geld investiert, kann sie sich wie Vera Dillier noch weit jenseits der Schallmauer des Klimakteriums fühlen wie eine 21-Jährige. Die Frage ist nur: Warum sollte man das wollen? Warum erscheint es so wichtig, bis zuletzt Akteur auf dem Sexualmarkt zu bleiben?

Schleier der Hormone

Als Frau in Maggie Gyllenhaals Alter mag die Verfasserin sich irren. Aber der grosse Segen des Alters scheint doch gerade in der Vita contemplativa zu liegen. Das, was Hermann Hesse die «Hingabe an das, was die Natur von uns fordert» genannt hat. Frei von den Leidenschaften und Begierden der Jugend die Welt ohne den Schleier der Hormone zu sehen. Nicht in Konkurrenz stehen, nicht prahlen müssen, all den Tand an sich vorüberziehen zu lassen. Sein. Nicht werden. Vielleicht auch Partnerschaft noch einmal anders begreifen. Nicht als gemeinsames Mass an MTV-Tauglichkeit, sondern als Vertrautheit, Summe der gemeinsamen Unternehmungen, wechselseitiges Wohlwollen, Fürsorge und gemeinsame Weltsicht.

Wenn das Alter nur die Verlängerung von bereits in der Jugend unhaltbaren Ansprüchen und Dummheiten ist, wird es ganz ohne Zweifel tiefste Nacht. Es schleift uns mit allen Gebrechen und Qualen ja nur mit – auf einen ganz anderen Konflikt zu, den letzten. Die Endphase des menschlichen Daseins ist ja primär ein ontologisches Problem. Per definitionem unlösbar. Ein metaphysischer Skandal. Der moderne Mensch befindet sich sein Leben lang auf der Flucht davor.

Die Sorge um den Verlust der Schönheit ist da vielleicht nur eine weitere Ausweichbewegung. Ein Fluchtimpuls vor der finalen Konfrontation, die gerade in einer Gesellschaft des endless summer und der zum Lebenszentrum stilisierten Jugend so stark verdrängt wird wie wohl niemals zuvor. In «Die Kunst des Älterwerdens» macht der britische Schriftsteller John Cowper Powys aber gerade den Frauen Mut: In ihrer Leidensfähigkeit, jahrhundertelang geschult, seien sie besser als Männer gerüstet, dem Alter und dem Tod zu begegnen. Die sicherste Strategie, das Unglück zu überstehen, laut Powys: bloss nicht Yoga, nicht Religion, bitte keine Askese. Sondern hemmungsloser Hedonismus und die Unsicherheit zur Norm erheben.

Darf man lügen? Soll man?

Der einfachste Weg, sich jünger zu machen: beim Alter lügen. Ein weiblicher Ritus, aber darf man das? Moralisch spreche nichts dagegen, fand Susan Sontag. Es sei Notwehr in einer Gesellschaft, die einen ständig zur Angabe des Geburtsdatums zwingt, aber Nachteile daran knüpft – etwa bei der Job-Bewerbung. Aus politischen Gründen rät Sontag dennoch vom Schummeln ab. Gerontologen auch: Wer sich als jünger ausgibt, mache alles nur schlimmer. Er distanziert sich damit von seinem künftigen Selbst und gibt Ängsten und Horrorvorstellungen damit erst recht breiten Raum.


Nota. - Als in Frieden altgewordener Mann kann ich nur zustimmen: Zwar zwickt es hier und da und manches geht nicht mehr ganz so leicht von der Hand, aber das mit der Vita contemplativa hat was für sich; ein Upgrade gewissermaßen, das stimmt schon. Und dass man mich nun nicht mehr allezeit als sexmachine beanspruchen will, ist erholsam. Es war ein mählicher Übergang zwischen zwei Idealen  - "und biografisch gleiten sie von einem ins andere: vom androgynen Kna- ben zum männlichen Mann." 

Dem will ich aber doch endlich mal anfügen: Am kulturellen Phänotyp der Knaben ist nichts "androgyn". Das Wort mochte für Viscontis üppigen Tadzio passen, aber schon und gerade bei Michael Jackson war es völlig deplaziert. Das "Gyne" sind die satten Rundungen und Kurven wie bei Anita Ekberg, der Lollo, Marilyn Monroe und der Venus von Willendorf. Knabenhaft dagegen heißen Frauen, wenn sie aussehen wie Twiggy. 

Diese Sprachverwirrung hat aber einen perfiden Grund, und den gilt es zu entlarven: "Nichts affektiert unsere Damenwelt mehr als den Schein des Kindlichen", sagt Friedrich Schiller - und weist darauf hin, dass das Kokettieren der Weiber mit der Kindlichkeit ein modernes, jedenfalls ein Zivilisationsphänomen ist: Bei Jägern und Sammlern gänzlich unbekannt, aber auch noch über Jahrtausende des bäurischen Lebens! Kindlich will erst das Luxusweibchen scheinen, und muss es wohl, denn als Zuchtstute taugen die Ehefrauen, und als solche werden sie ausgewählt. Dagegen kommt man, nein frau nur als Engelchen an - oder gleich als Hure.

In beiden Fällen darf sie nicht altern, womit wir zurück beim Thema sind.
JE

Freitag, 24. Juli 2015

Männer sind ein erschwinglicher Luxus.

aus DiePresse.com, 22.07.2015 | 12:20

Geschlechtliche Vermehrung: 
Sex billiger als vermutet
Ein Innsbrucker Forscher resümiert, ob es sich lohnt, Männchen zu produzieren, Partner zu suchen und Erbgut zu durchmischen.

Sexuelle Fortpflanzung ist zumindest auf den ersten Blick kostspieliger als ungeschlechtliche Vermehrung - die Lebewesen benötigen dazu etwa Männchen, aufwendige Partnersuche und komplizierte Zellmechanismen wie die Rekombinationsteilung. In der Praxis ist der Preis dafür aber oft viel geringer als angenommen, resümiert Claus-Peter Stelzer von der Universität Innsbruck im Fachmagazin "PNAS".

Es habe sich bei den Biologen mittlerweile zum Dogma gemausert, dass der Preis für Sex beträchtlich ist, diese Annahme beruht aber großteils auf simplen Modellberechnungen, so Stelzer, der am Forschungsinstitut für Limnologie der Uni Innsbruck forscht. Es sei jedoch "nicht unbedingt" so, dass die asexuellen Lebewesen zum Beispiel immer schneller wachsen und sich in Konkurrenzsituationen durchsetzen können, sagt er.
Forschung an Rädertierchen

Stelzer forscht selbst an Rädertierchen (Brachionus), bei denen er vor kurzem zeigen konnte, dass sich Sex zumindest langfristig auszahlt. "Im Großen und Ganzen bestehen bei ihnen die Kosten für die geschlechtliche Fortpflanzung aus dem Aufwand für die Männchen und für ein Ruhestadium in der Eier-Produktion", erklärt er. Rädertierchen, die ihre sexuellen Fähigkeiten verloren haben und sich nur mehr mittels Jungfernzeugung fortpflanzen, setzen sich zwar bei günstigen Bedingungen kurzfristig durch, weil sie schneller wachsen, können aber kein Dauerstadium mehr bilden und gehen bei widrigen Umständen zu Grunde.
Die Kosten und Nutzen der geschlechtlichen Fortpflanzung sind aber in den meisten anderen Fällen schwer abzuschätzen und noch schwieriger durch Beobachtung oder Experimente nachzuweisen, meint der Süßwasserforscher. "Man ist dabei immer auf bestimmte Modellorganismen angewiesen, bei denen die unterschiedlichen sexuellen Kosten verschieden stark ausgeprägt sind", sagte er. Außerdem gäbe es Vor- und Nachteile, die alle sexuell aktiven Lebewesen betreffen, aber auch Kosten, die nur in bestimmten Fällen zu zahlen sind.

Bei der sexuellen Fortpflanzung müssen zum Beispiel immer Männchen produziert werden, die theoretisch nichts anderes zu tun haben, als zum richtigen Zeitpunkt genetische Information beizusteuern. Die Kosten kommen aber nur voll zum Tragen, wenn sich beide Geschlechter an exakt den gleichen Ressourcen bedienen, so Stelzer. Außerdem könnten die männlichen Geschöpfe ihre Unkosten gering halten oder sogar wieder einspielen, wenn sie sich um den Nachwuchs kümmern und andere Unterstützungen beisteuern.
Werben und Paarung sind gefährlich

Auch das Werben und die Paarung benötigen mitunter viele Ressourcen und bergen Gefahren. Zum Beispiel prächtige Blüten, ein üppiger Federschweif und Balztänze kosten den Lebewesen Energie, Zeit und können sie in Gefahr bringen, wenn sie damit Fressfeinde anlocken, außerdem steigt das Risiko für Krankheitsübertragungen. "Diese Paarungskosten sind aber als Preis für Sex nur relevant, wenn sie die Weibchen betreffen", schrieb Stelzer. Bei den Männchen seien diese Investitionen und Risiken schlichtweg egal, außer sie schränken ihre Möglichkeiten ein, Weibchen zu befruchten.
Die Meiose (Reduktions- und Rekombinationsteilung), bei denen das Erbgut durchgemischt wird, koste ebenfalls viel Zeit und Energie, das sei aber nur bei sehr einfachen Lebewesen mit kurzer Entwicklungszeit von Belang, meint Stelzer. Sie sorgt andererseits dafür, dass Erbgut-Fehler nicht angesammelt werden, Parasiten und Krankheitserreger kein leichtes Spiel haben und die geschlechtsverkehrenden Pflanzen, Tiere und Pilze sich an ein weiteres Spektrum an Umweltbedingungen anpassen können als die Sexmuffel. "Außerdem ist die Rekombination in manchen Fällen vorteilhaft, wenn sie ungünstig liegende Genkombinationen aufbricht", erklärte er.
Sehr spezielle Vor- und Nachteile von Sex

Bei vielen Linien habe Sex sehr spezielle Vor- und Nachteile. Etwa bei den erwähnten Rädertierchen kostet das Ruhestadium zwar Zeit und Energie, aber wenn die Bedingungen schlecht sind, verhindert es das Aussterben der Population.
Es gibt letztendlich etliche Beispiele und sehr viele "allgemein gehaltene Erklärungen", wieso die sexuelle Fortpflanzung ihre Kosten aufwiegt, so Stelzer. "Bei ganz vielen Organismen kann man beobachten, dass sie Sex haben, während Asexualität fast nirgends präsent ist", meint er, deswegen müsse er einen allgemeinen Vorteil haben. In dem Bereich würde aktuell viel geforscht, doch die Antwort, was der entscheidende Nutzen von Sex sei, kenne man de facto noch nicht.
(APA)

Samstag, 4. Juli 2015

Das Männliche kommt als Kämpfer zur Welt.

aus Tagesspiegel.de, 13.05.2015 19:08 Uhr

Wie Spermien ans Ziel kommen
Wo geht’s hier bitte zur Eizelle?

von

So ein Spermium hat’s schwer: Der Weg zur Eizelle ist voller Hürden. Ein Wunder, dass es hin und wieder doch eines schafft. Über die ersten Schritte, die Mann und Frau künftig zu Vater und Mutter machen.

Es ist ein unfreundlicher Empfang, wie man ihn Liebenden nicht zutrauen mag. Ein Milieu so sauer wie Zitronensaft begrüßt die 100 bis 600 Millionen Spermien, sobald sie im weiblichen Genitaltrakt abgesetzt werden, und lässt viele in einer Säurestarre verharren. Die übrigen müssen sich Angriffen des weiblichen Immunsystems erwehren, das sich auf die Fremdlinge stürzt. Abwehrzellen eilen zum Ejakulat und begehen Selbstmord, um Erbgutfäden und Abwehrmoleküle freizusetzen, mit denen die Spermien wie in einem Spinnennetz festgesetzt und abgetötet werden.

Spermien haben Überlebensstrategien

Angesichts des Frontalangriffs des weiblichen Körpers würde wohl kaum ein Spermium das Ziel erreichen – wenn sie nicht ihre eigenen Überlebensstrategien in petto hätten. Enzyme im Ejakulat zerschneiden das Spinnennetz aus DNS-Fäden, sodass sie sich einer Kaulquappe gleich durch Bewegen ihres Schwanzes wieder auf den Weg zur Eizelle machen können. Gegen die Abwehrgifte des Immunsystems rüsten sie sich mit süßen Gegengiften auf ihrer Zelloberfläche – langkettigen Zuckermolekülen.


Was aber soll der Kampf zwischen Mann und Frau, künftiger Mutter und baldigem Vater, auf molekularer Ebene überhaupt, wo makroskopisch doch alles so liebevoll und zärtlich beginnt? Viel wissen Forscher darüber nicht, zumal sich der Vorgang im Labor schwerlich nachstellen lässt. Doch schrittweise finden sie immer mehr darüber heraus.

Bakterien im Gefolge

Des Rätsels Lösung ist vermutlich, dass die Spermien selten alleine kommen, sondern Hundertschaften von Bakterien im Gefolge haben. „Wir gehen davon aus, dass das weibliche Immunsystem deshalb so aggressiv reagiert, um diese Mikroben loszuwerden, weil sie Entzündungen verursachen können, die die Empfängnis erschweren“, erklärt Sebastian Galuska, Biochemiker an der Universität Gießen.

Die Spermien kümmert das nicht. Sie müssen flott weiter. Die Zeit drängt. Irgendwo im linken oder rechten Eileiter wartet die Eizelle und rutscht ganz gemächlich, Mikrometer um Mikrometer, der Spermienschar entgegen. Vor den männlichen Keimzellen aber liegt ein Marathon: Nur ein paar tausendstel Millimeter sind sie lang, etwa 60 Mikrometer, und müssen dennoch in den kommenden Stunden und Tagen zwanzig Zentimeter schwimmend zurücklegen. Für einen Menschen entspräche das einer Strecke von 5,8 Kilometern.

Bessere Mikroskope zeigen mehr Details

Doch einige Spermien kommen nicht weit. Sie haben einen Knick oder einen zum Kringel verklebten Schwanz. „Die werden es nie schaffen“, sagt Toxikologe und Pathologe Klaus Weber vom „Anapath“-Labor in Oberbuchsiten. „Die mit Ringschwanz schwimmen immerzu im Kreis herum. Kreisläufer heißen sie deshalb auch.“ Weber hat im Dezember eine neue Technik zur Beobachtung von Spermien vorgestellt: Unter einem Laserscanmikroskop kann er die Keimzellen mehr als 17 000 Mal vergrößern. Bisher schauen sich Reproduktionsmediziner diese bei maximal 1000-facher Vergrößerung an. Weber entdeckte ganz neue Anomalien: Zwei am Kopf verklebte Spermien etwa, die aufgrund der geringen Auflösung bislang als doppelschwänziges Spermium fehlinterpretiert wurden. „Die kommen nicht in die Eizelle hinein“, sagt Weber. Er hofft, dass seine Technik die bisherige, oft fehlerhafte Spermienanalyse verbessert. Weber selbst wurde, wie viele andere Männer auch, als unfruchtbar abgestempelt, wurde jedoch später zweifacher Vater.

Im Team schwimmen Samen doppelt so schnell

Bisher verglich man den Weg der Spermien gerne mit einer Rallye. „Man glaubte, die treten alle gegeneinander an und das schnellste gewinnt“, sagt Gunther Wennemuth, Leiter des Instituts für Anatomie am Universitätsklinikum Essen. „Doch das Bild stimmt so nicht.“ Spermien beherrschen verschiedene Schwimmtechniken und können sich zu Bündeln von zwei, drei und vier Spermien zusammentun. Im Team schwimmen sie dann doppelt so schnell wie jeder Einzelkämpfer, fand Wennemuth heraus. Kooperation statt Konkurrenz ist also gerade am Anfang des Rennens von Vorteil, obwohl es am Ende gewöhnlich nur ein Spermium in die Eizelle schafft. Außerdem schwimmen Spermien nicht einfach bloß geradeaus, sondern drehen sich dabei schraubenförmig um ihre Längsachse. Spermien ohne diese Bewegung irren nur im Kreis herum.

Haben sie dann endlich das Etappenziel Gebärmutter erreicht, gibt es erstmals weibliche Hilfe. Der Beckenboden zieht sich beim Orgasmus rhythmisch zusammen und pumpt dadurch das Sperma durch das birnenförmige Organ nach oben – vorausgesetzt, das Timing stimmt und die Spermien sind rechtzeitig da, sonst müssen sie den Weg aus eigener Kraft zurücklegen.

Die alles entscheidende Frage: nach rechts oder links?

Dann kommt die erste Verzweigung: In den linken oder den rechten Eileiter schwimmen? Wo steckt die Eizelle? Bis heute weiß kein Forscher, woher die Spermien, noch weit entfernt vom Ziel, an dieser Gabelung wissen, wo es langgeht. Vielleicht bleibt auch alles dem Zufall überlassen und die eine Hälfte schwimmt nach rechts und die andere nach links?

Im Eileiter müssen sie jedenfalls die längste Strecke zurücklegen – über unwegsames Gelände. „Das ist eine Art labyrinthartiger Grand Canyon mit vielen Einsenkungen“, sagt Wennemuth. Hier sind besondere Schwimmkünste gefragt. Würden sich die Spermien stur geradeaus bewegen, würden sie unweigerlich gegen eine Wand des Eileiters schwimmen. Wennemuth aber hat beobachtet, dass sich die Spermien an die Eileiterwand heften und dann ihre Richtung um eine halbe Drehung ändern, bevor sie sich mit einem Schwanzschlag wieder losreißen. So arbeiten sie sich per „Stop and Go“ den zwei Millimeter breiten Kanal hinauf.

Ein Erfrischungsgetränk für die müden Schwimmer

Damit die Spermien in dem Labyrinth nicht verloren gehen, hilft ihnen wieder der weibliche Körper. Zum einen werden die Schwimmer mit Calcium aus der Flüssigkeit im weiblichen Genitaltrakt aufgepäppelt. Das wirkt auf die Spermien wie ein Erfrischungsgetränk, sodass sie prompt flotter schwimmen.

Zum anderen verursachen feine Härchen an der Wand des Eileiters, sogenannte Zilien, einen Flüssigkeitsstrom entgegen der Bewegungsrichtung der Spermien. Das klingt zunächst widersinnig: Die Strapazierten müssen also auch noch stromaufwärts schwimmen. Doch das nehmen die Spermien in Kauf, denn die Strömung dient ihnen als Wegweiser. Erst kurz vor der Ziellinie, wenige Millimeter von der Eizelle entfernt, kommt vermutlich ein zweites Navigationssystem zum Zug. Die Eizelle samt schützender Eihülle sendet Botenstoffe aus, die den wenigen verbliebenen Spermien signalisieren, wo es langgeht. Chemotaxis, Lenken durch Lockstoffe, nennt sich dieses Lotsenprinzip.

Spermien, die Maiglöckchenduft riechen - ein Mythos

Oft ist in diesem Zusammenhang vom Maiglöckchenduft die Rede. Doch es ist wohl ein Mythos, dass die Eizelle die Spermien mit Blumenduft anlockt. Vielmehr hat man in Laborexperimenten verschiedene Duftstoffe von Chemiekonzernen zu Spermien gegeben und beobachtet, dass sie auf Maiglöckchenduft ansprechen. Allerdings erst bei hohen Dosen, sodass der Effekt auf die Befruchtung bezweifelt werden kann.

Sicher ist, dass die Eihülle das weibliche Sexualhormon Progesteron in großen Mengen bildet – ein wahres Dopingmittel für die Spermien auf den letzten Mikrometern. Es öffnet die Ionenkanäle in ihrem Schwanz weit und lässt viel Calcium hinein. Die Spermien schlagen darauf hin wie wild mit dem Schwanz und mobilisieren ihre letzten Kräfte.

Ein Cocktail aus Enzymen

So kurz vor dem Ziel sind nur noch rund zehn von den einst 100 bis 600 Millionen Spermien übrig. Die Eizelle ist umgeben von einer Eihülle, die wiederum eine ordentliche Schicht Zuckermoleküle umkleidet, an die die Spermien nun andocken können. Daraufhin „spucken“ sie einen Cocktail aus Enzymen aus einer Tasche des Spermienkopfes, die die Hülle um die Eizelle schmelzen lassen. In diesem Augenblick, in dem das erste Spermium eindringt, wirft es seinen Schwanz ab und die Eizelle versiegelt im selben Moment ihre Andockhülle. Die übrigen Spermien rutschen ab. „Clever gemacht“, sagt Weber: Das eine Spermium, das es geschafft hat, sei dann der „King of Sperm“.


Nota. - Und wenn sich dann das Spermium unterfängt, in der Eizelle ein Y als seine Spur zu hinterlassen, geht der Stress erst richtig los! Der Doppel-X-gesättigte (Stief-)Mutterorganismus will das fremde Erbgut nicht haben und versucht, es auf ein ganz gewöhnliches X herunterzuformatieren. Da muss es dann beweisen, wieviel Kämpfernatur es vom Vater mitbekommen hat.
JE

Mittwoch, 1. Juli 2015

Mein Feriengruß.

Robert Doisneau

Jungen sind für die Schule nicht geeignet - das ist so, das war so, und das wird immer so bleiben. Sie sind zu unruhig, zu laut, zu ungebärdig, zu unternehmungslustig; sie können nicht stillsitzen, nicht tun, was ihnen gesagt wird, und können den Mund nicht halten (schwatzen tun die Mädels auch, aber sie geben keine frechen Antworten.)

Zu hoher Leistung auflaufen könnten sie, wenn man sie aus sich herausgehen ließe, und dann würden sie womöglich auch denen auf die Beine helfen, die jetzt im untersten Viertel vor sich hin dümpeln. Aber das kann die Schule nicht: sie aus sich herausgehen lassen; nicht, weil sie ist, wie sie ist, sondern weil sie ist, was sie ist: Schule.


Schule is nix für Jungen, und da spielt es keine Rolle, ob die Lehrer Männer sind oder Frauen. Wenn sie sich für die Schule entschieden haben, sind auch sie nix für Jungen.