aus DiePresse.com, 05.06.2015 | 13:15 |
Elternvertreter kämpfen gegen Gendern in Schulbüchern
"Wir wollen nicht, dass unsere Kinder einer Gehirnwäsche unterzogen werden", sagt Theodor Saverschel, der Präsident des Elternverbands.
Der Bundesverband der Elternvereine an mittleren und höheren Schulen (BEV) führt seinen Kampf gegen gegenderte Schulbücher weiter. Trotz extrem positiver öffentlicher Resonanz auf die im Jänner geäußerten Anliegen der Eltern leiste man im Bildungsministerium "passiven Widerstand", so BEV-Präsident Theodor Saverschel bei einer Pressekonferenz am Freitag in Wien.
Aus diesem Grund startete der BEV die Initiative "GeGendern - Gegen Gendern in Schulbüchern", an der sich auch Pädagogen, Schriftsteller, Sprachwissenschafter beteiligen. Politische Unterstützung kommt vom Bildungssprecher des Team Stronach, Robert Lugar.
Seit 2012 gibt es einen Leitfaden des Bildungsministeriums, wie Schulbücher verfasst sein sollen. Darin heißt es, dass in Sprachlehrbüchern grundsätzlich die "vollständigen Paarformen" gelehrt werden sollen (männliche und weibliche Form - entweder durch "und" oder durch Schrägstrich verbunden z.B.: Schüler und Schülerinnen bzw. Schüler/Schülerinnen), ab der Oberstufe sollen dann auch die "Sparschreibungen" thematisiert werden (Schrägstrich innerhalb eines Wortes: "Schüler/innen" oder etwa Binnen-I: "SchülerInnen"). In anderen Schulbüchern "können die in der Öffentlichkeit üblichen Formen der geschlechtergerechten Schreibweise verwendet werden, wobei auf Verständlichkeit, Lesbarkeit und Sprachrichtigkeit zu achten ist". Approbiert werden nur Schulbücher, die geschlechtsneutral verfasst sind.
"Behindern beim Lesen"
Hier hakt Saverschel ein: Diese Praxis müsse geändert und auch nicht-gegenderte Schulbücher wieder zugelassen werden. "Wir wollen nicht, dass unsere Kinder einer Gehirnwäsche unterzogen werden, um eine Ideologie durchzusetzen." Das habe man in Österreich schon einmal gehabt, und es gebe auch heute noch Länder, wo dies an der Tagesordnung stehe: "Glauben Sie mir: In diesen Ländern wollen Sie nicht leben."
Der Deutsch-Lehrer und Autor Tomas Kubelik führte mehrere Argumente an. "Gegenderte Schulbücher behindern eindeutig sinnerfassendes Lesen, anstelle es zu fördern. Die Texte sind nicht mehr sinnvoll laut vorlesbar." Und: "Gegenderte Texte sind schwerfällig, hässlich und manchmal gar missverständlich." Außerdem führe exzessives Gendern zu einer "unnötigen Sexualisierung der Sprache" - bei Durchsagen wie "Achtung Autofahrer, es kommt Ihnen ein Geisterfahrer entgegen" gehe es etwa nicht um Geschlecht, sondern eine anderweitige Information und zudem um wichtige Sekunden, die durch Gendern verloren gingen. Auch das Argument, dass Frauen durch ausschließlich männliche Formen sich nicht mitgemeint fühlen würden, verfängt für ihn nicht: "Wenn ich in meiner Klasse danach frage, wie viele Einwohner Österreich hat, habe ich noch nie gehört: Vier Millionen."
Der Geschäftsführer der IG Autorinnen Autoren, Gerhard Ruiss, sah es differenzierter. Persönlich sei er "ein radikaler Gegner des Binnen-I", setze aber auf ausgeschriebene weibliche Formen, in seinen Gedichten wiederum verwende er durchgehend Kleinschreibung.
Das gehe unter anderem deshalb, weil es in diesem Bereich keine gesetzlichen Vorgaben gebe, so Ruiss - in zwei Bereichen existierten diese aber: In der Schule und im Amtsbereich. Verbindlich dafür seien die Schreibweisen im Österreichischen Wörterbuch (ÖWB) - und dort fänden sich Dinge wie Gender Gap oder Binnen-I nicht.
Weiteres Problem: "Gendern ist so ein Oberbegriff", meinte Ruiss. Schulbücher seien dazu angehalten, geschlechtergerechte Sprache abzubilden - welche der vielen Varianten wie Binnen-I, Gender Gap etc. nun in Gebrauch seien, sei aber schwer zu sagen. Klar sei auch: "In der größten Öffentlichkeit sind sie nicht in Gebrauch - in den Printmedien." Gleiches gelte für das Amtsblatt der EU.
Außerdem hielten sich viele Schulbücher selbst nicht an die derzeitigen Vorgaben. So fänden sich Sparschreibungen etwa auch in Unterstufen-Büchern: "Die Vorgaben werden offenbar sehr variantenreich eingehalten", so Ruiss: "Das ist nicht die Rolle, die Schulbücher spielen sollten." Er habe aber auch kein Problem damit, etwaige Regeln zu ändern - derzeit gebe es aber eben keinen einheitlichen gendergerechten Sprachgebrauch, den Schulbücher nachzeichnen könnten. Besser wäre es ohnehin, die in Schulbüchern offenbar festgeschriebenen Rollen von Frauen zu ändern: "Dann gibt es dort eben die Atomphysikerin." Wenn man dies in den Vordergrund rücke, brauche man keine neuen Satzzeichen oder Großschreibungen mitten in Wörtern einzuführen.
Lugar will eine parlamentarische Initiative dafür starten, dass die Genderung von Schulbüchern keine Voraussetzung für deren Zulassung mehr ist. Bildungs- und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) warf er vor, "mit der Brechstange zu agieren": "Sie glaubt, Frauenpolitik machen zu müssen, die feministische Politik ist und Bildung und Schule in Geiselhaft nimmt."
Ministerium zeigt sich nicht verhandlungsbereit
Im Bildungsministerium steht man zur geschlechtergerechten Gestaltung der Schulbücher. Man setze sich "für eine sprachliche Gleichbehandlung von Mädchen und Buben bzw. Frauen und Männern in allen gesellschaftlichen Bereichen ein. Das gilt auch für die Schulen und den Unterricht", hieß es in einer Aussendung.
"Es ist ein großes Anliegen des Ressorts, dass Schülerinnen und Schülern von Beginn an die Potenziale einer geschlechtergerechten und diskriminierungsfreien Gesellschaft näher gebracht werden und sie Vielfalt als Chance begreifen. Das beinhaltet auch eine geschlechtergerechte Sprache", betonte man im Ressort. "Denn Sprache schafft Wirklichkeit und gendergerechte Sprache und Lesbarkeit schließen einander nicht aus."
(APA)
Beckham
aus beta.nzz.ch, 6.6.2015, 05:30 Uhr
Was Männer wollen
Seit über zwei Jahrzehnten kämpfen Männer in der Schweiz für väterfreundlichere Familienmodelle. Aus den ungestümen Gründergruppen ist eine ernstzunehmende Bewegung entstanden.
von Seraina Kobler
Dieser Tage kommt man im Internet kaum an den Vätern vorbei. Mit der Kampagne«I love Papi-Zeit»machen sie pünktlich zum Vatertag diesen Sonntag auf ihre Anliegen aufmerksam. Mit zahlreichen Bildern von sich mit Kind, abgerundet von persönlichen Statements wie «Papi ist genauso gut wie Mami», weibeln sie für einen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub. Die dazugehörige Online-Plattform ist ein Projekt von Travail.Suisse in Zusammenarbeit mit Männer.ch, Operation Libero, Avanti Papi und Pro Familia. Die Zusammensetzung zeigt, wie sich die Männerorganisationen in den letzten Jahren mit den mehrheitlich weiblich dominierten Familienorganisationen arrangiert haben. Das war nicht immer so.
Mehr als nur «Zahlvater»
Zwar hat die Schweiz seit über dreissig Jahren einen Gleichstellungsartikel, doch dient die dazugehörige Politik eher den Frauen zu. Dabei verschlechterten sich die Lebensbedingungen von Männern und Buben signifikant, schrieb der Schweizer Soziologe Walter Hollstein schon vor fast zehn Jahren. In Erziehung, Bildung und Gesundheit würden Männer und Knaben klar benachteiligt. Die Schweizer Gleichstellungspolitik interessiert dies wenig. Noch grösser sind die Ungleichheiten im Familienrecht. Zwar ist die Gesetzgebung in den letzten Jahren väterfreundlicher geworden, an den Gerichten wird aber nach wie vor mutterzentriert geurteilt. Am stärksten trifft dies Väter, die sich stark in der Familie engagiert haben. Bei einer Trennung werden sie oft von einer alltäglichen Bezugsperson zum «Zahlvater» degradiert.
Nicht zu Unrecht bezeichnet der St. Galler Philosophieprofessor Dieter Thomä sie deshalb als «tragische Helden der Moderne» . Während die Frauen in der Arbeitswelt zusehends gleiche Bedingungen vorfinden, gibt es für die Männer im Gegenzug in Familienfragen noch viel zu tun. Seit zehn Jahren leistet die Organisation Männer.ch, welche Ende Monat ihr Jubiläum feiert, Pionierarbeit. Der Dachverband der Schweizer Männer- und Väterorganisationen eint 25 Mitglieder. Deren Forderungen wurden zu Beginn, wie bei der Gründung des Luzerner «Mannebüros» vor zwanzig Jahren, als «Rache frustrierter Scheidungsopfer» abgetan. Die Emanzipation war damals in aller Munde, und die noch schwache Stimme der sich formierenden Männerrechtler wurde nur leise vernommen. In den letzten Jahren erzielten die Lobbyisten des starken Geschlechtes dann beachtliche politische Erfolge.
Neuorganisation der Familie
Die parlamentarische Weichenstellung für gemeinsame Elternschaft und egalitäre Betreuungsmodelle verbucht der Dachverband Männer.ch in seiner Bestandesaufnahme zum Jubiläum als den grössten Sieg. Erreicht mit 1700 Pflastersteinen, welche erzürnte Väter an die Bundesrätin Simonetta Sommaruga schickten. Diese baute damit einen Spielplatz und trieb das gemeinsame Sorgerecht voran, welches seit letztem Jahr in Kraft ist. Wichtig sei es aber auch, den Hebel anzusetzen, bevor es zu einer Trennung komme. Um die familiäre Aufgabenteilung zu vereinfachen, wurde deshalb vor vier Jahren die Kampagne «der Teilzeitmann» lanciert. Für den Wandel von der Mutter- zur Elternschaft sei eine echte Väterzeit nötig. Dafür brachten die Männerorganisationen vor vier Jahren ein überparteiliches Komitee an einen Tisch. Heute sind zu diesem Thema gleich mehrere Vorstösse im Parlament hängig – und ein «Liebessturm» im Netz.
...muss frau unten eben etwas tiefer stapeln.
aus beta.nzz.ch, 5. 6. 2015
Preisverleihung in New York
Miss Piggy als Frauenrechtlerin
Sie habe Geschlechterbarrieren durchbrochen und Millionen beigebracht, dass Schönheit von innen käme. Dafür wurde im New Yorker Brooklyn Museum jetzt die Muppet-Puppe Miss Piggy mit einem Feminismus-Preis geehrt.
Grosse Ehre für Miss Piggy: Das rosa Schweinchen aus der «Muppet-Show» ist in New York mit einem renommierten Frauenrechtspreis ausgezeichnet worden. «Das ist wirklich ein Highlight, in der Abfolge von Highlights, aus denen mein Leben besteht», witzelte die Schweine-Puppe bei der Preisgala am Donnerstagabend (Ortszeit) im Brooklyn Museum.
Miss Piggy habe die Ehrung verdient, weil sie «Millionen Menschen beigebracht hat, was es heisst, einen Traum zu haben und ihn auch zu verfolgen, und dass Schönheit von innen kommt», sagte die Preisstifterin und amerikanische Aktivistin Elizabeth Sackler. «Sie hat der Welt ein Geschenk gegeben und wir sind dankbar.« Die First Awards des Sackler-Zentrums für feministische Kunst am Brooklyn Museum gehen seit 2012 jedes Jahr an Frauen, «die Geschlech- terbarrieren durchbrochen und in ihrer Branche bedeutende Beiträge geleistet haben». Frühere Preisträger sind unter anderem die Literaturnobelpreisträgerin Toni Morrison und die Opernsängerin Jessye Norman.
«Ich bin heute sehr stolz auf Miss Piggy», sagte die grosse Liebe des Schweinchens, der Frosch Kermit, der im Publikum sass. «Das ist eine grossartige und sehr verdiente Auszeichnung. Niemand hat mehr Barrieren zerbrochen als sie - und niemand hat mehr Scherben zusammengekehrt als ich.»
Nota. - Ein gutmütiger Spötter würde sagen: Endlich zeigt der Feminismus sein wahres Gesicht! Ich bin aber nicht gut- mütig, nicht mehr; und die - die haben überhaupt keinen Humor, sie tun nur so, weil ihnen die Felle davonschwimmen und sie endlich auch mal wieder ein bissl gute Presse haben wollen.
JE
Der Feminismus liegt in den letzten Zügen. Gender mainstreaming un Binnen-I waren seine letzten Errungenschaften - da hatte er sich zu Tode gesiegt. Sie haben sich heiser geschrieen, könnte man auch sagen, jetzt können sie nur noch raunen.
Nämlich dass sie es nicht wahrhaben wollen. Hätten sich die Männer am Schluss doch mit philosophischem Gleichmut und väterlicher Güte als das stärkere Geschlecht behauptet? Denn bekämpft haben sie den Feminismus ja doch wohl nicht,* manch eineR mag es im Nahhinein bedauern; er ist vielmehr ausgelaufen wie eine Badewanne.
Wenn der Feind nicht verantwortlich gemacht werden kann, ohne ihn auch moralisch als Sieger anzuerkennen, dann müssen 'eigene Fehler' herhalten, natürlich nicht ganz eigene, aber doch die von Schwestern, und natürlich keine wirklichen Fehler, sondern nur welche im Denken: Falsche Begriffe waren schuld. Auf den letzen großen Sieg - gender - habe frau sich gar nicht erst einlassen sollen, denn der hat ja unerkannt die Männer mit aufs Boot gelassen, und da ist sie schwachgeworden...
*) Mancher Pudel ist gar auf den fahrenden Zug aufgesprungen.
aus Tagesspiegel.de, 03.06.2015 12:26 Uhr
Weniger Gender, mehr Feminismus
Von Anja Kühne und Sarah Schaschek
Die Frauenforschung an den Unis ist unter die Räder der Gender-Wende gekommen, kritisieren Wissenschaftlerinnen. Denn die Kategorie „Gender“ habe das Subjekt des Feminismus, die Frau, aufgelöst und damit der Dominanz des Mannes ungewollt zugearbeitet.
Und heute? Frauenbuchläden gibt es kaum mehr, nicht einmal Frauenbuchecken in Buchläden. Verlage haben ihre Autorinnen-Reihen längst eingestellt. Und in literaturwissenschaftlichen Seminaren fragt selten noch jemand nach „weiblicher Autorschaft“. Dabei dominieren Männer weiter den Literaturbetrieb und beherrschen den literarischen Kanon wie ehedem. „Wo sind die Frauen geblieben?“, fragt also Anne Fleig, Professorin für Neuere deutsche Literatur an der FU Berlin, in dem von ihr herausgegebenen Sammelband „Die Zukunft von Gender“. Ihre Antwort:
Die Frauen sind unter die Räder der Gender-Wende geraten
So sehen es auch die meisten der in dem Band versammelten Wissenschaftlerinnen. Denn die Kategorie „Gender“ habe das Subjekt des Feminismus, die Frau, aufgelöst und damit der Dominanz des Mannes ungewollt zugearbeitet. So könne jemand heute ein Studium der Gender Studies absolvieren, ohne einen einzigen Text von einer Autorin gelesen zu haben, schreibt etwa die Germanistin Sigrid Nieberle (Nürnberg-Erlangen).
Die Kritik schließt an die der US-amerikanischen Historikerin Joan W. Scott an. Scott gilt als Vordenkerin der Gender-Forschung. Aber schon vor anderthalb Jahrzehnten hat sie die Frage aufgeworfen, ob die Kategorie Gender wirklich immer noch die politisch „nützliche Kategorie“ ist, die sie einmal war.
Die "Frau" ist ein Konstrukt - das wurde unter dem Einfluss des Poststrukturalismus klar
Eigentlich ist „Gender“ nur das englische Wort für „Geschlecht“. Anfang der 90er Jahre rollte es aber als wissenschaftliches Konzept aus den USA heran. Das Kollektiv „Frau“, für das die feministische Wissenschaft bislang gesprochen hatte, wurde dabei radikal infrage gestellt. Dass Frauen sozial sehr unterschiedlich dastehen, war den Feministinnen schon im 19. Jahrhundert bewusst gewesen. Nun aber ging es nicht mehr nur darum, die verschiedenen Lebenslagen der Frauen im feministischen Streit zu berücksichtigen. Vielmehr wurde die „Frau“ unter dem Einfluss des Poststrukturalismus generell als ein Konstrukt erkannt, das durch die Gesellschaft, nämlich durch ihre (Sprach-) Handlungen, erst hervorgebracht und dabei normiert und naturalisiert wird.
Nicht einmal der weibliche Körper blieb als fester Bezugspunkt erhalten. Schließlich existiert er nicht einfach als natürliches Faktum, sondern im sozialen Raum. Darum materialisiert er sich überhaupt erst über die (kulturell geprägte) Wahrnehmung und die ihm so zugeschriebenen Bedeutungen, wie die Philosophin Judith Butler in ihrem berühmten Buch „Gender Trouble“ vor inzwischen 25 Jahren erklärte. Von „der Frau“ ist im Zuge der umfassenden poststrukturalistischen Kritik nichts mehr übrig geblieben, stellen die in dem Band versammelten Autorinnen denn auch fest. Anstatt wie früher mehr oder minder stabile „Subjekte“ zu untersuchen, scheine sich der forschende Blick jetzt nur noch darauf zu richten, wie kulturelle Praktiken die reichlich instabilen und inkohärenten „Identitäten“ hervorbringen.
Strategien zur Veruneindeutigung gelten als subversiv
Die Frau ist aber nicht nur versehentlich unter die Räder geraten, sondern sie gilt geradezu als störend, wie die Philosophin Tove Soiland kritisiert. Denn die „Artikulation eines weiblichen Kollektivs“ Frau sei für Genderpolitik à la Judith Butler ja gerade nicht „wünschenswert“. Dies liege an Butlers feministischem Anliegen, das in ihrer Kritik an der „heterosexuellen Matrix“ kulminiere. Demnach ist es die Norm der Heterosexualität, die die Konstruktion strikter Zweigeschlechtlichkeit überhaupt erst verlangt und damit Machtstrukturen produziert. „Macht wirkt normativ, und sie zielt auf die Herstellung von Kohärenz und Eindeutigkeit“, schreibt Soiland. Darum würden aus dieser Butler-Lesart heraus „Strategien zur Veruneindeutigung geschlechtlicher Positionen, und allgemeiner zur Pluraliserung von Identitäten, als subversiv erscheinen“. Wer hingegen einfach weiter von „Frauen“ und „Männern“ spricht, reproduziert diesem Verständnis nach bloß die herrschenden Verhältnisse.
Eingeweihte führen Eiertänze auf
Die meisten der in dem Band versammelten feministischen Wissenschaftlerinnen halten es für politisch aber kaum erfolgversprechend, der Männermacht durch Auflösung der Geschlechterkategorien beizukommen. So mokiert sich die Philosophin Cornelia Klinger (Wien/Tübingen) über „Eiertänze um Worte, die eine immer kleiner und selbstbezüglicher werdende in-group mit wachsender Verbissenheit aufführt“. Gemeint sind linke gender-akademisch gebildete Kreise. Der Singular sei dort verpönt, nur noch der Plural könne „die gebührende Anerkennung von Differenz (Verzeihung! Differenzen!!) und den gebotenen Pluralismus der Standpunkte verbürgen“. Dies seien aber Symptome „der Schwächung und Selbstschwächung“ der sozialen Bewegung für die Sache der Frau.
Tove Soiland kommt aus psychoanalytischer Perspektive zu einem ähnlichen Schluss. Kohärente Geschlechtergrenzen zu dekonstruieren sei ja durchaus sinnvoll. Doch psychoanalytisch gesehen habe die weibliche Position überhaupt nie eine „Subjektposition“ erlangt, erklärt Soiland in ihrer Lacan-Interpretation, weshalb es hier auch nichts zu dekonstruieren gebe. Judith Butler stelle das Kollektiv „Frau“ infrage, weil es ihm so schwer falle, seine „kolektive Betroffenheitslage“ zu artikulieren. Politisch weit wirksamer sei es aber, „diese Tendenz zur Desartikulation“ als Effekt der „patriarchalen Strukturen“ kritisch zu hinterfragen.
In der Literaturwissenschaft erschien es im Zuge des poststrukturalistisch proklamierten „Tod des Autors“ und der „Hegemonialisierung des Konstruktionsparadigmas“ als unwissenschaftlich, nach der Autorin zu fragen. Dabei verberge sich hinter dem „Tod des schöpferischen, männlichen Autors“ „letztlich nur eine weitere Figur universeller und hegemonialer Männlichkeit“, stellt die Germanistin Fleig fest.
"Unter dem Schutt liegt die Autorin begraben"
Die Entwicklungen hätten sich leider auch deutlich auf zeitgenössische junge Autorinnen ausgewirkt, denen es in Gender-Zeiten hochproblematisch erscheine, sich als Autorin zu artikulieren, geschweige denn in kämpferischer Absicht für ein weibliches Kollektiv zu sprechen. Wegen der poststrukturalistischen Kritik an Autoritäten, an Kollektiven und an großen kohärenten Erzählungen bevorzugten sie die Short Story, statt einer auktorialen Erzählerin ließen sie standpunktlos „viele kleine Ichs“ zu Wort kommen. Fleigs Urteil ist niederschmetternd: „Unter dem Schutt liegt die Autorin begraben, und mit ihr literarische Entwürfe von Emanzipation und Kritik (…), politische Intentionen sind nur noch etwas für übrig gebliebene ,Feministinnen‘.“ Die in dem Band versammelten Wissenschaftlerinnen stellen zentrale Erkenntnisse der Gender-Forschung nicht infrage – wie etwa die Einsicht, dass Geschlecht ein soziales Konstrukt ist. Sie loben die erheblichen Impulse, die Gender der Theoriebildung gegeben habe. Doch inzwischen halten sie Gender für unwirksam oder sogar kontraproduktiv, weil es auf Kosten der Frauen gehe.
Kaum ein Begriff erregt die Gemüter mehr als "Gender"
Man staunt ob des so einhelligen Urteils. Schließlich erregt derzeit kaum ein Begriff die Gemüter in Deutschland stärker als „Gender“: Von „Genderwahn“ spricht die AfD, Frank Plasberg bezeichnete Geschlechterforschung unlängst als „Alltagswahnsinn“, in bürgerlichen Zeitungen und im Netz wird gehetzt. Gender scheint noch viel aggressiver bekämpft zu werden als der Feminismus, rütteln die Theorien doch auch an der Naturalisierung des „Mannes“ und damit an seiner Macht. Dass die Wissenschaftlerinnen in ihrer umfassenden Bilanz darauf nicht eingehen, hängt sicher damit zusammen, dass sie sich auf die Wirkung von Gender in der Wissenschaft fokussieren. Allerdings würdigt auch kein Beitrag, dass Gender die Forschung zu sexuellen Minderheiten vorangetrieben und damit auch im Alltag zur Befreiung von Menschen aus den Zwängen der binären Geschlechternorm beigetragen hat. Der Band bringt sich damit um eine Vielstimmigkeit, die eigentlich ein Markenzeichen feministischen Denkens ist.
Nur ein Aufsatz sieht Gender nicht als Bedrohung für den Feminismus: der von Sabine Hark, Professorin für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung an der TU Berlin. Der Feminismus blühe im Netz und auf der Straße. Gender sei dabei das „kritische Werkzeug“ des Feminismus, in dem es „Zusammenhänge zwischen vorgeblich Unzusammenhängendem aufschließt“. Gender gebe zwar keine eindeutige Antwort, sondern könne nur „vorübergehend“ sein. Dies eröffne aber gerade die Chance, die Welt mit Gender immer neu zu hinterfragen, folgert Hark: „Gender ist immer noch in der Lage, trouble zu verursachen.“
Anne Fleig (Hrsg.). Die Zukunft von Gender: Begriff und Zeitdiagnose. Campus-Verlag. 243 Seiten. 29,90 Euro.
Nota. - Haben Sie's bemerkt? Es geht überhaupt nur noch um LiteraturwissenschaftlerInnen, vom wirklichen Leben ist gar nicht mehr die Rede. Kreischend sind sie aufgestiegen, das ist nun nicht mehr drin, doch auch im Untergehen wollen sie wenigstens noch plappern. Miteinander, denn ein andereR hört ja nicht mehr zu.
JE
aus Die Presse.com, 29.05.2015 | 10:56 |
Fachhochschulen:
Volle Punktezahl nur mit Binnen-I
An manchen FH ist geschlechtergerechte Sprache Beurteilungskriterium - bisweilen sogar Voraussetzung für eine positive Note.
An manchen Fachhochschulen (FH) ist die Verwendung von geschlechtergerechten Formulierungen wie etwa dem Binnen-I Voraussetzung für eine positive Note. Das geht aus der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der FPÖ durch Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) hervor. An den Unis werde gendergerechte Sprache nicht als Beurteilungskriterium für schriftliche Arbeiten herangezogen.
An der FH des bfi Wien führt die Missachtung der Vorgabe zur Verwendung einer genderneutralen Sprache etwa dazu, dass eine schriftliche Arbeit nicht beurteilt bzw. zurückgewiesen wird. Der Verfasser wird zunächst aufgefordert, seinen Text gendergerecht zu formulieren. Tut er dies nicht, erfolgt eine weitere Aufforderung - anschließend ist keine Verbesserung mehr möglich.
An der FH Campus 02 wird das Binnen-I nur in der Studienrichtung Informationstechnologie und Wirtschaftsinformatik verwendet. Gendergerechte Texte sind dort Teil des Beurteilungskriteriums "Stil und geschlechterneutrale Formulierung", das fünf Prozent der Gesamtbeurteilung ausmacht. Problem für Verweigerer: Erreicht man in diesem Einzelkriterium weniger als 30 Prozent, ist die Arbeit automatisch negativ.
Etwas weniger Folgen hat die nicht-gendergerechte Formulierung an der FH Gesundheit in Tirol: Konsequenz ist ein Punktabzug bei den Formalkriterien um maximal ein Drittel. Als Gesamtauswirkung droht ein Punkteverlust von höchstens sieben Prozent.
An den FH-Studiengängen der Wiener Wirtschaft ist die geschlechtsneutrale Formulierung bei Bachelor- und Masterarbeiten Teil der Bewertungskategorie "Stil und Sprache", die insgesamt vier von 100 Punkten ausmacht. Ähnlich bei den Ferdinand Porsche FernFH-Studiengängen: Gendersensible Sprache wird dort bei der Beurteilung im Ausmaß von zwei bis drei Punkten von insgesamt 100 in der Kategorie Sprache mitberücksichtigt.
An anderen FH gibt es in einzelnen Studiengängen genderspezifische Beurteilungskriterien bzw. bleibt es dem Lehrpersonal überlassen, diese für seine Benotung festzulegen.
(APA)
Als vor hundert Jahren die Frauenemanzipationsbewegung auftrat, war ihr Zweck die Abschaffung von Privilegien: dass alle gleiche Chancen haben; Chancen, die sie nutzen sollten.
Der Feminismus will keine gleichen Chancen, sondern dass die Männer beiseite treten und den Frauen die Tür aufhalten. Das ist das Gegenteil von Emanzipation.
Dass sie ihr Leitorgan Emma getauft haben, war verlogen. Es müsste Privilla heißen.
Eine NPD-Frauengruppe hat einen Artikel der WELT-Redakteurin Ronja von Rönne gegen den Feminismus nachgedruckt. Da gab es den unvermeidlichen #aufschrei. Da kann ich nun fast nicht anders, als Frau von Rönnes Beitrag hier auf meinem Blog wiederzugeben.
JE
aus Die Welt, 8. 4. 2015
Warum mich der Feminismus anekelt.
Der Feminismus hat sich selbst abgeschafft: Jetzt müssen sich die Frauen selbst kümmern und nicht mehr nur aus Prinzip quengeln. Das findet auch [obiger] dieser Gegendemonstrant auf dem Frauenkampftag in Berlin
von Ronja von Rönne
Ich bin keine Feministin, ich bin Egoistin. Ich weiß nicht, ob "man" im Jahr 2015 in Deutschland den Feminismus braucht, ich brauche ihn nicht. Er ekelt mich eher an. Feminismus klingt für mich ähnlich antiquiert wie das Wort Bandsalat.
Ich habe einfach selbst noch nie erlebt, dass Frausein ein Nachteil ist. In einem Land, in dem der mächtigste Mensch eine Vagina hat, wird "Frauenquote" für mich immer ein bisschen nach Vorteilsbeschaffung riechen. Das Gendern der Sprache finde ich ausgesprochen hässlich. Wenn Firmen ihre Produkte mit nackten Frauen bewerben, halte ich das für gerechtfertigt, offensichtlich gibt es ja den Markt dazu. Ich finde den Hashtag #aufschrei albern. "Ein Mann sagte mir, ich könnte gut ein Dirndl ausfüllen" halte ich für einen etwas mageren Plot für ein ganzes Buch. Ich möchte lieber keine Feministin sein.
"Aber du musst doch mal an die anderen denken!", flötet mir der Feminismus zu. "All die alleinerziehenden Mütter, all die Frauen, die immer noch unterbezahlt werden." Das irritiert mich. Früher hat sich der Feminismus doch durchgesetzt, weil die Frauen, die mürrisch auf die Straße gingen, selbst betroffen waren. Sie kämpften nicht für eine obskure dritte Instanz, sondern für sich selbst. Mittlerweile ist der Feminismus eine Charityaktion für unterprivilegierte Frauen geworden, nur noch Symptom einer Empörungskultur, die sich fester an die Idee der Gleichheit klammert als jedes kommunistische Regime.
Gleichheit und Gerechtigkeit ist für den Feminismus ein Fünfzig-Prozent-Frauenanteil, außer bei Scheißjobs. Wenn insgesamt mehr Männer als Frauen mit Buchpreisen ausgezeichnet werden, ist mir das völlig egal. Mir ist mein Glück wichtig. Dafür kämpfe ich. Nicht für die Planwirtschaft einer Fünfzig-Prozent-Ideologie.
Netzfeminismus: die gestörte Tochter des Birkenstock-Feminismus
Ich kenne viele erfolgreiche Frauen. Keine von ihnen ist Feministin, weil sich keine von ihnen je in einer Opferposition gesehen hat. Die Feministinnen, die ich kenne, sind hingegen Studentinnen oder schreiben in der Zeitungen darüber, dass sie trotz Studium keinen Job finden.
Vielleicht liegt meine Abneigung gegenüber dem Feminismus an den aktuellen Vertretern. Das "Emma"-Magazin fordert eine Frauenquote im Cockpit, weil Männer eher zum Amoklaufen neigen würden. Das ist so weltfremd, dass man die Autorin eigentlich nur fest in den Arm nehmen möchte.
Der Feminismus hat das Los eines engagierten Nachhilfelehrers gezogen, der seine Arbeit so gut erledigt, dass er seine Notwendigkeit abschafft. Jetzt windet sich der Feminismus und sucht sich panisch die Probleme, für die er doch so hübsche Lösungen hätte. Die Alternative zum senilen Birkenstock-Feminismus findet sich im Internet, der sogenannte Netzfeminismus, die etwas gestörte Tochter des traditionellen Feminismus. Sie leidet unter der Übermutter und kämpft verstörend inhaltsleer um Klicks und Unterstriche in der deutschen Sprache.
"Welt"-Redakteurin Ronja von Rönne
"Das stimmt überhaupt nicht!", mischt sich der Netzfeminismus ein. "Im Gegensatz zu meiner uncoolen Waldorfmutter bin ich total trendy und nerdy. Hashtag nerdy!" Die Sternchen am deutschen Netzfeminismushimmel sind junge Menschen, die Katzen-Memes, politische Korrektheit und "niedliche Dinge stricken" zu ihren Interessen zählen. "Hihi", kichert der Netzfeminismus, "wir sind voll ironisch!" Ich möchte lieber keine Feministin sein.
Inhalte hat der neue Feminismus abgeschüttelt, die Latzhosen in den Altkleidercontainer geworfen, sich einen Twitteraccount angeschafft. Frauenrechte sind zur Performance geworden, Entrüstung zu Hashtags. Deutsche Ableger der Femen zeigen Brüste, der Kampf um Aufmerksamkeit ist hart, wenn die Dringlichkeit nicht für sich spricht. Der Feminismus kämpft an allen Fronten, aber nicht mehr für Gerechtigkeit, sondern um Aufmerksamkeit. In der Zwischenzeit machen die Frauen, die sich um den Feminismus nicht scheren, Karriere. Das ist über einen Kamm geschoren, das ist subjektiv, das ist mein Eindruck. Das Bild vom bösen Chef, der seine Sekretärin lieber ein bisschen angrabbelt als befördert, erscheint mir fremd wie eine Welt, die ich nur aus Loriot-Sketchen kenne.
Wirtschaft ist nicht niedlich
"Aber guck mal, ich will doch nur, dass Männer und Frauen gleich viel verdienen", quengelt der Feminismus und schiebt die Oberlippe vor, "das ist doch voll wichtig!"
Mir ist das nicht wichtig. Mir ist wichtig, dass ich so viel verdiene, wie ich für angemessen halte. Wenn ich mich benachteiligt fühle, stelle ich direkte Forderungen und keinen Antrag auf eine_n Gleichstellungsbeauftragte_n. An die Stelle des Kampfes um Frauenrechte ist schon lange der Kampf des Individuums um sein Glück getreten, aber das wird nicht gerne gehört, das ist egoistisch und unromantisch, das Feindbild nicht klar und die Fronten diffus. Für sich selbst kämpfen macht keinen Spaß, man malt nicht gemeinsam Plakate, man retweetet sich nicht. Man kann dann keine "angry, white men" mehr für sein Versagen verantwortlich machen. "Laaangweilig!", ruft der Feminismus dazwischen.
Ich glaube, dass das Einkommen keine Frage des Geschlechts ist, sondern ob man sich Geschlechterklischees entsprechend verhält. Eine Frau, die ihren Puppenhaus-Traum vom eigenen Café wahr machen möchte und dabei an selbst gebackenen Karottenkuchen denkt, wird weniger verdienen als ein Mann, der sich vornimmt in der Gastronomie Karriere zu machen. Wirtschaft ist nicht niedlich.
"Aber es macht so Spaß, für etwas zu kämpfen!", ereifert sich der Netzfeminismus und verheddert sich in einer Onlinepetition mit dem Titel: "Einhorn-Gifs und Equal Pay!" Vielleicht gebärdet sich der deutsche Feminismus, ob kruder Emma-Text oder online, deswegen so seltsam, weil er weiß, dass er im Sterben liegt. Dass er nicht mehr richtig gebraucht wird. Dass es immer mehr eine Frage des Selbstbewusstseins und nicht des Geschlechts ist, eine Gehaltserhöhung zu fordern. Wir leben in einem Land, in dem der Einzelne für sich kämpft. Aufrechte Haltung hilft. Gendern nicht.
Der Feminismus bleibt im Flur stehen und beschwert sich, dass Frauen keine Türen offen stehen. Bis irgendwann eine Frau kommt, über den zeternden Flurfeminismus steigt und die Tür selbst aufmacht.
Nota. - Das ist doch nicht normal: Immer, wenn irgendwo eine Frau neu auf einen Posten kommt - zum Beispiel in der Berliner Akademie der Künste -, lege ich die Stirn in Falten und frage mich still: Quotenfrau? Und siehe: Da ist es nun, das frauenfeindliche Vorurteil! Vor vierzig Jahren, bevor der Feminismus das öffentliche Leben zu vergiften begann, wäre mir das im Traum nicht eingefallen. Heute fällt es mir im Wachen ein. Denn ein Vorurteil ist es gar nicht, sondern ein inzwischen millionenfach bestätigtes Nachurteil.
JE