Freitag, 29. Mai 2015

Jede Einsicht braucht ein bisschen Zeit.

aus Der Standard, Wien, 26.5. 2015

Testosteron kann die Kooperationsbereitschaft erhöhen
Das männliche Sexualhormon hat offenbar auch eine prosoziale Seite

Hamburg - Testosteron sei besser als sein Ruf, berichtet die Universität Hamburg. Hintergrund der Aussage: Forscher der Universität entdeckten [!], dass das gemeinhin eher mit erhöhter Aggressionsbereitschaft und Dominanzverhalten in Zusammenhang gebrachte männliche Sexualhormon auch prosoziales Verhalten fördern kann.


Das Forschungsteam um Luise Reimers testete 50 männliche Fußballfans, die am PC eine Variante des Gefangenendilemmas durchspielen mussten. Das Gefangenendilemma wird in der Verhaltensforschung angewendet, um Altruismus in Form von kooperativem Verhalten bzw. Egoismus zu erforschen. Bei dem Spiel wird untersucht, inwieweit die Spieler nur ihren eigenen Nutzen maximieren oder auch die Interessen anderer in ihre Entscheidungen mit einbeziehen und mit ihnen kooperieren.

Das Spiel
Die Fußballfans spielten das Gefangenendilemma auf zweierlei Weise: Zum einen sollten sie für sich selbst Punkte sammeln. Zum anderen gab es einen Wettbewerb, bei dem sie in der Gruppe gegen Fans der anderen Vereine spielen sollten und am Ende der Verein gewann, der als Gruppe die meisten Punkte hatte - die Teilnehmer mussten also zwischen persönlichem Gewinn und dem Erfolg ihrer Gruppe abwägen.
Die Testosteronkonzentration der Teilnehmer wurde anhand von Speichelproben gemessen, die am Morgen des Testtages abgegeben wurden. Und die Daten zeigten, dass Testosteron bei Männern den Verzicht auf persönliche Vorteile zum Wohle der eigenen Gruppe oder eine erhöhte Kooperationsbereitschaft gegenüber eigenen Gruppenmitgliedern fördert. Dies galt vor allem in Situationen, bei denen sie sich für die eigene Gruppe einsetzen und gegen andere behaupten mussten. (red.)
Link
Frontiers in Neuroscience: "Testosterone is associated with cooperation during intergroup competition by enhancing parochial altruism"


Nota. - Ja, lieber Leser, Sie und ich, wir wissen das längst. Aber ob Sie's glauben oder nicht: Es gibt noch immer Leute (Männer, meine ich), die mein Blog nicht verfolgen. Das wird sich aber auch noch ändern - jede Einsicht braucht ein bissel Zeit.
JE





Dienstag, 19. Mai 2015

Ganz starke Frauen.


aus beta.nzz.ch, 19.5.2015, 17:20 Uhr

Anthropologie in New York
Die Glamour-Mütter der Upper East Side
Feldforschung in der Nachbarschaft: Eine Anthropologin hat reiche Hausfrauen an der noblen Upper East Side in New York erforscht. Sie befragte über 100 von ihnen – und zog wenig erbauliche Schlüsse. 

Bevor Wednesday Martin im Jahr 2004 mit ihrer Familie aus dem New Yorker West Village an die noble Upper East Side zog, hatte sie sich mit fernen Völkern beschäftigt: Martin hatte Anthropologie studiert und wurde in Yale promoviert. Ihr Forschungsgegenstand waren unter anderem Stämme in Afrika oder im Amazonasgebiet. In der neuen Wohngegend entdeckte sie nun jedoch ein Völkchen, das ihr ebenso interessant erschien: Ehefrauen reicher Männer, die mit ihren Kindern zu Hause blieben.

Newsletter schreiben, Kuchenverkauf organisieren

In einem Beitrag für die «New York Times» schrieb Martin jüngst über diese «Glam Sahms», wie sie die Gattung nennt: «Glamourous Stay-at-Home-Moms» – glamouröse Hausmütterchen. «Mein Kulturschock war unmittelbar und nachhaltig», schrieb sie nach ihrer Entdeckung, und so beschloss sie, diese Frauen genauer zu untersuchen. Im Juni erscheint ihr Buch über diese «Primates of Park Avenue».

Martin traf diese «Glam Sahms» auf Spielplätzen, in Spielgruppen oder Kindergärten. Mit mehr als 100 habe sie gesprochen, schreibt sie, viele hätten einen Abschluss einer angesehenen Universität oder Business School. Was Martin überraschte, war, dass diese Frauen ihre beruflichen Möglichkeiten nicht ausschöpften; stattdessen schrieben sie Newsletter oder organisierten die Bücherei oder einen Kuchenverkauf. Ihre Ehemänner verdienten dagegen als Hedge-Fund-Manager Millionen.

Martin beobachtete den Alltag dieser Frauen: Intensiv widmeten sie sich ihren Kindern und dem Sport. In ihrer Freizeit verabredeten sie sich ohne Männer: zum Kaffee oder Mittagessen, zu Cocktail-Abenden oder zu Ausflügen mit dem Flugzeug, auf denen alle Frauen Kleidung in derselben Farbe trügen. Einige, schreibt Martin, hätten Ende des Jahres von ihren Ehemännern sogar einen Bonus von 10'000 Dollar erhalten, der sich an ihren Leistungen bemessen habe: an der Haushaltsführung oder den Schulleistungen der Kinder.

Zwar hätten es viele Frauen als Privileg und freie Entscheidung beschrieben, nicht zu arbeiten; Martin zog jedoch wenig erbauliche Schlüsse aus diesem partnerschaftlichen Arrangement – mithilfe der Anthropologie. Frauen der Hadza, einer Volksgruppe aus Tansania, oder der Agta auf den Philippinen gingen ebenso häufig wie die Männer zur Jagd, erklärte Martin, und dies wirke sich auch auf ihre Stellung in der Gesellschaft aus: «Frauen, die zum Wohl der Familie oder der Gruppe beitragen, haben im Vergleich zu Frauen anderer Gesellschaften, wo dies nicht der Fall ist, mehr Macht», schreibt Martin. «Wenn du keine Knollen und Wurzeln nach Hause bringst, schrumpft deine Macht in der Ehe und in der Welt.» Für Martin haben diese reichen Hausfrauen viel Ähnlichkeit mit einer Geliebten – abhängig und relativ machtlos. Für ihr Luxusleben zahlen die «Glam Sahms» offenbar einen hohen Preis.