aus Die Presse, Wien,
Wie klein ist der Unterschied?
Ein breiter Blick in die Gehirne von Männern und Frauen hat zwar einige Differenzen gefunden, aber keinen Sexualdimorphismus.
Männer haben größere Gehirne. Das steht fest, bietet allerdings keinen Grund zu Schlussfolgerungen: Männer sind generell größer, das ist ein biologischer Sexualdimorphismus, die Geschlechter haben auch sonst unstrittig unterschiedliche Körperformen. Nur wie es drinnen so ist, im Kopf, das ist durchaus strittig und wird bisweilen mit Glaubenseifer ausgefochten. Fest steht wieder, dass Männer eine bessere Orientierung im Raum haben, mit einer Ausnahme: Auf Märkten erinnern Frauen sich perfekt daran, wo sie das letzte Mal gut eingekauft haben. Das ist ein Erbe der Jäger und Sammler – Männer mussten von der Jagd nach Hause finden, Frauen mussten wissen, wann es wo was zu ernten gibt –, es ist also kulturell erklärbar. Anderes und Härteres ist es nicht: Männer leiden viel häufiger an Autismus, Frauen werden öfter von Alzheimer geschlagen (in vergleichbarem Alter): Es kann nur an biologischen Unterschieden liegen.
Aber wo die in den Gehirnen sitzen, ist rätselhaft, und die generelle Erkundung dieser biologischen Phänomene ist eben überlagert mit den sozialen Zuschreibungen von „Gender“. Zudem kann man Gehirne im Inneren nicht so leicht vermessen, es gibt zwar Studien, aber sie haben meist ein kleines Sample, weniger als hundert. Deshalb hat Stuart Ritchie (Edinburgh) sich bei der UK Biobank bedient, in der sind Langzeitdaten von 500.000 Menschen, von 5000 auch Magnetresonanzbilder der Gehirne: Männergehirne sind wieder größer, und wenn man um die Körpergröße korrigiert, bleiben manche es auch, etwa der Hippocampus, zuständig für Erinnerung und Orientierung, oder die Amygdala, zuständig für Erinnerung und Entscheidungen. Insgesamt 14 Areale sind bei Männern größer, 10 bei Frauen, die Differenzen sind jedoch so klein, dass Ritchie „keinen Sexualdimorphismus“ sieht (bioRxiv 4. 4.).
Den Männern fehlt etwas
Etwas anderes hat er gesehen: In männlichen Gehirnen ist die Bandbreite der Größe der Areale viel weiter, das passt zu dem älteren Befund, dass die Intelligenz innerhalb der Männer unterschiedlicher verteilt ist: Es liegt vermutlich am X-Chromosom: Hat ein dortiges Gen Probleme, kann bei Frauen das vom anderen X einspringen. Aber Männer haben nur ein X. (jl)
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