Freitag, 14. Dezember 2018

Werden Männer nicht depressiv?

Munch, Melancholie
aus welt.de, 14. 12. 2018

„Depressionen werden bei Männern systematisch unterdiagnostiziert“

 

Manche Stereotypen halten sich hartnäckig: Demnach neigen insbesondere Frauen zu Depressionen. Ein Irrglaube – dies zeigt auch die dreimal höhere Suizidrate bei Männern. Es gibt einen Grund, warum sie durch das Diagnoseraster fallen.

Mark Hogencamp liegt schreiend auf dem Boden. „Wir müssen in Deckung gehen, wir müssen in Deckung gehen!“, ruft er panisch. Sein Gesicht ist vor Angst verzerrt, die Augen sind zugekniffen. Hogencamp leidet an Angstattacken. Er bildet sich ein, animierte Barbiepuppen zu sehen. Sie prügeln auf ihn ein, sehen aus wie Nazis. Fünf weitere Barbiepuppen erscheinen, weiblich und auf Stöckelschuhen. Mit Maschinengewehren erschießen sie die Angreifer, retten Hogencamp.

Die Szenen stammen aus dem Trailer zum Film „Willkommen in Marwen“, der Anfang 2019 ins Kino kommt. Steve Carell spielt die Hauptrolle, die Geschichte des Films ist wahr. Nach einem Barbesuch im April 2000 wird der Maler Mark Hogencamp verprügelt und erkrankt an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Als seine Versicherung die nötige Therapie nicht mehr bezahlt, flüchtet er sich in eine Fantasiewelt: das belgische Miniaturdorf Marwencol, das er in seinem Garten aufbaut. Dort durchlebt er die traumatische Erfahrung wieder und wieder und versucht, sie zu bewältigen.

Ein Mann, der an einer psychischen Störung leidet, und weibliche Helden – das ist in Mainstream-Medien ein ungewohntes Bild. Denn entsprechend dem Stereotyp sind Frauen ängstlich, schwach und traurig, Männer hingegen stark und belastbar.

Statistiken über Depressionen bei Männern und Frauen scheinen das auf den ersten Blick zu bestätigen. Es gibt eine deutliche „Gender Depression Gap“, eine Schere, die besagt, dass zwei- bis dreimal so viele Frauen wie Männer die Diagnose Depression erhalten. Doch es gibt noch eine andere Zahl: Etwa dreimal so viele Männer im Vergleich zu Frauen begehen Selbstmord. Wie passt das zusammen?

Dass Männer ein geringeres Depressionsrisiko haben, schließt Anne Maria Möller-Leimkühler, Sozialwissenschaftlerin an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie München, aus: „Es gibt keine Daten, die das biologisch oder psychologisch belegen können. Vielmehr handelt es sich um eine systematische Unterdiagnostik bei Männern“, erklärt sie. Depressionen seien keine Frauenkrankheit. Ein Faktor sei, dass Männer noch immer seltener zum Arzt gehen – trotz Aktionen wie dem „Movember“, bei der für einen Monat lang Schnurrbart-Tragen angesagt ist. Das Ziel der Bewegung: auf Themen der Männergesundheit aufmerksam machen.

Zum anderen gebe es bei der Depressionsdiagnose einen „Genderbias“, also eine Verzerrung der Wahrnehmung durch Geschlechtervorurteile: „Die Depressionsforschung wurde hauptsächlich anhand von weiblichen Probanden durchgeführt.“ Die so entstandenen Diagnosefragebögen sind eigentlich nicht auf Männer übertragbar. Denn: Häufiges Weinen und Grübeln, Selbstzweifel, Angstzustände – Symptome wie diese geben sie selten an, oft aus Scham, weil derartige Gefühle als typisch weiblich gelten. Trotz Erkrankung fallen also viele Männer durch das Diagnoseraster.
 
Suizidalität hingegen ist ein Anzeichen, das bei beiden Geschlechtern auf eine Depression hinweist. Die Rate ist bei Männern jedoch dreimal so hoch wie bei Frauen. „Der Suizidversuch bei Frauen ist ein Hilfeschrei, Männer setzen ihr Vorhaben dagegen mit härteren Methoden gezielt um. Sie haben eine deutlich stärkere Selbsttötungsabsicht, denn wenn ihnen selbst das nicht gelingt, wäre es ja peinlich“, sagt Möller-Leimkühler.


Nota. - Es berichtet eine Frau über die Forschungen einer Frau. Na so ein Zufall.
JE

Montag, 10. Dezember 2018

Kompetenz wirkt männlich.

  aus spektrum.de, 10.12.2018 

Kompetenz sieht männlich aus
Personen mit maskulineren Zügen schätzen wir offenbar auf den ersten Blick auch als fähiger ein.

von Daniela Zeibig  

Wenn wir anhand der äußeren Erscheinung die Fähigkeiten einer Person einschätzen sollen, dann gehen Kompetenz und Maskulinität offenbar Hand in Hand. Darauf deutet zumindest eine Untersuchung hin, die Forscher um DongWon Oh von der Princeton University im Fachmagazin »Psychological Science« veröffentlichten.

Die Wissenschaftler legten Versuchsteilnehmern zunächst in mehreren Experimenten Bilder von verschiedenen Gesichtern vor und baten sie darum, einzuschätzen, wie fähig die abgebildeten Personen auf den ersten Blick aussahen. Anhand der Ergebnisse entwickelten sie dann ein Modell, dass ihnen erlaubte, Fotos am Computer so zu manipulieren, dass die darauf gezeigten Menschen mal mehr, mal weniger kompetent erschienen. Diese Aufnahmen präsentierten DongWon Oh und Kollegen dann neuen Probanden. Dieses Mal ging es unter anderem darum, die Maskulinität der abgebildeten Personen zu beurteilen. Dabei entdeckten die Forscher, dass Gesichter, die so manipuliert waren, dass sie besonders kompetent aussahen, von den Versuchspersonen auch als besonders männlich eingeschätzt wurden. Zudem attestierte man den Gezeigten auch mehr Selbstvertrauen. Auch in einem Onlineexperiment betrachteten Probanden die auf Kompetenz geeichten Gesichter als eher maskulin, während die inkompetent wirkenden als femininer eingestuft wurden. Wie attraktiv die abgebildeten Personen waren, spielte dabei keine Rolle.

In einem abschließenden Versuch veränderten die Wissenschaftler schließlich männliche und weibliche Gesichter so, dass sie mal maskuliner und mal femininer wirkten. Männer sahen die Versuchspersonen dabei als umso kompetenter an, je maskuliner sie dargestellt waren. Bei den weiblichen Gesichtern galt dieser Zusammenhang ebenfalls – allerdings nur bis zu einem gewissen Punkt: Die maskulinsten Frauengesichter wurden am Ende schließlich wieder als weniger kompetent eingestuft.

»Unsere Forschung zeigt den verhängnisvollen Gender-Bias auf, der mit unserer Wahrnehmung anderer verknüpft ist«, so DongWon Oh. »Menschen mit einem maskulinen Aussehen schätzen wir als kompetent ein – und das kann unsere Führungsentscheidungen beeinflussen.« Die Ergebnisse der Wissenschaftler reihen sich damit in eine wachsende Anzahl von Studien ein, die zeigen, dass Führungsqualitäten heutzutage nach wie vor in erster Linie mit typisch männlichen Eigenschaften assoziiert werden. Doch leider sei eine kompetente Ausstrahlung eben nicht immer auch ein Hinweis auf tatsächlich vorhandene Kompetenz, sagt DongWon Oh. Die Forscher wollen deshalb als nächstes ergründen, wie sich der Effekt eventuell abmildern lässt.