aus Der Standard, Wien, 1. 2. 2016
In Österreich findet in diesem Jahr ("heuer") die erste landesweit zentrale Abiturprüfung statt. Dazu schreibt Lisa Nimmervoll unter der Überschrift Mädchen bei Zentralmatura in Englisch unerwartet schlecht im Wiener Standard unter anderm:
Geschlechterunterschiede: Besonders überraschend sind die erheblichen und österreichweit durchgehenden Unterschiede in den negativen Ergebnissen zuungunsten der Mädchen beim ersten schriftlichen Maturahaupttermin: 60 Prozent mehr Fünfer für Mädchen (6,9 Prozent) als für Buben (4,3 Prozent). Das ist insofern sehr ungewöhnlich, als "in jeder Studie der westlichen Welt über Englischtests der Schülerinnen und Schüler die Mädchen durchweg besser abschneiden", sagt Haider, bei den Bildungsstandards 2013 in der achten Klasse sogar deutlich besser.
In Vorarlberg, wo übrigens der Gendereffekt im Ländervergleich immer am größten ist, scheiterten gleich dreimal so viele Mädchen wie Buben schriftlich in Englisch. Und bei der schriftlichen Matura ist plötzlich alles anders? Wie das? Haider nennt zwei Erklärungen: "Entweder es liegt am Instrument Matura, also an der Methode und den Inhalten der Fragestellungen, oder aber es resultiert aus dem Schulsystem oder der Didaktik. Das muss man sich anschauen." Da dieser Effekt in allen Bundesländern und Schulformen auftritt, sei aber sehr wahrscheinlich, "dass Merkmale der Prüfung selbst diesen Geschlechtereffekt mit hervorrufen", sagt Haider.
Riesiger Gender-Effekt
In Mathematik wiederum, dem Fach mit den bei weitem schlechtesten Ergebnissen, zeigt sich das, was auch sonstige Studien zeigen: Die Mädchen (12,6 Prozent) schneiden schlechter ab als die Buben (7,6 Prozent) und erzielten um zwei Drittel mehr negative Abschlüsse beim schriftlichen Termin
Muster bekannt, macht es aber nicht besser, kritisiert der Bildungsforscher: "In Mathematik nimmt man den riesigen Gendereffekt offensichtlich quasi als naturgegeben hin. Das ist er natürlich nicht, sondern eher ein Produkt des Schulsystems und seines Unterrichts." Hier sei eine inhaltliche Analyse der Aufgaben im Hinblick auf den Geschlechter-Bias nötig, zumal das Ausmaß der Differenz bei der Zentralmatura überrasche – insbesondere, wenn man den Notenvergleich in den letzten Klassen ins Treffen führe. "Gute Noten im Zeugnis und dann bei der schriftlichen Matura schlecht abschneiden?", fragt Haider.
Ein ähnliches Phänomen gab es beim Aufnahmetest an den Medizin-Unis, bei dem Mädchen auch schlechter abschnitten, obwohl sie bessere Schulnoten hatten als die Buben.
Nota. - Mädchen sind schlechter? 'Das kann nur am System liegen, sicher nicht an den Mädchen.' Das stimmt wahr-scheinlich. Doch ist die österreichische Zentralmatura erst ein paar Tage alt. Als weiland die Meldung die Runde machte, Jungen seien schlechtere Schüler als Mädchen, dauerte es viele Jahre, bis die entsprechende Erkenntnis die Runde machte; und mancherorts ist sie bis heute nicht angekommen.
JE
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