aus Die Presse, Wien, 8. 9. 2015
Wer lang läuft, der hat Glück bei den Frau'n!
Die Ausdauer auf der Langstrecke mag ein von der Evolution selektiertes Signal für gute Gene der Männer sein: Als Jäger und Sammler brauchten sie Zähigkeit auf der Jagd. Die signalisierte damals auch andere Qualitäten, und heute tut sie es noch, beim Marathon.
Von Jürgen Langenbach
Kann man Marathonläufern beim Start schon ansehen, wer am Ende die Nase vorn haben wird? Na ja, die Männer werden schneller am Ziel sein, und wer unter ihnen in der Spitzengruppe sein wird, das verraten die Hände: Je länger der Ringfinger im Vergleich mit dem Zeigefinger, desto besser sind die Chancen. Danny Longman (Cambridge) hat es beim Robin-Hood-Halbmarathon in Nottingham erhoben: Die zehn Prozent Männer mit den relativ längsten Ringfingern waren 24 Minuten und 33 Sekunden rascher als die zehn Prozent mit den relativ kürzesten; bei den Frauen zeigte sich der Effekt auch, allerdings schwächer (PeerJ 8. 4.).
Und was haben nun die Finger mit dem Laufen zu tun? Finger zeigen, in wie viel Testosteron ein Mensch ganz früh gebettet war, im Uterus der Mutter. Das männliche Sexualhormon steuert auch die Entwicklung der Knochen mit und sorgt dafür dass das Verhältnis von Zeige- zu Ringfinger – 2D:4D-Ratio, das D steht für digit (Finger) – bei Frauen höher ist, bei ihnen sind die Zeigefinger relativ länger, im Schnitt natürlich.
Beute stundenlang zu Tode hetzen
Bei Männern sind es die Ringfinger, und bei besonders männlichen Männern ist die 2D:4D-Ratio am geringsten. Und die korreliert eben auch mit der Ausdauer beim Laufen, hinter diesem Phänomen war Longman her: Er vermutete, dass in der langen Epoche, in der die ganze Menschheit jagte und sammelte, von der Evolution auch auf ausdauerndes Laufen selektiert wurde. Das war bei Jägern und Sammlern Männersache, sie schweiften herum, zum einen auf der Suche nach Aas – dabei hatten sie ebenfalls zähe Konkurrenten: Hyänen –, zum anderen jagten sie, zunächst mit bloßen Händen. Das tun manche in der Kalahari und in Mexiko heute noch, und zwar in der größten Mittagshitze: Dann verfolgen sie stundenlang und über viele Kilometer Beute, Gazellen etwa.
Das taten sie wohl auch dort, wo die Menschheit groß wurde und wo heute noch die besten Langstreckler herkommen: in bzw. aus den Savannen Ostafrikas. Natürlich sind Gazellen auf kurze Strecken rascher, aber die Jäger laufen ihnen einfach hinterher, ihnen macht die Hitze weniger, sie schwitzen, Tiere können es nicht, sie brechen irgendwann an Überhitzung zusammen.
Dann kommen Erfolgreiche mit ihrer Beute zurück, und die Frauen lassen ihre Blicke über sie schweifen. Vielleicht entscheiden sie sich bei ihrer Sexualwahl für den, der am meisten anschleppt: Er könnte eine Familie versorgen. Aber so ist es vermutlich nicht: Bei heutigen Jägern und Sammlern wird geteilt, was einer erjagt hat.
Also wählen die Frauen wohl nicht nach dem Erfolg der Jagd, sondern danach, wie lang einer ein Tier zu Tode laufen kann. Darin zeigen sich auch Kraft und Intelligenz – man muss Beute erst aufspüren und dann nicht aus den Augen verlieren –, und wenn etwas erbeutet ist, wird es eben an alle verteilt, darin zeigt sich Großzügigkeit. „All das sind Eigenschaften, die Frauen gern auch bei ihren Kindern sehen“, schließt Longman.
Sind Männer deshalb heute noch beim Marathon vorn? Frauen haben in allen Laufdisziplinen so stark aufgeholt, dass schon für Jahr 2000 beim Marathon das Gleichziehen erwartet wurde. Es kam nicht, und Longman ist sicher, dass es auch nie kommen wird.
Nota. - Beim Menschen ist der Geschlechtsdimorphismus, der Gestaltunterschied zwischen Männern und Frauen, im Vergleich zu den Tieren sehr gering ausgeprägt. Er betrifft - außer der absoluten Körpergröße - eigentlich nur drei Punkte: Breite der Schultern, Breite und Form des Beckens, Länge de Oberschenkelknochens (Femur). Alle drei spielen jedoch eine ausgezeichnete Rolle bei der Fortbewegungsmechanik auf zwei Beinen!
siehe hierzu:
P.S. Übrigens ist das Laufen wohl das einzige, wobei Männer den Frauen an Ausdauer überlegen sind. Ansonsten bevorzugt der männliche Organismus eher einen häufigen Wechsel zwischen starken Anstrengungen und Ruhepausen; wobei er auf die Anstrengungen auch gern mal verzichtet.
JE
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen