Donnerstag, 25. Dezember 2014

Ganz anders.

 Apoll mit Kithara

Ich mag das Wort Maskulist nicht.
Es klingt nicht gut – sk und st so kurz nacheinander sticht im Ohr.
Aber das wär kein Grund, Streit anzuzetteln. Wenn der Begriff stimmt, wird das Wort seinen Lauf nehmen, egal, wie’s klingt.

Doch der Begriff stimmt eben nicht, und das ist schon eine ernstere Sache.

1. Lat. masculus ist ein Diminutiv (Verkleinerungsform) von lat. mas= Mann, Knabe, und bedeutet Männchen* – in demselben Sinne wie im Deutschen, nämlich lediglich das biologisch maskuline Exemplar einer Gattung. Pudel egal welcher Farbe sind auch Männchen; sogar in einem mehr als bloß biologischen Sinn.

Es geht ja nicht um den 'kleinen' Unterscheid, sondern gerade darum, dass er – kulturell, mental und im Temperament – viel größer ist, als frau denkt (sofern das Wort überhaupt am Platze ist). Es geht überhaupt nicht um die Biologie. Das Biologische ist ja gar kein 'Wert'. Werte sind Kulturgeschöpfe. Dass einer biologisch dieses oder jenes ist – Hautfarbe, Haarfarbe, krumme oder grade Beine, ob er schielt oder stottert oder sonst eine Eigenart aufweist – mag für die Zuchtwahl von Belang sein. Kulturell und politisch ist es wurscht. Wenn Männ- lichkeit nur das wäre, könnte man sie getrost der biologischen Evolution über- lassen, die wird schon fürs Rechte sorgen

2. Der Name, den wir uns zulegen, soll ja irgendwie eine Tendenz angeben, eine Richtung, in die die Dinge sich wenden sollen, ein 'Programm' sozusagen. Ungut ist dann vor allem ein Name, den mann und frau so interpretieren kann, dass alles zum Status quo ante zurückkehren soll.

Na gut – frau wird das sowieso so hindrehen, egal, wie schlau wir unsern Namen wählen. Daran ist also nichts gelegen. Viel ärgerlicher und direkt schädigend ist aber, dass er auch von Männern so aufgefasst werden kann. Die 'Restauration des traditionellen Männer- bildes' ist nicht darum kein berechtigter Zweck einer pp. Männerbewegung, weil so den Frauen – "wieder" – ein partiarchalisches Unrecht geschähe. Sondern weil es das Männer- bild ist, das uns seit zehntausend Jahren das Weib souffliert, suggeriert und regelrecht an- dressiert hat: durch die erwähnte Zuchtwahl nämlich. Es hat sich im Lauf der Geschichte die Sorte Mann am besten vermehren können, die den Erwartungen des Weibes am mei- sten entsprochen hat.

Und eben nicht der Mann, 'wie er ist'. Mann darf dem Feminismus ja ruhig das Verdienst zurechnen, dass er, auf seine verquere Art, das Thema überhaupt zur Sprache gebracht hat. Zeigen wir uns erkenntlich, indem wir es mit der Sprache etwas genauer nehmen. Dass wir es mit der Freisetzung der spezi- fisch männlichen Eigenarten ernst meinen, sollte schon in unserm Losungswort zu erkennen sein. Denn wenn nicht, können wir uns hinterher mit Erläuterungen und Zusätzen den Mund fusslig reden – es wird doch immer wieder alles aufs bewährte Alte hinauslaufen und nicht auf das Neue, um das es uns nach vierzig Jahren Feminismus endlich auch gehen darf.

3. Doch wenn nicht Maskulist, was dann? 'Viristisch' wurde vorgeschlagen, und vorschnell hatte ich mich dem auch ange- schlossen. Lat. vir ist ebenfalls 'der Mann', und zwar viel geläufiger als der schon in klassischer Zeit außer Gebrauch gera- tene mas. Er ist auch im Deutschen durch das Adjektiv viril nicht ganz unbekannt, kaum unbekannter als seinerzeit feminin: Auch 'Feminismus' war 1968 ein neues Wort; jedenfalls ein lange vergessenes.

Und vir hat den Vorteil, dass von ihm die virtus abgeleitet ist, die Tugend, die eben ursprünglich 'Mannhaftigkeit' bedeutet hat. Übrigens auch virtuell! Was im Computerzeitalter nicht nur up to date ist, sondern auch anklingen lässt, dass es dem Mann, anders als dem Weib, nicht nur um das geht, was nun mal ist, sondern auch schon um das, was sein könnte.

Doch hat auch dieses Wort ein kapitales Gebrechen. Es bezeichnet das Ethos einer gladiatorenNation von Krämern und Dieben. Deren Mannhaftigkeit bewährte sich gerademal im Erobern und Ausplündern fremder Länder. Gibt es römische Philosophen, Dichter, Bildhauer? Das bisschen, was sie auf den Gebieten fertigbrachten, haben sie den Griechen nachgeäfft. Ästhe- tik, Kunst und alles Geistige – das alles kam dem römischen Mann nicht so be- deutend vor, dass er es zu seiner virtus gerechnet hätte – und heute im vir durch- klingen könnte.

4. Es ist aber das, was eine zeitgenössische Ermannungsbewegung zu charakteri- sieren hätte.

Und da ich schon mal dabei bin: Für den griechischen Mann war es sehr wohl charakteristisch. Ihre männlichen Helden haben sie in und um Troja reichlich auch besessen. Doch woran erkennt man unter den griechischen Statuen Apoll, den männlich- sten ihrer Götter? An der Lyra, die er wie kein Sterblicher zu schlagen wusste – nicht einmal Orpheus, der mindestens so prominent ist wie Achill (und der hat von seinem Lehrer, dem Zentauren Cheiron, als erstes auch das Leierspiel gelernt).

Der Mann heißt auf Griechisch ánêr, die Ableitungen müssten an die Genetivform andròs an- knüpfen.

Andrisch, Andrismus? Kein Mensch versteht das (von ein paar Andrologen und ihren beklagens- werten Patienten abgesehen). Aber ein altes Wort für eine neue Bewegung würde ja gar nicht pas- sen! Das müssen wir doch gerade wollen: dass mann und frau uns fragen muss: Was soll denn das bedeuten?!

Doch das gewichtigste Argument ist dieses: Es klingt anders. Die Bewegung der Andren na, wenn das kein Fund ist!

wie - anders?

*) musculus heißt Mäuschen.


2 Kommentare:

  1. Andrismus ist gar nicht mal so schlecht. Zumal mein Vorname Andreas ist. Dann wäre mein Name Programm! :)

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    1. Andreas heißt der Männliche. Mich wundert, dass er immer noch zugelassen ist.

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