Montag, 24. November 2014

Der Name des Vaters und die Rechte der Kinder.

aus nzz.ch, 24.11.2014, 12:07 Uhr

Kinder können Familiennamen einfacher wechseln 

Will ein Scheidungskind seinen Familiennamen ändern, ist dies einfacher möglich als bis anhin. Das sagt das Bundesgericht und nimmt damit eine Klarstellung zum neuen Namensrecht vor. Seit Anfang 2013 gilt in der Schweiz ein neues Namensrecht, das nicht nur die überfällige Gleichstellung von Frau und Mann beim Familiennamen gebracht hat, sondern auch weitere Neuerungen vorsieht – so etwa beim Namenswechsel von Kindern. 

Das Bundesgericht hat nun erstmals präzisiert, unter welchen Voraussetzungen einem minderjährigen Kind ein Namenswechsel künftig zu bewilligen ist. Anlass bildete die Beschwerde eines geschiedenen Vaters. Dieser sträubte sich dagegen, dass seine 12-jährige Tochter gemäss Entscheid der Thurgauer Justiz seinen Familiennamen ablegen und jenen der Mutter annehmen durfte; die Frau trägt seit der Scheidung wieder ihren Ledigennamen und hat das alleinige Sorgerecht für das Kind. 

Das Mädchen sei erst mit 18 Jahren reif genug, um über den eigenen Namen zu entscheiden, argumentierte der Vater. Das Bundesgericht teilt diese Auffassung nicht. Entscheidend für die Namensänderung sei nicht die Volljährigkeit, sondern die Urteilsfähigkeit. Ein 12-jähriges Kind gelte gemäss Gesetz in dieser Beziehung grundsätzlich als urteilsfähig und könne das Recht auf Namensänderung selbständig ausüben; laut höchstrichterlichem Urteil ergibt sich das in Analogie zu einer anderen Bestimmung des Zivilgesetzbuches, laut der über 12-jährige Kinder unverheirateter Eltern einer Änderung ihres Familiennamens zustimmen müssen. 

Das Bundesgericht macht zudem klar, dass das neue Recht die Hürden für einen Namenswechsel gesenkt hat. So verlangt das Gesetz dafür nicht mehr «wichtige», sondern nur noch «achtenswerte Gründe». Die Lausanner Richter rücken deshalb von ihrer bisherigen zurückhaltenden Praxis ab, wonach der Wunsch des Kindes, so zu heissen wie die Mutter, für einen Namenswechsel nicht genügte. Neu soll bereits das nachgewiesene Bedürfnis des Kindes, den Familiennamen jenes Elternteils zu tragen, der die elterliche Sorge innehat, grundsätzlich als «achtenswerter Grund» gelten. 

Allerdings müssten die Umstände des Einzelfalles sorgfältig abgeklärt werden, da die Namensänderung eine weitere Trennung vom anderen Elternteil bewirken könne, heisst es im Urteil. Im vorliegenden Fall sieht das Bundesgericht die Voraussetzungen als erfüllt. Das Mädchen, dessen Eltern sich kurz nach seiner Geburt getrennt hatten, lebt seit je bei der Mutter und führt im Alltag und in der Schule deren Namen. – Nicht immer dürften die Gesuche um Namenswechsel so klar zu beurteilen sein. Wie sich die Rechtsprechung zum Namensrecht entwickeln wird in jenen Fällen, in denen das Kind nicht bei einem Elternteil allein aufwächst, sondern in denen sich Mutter und Vater Betreuung und Sorgerecht teilen, muss sich erst noch weisen.

Urteil 5A_334/2014 vom 23. 10. 14 – BGE-Publikation.

Nota. -  Das wäre erstens rückhaltlos zu begrüßen, wenn die schweizer Gerichte fortan dieselbe (unsexistische) Sorgsam- keit gegenüber dem Kindeswohl walten ließen, wenn es um die Erteilung der Sorgerechts geht: Bei wem ist das Kind besser aufgehoben? 

Und wäre zweitens rechtlich unproblematisch, wenn auch sonst dem Willen eines zwölfjährigen Kindes die gebührende Achtung geschähe. Dass Kindern im Sexualstrafrecht ein "wirksames Einverständnis" generell bestritten wird, hat rechts- pragmatisch gute Gründe, weil anders die Richter grundsätzlich überfordert wären. Aber der rechtlichen Stellung der Kinder in der Gesellschaft tut es nachhaltigen Abbruch. Demgegenüber wirken Gerichtsentscheidungen wie die hier zitierte wie ein Heftpflaster auf einem gebrochenen Schienbein.
JE

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