Was Männer wollen
Seit über zwei Jahrzehnten kämpfen Männer in der Schweiz für väterfreundlichere Familienmodelle. Aus den ungestümen Gründergruppen ist eine ernstzunehmende Bewegung entstanden.
von Seraina Kobler
Dieser Tage kommt man im Internet kaum an den Vätern vorbei. Mit der Kampagne«I love Papi-Zeit»machen sie pünktlich zum Vatertag diesen Sonntag auf ihre Anliegen aufmerksam. Mit zahlreichen Bildern von sich mit Kind, abgerundet von persönlichen Statements wie «Papi ist genauso gut wie Mami», weibeln sie für einen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub. Die dazugehörige Online-Plattform ist ein Projekt von Travail.Suisse in Zusammenarbeit mit Männer.ch, Operation Libero, Avanti Papi und Pro Familia. Die Zusammensetzung zeigt, wie sich die Männerorganisationen in den letzten Jahren mit den mehrheitlich weiblich dominierten Familienorganisationen arrangiert haben. Das war nicht immer so.
Mehr als nur «Zahlvater»
Zwar hat die Schweiz seit über dreissig Jahren einen Gleichstellungsartikel, doch dient die dazugehörige Politik eher den Frauen zu. Dabei verschlechterten sich die Lebensbedingungen von Männern und Buben signifikant, schrieb der Schweizer Soziologe Walter Hollstein schon vor fast zehn Jahren. In Erziehung, Bildung und Gesundheit würden Männer und Knaben klar benachteiligt. Die Schweizer Gleichstellungspolitik interessiert dies wenig. Noch grösser sind die Ungleichheiten im Familienrecht. Zwar ist die Gesetzgebung in den letzten Jahren väterfreundlicher geworden, an den Gerichten wird aber nach wie vor mutterzentriert geurteilt. Am stärksten trifft dies Väter, die sich stark in der Familie engagiert haben. Bei einer Trennung werden sie oft von einer alltäglichen Bezugsperson zum «Zahlvater» degradiert.
Nicht zu Unrecht bezeichnet der St. Galler Philosophieprofessor Dieter Thomä sie deshalb als «tragische Helden der Moderne» . Während die Frauen in der Arbeitswelt zusehends gleiche Bedingungen vorfinden, gibt es für die Männer im Gegenzug in Familienfragen noch viel zu tun. Seit zehn Jahren leistet die Organisation Männer.ch, welche Ende Monat ihr Jubiläum feiert, Pionierarbeit. Der Dachverband der Schweizer Männer- und Väterorganisationen eint 25 Mitglieder. Deren Forderungen wurden zu Beginn, wie bei der Gründung des Luzerner «Mannebüros» vor zwanzig Jahren, als «Rache frustrierter Scheidungsopfer» abgetan. Die Emanzipation war damals in aller Munde, und die noch schwache Stimme der sich formierenden Männerrechtler wurde nur leise vernommen. In den letzten Jahren erzielten die Lobbyisten des starken Geschlechtes dann beachtliche politische Erfolge.
Neuorganisation der Familie
Die parlamentarische Weichenstellung für gemeinsame Elternschaft und egalitäre Betreuungsmodelle verbucht der Dachverband Männer.ch in seiner Bestandesaufnahme zum Jubiläum als den grössten Sieg. Erreicht mit 1700 Pflastersteinen, welche erzürnte Väter an die Bundesrätin Simonetta Sommaruga schickten. Diese baute damit einen Spielplatz und trieb das gemeinsame Sorgerecht voran, welches seit letztem Jahr in Kraft ist. Wichtig sei es aber auch, den Hebel anzusetzen, bevor es zu einer Trennung komme. Um die familiäre Aufgabenteilung zu vereinfachen, wurde deshalb vor vier Jahren die Kampagne «der Teilzeitmann» lanciert. Für den Wandel von der Mutter- zur Elternschaft sei eine echte Väterzeit nötig. Dafür brachten die Männerorganisationen vor vier Jahren ein überparteiliches Komitee an einen Tisch. Heute sind zu diesem Thema gleich mehrere Vorstösse im Parlament hängig – und ein «Liebessturm» im Netz.
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